Notfallplan für die eigene Gemeinde

  • Ich eröffne das Thema mal im Bereich "DIY", weil es eigentlich auch hierhin passt und ich keinen geeigneteren Bereich gefunden habe. Wie bereits mal geschrieben, versuche ich aktuell, bei unserer Gemeinde vorzufühlen, ob und falls ja, es in welchem Umfang Analysen und Planungen zum Szenario "länger andauernder Stromausfall" gibt. Falls nicht, würde ich das gerne anschieben und mich auch daran beteiligen.


    Zunächst will ich die Dokumente, die ich dazu schon gefunden habe, hier sammeln und nach und nach (das wird sich über Monate ziehen) die weiteren Schritte und Ergebnisse dokumentieren. Vielleicht entsteht am Ende eine Art Infoquelle und Erfahrungsbericht, der andere ermutigt, auch mal bei sich im Ort nachzufragen und ggf. mitzuwirken.


    Ausgangspunkt

    Gestartet bin ich auf den Seiten des Innenministeriums, um besser zu verstehen, welche Behörden für was in meinem Bundesland zuständig sind. Das empfiehlt sich in eurem Bundesland ebenfalls, da Katastrophenschutz Ländersache ist und abweichend organisiert sein kann.

    https://im.baden-wuerttemberg.…rheit/katastrophenschutz/


    Darüber wurde schnell klar, dass bei uns entweder die kreisfreien Städte oder die Landratsämter für den Kreis zuständig sind. Ich vermute mal, dass die einzelnen Gemeinden eines Kreises dem Landratsamt zuarbeiten müssen. Also habe ich zunächst das LRA angeschrieben und gefragt, ob es für meinen Kreis eine entsprechende Planung gibt und ob diese öffentlich einsehbar ist. Antwort steht noch aus.


    Gleiches will ich je nach Information dann auch hier in der Gemeinde machen.


    Vorlagen und Informationen


    (1) Risikomanagement von Stromausfällen in Industrieunternehmen, Trinationaler Kongress am 07.12.2016 in Basel: „Blackout – grossflächiger, grenzüberschreitender Stromausfall“ von Prof. Dr. Michael Hiete (PDF) -> gute Zusammenfassung und Einführung, um die Planung zu vereinfachen und die Relevanz des Themas zu verdeutlichen


    (2) Krisenmanagement Stromausfall (Kurzfassung) in BaWü, 2010 (PDF) -> sehr hilfreich ist der Anhang mit einer "Übersicht über die Planungshilfen/Maßnahmenbeschreibungen"


    (3) Vorlage einer Risikoanalyse durch das LRA oder die Gemeinde (DOC) -> im Download-Bereich des BBK; das ist im Prinzip eine vorbereitete Analyse, die die Gemeinde "nur noch" Seite für Seite auf ihren Standort hin anpassen muss (!)


    (4) Musternotfallplan "Stromausfall" des RP Karlsruhe (PDF)


    (5) Alarmierung der Einsatzkräfte ohne Strom (PDF) -> im Download-Bereich des BBK


    Nächste Schritte

    -> Antwort des LRA abwarten + Kontakt zur Gemeinde aufnehmen


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    Ich aktualisiere den ersten Post, sobald sich was Neues ergibt. Falls ihr so was schon mal gemacht habt oder sogar in entsprechende Stäbe eingebunden sein solltet, freue ich mich natürlich über eure Tipps und Infos zum Thema!

    Einmal editiert, zuletzt von Trontir ()

  • Wäre es nicht sinnvoller die Energie in die eigene Vorbereitung zu stecken?

    Ich weiß ja nicht genau wie offen du mit deinen prepperansichten bist, aber ich möchte mich nicht zur Zielscheibe machen, sollte der langanhaltende Stromausfall plötzlicher kommen, als gedacht. Wer weiß, ob die Gemeinde oder der Landkreis überhaupt Vorsichtsmaßnahmen ergreifen (vom THW mal abgesehen).


