• Grüß Gott zusammen,


    wie ich aber bereits hier in einem anderen "Fred" aufzählte, haben einige Behörden, dass ist jedoch leicht untertrieben, dann auch Probleme. Jetzt nur ein paar Punkte zum Verhältnis "Blackout" und "Behörde" (hier:NRW):


    • Das LVN (Landesverwaltungsnetz) wird immer ausgeschrieben. Den Zuschlag bekommt regelmäßig T-Online bzw. Vodafone mit ihren Netzen. Die Behörden verschlüsseln/entschlüsseln die Daten vor der Einspeisung in das ganz normale Internet. Ende und Fertig.
    • Sehr viele Verfahren laufen nur noch elektronisch. Zum Beispiel:
      • Elektronischen Grundbuch für ganz Deutschland in Düsseldorf gehostet! Es gibt keine Papierversion mehr davon, nur Backups.
      • Deutschlandweite, gerichtsverwertbare Notarmeldungen laufen über Düsseldorf (kein Papier mehr).
      • Alle Arten von Statistiken nur noch IT-gestützt
      • Das neue Waffenregister ist nur noch elektronisch (hä, hä, hä - :kissing_face:)
      • ... ... ...
    • Die Polizei hat derzeit noch ein eigenes Netz, läuft aber auch gemietet über die üblichen Verdächtigen
    • Die Finanzverwaltung dito.


    Da die gesamte Verwaltung mir x-hunderten/tausenden Verfahren elektronisch arbeitet und die Papierakten demnächst aussterben sollen (Programm DVN ind NRW und ähnliche Projekte in anderen Bundesländern) - Prost Mahlzeit bei einem Blackout. Die lokalen Rechenzentren können bis zu einer Woche mittels Notstrom betreiben werden - aber die Nutzer definiv nicht.


    Das wird ein Daten-Massengrab.


    Waidmannsheil / 73

    zero


    PS: Obige Informationen sind nicht vertraulich da die Techniken offiziell als Ausschreibungen veröffentlicht wurden = öffentlich bekannt sind.

    Wetten Sie niemals gegen den menschlichen Erfindungsreichtum. Der größte Feind der Propheten der Apokalypse ist ein Ingenieur (Daniel Lacalle)

    "Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen." Dostojewski, 1821-1881

  • Hallo,

    Das wird ein Daten-Massengrab

    nicht ganz, bei einem Blackout ist ja erstmal nur der Zugang zu den Daten unterbrochen, die Daten sind trotzdem noch da. Und Behörden funktionieren prinzipiell auch ohne Zugriff auf elektronische Datenbestände weiter, allerdings für den Bürger deutlich restriktiver:

    - Eigentumsnachweis über elektronische Grundbuchabfrage nicht möglich => Eigentum kann nicht nachgewiesen werden. Fertig.

    - Waffenregister kann nicht abgefragt werden => Behörde kann z.B. für eine verlorene WBK keine Zweitfertigung ausstellen. Fertig.


    Was die Kommunikation von Behörden während eines Blackouts angeht: die Innenministerien der Länder in D betreiben eigene (Richt-)Funknetze, die allerdings häufig die gleichen Funkmasten nutzen, wie die Mobilfunknetzbetreiber. Die Funktechnik ist jedoch eine separate. Nützt natürlich nichts, wenn der Strom für den Funkmast weg ist. Aus dem Grund sind strategisch wichtige Funkmasten mit Notstrom ausgestattet (in BaWü teilweise über Brennstoffzellen-Generatoren).

    Die Vernetzung des Behördenrichtfunks ist sehr wahrscheinlich baumförmig, Beispiel Baden-Württemberg: vom Landesinnenministerium in Stuttgart zu den vier Regierungspräsidien und von da zu den insgesamt 35 Landratsämtern. Das sind auch die drei Ebenen mit Zuständigkeiten für den Katastrophenschutz. Die Landratsämter bilden die sog. "untere Katastrophenschutzbehörden", sie koordinieren die KatS-Aktivitäten in ihrem Landkreis und sind dafür auch mit extra Bundesmitteln ausgestattet. Die Landratsämter halten hierzu z.B. KatS-Fahrzeuge und Material für den Bevölkerungsschutz bei den einzelnen Ortsverbänden des DRK vor. Das DRK betreibt eigene Logistikzentren für den KatS. 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle wurden z.B. im DRK-KatS-Stützpunkt Kirchheim/Teck innerhalb weniger Wochen weit über 50.000 Matratzen und Erstausstattungen (Bettzeug, Hygienematerial etc.) für Notunterkünfte umgeschlagen.


