Hungerwinter 1946/47

  • Die Zahlen zu den Opfern in der Zivilbevölkerung findet man für sämtliche europäischen Länder, inkl. Deutschland ausführlich behandelt. In Schenck (1965), "Das menschliche Elend im 20. Jahrhundert".


    Aber nein, ich glaube es geht hier um was ganz anders.


    Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass bestimmte Themen Ängste auslösen. An anderer Stelle in diesem Forum habe ich mal Modellprognosen zu einem möglichen Bevölkerungskollaps veröffentlicht. Die Reaktionen waren heftig. Viele haben sich dann nicht mehr mit dem eigentlichen Problem auseinandersetzen wollen sondern sind nur auf den Zahlen herumgesprungen (die waren u.a. vom Club of Rome).
    Das hat mir gezeigt, dass es sinnlos ist über bestimmte Themen sachlich diskutieren zu wollen, wenn bei einigen Lesern gleich ein Schalter im Unterbewusstsein umgelegt wird. Da sind wir gleich bei GC Jung und den berühmten Projektionen. Das hat leider auch etwas damit zu tun, dass unsere Gesellschaft so ein gestörtes Verhältnis zum Thema Tod und Sterben hat.https://www.angst-panik-hilfe.de/angst-zu-sterben.html


    In diesem Zusammenhang ist vielleicht der folgende Link noch interessant: http://www.zerohedge.com/news/…ia-and-death-nazi-germany (jetzt keine Ausreden wie ich kann kein Englisch. Dafür gibt es Übersetzungsprogramme im Internet)

  • "Verschwörungstheorien sind abstrus: Sie vermischen Fakten mit erfundenen Behauptungen und bauen auf stereotypen Feindbildern auf. Dabei richtet sich ein übersteigertes, irrationales Misstrauen gegen eine bestimmte Gruppe, seien es ein Geheimdienst, eine ethnische Volksgruppe oder sogar Außerirdische, denen man die übelsten Machenschaften unterstellt".


    http://www.planet-wissen.de/ge…erungstheorien/index.html

  • Da kann ich voll zustimmen. Deshalb misstraue ich Zahlen, die von einem Mitglied von Organisationen kommen, die sich als die unterlegene Seite im Abwehrkampf gegen jüdische und bolschewistische Weltverschwörungen verstanden.

  • Moin @ll,


    ich komme gerne mal Nudniks Wunsch nach und fokussiere mich mal wieder auf den Hungerwinter. Dabei ist es egal, wieviele Opfer direkt auf den Winter zurück zu führen sind. Folgende Fakten dürften doch unbestritten sein:


    - Die Katastrophe trat nicht von "heute auf morgen" ein. Ihr gingen mehrere Jahre "Raubbau" an allen Ressourcen voran - in Form eines Krieges. Die Landwirtschaft wurde maximal ausgeraubt. Die Arbeitskraft wurde zum größten Teil zum Militär eingezogen und an der Front vernichtet. Die Wirtschaft wurde auf Kriegsmaterialproduktion umgestellt und sämtliche Vorräte verbraucht. Ersatz kam so lange als möglich aus besetzten Gebieten, fiel dann aber in der zweiten Krieghälfte zunehmend aus.


    - Die Infrastruktur wurde systematisch zerstört, wenn nicht durch unmittelbare Kriegshandlungen, dann durch eigene Kräfte um dem Feind ausschließlich "verbrannte Erde" zu hinterlassen.


    - Durch die NS-Ideologie wurde am Ende sogar das eigene Volk gezielt dem Verderben preis gegeben, nach dem Grundsatz "Wenn das deutsche Volk nicht zum Sieg fähig ist, hat es nur den Untergang verdient!" Sinngemäße Äußerungen sind vielfältig dokumentiert ...


    - Anschließend hatten die Besatzer zunächst wenig Interesse daran, das Überleben und Aufblühen der so mühsam Besiegten zu fördern. Ein Umdenken im Sinne einer Humanitas fand erst später statt.