    Was ich sehr gut finde, ist deine Vorgehensweise indem du den Ämtern ihre eigenen Unterlagen (Risikoanalyse etc) vorlegst. So bekommt die Mission einen glaubwürdigen Rahmen und man wird nicht als Spinner oder Weltuntergangs-Verschwörer abgestempelt.


    Gruß Heiko

  • Wäre es nicht sinnvoller die Energie in die eigene Vorbereitung zu stecken?

    Es gibt durchaus Leute, die sich teils schon seit Jahren mit der persönlichen Notfallvorsorge beschäftigt haben und trotzdem (oder gerade deswegen) die Notwendigkeit sehen, auch die örtliche Gemeinde diesbezüglich auf Vordermann zu bringen, Bei einem wirklich langanhaltenden Stromausfall möchte ich persönlich auch lieber in einer Gemeinde leben, die sich vorher schon mal mit dem Thema befasst hat und wenigstens grob einen Plan hat, als in einer Kommune, die das Thema ausblendet und dann völlig unvorbereitet da steht.


    Als aktiver Gemeinderat weiss ich aus eigener Erfahrung, dass es schwierig ist, kommunale Entscheider vom Sinn der Vorbereitung auf eine für sie eher abstrakte Bedrohngslage zu überzeugen. Vor allem, wenn man bisher von einem zu 99,999% verfügbaren Stromnetz verwöhnt ist, wie das bei uns in BaWü der Fall ist. Bei der Schwiegerverwandtschaft in der Altmark sieht man das schon realistischer, da ist aber auch alle paar Wochen der Strom im Netz der Avacon durchaus mal für ein paar Stunden weg, wenn mal wieder ein Baum auf einer Freileitung liegt, weil die Trassen nicht vorbeugend freigeschnitten werden, sondern erst rausgegangen wird, wenn der Draht am Boden liegt.


    Ich finde Trontirs Ansatz klasse, kann auch ein paar eigene Erfahrungen beisteuern:

    - Die Dienstleistungstochter RBS Wave des Energieversorgers EnBW bearbeitet seit gut zwei Jahren die Gemeinden im Netzgebiet der Konzernmutter recht hartnäckig mit Beratungsangeboten bezüglich Blackout-Vorsorge. Sollte grundsätzlich aufhorchen lassen, wenn ein großer Energieversorger das Thema aktiv an die Kommunen heranträgt. RBS Wave bietet eine Analyse der Ist-Situation an und mögliche Lösungsansätze. Typischerweise werden Schwächen im Bereich der Trink- und Löschwasserversorgung bei Stromausfall aufgezeigt, der Weiterbetrieb von Kläranlagen, die Schaffung einer notstromversorgten Notunterkunft (Schule, Turnhalle) und die Anforderungen an den kommunalen Krisenstab dargestellt. Letztlich läuft es auf die Nachrüstung von Notstrom-Einspeisepunkten an kritischen Infrastrukturen, die Beschaffung von (größeren) Notstromaggregaten und ein Treibstoffkonzept hinaus.


    - Die Feuerwehren in BaWü üben vermehrt das Szenario "Flächenlage", d.h. eine Krisenlage, in der "alle" betroffen sind und keine Überlandhilfe von anderen Gemeinden etc. im Umland erwartet werden darf ("Hilf dir selbst- sonst hilft dir keiner"). D.h. wir haben in unserem Fall einer 4.000-Einwohner-Kommune immerhin rund 90 Feuerwehrler, die die Thematik (Bildung eines autarken Krisenstabs, Schaffung von Anlaufzentren für die Bevölkerung) tatsächlich schon mal geübt haben.


