Ein Bericht zum chinesischen Kreditsystem

  • Zitat


    In Rongcheng treffen wir in der Tat auf Ehrgeiz, Überzeugung – und viel Bastelei. An diesem Spätnachmittag ist der Park rund um das Bürgeramt fast verlassen. Ein altes Paar in geflickten Kitteln erklärt uns den Grund: „Jetzt läuft im Fernsehen gerade ‚Das Leben des Volkes in 360 Grad‘, die meisten Leute hocken vor der Kiste.“ Jeden Abend sendet das Lokalfernsehen eine Zusammenstellung von allen Fehltritten, die innerhalb der letzten 24 Stunden von den Überwachungskameras aufgezeichnet wurden.


    https://monde-diplomatique.de/artikel/!5562495

    I feel a disturbance in the force...

  • Ich habe in den letzten Jahren viel über das Sozialsystem in China gelesen und finde die ganze Entwicklung total spannend. Um das ganze etwas zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass wir mit unserem sozialen Miteinander sehr privilegiert leben.

    Das Zusammenleben in China können wir uns eher als Haifischbecken vorstellen. Beispielsweise gibt es eine Frage, die wohl dort recht gerne gestellt wird und auch bei einem Aufnahmetest für eine Universität aufkam. Sinngemäß lautete diese "Dein/e Frau/Mann und deine Mutter sind kurz vor dem Ertrinken. Wen rettest du?" Beide ist keine Option. Wer den Partner angibt, hat schon falsch geantwortet. Die Eltern sind alles was zählt. Der Partner nur ein Mittel zum Zweck, den man bei Bedarf fallen lässt. Kinder werden als Altersvorsorge gesehen, denen man teilweise sogar ein eigenes Leben (Dating, Partnersuche) verwehrt und darauf hin züchtet, sich später um die Eltern kümmern zu können.
    Zeitweise häuften sich Berichterstattungen über Autofahrer, die, nachdem sie wen überfahren hatten, noch mehrmals drüber fuhren. Einfach aus dem Grund, dass ein toter Unfallgegner günstiger ist. Im wahrsten Sinne des Wortes. Alleine die Möglichkeit, dass jemand einen länger andauernden Schaden davon tragen könnte, ließ (lässt?) diese Menschen zu Mördern werden. Ausrede: Ich dachte, es wäre nur ein Plastiksack.

    Betrug am Gegenüber ist Gang und Gäbe, in dieser Mentalität wird die Schuld daran dem Betrogenen gegeben, weil der ja so dumm war und sich über den Tisch hat ziehen lassen. Verantwortung wird für nichts übernommen, was einem nicht gehört. Dinge für die Allgemeinheit werden verdreckt, zerstört und man lässt alles verkommen.
    Das liegt, so vermutet man, an der gewaltigen Armut, die lange herrschte. Diese Erfahrung prägt dieses Volk so massiv, dass selbst mit Geld die Menschen alles wegbeißen, was auch nur annähernd nach Konkurrenz aussieht. Niemand außer man selbst zählt, Rücksicht ist nur was für Dumme, die es auszunutzen gilt.


    Das ist vielleicht nicht bei 100% der Bevölkerung so, aber eben verbreitet genug um das gesellschaftliche Leben zu vergiften. So sinkt seit Jahren trotz gelockerter Kinder-Politik die Geburtenrate. Meiner Meinung nach sehen viele Chinesen einfach keinen Grund einem solchen Leben auch noch "Material" nachzuschießen.

    Da geht einer lenkenden Regierung der Arsch auf Grundeis, weil das Wirtschaftswachstum zu einem großen Teil auf Kredite und Immobilien basiert und weniger Kinder auch weniger künftige Arbeitskräfte bedeutet. Beispiel sind in Rekordzeit aus dem Boden gestampfte Geisterstädte, die 3 Jahre nach dem Bau anfangen auseinander zu fallen. Jeder versucht mit Krediten (durch ein sehr regides System durch Kredithaie u.ä. unterstützt) soviel Immobilien wie möglich zu kaufen. Das ganze System ist ein riesiger Betrug mit lauter Betrügern.
    Das so viele chiniesische Investitionen mittlerweile ins Ausland gehen, ist da nur logisch.


    Das nur mal als Hintergrund, etwas subjektiv, nicht vollständig und ohne Rechtfertigung von irgend etwas meinerseits.


    Grüße

    Basmyr

  • Um mein Weltbild zu retten, hoffe ich, dass sich die Leute dort innerhalb ihrer Gruppe (Kernfamilie, Familie, Grossfamilie, Dorf) anders verhalten und erst, wenn es anonym wird, so wie du es geschrieben hast.


    Wenn die chinesische Gesellschaft stark auf "die Kinder kümmern sich um die Eltern" beruht, kann das nur klappen, wenn eine Familie mehr als 2 Kinder hat. Das wiederum kann wegen der schieren Bevölkerungszahl nicht funktionieren.

  • Wenn man eine chinesische Reisegruppe hier bei uns betrachtet, kann man Basmyr nur zustimmen.

    Einmal editiert, zuletzt von whswhs () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Mich hat der Artikel zum Nachdenken gebracht. Die Frage ist doch (zumindest für mich), wie man eine Gesellschaft auf "Spur" bringt. Natürlich kann man China oder auch Indien nicht mir Europa vergleichen. Dort hat ein Menschenleben einen sehr geringen Wert.


    Aber mit Sorge betrachte ich aktuell das Auseinanderdriften bei uns. Die Erkenntnis, dass eine Gesellschaft eigentlich auf Konsens fußt scheint hier und anderswo immer mehr in den Hintergrund zu treten.

    I feel a disturbance in the force...

  • Ohne politisch werden zu wollen Eure Lordschaft, aber wir sollten nicht ausser acht lassen dass die Gesellschaft immer mehr in die Richtung "Gewinnmaximierung" driftet wo die Faktoren "Tradition" und "Gemeinschaft" nur in Währungen zählen....

    Wir können auch gerne mal am "Lagerfeuer" unter 4 oder mehr Augen darüber schreiben :winking_face:

    Wenn sich jemand fragt ob dies Prepperrelevant ist - leider ja.