    Der Ansatz in der staatlichen Blackout-KatS-Planung geht über das Konzept "Flächenlage", das die Feuerwehren hierzulande bis runter auf Dorfebene inzwischen regelmäßig üben. Flächenlage bedeutet erstmal abstrakt: "Alle Kommunen ringsum haben das gleiche Problem, Hilfe von außen kann deshalb nicht erwartet werden, die Abarbeitung der Lage muss mit eigenen Kräften bewältigt werden." Das ist sehr spannend und faszinierend, welche Kräfte da frei werden und mit wieviel Enthusiasmus da z.B. die freiwilligen Feuerwehren und lokalen DRK Ortsvereine an sowas rangehen. Der Solidaritätsgedanke ist da durchaus da. Braucht man z.B. schweres Gerät oder Transportkapazität oder auch nur warme Mahlzeiten für die Helfer, bieten Bauunternehmer, Landwirte und Lebensmittelbetriebe/Gastronomie fast von selbst ihre Unterstützung an.


    Insofern ist der Kommunikationsbedarf vertikal durch die Hierarchieebenen (Ministerium - RP - LRA - Kommune) zur Abarbeitung der Flächenlage eher überschaubar. Das kann man notfalls auch über klassische Melder machen (Motorradfahrer mit Aktentasche mit schriftlichen Lageberichten, Hilfeersuchen etc.). 90% der Arbeit muss eh vor Ort geleistet werden. Die Kommunikation der Einsatzkräfte vor Ort kann häufig direkt und ohne technische Hilfsmittel erfolgen.

    Wir hatten Anfang des Jahres eine "beinahe Flächenlage": ein massiver, aber zunächst nicht aufzufindender Rohrbruch einer Hauptwasserleitung hatte einen Ortsteil mit intensiver Viehwirtschaft von der Trinkwasserversorgung abgeklemmt, was vor allem für den Viehbestand kritisch wurde (1.000 Milchkühe brauchen allein 80.000 Liter Wasser pro Tag, Spülwasser für die Melkanlagen nicht mitgerechnet). Der Einsatz dauerte knapp eine Woche, es wurde eine 3km lange Notwasserleitung verlegt (bei -9°C eine spannende Aufgabe), die auf der Strecke mehrere motorbetriebene Pumpstationen brauchte. Die Einsatzkoordination erfolgte am effektivsten durch Lagebesprechungen der Führungskräfte alle 2h zu festen Uhrzeiten (6 Uhr, 8 Uhr, 10 Uhr ...) im FW-Gerätehaus. Wichtigstes Hilfsmittel dabei war ein Flipchart und Notizblöcke. Jeder wusste dann Bescheid und die Führungskräfte der einzelnen Einsatzabschnitte kamen von selbst zu den Lagebesprechungen und übermittelten die neuen Entscheidungen bei ihrer Rückkehr an ihren Abschnitt mündlich den dortigen Kräften.


    Es geht durchaus, ohne Hitech-Kommunikation eine Flächenlage abzuarbeiten. Das einzige, was ich lokal vorhalten würde, sind (Daten-)Kopien von Landkarten und Lageplänen.

    Die Probleme verschärfen sich dann, wenn die Situation länger dauert. Mensch und Material verschleißen und es fehlt möglicherweise Zugang zu Reparaturen und Wartung. Verbrauchsmaterial, Ersatzteile und Vorräte werden knapp, wenn Produktion und Transportlogistk stillstehen.


    Grüsse

    Tom

  • Top Beitrag!


    Kleine Ergänzung:

    Zitat

    [...] Aus dem Grund sind strategisch wichtige Funkmasten mit Notstrom ausgestattet (in BaWü teilweise über Brennstoffzellen-Generatoren).[...]

    Die BOS Masten werden sukzessive von Batterien auf Brennstoffzellen umgerüstet. Dauert aber noch etwas. Die umgerüsteten Funkmasten haben eine deutlich höhere Standzeit bei einem Stromausfall. Ich habe noch keine öffentlichen Angaben dazu gesehen, deswegen von mir hier keine Stundenangaben...


    Des weiteren hält das "Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei (PTLS Pol)" auch Notstromaggregate auf Anhänger vor um damit die Batterien oder Brennstoffzellen wieder aufzuladen. Bei einem Landesweiten Stromausfall wären die aber nicht ausreichend. THW und Feuerwehr müssten unterstützen.

  • ...

    Des weiteren hält das "Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei (PTLS Pol)" auch Notstromaggregate auf Anhänger vor um damit die Batterien oder Brennstoffzellen wieder aufzuladen. Bei einem Landesweiten Stromausfall wären die aber nicht ausreichend. THW und Feuerwehr müssten unterstützen.

    ...