    - In Hessen ist man schon einen Schritt weiter und hat z.B. die stufenweise eskalierende "Selbstalarmierung" der Feuerwehrangehörigen bei einem Stromausfall in die Vorschriften übernommen, sinngemäß müssen sich die Feuerwehrler nach einer gewissen Stromausfalldauer von selbst an den Gerätehäusern einfinden (Voralarm), dauert der Stromausfall länger, werden die Fahrzeuge einsatzbereit besetzt usw. Ganz von selbst, ohne die Notwendigkeit, die Feuerwehrleute irgendwie einzeln erreichen zu müssen.


    - In unserer Gemeinde ist sich auch der DRK Ortsverein der Thematik "Blackout" bewusst und hat z.B. die Situation der alleinlebenden älteren Menschen und der Seniorenwohneinrichtungen im Auge. Da unser DRK OV über einen recht neuen allradgetriebenen KTW verfügt und ein knappes Dutzend aktiver HvO-Kräfte hat ("Helfer-vor-Ort"), sind wir in unserer Landgemeinde auch in der Lage einen improvisierten Rettungsdienst einzurichten. Der KTW und die HvO sind relativ häufig als First Responder im Einsatz, wenn es z.B. um Unfälle in der Landwirtschaft oder Freizeitsportunfälle in unwegsamem Gelände geht.


    - Aus meiner Sicht einer der wichtigsten Akteuere ist das örtliche Elektrohandwerk. Die kennen die Infrastruktur der kommunalern Einrichtungen und auch der meisten privatwirtschaftlichen Unternehmen am besten. Die haben das Material und das Know-how, zu improvisieren. Um z.B. aus einer Biogas-Anlage ein provisorisches "Inselkraftwerk" zu machen und damit etwas Strom dauerhaft zu erzeugen.


    Im Grunde ist - zumindest für kleinere Gemeinden auf dem Land - das kommunale Notfallmanagement für einen Blackout kein Hexenwerk. Man sollte sich nur von dem Gedanken verabschieden, man bräuchte ein 24/7 notstromversorgtes Rathausgebäude, damit man handlungsfähig bleibt. Sinnvoller ist es, die Feuerwehrgebäude diesbezüglich aufzurüsten und der Idealfall ist eine rasch einrichtbare Notunterkunft z.B. in einer Turn-/Festhalle. Dort hat man eine leistungsfähige Küche und ausreichend Sanitäreinrichtungen. Hier kann man mit einem etwas größeren Notstromaggregat (besser zwei - aus Redundanzgründen) und einer Betriebstankstelle mit z.B. 10.000l Diesel auf dem gemeindeigenen Bauhofgelände) schon eine solide Basis. Das reicht natürlich nicht beliebig lang, aber man gewinnt Zeit, um dauerhafte Provisorien einzurichten (und wenn man je drei Holzöfen in die Dorfturnhallen stellt, ein Fenster durch ein Blech ersetzt, die Ofenrohre durchführt und so stromlos für etwas Wärme und Kochgelegenheit sorgt).


    Grüsse

    Tom

  • :thumbs_up: Herzlichen Dank, Tom für deine ausführlichen Einblicke!


    Bei meinen privaten Vorbereitungen bin ich an einen Punkt gelangt, bei dem ich alleine nicht mehr sinnvoll viel verbessern kann. Wenn man sich aber vorstellt, wie es in einem Szenario um einen herum aussehen könnte, dann erkennt man schnell, dass die isolierte Vorbereitung eines Einzelnen nur sehr begrenzt tatsächlich zielführend sein kann.


    Ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, dass ich es mir nicht vorstellen kann, mich zu Hause für Wochen einzuschließen und von Vorräten zu leben, während die Nachbarn ringsum (ver-)hungern. Das ist nicht realistisch.


    Und das hat gar nicht so viel damit zu tun, "dass die anderen doch auch hätten vorsorgen können" (= "Pech gehabt"), sondern vielmehr damit, dass es mir selbst nicht weiterhelfen wird, wenn es keine Aktivitäten zu einer Verbesserung der Lage insgesamt geben wird. Und die wird es nicht geben, wenn wir uns im Falle eines Falles alle zu Hause einigeln und nicht mehr vor die Tür gehen.


