Putschversuch in der Türkei?

  • Interessant ist doch der Fakt, dass (sofern die Zahlen stimmen) "nur" 1'600 Putschisten festgenommen wurden, aber 3'000 Richter (Warum eigentlich Richter? Was haben die damit zu tun?).
    Und: Wie viele Richter gibt es eigentlich in TUR?


    Jetzt ist genaues Hinsehen und verfolgen der Tatsachen gefragt.

  • Zitat von T-72;280333

    Eine Inszenierung wäre natürlich denkbar, aber es hat ja schon länger in der Armee rumort. Ich halte es für gut möglich, dass man von den Putschbestrebungen wusste und die Gruppe einfach mal gewähren lies. Auf diese Art haben sich alle bisher unbekannten politischen Gegner in der Armee selbst zu erkennen gegeben und können jetzt ausgeschaltet werden. Zudem liefert der Putsch die perfekte Gelegenheit die bereits länger bekannten Gegner gleich mit abzuservieren. Wie auch immer, Erdogan kann jetzt seine Macht weiter ausbauen und ich fürchte das wird die Region weiter destabilisieren.


    Ich sehe es auch so, er hat die Gunst der Stunde genutzt. Aber er wusste was kommen würde sonst hätte er nicht in weniger als 24 Stunden eine Liste von 3'000 aus zu tauschenden Richter gehabt.


    Nachdem dieser lupenreiner Demokrat Europa mit Flüchtlingen überschwemmt hat und so Merkel als Spielball benutzen konnte (sie lässt sich das ja auch gerne gefallen) macht er sich jetzt daran zu lebenslange Diktator zu werden.

  • Diese Säuberungslisten des "Irren vom Bosperus" müssen schon lange vorher existiert haben, so schnell würde man ein Aussortieren nach Freund und Feind im Beamten- und Militärstadel nicht schaffen. Für mich entweder eine insgesamt geplante Aktion um den paranoiden osmanischen Alleinherrscher zu erschaffen oder man hat zumindest die Gunst der Stunde genutzt um jetzt ein qasi Einparteien-System zu implementieren.


    Was "uns" bleibt ist den Despoten da zu packen wo es ihn am Meisten trifft und das ist beim Geld. Also keinen Urlaub in der Türkei machen, denn ohne Zufluss von westlichen Währungen in das Land über den Tourismus bricht schon mal eine nicht unerhebliche Einnahmequelle für harte Währungen weg. Beim Einkauf noch gezielter drauf achten auf Produkte des Landes zu verzichten (z.B. Grosse Industrie für Haushaltsgrossgeräte) etc. und somit mit den Füssen abstimmen. Fehlt das Geld und kann das Volk nicht über eine gute Wirtschaftslage gekauft werden, dann bricht auch die Illusion eines Osmanischen Reiches 2.0 unter islam(ist)ischer Prägung in sich zusammen. Und natürlich gegen die Visafreiheit für die Türken protestieren wo sich die Gelegenheit bietet.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Ich finde die Reaktionen der Bewohner in Istanbul viel interessanter als die Politischen oder militärischen Spekulationen.
    Laut Berichterstattung des OE3 in Österreich, hab die Einwohner nach bekannt werden des Putsches, Lebensmittelgeschäfte geplündert und die Bankomaten überrannt. Da war der Putsch vielleicht 3 -4 Std bekannt.
    Daraus sollten wir Prepper lehren ziehen.
    Wie man sich zu Beginn einer Krise verhält, was wirklich wichtig ist um die ersten Stunden einer Krise gesund zu überstehen.

  • Zitat von Bärti;280368

    ... Fehlt das Geld und kann das Volk nicht über eine gute Wirtschaftslage gekauft werden, dann bricht auch die Illusion eines Osmanischen Reiches 2.0 unter islam(ist)ischer Prägung in sich zusammen. Und natürlich gegen die Visafreiheit für die Türken protestieren wo sich die Gelegenheit bietet.