    Hat jemand aus dem Stehgreif eine Quellenangabe wo man sich informieren kann, wie bspw. in einem Bundesland die Versorgung mit derartigen Aggregaten auf Anhängern u.Ä. bei den jeweiligen Diensten aussieht?

    - Wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage -

    Bertold Brecht

  • Hat jemand aus dem Stehgreif eine Quellenangabe wo man sich informieren kann, wie bspw. in einem Bundesland die Versorgung mit derartigen Aggregaten auf Anhängern u.Ä. bei den jeweiligen Diensten aussieht?

    In D ist der Katastrophenschutz Ländersache, der Bund berät nur (BBK). Das Technische Hilfswerk ist eine Bundesanstalt, die den Katastrophenschutz der Länder ergänzen soll. Die einzelnen Bundesländer organsieren - bis auf Baden-Württemberg - den Katastrophenschutz relativ einheitlich. Organisatorisch würde das Thema Notstromversorgung in den Fachdienst 1 "Brandschutz und Technische Hilfe" bzw. FD 3 "Bergung und technischer Dienst" (wird vom THW getragen) und wohl auch in FD "Informations- und Kommunikationstechnik" (Fernmeldezüge) fallen.

    Das deutsche Rote Kreuz betreut die Fachdienste 2 "ABC-Schutz" (mit den Feuerwehren), 4 "Sanitätswesen" und 8 "Versorgung" (v.a. Lebensmittel).

    Die jeweiligen Fachdienste haben ihre eigenen technischen Trupps in den Einsatzeinheiten, die sich darum kümmern, dass die jeweilige Einheit funktioniert (Zelte, Heizung, Strom etc.). Dort findet man Notstromaggregate etc. für den Eigenbedarf der Einsatzeinheiten.


    Beim THW gibt es Fachgruppen, die sich z.B. um das Thema "Energie" oder "Kommunikation" kümmern. Hier können Aufgaben gelöst werden, die überregionalen Charakter haben, z.B. das Instandsetzen von Stromnetzen, den Betrieb großer mobiler Stromerzeuger z.B. an Kliniken oder den Aufbau von Kommunikationsverbindungen (von Feldkabel bis Richtfunk).


    Laut thwiki.org gibt es beim THW momentan bundesweit 96 Fachgruppen "Elektroversorgung" mit je einer Netzersatzanlage 200 kVA (auf 2-Achs-Anhänger).


    Andere explizite "Notstrom"-Einheiten gibt es meines Wissens nicht, da das KatS-Konzept darauf beruht, dass jede Einheit für sich alleine autark sein muss und sich "seinen" Strom selber erzeugen kann.


    Die Wiederherstellung der Stromversorgung der Bevölkerung ist nicht Sache des (staatlichen) Katastrophenschutzes, sondern der Energieversorger. Die haben dazu ebenfalls hochmobile Einsatzeinheiten und große Notstromaggregate, die notfalls ganze Stadtviertel versorgen können. Das wird ja auch im alltäglichen Betrieb benötigt, wenn z.B. Stromnetze umgebaut, gewartet oder erneuert werden müssen.

    Im Falle einer Katatstrophe sind die Energieversorger natürlich mit hohe Priorität in die staatlichen KatS-Maßnahmen eingebunden.


    Unternehmen und Einrichtungen, in denen ein längerer Stromausfall kritisch wäre, sind angehalten, eigene Notfallpläne aufzustellen, Equipment vorzuhalten und deren Betrieb zu proben.

    Hier muss allerdings noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Gerade im Bereich der medizinischen Versorgung verlässt man sich immer noch allzu arglos auf das Funktionieren der Notstromaggregate, die vor 30-40 Jahren mal in den Keller gestellt wurden. Dass das in Auge gehen kann, hat man erst kürzlich in Berlin gemerkt, als das Notstromaggregat einer Klinik nicht so funktionierte, wie gehofft und letztlich das THW ran musste.

    Kleinere gewerbliche Betriebe lernen es meist auf die harte Tour. Wenn ein Mastbetrieb wenige Stunden nach einem Stromausfall 1.000 erstickte Schweine zu beklagen hat, weil die Ventilatoren versagten, kauft sich der Bauer dann doch ein Zapfwellenaggregat mit 30kVA für 4.000€ und stellt es sich in die Garage zum Traktor.


    Grüsse

    Tom

  • Yep auch danke :thumbs_up:

    "Normatilät tsi legidilch enie statsiticshe Häunufg mögilhcer Wahcsrheinlicheikten!"

    Meine wichtigsten Ressourcen sind Zuversicht, mein Wissen, Ideen, handwerkliches Geschick und die verknüpfte Improvisation davon!

    Sicherheit ist relativ und erfordert der alltäglichen Anwendung meiner intelligenten Beurteilung selbiger!

    Gruß derSchü

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