    Vor Ort stelle ich mir vor, dass es sehr schnell lokale Bestrebungen geben wird, um die unmittelbare Not abzuwenden und daran anschließend auch Bestrebungen, um in der Situation zu improvisieren, mit dem Ziel eine allgemeine Verbesserung zu erreichen.


    Ich habe weniger Sorge, dass ich vor Ort als jemand auffalle, der vorgesorgt haben könnte. Zum einen ist es in unserer ländlich geprägten Umgebung noch üblich, dass einzelne Häuser über Heiz- und Kochmöglichkeiten mit Holz verfügen und dass zumindest die ältere Generation auch noch einkocht und ein Mindestmaß an Vorräten pflegt. Zum anderen geht es mir ja gerade nicht darum, dass ich mich als "Prepper" hinstelle und andere Mitbürger zur Krisenvorsorge ermuntern will.


    Primär soll die Gemeinde überprüfen (und ggf. handeln!), wie sie auf eine solche Lage vorbereitet ist. Daraus wird (hoffentlich) schnell die Erkenntnis reifen, dass die Gemeinde ebenfalls nicht für jeden einzelnen Vorsorge treffen kann, sondern dass die Bevölkerung (wie auch vom BBK empfohlen) selbst vorsorgen sollte. Die Information erfolgt im Idealfall daher nicht durch mich, sondern durch die Gemeinde.


    Das örtliche Gerätehaus verfügt über eine Notstromversorgung. Aber Übungen zu einer Flächenlage oder eine Selbstalarmierung, wie von Tom beschrieben, habe ich hier noch nicht erlebt. Kann ich gerne mal anregen.


    Im Grunde geht es darum, die Rahmenbedingungen in der eigenen Gemeinde zu verbessern. Genau wie Tom es beschrieben hat:


    • Einspeisepunkte an mind. einer Tankstelle im Kreis vorsehen
    • Bedarf bei den medizinischen Einrichtungen analysieren und einen Krisenplan aufstellen
    • mind. ein Notquartier bestimmen und die Voraussetzungen schaffen, dass dort mind. 10-20 % der Bevölkerung der Gemeinde untergebracht & versorgt werden könnten
    • Gefahrenschwerpunkte und Abhängigkeiten bei einer solchen Lage im Vorfeld feststellen und die bereits verfügbaren (!) Möglichkeiten darauf hin abstellen (z. B. Funkgeräte der Hilfsorganisationen einplanen, wenn es keine Telefonverbindungen mehr geben sollte etc.)

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    Update:


    Da sich das LRA auf meine E-Mail-Anfrage noch nicht gemeldet hat, habe ich sie heute per Brief aufgefordert, mir Informationen über die Existenz und den Umfang einer Notfallplanung zukommen zu lassen. Mal sehen … :)

  • Du solltest dabei berücksichtigen, dass der Katastrophenschutz die genuine Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte bzw. der einzelnen Gemeindeverwaltungen ist. Es gibt also mit Sicherheit Pläne, bei denen die Feuerwehren mit ihren Katastrophenschutzzügen, THW und andere Hilfsdienste im Blickpunkt stehen. Auch die Krankenhäuser haben Strategien für solche Lagen.


    Ob man das alles für ausreichend erachtet, ist nochmal eine andere Frage. Du solltest nur vermeiden, dass bei deinen Ansprechpartnern der Eindruck entstehst, du wolltest ihnen erklären, wie sie ihren Dienst zu machen hätten. Darüber hinaus kann es gut sein, dass einige der Informationen VS-NfD sind und andere von übereifrigen Beamten als solches eingeschätzt und deshalb nicht an dich herausgegeben werden.