    Moin Bärti,


    da möchte ich Dir widersprechen:


    fehlt das Geld, wird es natürlich ungleich schwieriger, das Volk satt und befriedet zu halten - da gebe ich Dir vollumfänglich Recht. Allerdings wird das IMVHO nicht dazu führen, dass eine Erdoganokratie in sich zusammen bricht, sondern eher noch stärkerer Propaganda eine Bühne bieten. Denn jetzt ist es natürlich nicht nur der böse Westen, der sich in innere Angelegenheiten des souveränen Osmanischen Reiches mischt und die Visafreiheit verweigert, nein, die bösen "Anderen" lassen jetzt auch noch die Wirtschaft und den Tourismus verhungern ...


    In der Ursache sehe ich uns einig, in der Wirkung bin ich pessimistischer!


    Be prepared!


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Hi ksbulli,


    das sehe ich etwas anders. Erdowahn hat seine Position heute erst durch starkes Wirtschaftswachstum erreichen können. Der Tipping-Point das die Türkei schon so weit islamisiert ist das nur auf Grund der Religion die Menschen auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten hinter dem Diktor stehen sehe ich (noch) nicht. Das wird in 5 bis 10 Jahren der Fall sein, aber noch besteht die Chance das Land über die Wirtschaft von aussen zu ändern bzw dem Land eine neue Richtung zu geben. Menschen sind in dem Stadium in dem sich die Türkei jetzt befindet noch käuflich, die Chance gilt es zu nutzen. Noch ist die Türkei nur ein Schwellenland was durch wirtschaftliche Massnahmen steuerungsfähig ist, insbesondere durch seine wirtschaftlichen Abhängigkeiten mit der EU, man muss nur wollen und das auch durchziehen.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Hallo Bärti: auch wenn es ein extremes Beispiel sein mag- Nordkorea und einige andere Staaten schaffen es durchaus ohne Geld und in großer Not Diktaturen zu installieren und etablieren.

    Geht los!!!

  • Moin Bärti,


    ich würde mich freuen, wenn die Zukunft zeigt, dass ich mich geirrt habe und Du recht hast!


    Aber ich bin mir da leider eher mit Semper einig ...


    Bleibt nur zu hoffen, dass die starken Unterschiede in der Gesellschaftskultur den Ausschlag in Deine Argumentationslinie geben.

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  • Die jetzt von E. ausgeführten Maßnahmen sind in seiner Historie nur konsequent.
    Demnächst wird die moderne Türkei 100 Jahre alt, E. kommunizierte Absicht ist es, die Umgestaltung zum Präsidialreich nach Vorbild der Gründerzeit bis dorthin abgeschlossen zu haben.


    Auf dem Weg dorthin beseitigt er jeglichen -auch nur potentiellen- Widerstand aus Presse, Judikative, Legislative und im Fall der Türkei mit der Armee als ehemaligen Wächter des Laizismus besonders wichtig auch der Exekutive.


    Die Aufhebung der Immunität der Kurden-nahen Abgeordneten, die Reinigung der hohen Richterämter und Bereinigung weiter Teile des oberen Führerkorps der Streitkräfte durch den Ergenekon-Prozess 2013 sind Zwischenziele auf seinem Weg in die Präsidialdikatur.
    Die sog. Antiterrorgesetze ermöglichen ja nicht nur den klassischen Anti-Terrorkampf, sondern lassen sich in Verbindung mit der ergebenen Judikative auch das "Bearbeiten" von Regimekritikern zu - die werden dann halt mit ihren Umtrieben als Tangos deklariert.
    Jetzt im Zuge der Aufräumarbeiten des "Putsches" bereitet er die finalen Maßnahmen vor:
    Angepeitscht von den Ereignissen wird dem Durchschnittsanatolen die Parole "Todesstrafe für Putschisten" in den Mund gelegt, ergeben folgt der Staatsherr dem Wunsch seines Volkes und -schwupps- was glaubt ihr, wer demnächst alles Putschist ist?