    Auf dieser Basis waren die Folgen der 46er Mißernte und des folgenden strengen Winters logischer weise maximal. Aber sie stehen - um es nocheinmal hervorzuheben - am Ende einer mehrjährigen fatalen Entwicklung und eines ressourcenfressenden Weltkrieges!


    - Ebenso ist es unbestritten, daß es zu keinem Zeitpunkt zu einem flächendeckenden Ausfall der öffentlichen Ordnung kam! Dem extrem durchstrukturierten NS-Staat folgte die Militärverwaltung auf dem Fuße. Übrigens stützte sich letztere dann auch sehr schnell wieder auf lokale Ordnungsstrukturen.


    - Es kam - und dazu kenne ich noch einige Augenzeugenberichte aus der eigenen Familie und dem Freundeskreis - lokal zu Plünderungen! An einigen Orten bildeten sich kleinere "Banden" aus einem Konglomerat von Kleinkriminellen, Jugendlichen, die nicht als junge Soldaten in Kriegsgefangenschaft gekomen sind etc. Ich nannte an anderer Stelle bereits das Beispiel der Düsseldorfer "Hellwegbanden"...
    Aber es gab auch Gruppen von freigelassenen Zwangsarbeitern, die sich plündernd, raubend und zum Teil auch mordend alimentierten. Dies führte zum Beispiel sehr schnell dazu, daß zunächst die Amerikaner, im Anschluß daran unmittelbar die ablösenden Briten auf den Höfen des Münsterlandes kleine Sicherungsposten von zwei bis vier Soldaten stationierten...
    Somit wurde gleichzeitig die Nahrungsmittelproduktion vor Ort überwacht und unterbunden, daß die Höfe zu viel in den Schwarzmarkt einfütterten!


    Diese Situation mit dem Zustand Haitis nach dem Erdbeben zu vergleichen ist prinzipiell irreführend. Zwar gab es auf Haiti auch eine jahrelange Mißwirtschaft, Ausbeutung und eine maximale Erosion der (Infra-)Strukturen. Auch hier herrschte absoluter Mangel an allen Orten. Aber das Erdbeben als finales Ereignis terminierte den Rest inert weniger Minuten!
    Hierbei war nicht nur die Infrastruktur betroffen, zeitgleich wurden auch rund die hälfte der in öffentlicher Ordnung wie auch immer beschäftigten Menschen getötet - und zwar auf allen Ebenen. Gleichzeitig führet die Zerstörung der Gefängnisse zu einer "spontanen Freilassung" nicht weniger Gefangener.
    Zusammengefasst kann man sagen, daß dieser in sich schon marode Staat innerhalb einer viertel Stunde vollständig aufgehört hatte zu existieren. Und eine Besatzungsmacht, die ihn ersetzen konnte stand nicht bereit. Anders hingegen nach dem WK II - hier gab es durch Waffenstillstand und Kapitulation mit den durchgeführten Verhandlungen einen "Zug um Zug" Übergang vom einen auf das andere System.


    Die spannende Frage bleibt für uns Prepper, wie wir mit diesen Erkenntnissen umgehen...


    Wer von uns wäre in der Lage, nach einer mehrjährigen eskalierenden Entwicklung einen anschließenden Kollaps des Systems noch zu überbrücken?


    Anders herum gefragt: Was beflügelt die Befürchtung, daß eine Katastrophe oder ein Großschadensereignis im "Hier und Jetzt", in welchem wir mit unseren Vorräten reelle Chancen hätten, quasi zwingend und unausweichlich mit dem Zusammenbruch jeglicher öffentlichen Ordnung einhergehen wird?


    Meine (zugegebener maßen unmaßgebliche, und nur von ein paar Jahren Dienst im Katastrophenschutz beflügelte) Meinung ist die, daß ich mit einer "gesunden" Vorbereitung die realistischer weise zu befürchtenden Katastrophen und Ausfälle ordentlich überstehen kann.
    Aber alles, was bei uns in DACH zu einem flächendeckenden Ausfall der öffentlichen Ordnung führt, hat realistisch betrachtet, eine Dimension, die einem Vulkanausbruch in der Eifel oder einem Einschlag eines 500t Meteoriten in Frankfurt gleich kommt. Und dann habe ich in der Tat entweder ganz, ganz andere Probleme oder gar keine mehr!