  • Hallo Trontir,


    du kannst auch noch einen weiteren Weg einschlagen:


    Schreib einmal die für deinen Ort zuständige Feuerwehr bzw. das Rote Kreuz zu dem Thema Blackout an.

    (Nimm am besten beide Organisationen sichtbar in den Verteiler.)


    Die sehen (i.d.R.) manche Dinge pragmatischer als eine Stadtverwaltung (behaupte ich jetzt einmal), da diese Organisationen ggf. an der „Front“ stehen.



    Ausserdem kannst du das für deinen Ort zuständige „Wasserwerk“ einmal anschreiben.

    Wo kommt das Rohwasser her (Eigenwasser oder Fremdwasser, ggf. in %)

    Wie wird das Rohwasser transportiert und dann aufbereitet (Strom, Verfahren)?

    Hochbehälter: Wo, Fassungsvolumen usw.?

    Vorsicht die Hochbehälter sind i.d.R. nie zu 100 % voll.


    Ich habe mir eine (grobe) excel-Tabelle einmal für „hier“ erstellt:

    Fixwerte:

    100%-Gesamtvolumen (Summe aller Hochbehälter, egal für welchen Ortsteil)

    Einwohnerzahl

    Variable:

    Füllmenge in % und Verbrauch je BürgerIn und Tag in Liter.

    Ergebnis: Nicht Wochen, sondern Tage und wenn hier jeder seine Badewanne und IBC füllt … u.U. nur einige Stunden (ohne Notstrom zum nachfüllen bzw. aufbereiten).


    Nur so ein paar Gedanken zum Thema.


    PS: e-mail - Langfassung von (2)

    :waving_hand: bis dann - nutze die Zeit - Wissen schafft Zukunft - epwin - 6DPNC6RE - epwin02@web.de; :winking_face:

  • Sehr gute Vorschläge. Zur FW bestehen bereits Kontakte, daher kann ich deine Einschätzung bestätigen: man ist sich der grundsätzlichen Risiken und auch des potenziellen Ausmaßes der Folgen eines länger andauernden, flächendeckenden Stromausfalls durchaus bewusst. Und ja, man sieht das pragmatisch. Aber eben auch als primäre Verantwortung der Stadt.


    Die FW ist als Teil des Katastrophenschutzes zwar in die Krisenbewältigung eingebunden, aber eben als ausführendes Organ. Sie verfügt nicht über die planerische Kompetenz / Verantwortung, sofern sie über ihren eigenen Bereich hinausgeht.


    Die Wasserversorgung ist bei uns zum Glück weitgehend unproblematisch: die Hochbehälter werden per Gravitation gefüllt. Schwieriger ist die Entsorgung: da werden in den Hebewerken und im Klärwerk Pumpen eingesetzt, die ihrerseits Strom benötigen. Ob es dort Notstromaggregate oder immerhin einen Einspeisepunkt gibt, ist mir derzeit nicht bekannt. Genau um solche Details geht's mir. Da könnte die Stadt (den politischen Willen vorausgesetzt) selbst vorsorgen.

  • manche Gemeinden / Städt haben bereits Texte im Internet zum Thema Blackout ... ebenso gibt es einige Berichte der RBS wave zu manchen Gemeinden / Städten


    Aglasterhausen - Notfallplanung Stromausfall

    Es macht sicherlich Sinn, wenn sich die Gemeinde beizeiten über ihren eigenen Zuständigkeitsbereich Gedanken macht - etwa wo die Feuerwehr bei Stromausfall ihren Kraftstoff und ihr Löschwasser herbekommt und wie sie bei Ausfall des Telefonnetzes alarmiert werden kann.