    Plakat abgerissen ? --> Putschaufruf
    Widerworte gegeben? --> Verbalputschist
    Dunkle Machenschaften veröffentlicht --> Hochverräter UND Putschist


    In ein bis zwei Monaten ist die Sache mit einem dünnen Deckmäntelchen der Rechtsstaatlichkeit geritzt und die Wände bekommen wieder Löcher.


    Das Verfahren ist bewährt, letztendlich haben es die Nazis kaum anders gemacht.

  • Man darf die Kultur und den Zusammenhalt der Menschen gegen einen gemeinsamen Feind auch nicht unterschätzen. Wenn es der politischen Führung gelingt den sinkenden Lebensstandard dem "Feind" in die Schuhe zu schieben (was ja dann im Prinzip bei Sanktionen sogar richtig ist), dann kann die Bindung zwischen Diktator und Volk sogar noch enger werden, genau wie die Hinwendung zu einer radikaleren religiösen Denke. (Die bösen Ungläubigen haben uns unseren Wohlstand kaputt gemacht).


    Die jungen Leute, die z.B. wegen weniger Touristen ihren Arbeitsplatz verlieren, könnten sich einerseits gegen Erdogan wenden, aber eben auch in die Fänge radikaler Islamisten laufen. Man darf dabei auch die Einflussnahme anderer Staaten nicht unterschätzen. Die selben Kreise, die in Europa den Moscheebau finanzieren, sind garantiert auch in der Türkei aktiv um diesen Staat in ihrem Sinne umzubauen. Dazu kommen die NGOs aus dem Westen, die Ihre Interessen in einem strategisch wichtigen Nato Land wahren wollen. Die Russen ziehen sicher auch Ihre Fäden, weil sie eine weitere Eskalation in der Gegend nicht brauchen können.


    Letztendlich werden die 16-25 jährigen entscheiden wo die Reise hin geht. Erdogandiktatur hoch2, Farbrevolution, oder Abgleiten in einen rückwärts gewandten islamistischen Staat, ich denke es ist alles drin. Jenachdem welche Player die Zielgruppe am besten bearbeiten...

  • Die folgende Analyse habe ich auf FB gefunden (Autor Alex Goergens), ich fand sie so gut das ich sie dem Forum nicht vorenthalten wollte:



    Der gestrige Miltärputsch in der Türkei lässt mich ziemlich zwiegespalten zurück.


    Einerseits sind da die Ereignisse, wie sie in die Welt übertragen wurden und die man so für sich stehen lassen und akzeptieren kann, so wie es die westlichen Politiker tun, die die Niederschlagung des Putsches, trotz aller schon jetzt absehbarer Folgen, ohne wenn und aber gutheißen.


    Andererseits kann man sich die wichtige "Cui bono?"-Frage stellen. Wer profitiert am stärksten von diesem "Geschenk Gottes" (O-Ton Erdogan)?


    Überall, vor allem aber in der Türkei, spricht man schon seit gestern von einem inszenierten Putsch und es spricht auch vieles dafür.


    2500 Soldaten einer mehr als 600.000 Mann starken Armee putschen.


    Eine halbe Stunde vor Beginn der Aktion benachrichtigen diese die anderen Armeeführer über ihre Absichten, aber niemand der regierungstreuen Truppen rückt aus, um den Putsch zu verhindern und Erdogan bleibt weiter seelenruhig in seinem Hotel sitzen, bis die Aktion offiziell über den später besetzen staatlichen TV-Sender verkündet wird.


    Dieser wird von einem Dutzend Soldaten "besetzt", während andere private Sender ungehindert weitersenden und Interviews und Aufrufe von Regierungsangehörigen ausstrahlen. Das selbe bei den Radiosendern.