    Und jetzt argumentiert bitte nicht mit den Folgen von Kathrina in New Orleans, einer plötzlich eskalierenden Völkerwanderung aus Zentralafrika oder dem über Nacht ausbrechenden Bürgerkrieg. Alles sicherlich sicherlich Szenarien, die zu durchdenken sinnvoll sind, aber auch für uns - ich wiederhole mich nochmals - im "Hier und Jetzt" unwahrscheinlich!


    Ebenso unwahrscheinlich wie ein Ausfall der Landwirtschaft von heute auf morgen.


    Das einzige Szenario, was ich in dieser Richtung - vergleichbar mit einem Hungerwinter - für hinreichend realistisch halte ist extremer Vulkanausbruch. Wieso und weshalb habe ich an anderer Stelle unter Verweis auf die Explosion des Krakatau und die globalen Missernten 1884/85 bereits erläutert ...


    Be prepared!


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Ich habe es an anderer Stelle schon mal geschrieben: Klassisches Prepping ist imho nur geeignet, um ein paar Monate zu überbrücken. Idealerweise kommt man damit so weit, bis es die ersten Ernteerträge aus der eigenen (für den Krisenfall ausgeweiteten) Gartenwirtschaft gibt. Bevorratung für Jahre dürte hingegen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand machbar sein.


    Ich persönlich fahre ein System, in dem Küchenvorräte und Preppingmaterial zusammen um die drei Monate reichen, kombiniert mit eventuellen Sammelerträgen, Nothilfe, "Organisiertem", etc. noch deutlich länger. Wenn danach immer noch keine Besserung da sein sollte, hoffe ich in der Lage zu sein, meinen Gartenbau deutlich auszuweiten.


    Das wäre in den meisten geschilderten historischen Fällen meiner Meinung nach eine ganz gute Vorbereitung gewesen. Allerdings kann man nie alle Gefahren abdecken. Wenn beispielsweise eine Fliegerbombe, ein Erdbeben oder die Einziehung zum Militär dazwischen kommen, ist es halt Essig.


    Als größte Gefahr sehe ich in der Tat nicht die plötzlichen Katastrophen an, zumal deren Eintritt sehr unwahrscheinlich ist. Viel schwieriger sind lang anhaltende Krisen zu handhaben, die zum Anbrechen der Ressourcen verführen und das Wiederauffüllen erschweren. Man weiß ja vorher nicht, ob gerade der Höhepunkt ist und es danach wieder besser wird oder ob der schleichende Verfall jahrelang anhält und man dann mit nichts dasteht.

  • Hei,


    wenn für Dich "preppen" nur aus einer Vorratshaltung besteht, magst Du sicherlich Recht haben.
    allerdings ist "sich vorbereiten" weitaus umfangreicher und sollte bei der eigenen inneren Einstellung anfangen, über zusätzlich erworbenes Wissen und Fähigkeiten gehen und erst zum Schluss in einer Vorratshaltung enden. JustMy2Cents...


    Oder: Einer der Fähigkeiten/Möglichkeiten hat, die für andere von Nutzen sind, der hat es garantiert einfacher.



    Grüße,


    Tom

  • Natürlich kommt noch mehr dazu als Vorratshaltung. Auf der Materiellen Seite Dinge, die keine Verbrauchsgüter sind und zur Bewältigung von Situarionen beitragen. Wissen, beispielsweise über das Gärtnern, medizinische Selbsthilfe und einige handwerkliche Basics etc. Dazu die soziale Vernetzung am Ort. Das und nocb mehr gehört immer dazu, ohne Frage.