    Die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu wollen, erscheint mir aber reichlich ambitioniert und auf dieser Ebene nicht lösbar, dafür sind die heutigen Systeme zu komplex. Bereits Wasser und Abwasser sind meist in Zweckverbänden ausgegliedert, so dass die Gemeinde keinen direkten Einfluss hat. Fragebögen zur Notstromversorgung an Wasserwerke, Lebensmittelmärkte, Banken, Arztpraxen, Tankstellen zu verschicken, zeugt ja schon von einer gewissen Hilflosigkeit und Ahnungslosigkeit. Als wenn es irgendwas hilft, ein Notstromaggregat an den Geldautomaten zu stellen - ohne Verbindung zum zentralen Server spuckt der trotzdem kein Geld mehr aus. Bei einem großflächigen Stromausfall wird Kommunikation, Verkehr und damit Logistik zusammenbrechen und das lässt sich auf Gemeindeebene nicht lösen. Was nutzt eine Notstromversorgung des Lebensmittelmarkts, wenn dort im Ernstfall weder Mitarbeiter da sind (Bahn fährt nicht mehr), noch eine Bezahlung möglich ist (Internetverbindung zur Bank geht nicht mehr), noch eine Belieferung möglich ist.

  • Hallo Thomas,


    wo, wenn nicht auf kommunaler Ebene willst du bei einer Flächenlage (= "alle" sind von etwas betroffen) wie einem Blackout die Versorgung der Bevölkerung angehen?

    In so einer Lage von höherer Ebene Hilfe zu erwarten ist illusorisch. In D (und wohl auch in A & CH) ist das staatliche Katstrophenschutzwesen/Zivilschutz als Pyramide organisiert.

    Ganz oben ist die Bundesebene mit einer Handvoll Entscheidern, dann bricht man das ganze auf Kantons-/Bundesland-Ebene runter, gefolgt von den Landkreisen und am Ende dieser Hierarchie sind nun mal die Kommunen mit überwiegend ehrenamtlicher KatS-Struktur (Feuerwehren, Rotes Kreuz). Der Bund kann nur bei lokal/regional begrenzten Lagen helfen, in dem er Kräfte aus anderen Regionen zusammenzieht, das THW einsetzt und evtl. Einheiten des Militärs bereitstellt.

    Bei einer Flächenlage kann diese Pyramide prinzipbedingt aber nicht "top-down" funktionieren. Das ist den staatlichen Blackout-Planern aber mittlerweile bewusst.


    Vermutlich hat der Bund bei einem Blackout mit seinen Ressourcen auch wichtigeres zu tun, als Turnhallen zu bestromen und Wasserwagen in die Stadtteile zu stellen: die Sicherung der Kernkraftwerke (u.a. Kühlung der Abklingbecken) und natürlich jegliche Unterstützung für die Energieversorger zu stellen, Kraftwerke nach und nach wieder ans Netz zu bekommen. Geht man von einer Cyber-Attacke als Blackout-Ursache aus, dann dürften (in D) auch das BSI und die Cyber-Abwehr-Einheiten der Bundeswehr sowie die großen Internet-Infrastruktur-Betreiber (z.B. DE-CIX) ordentlich zu tun haben. Da sind dann keine Ressourcen mehr frei für eine Direktbetreuung der Bevölkerung von der Spitze her..


    Zu deinen Bedenken, was die kommunale Daseinsvorsorge im Blackoutfall betrifft:


    Ab-/Wasser-Zweckverbände: es ist richtig, dass Kommunen teure Infrastrukturen (aus haushaltsrechtlichen Überlegungen) entweder in Eigenbetriebe oder gemeinsam mit anderen Gemeinden geführte Zweckverbände ausgliedern. Das bedeutet aber nicht, dass sie keine Steuerungsmöglichkeit in einem Zweckverband haben, jede beteiligte Gemeinde hat im Zweckverband Stimmrechte entsprechend ihrem Beteiligungsanteil. Und bei einer Flächenlage sind sehr wahrscheinlich ohnehin alle ZV-Mitglieder gleichermaßen betroffen.