    Kein einziger dieser wichtigen Regierungsangehörigen wird zu Beginn der Aktion festgesetzt, kein hochrangiges Mitglied von Erdogans Partei AKP, niemand stellt die Telefonverbindungen ab, wie es bei einem Putsch üblich und notwendig wäre.


    Zwischenzeitlich entschließt man sich dann doch, jeweils eine Handvoll Soldaten zu ein paar anderen Sendern zu schicken, um diese zu übernehmen, was im Falle von CNN Turk gerademal für etwa eine Viertelstunde funktionierte.


    Erdogan setzt sich in sein Flugzeug und bleibt stundenlang in Reichweite aller Flugabwehrmaßnahmen seiner Armee, scheint sich darüber aber offensichtlich keine Sorgen gemacht zu haben, obwohl er zu diesem Zeitpunkt kaum wissen konnte, welche Armeeteile der Regierung die Treue halten.


    Wo er die Tage zuvor war und warum ausgerechnet er, der normalerweise keine 24 Stunden ohne Auftritt im TV aushält, sechs Tage lang untergetaucht war, fragt niemand.


    Erdogan behauptet, dass sein Hotel kurz nach seiner Abreise von den Putschisten bombardiert worden sei, was aber noch in der Nacht von wieder in Betrieb genommenen CNN Turk als Lüge entlarvt wird.


    Erdogans Aufruf zum Widerstand stößt auf eine gut vorbereitete AKP, die ihre Parteizentrale mit fertig gedruckten großformatigen Transparenten mit Widerstandsparolen behängt.


    Ein Schuldiger ist auch schnell gefunden. Der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen soll hinter dem Putsch stecken, was bei den traditionell laizistisch orientierten Truppen wenig Sinn macht. Auch wandte sich Gülen mit der Forderung, die Putschisten nicht zu unterstützen an die Öffentlichkeit. Aber die Türkei hat nun einen neuen Staatsfeind Nr.1.


    Warum die Putschisten, die angetreten waren, um die Demokratie und die Menschenrechte in der Türkei wieder zu stärken ausgerechnet das Parlament bombardieren sollten, während keiner den Präsidentenpalast angriff, passt auch nicht in das Bild.


    Aber sehen wir uns mal diesen "Sieg der Demokratie", wie der niedergeschlagene Putsch von Erdogan und den westlichen Politikern bezeichnet wird, genauer an.


    Schon allein die Bezeichnung Demokratie passt nicht zur Türkei.


    Ja, man kann dort wählen gehen, aber das allein macht noch keine Demokratie aus.


    Dazu gehört auch, dass die Opposition die reale Chance hat, sich politisch einzubringen, was bei einer 10% Hurde für das Parlament nahezu unmöglich gemacht wird und wo man laut Wahlordnung mit 30% der Wähkerstimmen mehr als 60% der Parlamentssitze erringen kann, kann man von einer Verzerrung des Wählerwillens sprechen und nicht von einer Wiederspiegelung.


    Dazu gehört auch, dass man unliebsame politische Gegner nicht von Wahlen ausschließt.


    Dazu gehört ebenfalls, dass man die Werte von Gleichheit und Freiheit achtet, was weder bei den Kurden der Fall ist, die man schlichtweg in die Steinzeit bomben möchte, nicht bei den Frauen, die für Gleichberechtigung eintreten und deren Demos schon mal niedergeprügelt werden und auch nicht bei den Homosexuellen, deren Kundgebungen mit Wasserwerfern bekämpft werden. Zu einer Demokratie gehören eben auch die demokratischen Prinzipien und die fehlen der Türkei in sehr vielen Fällen.


    Bis jetzt sieht der Sieg der Demokratie so aus, dass Erdogan äußerst gestärkt aus dieser Situation hervor geht.


    Deshalb kann heute auch schon von der Wiedereinführung der Todesstrafe für die Putschisten geredet werden und deshalb hat man auch bereits mit dem begonnen, was Erdogan eine "Säuberung" nennt. 2800 Militärs wurden verhaften, 2750 Richter ebenfalls. Hinzu kommen auch noch 1 Verfassungsrichter und 5 Mitglieder des Hohen Rates.


