Nerdfallmedizin

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  • Nö, sorry.


    Bis zu 2 Stunden kann ohne Probleme ein TQ gelöst werden, dies wird jeden Tag auch mit der Blutsperre in jeder Klinik so gemacht.


    Darüber hinaus wird unter "kontrollierten Bedingungen" gelöst. So steht es z.B. in den TCCC Richtlinien (siehe TREMA e.V.) und daran hält sich u.a. auch die KSK etc.
    Kontrollierte Bedingungen heißt: Klinische Bedingungen mit BGA (Blutgasanalyse) auf intensiv und einem KCL (klinisch chemischen Labor) für die einschlägig benötigten Laborwerte.



    Tsrohinas

  • Das ist der Unterschied: du beziehst dich in deinem Beispiel auf jemanden in einem kontrollierten Umfeld, ich eher auf präklinische Versorgung unter allen möglichen Umständen. Mit umfangreichem Monitoring und (Not-) Ärzten mit entsprechender Notfallausrüstung kann man anders vorgehen, als unter Bedingungen, wo sich Monitoring auf kaum mehr als palpatorisch gemessenen Blutdruck und ein Pulsoxy beschränkt, der Patient möglicherweise polytraumatisiert ist etc.
    Ich sage nicht, dass der Patient ein schnelles öffnen des TQ vielleicht doch vertragen würde. Aber ich vertrete die Ansicht, dass man einem frisch angelegten Verband Zeit geben sollte, zu zeigen, ob er hält, der Kreislauf soll Zeit bekommen, das ins saure gekippte Blut (bei einem geschlossenen Oberschenkelbruch reden wir da über den einen oder anderen Liter) aufzunehmen, ein sich anbahnender Schock soll durch die dann nicht mehr lokale Azidose nicht angefeuert werden... Ich denke, du weißt worauf ich hinaus will. Bei dem langsamen Öffnen handelt es sich vorrangig um eine Vorsichtsmaßnahme.

  • Noch mal nö,


    ich beziehe mich nicht auf ein kontrolliertes Umfeld, das ist nicht mein Bereich.


    Wir befinden uns in einem Szenario, in dem ein TQ deutlich länger als 2 Std angelegt bleiben muss.
    Das kann unterschiedliche Gründe haben, auf die wir jetzt nicht näher eingehen müssen.
    Immer heißt es jedoch "life for limb" (Überleben vor Gliedmasen).


    Aber nur bei einer einzigen Situation könnte ich mir vorstellen, das die "langsame Öffnungsvariante des TQ" Sinn machen kann:
    Wenn ich auf wundersame Weise die Blutung zum Stillstand gebracht hätte und mit keiner klinischen Hilfe in absehbarer Zeit gerechnet werden kann, z.B. im Dschungel des Amazonas nach einem Flugzeugabsturz.


    Tsrohinas

  • Ok, Ja, ich habe mich bei den Zeiten vertan, in der Tat ist die Geschichte mit den halben Umdrehungen/Minute erst im Zeitfenster zwischen 2 und 6h relevant.


    Wie weit das 'die KSK' (KommunalSparKassa?) betrift weiß ich nicht, aber das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf bildet in dieser Richtung aus. Konkret wird dort von 'langsam' geredet, die 0,5 U/Min sind die daraus abgeleitete, in Österreich in Zahlen gegossene Form dieser Ausbildung. Hierbei handelt es sich um eine Richtzeit, die, wenn der Patient das Öffnen bis zu einem gewissen Punkt gut verträgt, auch mal außer Acht gelassen werden kann.

  • Zitat von theBrain;316221

    O.....'die KSK' (KommunalSparKassa?) betrift weiß ich nicht, ........


    Weiter oben hast du die KSK (Kommando Spezial Kräfte) selbst genannt, jetzt kennst du die nicht mehr?


    Zum Thema:
    Entscheidend ist mitunter immer noch, dass die akute Blutung zum Stillstand Stillstand gebracht wurde und dies auch so bleibt.
    Wenn dies, egal ob nach 1-2 oder auch 8 Stunden nicht der Fall ist, muss die Abbindung bestehen bleiben wei sonst der Verletzte in kurzer Zeit verblutet.



    Tsrohinas

  • Es ist halt DAS KSK, nicht die.


    Das die Blutung gestillt sein und auch bleiben muss, habe ich frecherweise vorausgesetzt.


    Schönen Abend noch

  • Um mal auf das Eingangsthema zurück zu kommen, ich mag die Jungs von NERDfallmedizin auch recht gerne. Gerade für Menschen so zwischen Sanitäter, Krankenschwester, Notfallsanitäter... bieten die beiden ein gutes und vor allem evidenzbasiertes (!!!) Format.
    Weniger Hörensagen, mehr Leitlinien, genau mein Ding!


    Über das Tourniquet würde sich ja hier schon genug gestritten... Ich war auch jahrelang sehr skeptisch was die Dinger angeht, mittlerweile hab ich es im EDC, bzw in der Beintasche der Diensthose, wenn ich im Notarztdienst mitfahre.
    Bei richtiger Indikation und Anwendung sind die Dinger Platin wert! (Golden Hour of Trauma und so, ihr wisst schon)


    Nerdige Grüße aus Leipzig - Martin

    IN LIBRIS LIBERTAS

  • Zitat von theBrain;315980

    Grundsätzlich richtig, aber...