    Eine Notstromversorgung von Banken kann durchaus Sinn machen. Und wenn sie nur dazu dient, Bargeld-Ein-/Auszahlungen am Kassenschalter anbieten zu können. Banken und ihrer Filialen sind normalerweise auch über eigene Datenleitungen miteinander vernetzt und nicht über das normale Internet/Telefonnetz. Früher nannte man das Standleitungen, heute sind es meist dedizierte SDSL-Verbindungen (so sind auch - bei uns zumindest - die einzelnen Standorte der kommunalen Verwaltung und Infrastruktur miteinander verbunden).

    Was die Bezahlung im Blackout betrifft: neben Bargeld müsste eigentlich auch die "Geldkarten"-Funktion von Bankkarten weiter verfügbar sein: da wird das elektronische Geld ja lokal auf der Bankkarte gespeichert, man braucht also lediglich funktionierende Kartenleser, soweit ich weiß, ist für diese Transaktionen keine Serveranbindung am Zahlterminal nötig. Geldkarte ist allerdings meist auf kleinere Beträge limitiert.


    Was die Logistik der Lebensmittelmärkte betrifft: eine koordinierte Just-in-Time-Belieferung wird sicher nicht möglich sein, ich vertraue aber auf die Findigkeit der Händler und Produzenten, die bisher auch in Krisen und Kriegen Mittel und Wege gefunden haben, um ihr Zeug loszuwerden. Es wird auch in einem Blackout recht schnell Geschäftemacher geben, die es schaffen, Ware zu bekommen und (zu entsprechenden Preisen) verkaufen. Und zumindest die Landbevölkerung schätze ich als soweit "vorbereitet" ein, dass sie zumindest 2 bis 4 Wochen aus eigenen Vorräten durchsteht, man wird da zusammenhalten und Engpässe innerhalb der Familien oder Dorfgemeinschaften ausgleichen, davon bin ich überzeugt. Und wenn man ab und zu mal ein Schwein zusammen schlachtet (wie das bei uns die Feuerwehr für eigene Abteilungsfeste nach wie vor praktiziert) und verspeist. Hat man das Glück, sowohl eine Mühlengenossenschaft als auch noch aktiv genutzte, holzbefeuerte Dorfbackhäuser in der Gemeinde zu haben, dann ist auch die Grundversorgung mit Brot bis auf Weiteres sichergestellt. Für den Notbetrieb der Mühle findet sich auch eine Lösung, schlimmstenfalls schrotet man das Getreide beim nächsten Bauern mit Viehhaltung und macht Vollkornbrot.


    Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sich aufgrund der besseren Selbstversorger-Möglichkeiten auf dem Land eine Art Lieferlogistik vom Land in die Städte improvisieren lässt und man Dosenwurst, Holzofenbrot und evtl. sogar Milchprodukte an Städter verkauft.


    Landwirtschaftliche Betriebe, die Biogas verstromen, könnten als kleine Inselkraftwerke auch ohne Netz weiterarbeiten und man könnte ausgewählte Bauernhöfe und weitere (nah gelegene) Infrastruktureinrichtungen damit dezentral mit Strom versorgen.

    Da irgendwann der Dieseltreibstoff für die Traktoren alle sein dürfte und den Städtern das Bargeld knapp wird, könnte ich mir auch einen Tauschhandel "Arbeitskraft gegen Lebensmittel" vorstellen: die Städter arbeiten auf den Feldern und ersetzen so die Maschinenkraft, dafür gibt's was zu essen. Wenn es mit dem Blackout noch länger dauert, die Biogas-Anlagen aber grundsätzlich noch funktionieren, könnte man einzelne Traktoren etc. auch auf E-Antrieb umrüsten und mit einem Schleppkabel zumindest im Umfeld der Biogasanlage betreiben. Das gabs in der DDR auf den LPGs auch hin und wieder - Not macht erfinderisch.


    Grüsse

    Tom

  • wo, wenn nicht auf kommunaler Ebene willst du bei einer Flächenlage (= "alle" sind von etwas betroffen) wie einem Blackout die Versorgung der Bevölkerung angehen?