    Die Listen für die Säuberung lagen wohl schon in einer Schublade bereit und wir dürfen heute den zweiten, wahren Putsch gegen das Land durch Erdogan erleben.


    Also wem nützt das alles?


    Dem Militär? Kein bisschen.


    Obwohl die Türkei eine der schlagkräftigsten Armeen mit ausgezeichneten Militärstrategen besitzt, haben wir es mit einem derart lächerlich stümperhaften Putschversuch zu tun, dass schon gestern Nacht die ersten Stimmen laut wurden, dieser Putsch sei inszeniert.


    Er war weder schlagkräftig noch durchdacht, hat wenig Schäden verursacht und der Blutzoll fiel für einen Staatsstreich sogar relativ gering aus.


    Hat der Putsch der Bevölkerung genützt?


    Nein, denn nun ist der Weg frei für Erdogan seine letzten politischen Gegner zu beseitigen und sein Präsidialsystem zu etablieren. Hinzu kommt der religiöse Aspekt der gestrigen Nacht. Imame hatten zum Widerstand gegen die Putschisten aufgerufen. Allahu-Akbar-Rufe waren mindestens so oft zu hören, wie Erdogan-Parolen und der Sieg über die Putschisten wird auch als Sieg des Islam über die laizistischen Kräfte des Landes gefeiert. Da kommt auf viele türkische Bürger jetzt einiges zu und letztendlich werden wir auch türkische Flüchtlinge haben, die nach Europa streben.


    Hat es Erdogan genützt?


    Ja und nur ihm, in allen Belangen. Vorerst ist er nun unaufhaltsam und die Türkei hat die letzte Chance verspielt ihn loszuwerden. Sollte ihn nicht ein altersbedingtes natürliches Ende ereilen oder jemand aus seinem engeren Umfeld zu einem beherzten Attentäter werden, hat Erdogan seine Macht für die kommenden Jahre einzementiert.


    Man muss gar nicht zu Aluhut-Theorien neigen, um das Gefühl zu haben, da wäre etwas faul und man tut sich ziemlich schwer damit, die Entwicklungen als Sieg der Demokratie zu sehen.

  • Zitat von T-72;280387

    ... Die selben Kreise, die in Europa den Moscheebau finanzieren, sind garantiert auch in der Türkei aktiv um diesen Staat in ihrem Sinne umzubauen.


    ... Dazu kommen die NGOs aus dem Westen, die Ihre Interessen in einem strategisch wichtigen Nato Land wahren wollen. ...


    Moin T-72,


    nun diese "Kreise" kommen zum nicht ganz geringen Teil aus der Türkei und rekrutieren sich auch in sichtbarem Prozentsatz von dort. Es handelt sich allerdings auch um hier ansässige Vereine die - je nach personeller Zusammensetztung, die auch mal recht schnell variiert - mal moderater mal konservativer auftreten. Mit denen ist durchaus auch ein politischer und kultureller Dialog möglich. Allein von daher sehe ich diesen Zusammenhang nur sehr eingeschränkt.


    Allerdings würde mich als langjähriges ehrenamtlich aktives Mitglied und hauptamtlichem Mitarbeiter einer "NGO aus dem Westen" mal dringend interessieren, welche Interessen wir in einem "strategisch wichtigen NATO Land" haben sollten. Dergleichen ist mir in den 40 Jahren meines aktiven Dienstes bis dato nicht untergekommen ...


    Also bitte mal Klartext und Ross und Reiter benennen!


    Be prepared!


    Christian,


    der halbgare Andeutungen nicht besonders mag ...