    Bei einer offenen Wunde, bei der ein Abbinden mittels TQ indiziert ist, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin schon einiges an Dreck jedweder Art drin, weshalb die zusätzliche Verunreinigung, die bei offener, trockener Lagerung zu erwarten ist, vernachlässigt werden kann. Die definitive Wundversorgung findet in solchen Fällen auch erst im OP statt (und nicht einmal notwendigerweise beim ersten Anlauf) und als Sanitäter will ich die Wunde live sehen.
    Nochmal: wir reden hier von mit TQ gestillter Blutung einer gravierenden Wunde, nichts das mit Druckverband oder so versorgt wurde.
    Gegen ein Abdecken spricht nichts, aber eben nicht verbinden. Wundauflagen drauflegen ja, großartig fixieren eher nicht, das sollte man der Rettung überlassen.


    Was kann man da eigentlich zu QuikClot Gauze sagen?
    So wie mir erzählt wurde soll eine massive Blutung zuerst mit den Torniquet gestoppt und dann die Wunde mit QuikCloth Gauze versorgt/blutung völlig gestoppt werden, um das das Torniquet wieder zu lockern


    Ist das so richtig?

  • Militärisch wird die Verwundetenversorgung unter Gefechtsbedingungen in 2 Phasen geteilt.
    In Phase 1 beschränkt man sich im Wesentlichen auf 2 "Medikamente": Tourniquets und Munition bzw Feuerüberlegenheit.
    In dieser Phase wird der Verwundete in Deckung gebracht und schwere Blutungen mittels TQ gestillt. Mehr wird da nicht gemacht, der Auftrag bzw. Feuerkampf steht da noch im Vordergrund.
    In Phase 2 ist die Lage soweit beruhigt, dass eben nicht mehr dauernd die Kugeln fliegen und ein oder 2 Mann zur Verwundetenversorgung abgestellt werden können.
    Jetzt wird mit Quikclot, Isi Bandagen und so weiter eine echte Wundversorgung durchgeführt und idealerweise kann das TQ durch einen Druckverband ersetzt werden.


    In einem zivilen (lies: rettungsdienstlichen) Rahmen würde diese Phasenbildung wohl entfallen.
    Ich persönlich sehe im zivilen Setting TQ und Quikclot als Lösung für 2 unterschiedliche Probleme an. Eine TQ Konversion würde ich vermutlich nicht versuchen, sondern eher schauen, dass ich den Patienten asap in einen Schockraum bekomme, wo dann eine chirurgische Versorgung möglich ist.
    Quikclot ist beim ASB in AUT bei körperstammnahen, mit TQ nicht versorgbaren Wunden indiziert, also etwa starken Blutungen aus der Leistenarterie. So gesehen ergänzen sich die 2, ob unter 'normalen' Umständen allerdings eine TQ Konversion auf einen Quikclot- unterstützen Druckverband angebracht und sinnvoll ist, bin ich mir nicht sicher.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, was du mit völligem Stoppen einer Blutung meinst. Deine Formulierung impliziert, dass du mit einem TQ die Blutung quasi kleiner drehen würdest, um die austretende Blutmenge zu reduzieren. Wenn dem tatsächlich so ist, möchte ich dringend davon abraten, sollte ich das falsch interpretiert haben, nichts für ungut.
    Warum ist das eine blöde Idee?
    Ein TQ drückt Arterien und Venen nicht gleichzeitig gleich stark ab, sondern beginnt erst den Rückfluss zum Herzen in den Venen abzuklemmen, bevor eine nennenswerte Sperrwirkung in den Arterien eintritt. Der Grund dafür liegt darin, dass die Venen tendenziell oberflächlicher liegen als die Arterien, also einfach früher die Kompression übermittelt bekommen und ausserdem der Innendruck in den Arterien deutlich höher als der in den Venen ist, weshalb eine Abschnürung von Arterien mehr Druck benötigt, als bei Venen (analog einem Gartenschlauch, der auch zunehmend schwerer abzuklemmen ist, je stärker der Wasserhahn aufgedreht wird.
    Das Dilemma, das man sich mit nicht weit genug zugedrehten/hinreichend fest angelegten TQ einhandelt ist, dass durch die früher eintretende venöse Abbindung der Rückfluss aus der abgebundenen Extremität erschwert bis verhindert wird, das Herz aber in der Arterie munter weiter Blut hineinpumpt, das sich dann, dem Weg des geringsten Widerstands folgend, über die Wunde verabschiedet. Beim anlegen eines TQ kann es also durchaus passieren, dass die Blutung bevor sie zum Stillstand kommt, sogar noch kurz stärker wird. Die vollständige Stillung einer Blutung mittels TQ sollte keine Manipulation an der Wunde erfordern. Reicht ein einziges TQ nicht aus, legt man ein zweites proximal (körperstammnäher) an.
    Quintessenz des Ganzen: TQ immer so fest anlegen, dass die Blutung wirklich zum Stillstand kommt. Wenn das erreicht wurde regelmäßig kontrollieren, ob die Blutung weiterhin steht, ggf. ein 2. TQ anlegen aber niemals weil die Blutung ja eh steht und der Patient Schmerzen durch die Abbindung hat, das TQ wieder lockern!


    PS: Anwendungsbeispiel an einem Schwein (Nicht unbedingt für schwache Nerven geeignet!!!)