  • Ich glaube auch nicht, dass eine Krise solchen Ausmasses über Nacht eintritt.
    Und ausserdem ist der Mensch unglaublich anpassungsfähig. Gerade im sozialen Verbund. Sonst wären wir heute gar nicht hier.
    Auch die Improvisationsfähigkeit wird IMHO oft unterschätzt.

  • Gutes, und wichtiges Thema,


    meine geliebte Oma, Jahrgang 1914, hat im Alter sehr oft über die Hungerjahre nach den beiden Weltkriegen erzählt, leider habe ich nichts davon aufgeschrieben, mein Fehler, leider.


    Omas Familie lebte in sehr einfachen ländlichen Umständen, es gab einen großen Garten, ein paar Schweine, Hühner, der Vater war nach dem ersten Krieg einfacher Arbeiter im Dienst der Reichsbahn, einfache "kleine" Leute.


    Ihr Vater konnte manchmal etwas kleines Brennholz in seiner Tasche nach hause schmuggeln, Heizmaterial für den Küchenofen, die einzige Heizquelle im Haus.
    Die Familie war arm, die drei Kinder arbeiteten bei reichen Bauern in Ostfriesland, um zB Schulden der Eltern, insbesondere die Trinkschulden des Vaters abzuarbeiten.


    Oma hat dann als junge Frau "gut" eingeheiratet, ihr Ehemann war eine gute Partie. Eine Kaufmannsfamilie, das war in den damaligen Jahren ganz sicher ein enormer Aufstieg, der Ehemann Offizier im damaligen RAD, mit Aussicht auf eine gute Karriere im damaligen System.


    Auch im Haushalt ihrer Schwiegereltern gab es einen großen Garten, keine Tierhaltung, aber einen sehr großen Vorratskeller.
    Es wurde nach 1945 sehr viel organisiert, getauscht, auf dem schwarzen Markt geschoben und gekungelt.


    Die Familie ihrer Schwiegereltern hat sich in den Jahren nach 1945 völlig entzweit, Neid, Hass, und Selbstsucht waren an der Tagesordnung, ein Korb Kartoffeln , darum haben sich die Leute vor Gericht gestritten.


    Ich selbst bin Jahrgang 1956, im Wirtschaftswunder aufgewachsen,was für ein Geschenk.


    Haltet alle noch greifbaren Erinnerungen fest, egal in welcher Form, das wünsche ich euch, bevor es vielleicht zu spät ist.


    Danke


    Micha

  • Gruß ins Thema,


    eine kleine Erinnerung an die kargen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg habe ich noch, meine Oma hat das immer wieder erzählt.


    Oma war Jahrgang 1914, der Vater im Krieg, an der Westfront, später an der russischen Front. Sie hat ihren Vater wohl erstmals so um 1918/1919 erlebt, als sehr kleines Mädel.


    "Da war auf einmal ein fremder Mann, mit einem langen roten Bart, der Mann war mir unheimlich. Und ich habe oft gemerkt, daß er mich auch nicht leiden konnte."


    Der aus dem Krieg heimgekehrte Vater war schwer traumatisiert, hatte die jüngste seiner drei Töchter nicht aufwachsen sehen, die beiden waren sich fremd.
    Heute weiß ich, der Uropa Franz war ein Opfer des Krieges, schwerst traumatisiert, alkoholkrank.
    Ich sehe das in seinem Gesicht auf den wenigen Familienfotos, die damals aufgenommen wurden.


    Dennoch sprach Oma immer sehr gut über ihre sicher schwere Kinderzeit, einen kleine Geschichte erzählte sie immer wieder.


    "Michel, wenn ich an meine Kinderzeit, und meine Mutter zurück denke, dann habe ich immer ein ganz bestimmtes Bild vor meinem Auge. Mutter Swantje steht im Garten, am Schweinepferch, Sie wartet darauf, daß die Schweine fett werden!"


    Ganz einfache Sorgen kleiner Leute, lange her, ich bin sehr dankbar für diese leider wenigen Erinnerungen.


    Gruß


    Micha