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  • Hi ksbulli,


    ich denke bei den sendungsbewusten islamischen Vereinen steht mit Moscheebauten etc. die aus Saudi Arabien und (etwas begrenzter) aus der Türkei finanziert werden teilweise ein Eroberungsgedanke bzw. zumindest ein Machtanspruch der ausgebaut werden soll hinter deren Existenz. Nicht bei Allen, aber doch bei Einigen.


    Das Gleiche sehe ich bei einigen westlichen NGOs gegeben, jedoch weniger auf der Glaubensschiene sondern mehr auf der politisch-wirtschaftlichen Ebene. Wie gesagt das betrifft nicht alle diese Organisationen, wenn ich mir aber z.B. Von Soros finanzierte NGOs anschauen hab ich stark meine Zweifel ob hier wirklich gutmenschliche Interesen dahinter stehen.


    Für mir sind das auf eine platte Ebene runtergebrochen Organisationen die mit sehr ähnlichen Mitteln versuchen wie auch immer geartete Interesen durchzusetzen, häufig mit Billigung und Unterstütung eines Staates. Das hier sehr häufig auf "sanftem Weg" Spaltpilze in Gesellschaften hereingetragen werden sehe ich als bedrohlich an. Da kann ich z.B. Putin verstehen, der westliche NGOs nun in Russland gegen die Wand fahren lässt. Egal von welcher Seite solche Ambitionen kommen muss man immer sehr aufpassen welchen Fernzielen das dienen soll. Und das ist schwer auseinander zu halten bei der augenblicklichen Propagandalage. Sobald ich persönlich NGO oder Kulturverein oder Ähnliches höre gehen bei mir immer die Warnglocken an....


    Bitte nicht persönlich nehmen, es gibt auch NGOs die ich gut finde, hab aber keine Ahnung in welcher dein Tätigkeitsfeld liegt.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd





  • Lieber ksbulli, Du darfst nicht immer gleich alles persönlich nehmen, das ist schlecht für den Blutdruck... :face_with_rolling_eyes:



    Zu den Moscheebauten


    Es ist für Deutschland richtig, dass man oft erst mal in der Türkei landet, wenn man dem Geld folgt. Wenn man aber weiter gräbt, tauchen Länder wie Saudi Arabien und Katar als Finanziers auf. Schaut man sich z.B. den Kosovo an, dann wird es ganz klar welche Länder offen die Ausbreitung des Islam finanzieren und auch für die Radikalisierung verantwortlich sind.


    Wobei Islam nicht genau genug ist, eigentlich müsste man besser sagen des Islam ihrer Prägung, nämlich dem Wahabismus. Als Wahabiten werden sie allerdings nur von anderen Moslems bezeichnet, sie selbst nennen sich Salafis, also Salafisten. Na, klingelts? Das sind genau diejenigen, die jetzt auch endlich mal von den deutschen Verfassungsschützen ein wenig argwöhnischer beäugt werden.



    Zitat vom Verfassungsschutz

    Die Mehrzahl der Salafisten in Deutschland sind keine Terroristen, sondern politische Salafisten. Andererseits sind fast alle in Deutschland bisher identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt bzw. haben sich im salafistischen Milieu entwickelt.


    Man findet die Machenschaften der Saudis aber auch in anderen Ländern, Tschetschenien noch ein Begriff? Die Guerillaführern Bassajew und Khattab wurden über bin Laden aus Saudi Arabien finanziert. (politisch unkorrekte Menschen behaupten auch vom CIA...)





    Zu den NGOs


    Gemeint waren natürlich nicht das rote Kreuz oder sowas, das hätte ich wohl präziser formulieren sollen. Ich meine damit die Sorte NGOs, die von den Netzwerken eines George Soros und der CIA nahen NED gesteuert werden und für unzählige Umstürze und politische Manipulationen von Panama bis zur Ukraine verantwortlich sind und deshalb nun seit letztem Jahr in Russland verboten werden können.


    Man könnte hier noch viel zu schreiben, aber eigentlich ist es etwas OT und geht in die politische Richtung, deshalb will ich es mal dabei belassen...

  • Zitat von T-72;280425


    Gemeint waren natürlich nicht das rote Kreuz oder sowas, das hätte ich wohl präziser formulieren sollen. Ich meine damit die Sorte NGOs, die von den Netzwerken eines George Soros und der CIA nahen NED gesteuert werden und für unzählige Umstürze und politische Manipulationen von Panama bis zur Ukraine verantwortlich sind und deshalb nun seit letztem Jahr in Russland verboten werden können.


    Man muss gar nicht in die Verschwörungstheorie-Ecke abtauchen. Ich finde es mitunter zweifelhaft, was einige der deutschen Parteienstiftungen im Ausland treiben, von der Konrad-Adenauer- bis zur Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sicherhlich ist es lobenswert, wenn sie dort zur Stärkung der Zivilgesellschaft und zur offenen politischen Debatte beitragen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass oft die Schwelle hin zu einer aktiven Unterstützung bestimmter politischer Strömungen überschritten wird, also entweder ein klarer Pro-Oppositions- oder Pro-Regierungskurs gefahren wird. Da wäre mehr Neutralität wünschenswert.


    Das russische Verbot richtet sich allerdings nicht nur gegen NGOs, die Regime-Change betreiben (falls man die überhaupt als solche identifizieren kann). Ebenso wird anderen die Arbeit erschwert, und das auch und gerade solchen, die in meinen Augen eine durchweg gute und sinnvolle Arbeit machen, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen beispielsweise.

  • Zitat von Asdrubal;280429

    Das russische Verbot richtet sich allerdings nicht nur gegen NGOs, die Regime-Change betreiben (falls man die überhaupt als solche identifizieren kann). Ebenso wird anderen die Arbeit erschwert, und das auch und gerade solchen, die in meinen Augen eine durchweg gute und sinnvolle Arbeit machen, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen beispielsweise.


    Meines Wissens gibt es kein Verbot, sondern nur ein Gesetz, dass juristische Maßnahmen gegen unerwünschte "zerstörerische Organisationen" erlaubt. Das es hier natürlich eine wunderbare Grauzone gibt und man da alles mögliche reininterpretieren kann, darüber brauchen wir uns nicht unterhalten.


  • Moin T-72,


    nun meinem Blutdruck geht es bestens, kein Grund zur Sorge - im Gegenteil, der ist sogar tendenziell eher zu niedrig ... :kichern:


    Aber im Ernst:


    ad Moscheebau: Mir ging es in erster Linie nicht um das Geld, sondern um die handelnden Personen. Und da finden sich - zumindest was die öffentlich agierenden Vereine angeht - viele Verbindungen in die Türkei. Was mir daran Kopfschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass es schnell einen Wechsel innerhalb der Organisation geben kann und sich die Tonalität deutlich ändert, besonders in gesellschafspolitischer Hinsicht. Aber da hat man wenigstens noch eine Chance zum Dialog - was bei den Betreibern von "Hinterhofmoscheen" vielfach nicht der Fall ist. Und da sehe ich in der Tat auch die von Dir skizzierten Probleme / Entwicklungen!


    ad NGO: Genau das meinte ich, die Präzision bei den Formulierungen. Der Begriff NGO beinhaltet dummer weise alles, was nicht staatlich organisiert und bei drei auf dem Baum ist. Da segeln unter der Flagge der Völkerverständigung auch schon solche, die ganz handfest politischen Einfluss ausüben wollen. Was ich im übrigen - wie Du wohl auch - für durchaus zu kritisieren halte!


    In diesem Sinne - und darauf wollte ich hinaus - ist es sinnvoll auch mal klare Aussagen abzugeben an Stelle von leicht zu missverstehenden Andeutungen.


    Be prepared!


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Wir fragen in diesem Forum ja gerne, was wir aus verschiedenen Situationen lernen können.


    In der Türkei erleben wir eine umfassende gesellschaftliche Gleichschaltung. Zur Personalentfernung (und dem vermutlich bald folgenden Neubesetzung) in Militär und Justiz kam heute die Entlassung von noch wesentlich mehr Lehrern und anderem Bildungsprsonal. Für morgen hat Erdogan eine wichtige Erklärung angekündigt. Gemeinhin wird die Wiedereinführung der Todesstrafe vermutet. Ich würde eher auf einen neuen Anlauf zur Verfassungsänderung hin zum vollständigen Präsidialsystem tippen, eventuell auch auf einen Personalaustausch in einer weiteren landesweiten Struktur tippen, vielleicht in Regional- und Lokalverwaltungen oder in den Stiftungsverwaltungen der Moscheen. Vorstellbar wäre auch, dass irgendeine teils bewaffnete Massenorganisation entweder der AKP oder unter direktem Kommando des Präsidenten gegründet wird.


    Was wir daraus lernen können, ist wie schnell eine solche weitreichende gesellschaftliche Umorganisation vonstatten gehen kann. Wir müssen uns die Frage stellen, ob das auch bei uns geschehen kann. Dazu sollte man betrachten, welche Voraussetzungen es in der Türkei dafür gibt. Da ist zunächst die Krisensituation, hier der Putsch. Aber die jetzige Gleichschaltung hatte eine Vorgeschichte. In den vergangenen 13 Jahren hat es unter der AKP eine Modernisierung von Staat und Gesellschaft gegeben. In Teilen und vor allem zu Beginn war das durchaus auch eine Liberalisierung. Vor allem aber wurde der Staat in seiner Arbeit effizienter und zentralistischer. (Zuvor war die Armee die einzige effizient arbeitende, zentralistische Organisation.) Das andere Element war ein großer wirtschaftlicher Erfolg, der für viele Menschen den Lebensstandard deutlich verbessert und der Regierung viele Sympathien eingebracht hat (in der breiten Masse ebenso wie in der massiv aufsteigenden Unternehmerschaft), wobei ich nicht kleinreden will, dass die Aufwertung der zuvor von staatlicher Seite unterdrückte Religiosität mindestens ebenso für Sympathien gesorgt hat.


    Als Ergebnis haben wir einen effizienteren Staat, in dem viele Schaltstellen (namentlich in Polizei und Geheimdienst) durch AKP-Funktionäre und persönliche Getreue Erdogans besetzt sind, sowie eine breite Massenbasis von Sympathisanten der Regierung. Auf diesen Faktoren beruht meiner Meinung nach die derzeitige Gleichschaltung, und damit unterscheidet sie sich beispielsweise von der zu Beginn des "Dritten Reiches" (ebenfalls Massenorganisationen, aber noch keine Durchdringung des Staatsapparts).


    Was lernen wir daraus? Ich denke, dass die wichtigste Erkenntnis darin besteht, dass die guten, alten "Checks and Balances", also die gegenseitige Kontrolle und Machtbeschneidung verschiedener Staatsorgane, sehr wichtig sind. Es gilt mit allem politischen Einfluss, den jeder einzelne aufbringen kann, dafür zu sorgen, dass sie erhalten bleiben und der Staat nicht zu zentralistisch wird. Insofern gilt es das stark föderale System in Deutschland, mehr noch in der Schweiz, unbedingt zu erhalten, eher noch Befugnisse und Fähigkeiten stärker vom Nationalstaat weg und auf die untergeordneten Organisationsebenen zu verlagern, bis hin zur einzelnen Gemeinde bzw. zum einzelnen Einwohner. Staatliche Organe, insbesondere Armee, Polizei und Geheimdienste, müssen in ihrer Personalstärke, Organisation, Ausbildung und Ausrüstung so schwach wie möglich gehalten werden, so dass sie gerade noch so ihre Aufgaben erfüllen können, sie aber nicht als Instrumente zur flächendeckenden Machtprojektion genutzt werden können.