    In so einer Lage von höherer Ebene Hilfe zu erwarten ist illusorisch.

    Eine Versorgung der Bevölkerung durch die Gemeindeverwaltung ist genauso illusorisch. Ohne Nachschub von außen wird man sich gut überlegen müssen, wie man die begrenzen Reserven einsetzt. Wenn man Tankstellen oder Lebensmittelmärkte durch Notstrom usw. offen halten will, so dass nach wie vor jeder dort bedient wird, werden die Vorräte in wenigen Tagen ausverkauft sein. Dann sind halt auch keine Reserven für Einsatzkräfte oder Landwirtschaft mehr da.


    Es gibt heute nur noch wenige Vorräte in den Märkten, diese werden normalerweise mehrmals wöchentlich, teils sogar mehrmals täglich beliefert. Wenn diese Belieferung ausbleibt, weil nicht nachbestellt werden kann (Internet weg) oder nicht geliefert werden kann (kein Sprit für Lkw, Fahrer können Arbeitsstelle nicht erreichen), was willst du da auf Gemeindeebene ausrichten? Wenn sich nicht zufällig ein Zentrallager auf dem Gemeindegebiet befindet, kann eine Verteilung von Lebensmitteln nur von höherer Stelle organisiert werden. Auch staatliche Notvorräte gibt es nur auf Bundesebene, nicht auf Gemeindeebene.


    Ich würde da mal sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Und: wer alles verteidigt, verteidigt nichts. Die Gemeinde soll schauen, dass sie ihren wichtigsten normalen Aufgaben auch bei Stromausfall weiter nachkommen kann. Dazu gehören im Prinzip auch Wasser und Abwasser, was schwierig genug ist. Alles, was darüber hinausgeht, wird sowieso nicht funktionieren, die Bevölkerung wird hier zwangsläufig auf sich allein gestellt sein. Nicht ohne Grund gibt es die Empfehlung der Vorratshaltung für zwei Wochen. Wenn man dem nicht nachkommt, wird die Gemeinde das nicht auffangen können.


    Anstelle einer Direktversorgung der Bevölkerung sollte man sich eher darauf konzentrieren, die öffentliche Infrastruktur funktionsfähig zu halten oder schnellstmöglich wieder funktionsfähig zu machen. Neben der Kommunikationsinfrastruktur, auf die der Staat wohl nur noch wenig Einfluss hat, sind hier auch Bahn, ÖPNV, Ampelanlagen aber auch Kinderbetreuung wichtig. Nur wenn die Leute ihren Arbeitsplatz erreichen können, kann a) die Wirtschaft und damit die Versorgung längerfristig funktionieren und b) das Stromnetz vielleicht irgendwann wieder in Betrieb genommen werden. Auch die Mitarbeiter der Energieversorgung müssen dafür erst mal zu ihrer Arbeitsstelle kommen.


    Eine Notstromversorgung von Banken kann durchaus Sinn machen. Und wenn sie nur dazu dient, Bargeld-Ein-/Auszahlungen am Kassenschalter anbieten zu können. Banken und ihrer Filialen sind normalerweise auch über eigene Datenleitungen miteinander vernetzt

    Die IT-Infrastruktur der Banken wird inzwischen wohl so weit zentralisiert sein, dass eine Vernetzung innerhalb der eigenen Bank nicht ausreicht.

    Was die Bezahlung im Blackout betrifft: neben Bargeld müsste eigentlich auch die "Geldkarten"-Funktion von Bankkarten weiter verfügbar sein

    Die Geldkarte ist tot, sie wurde noch nie in nennenswertem Umfang genutzt und wird von den meisten Banken schon gar nicht mehr angeboten.


    Landwirtschaftliche Betriebe, die Biogas verstromen, könnten als kleine Inselkraftwerke auch ohne Netz weiterarbeiten und man könnte ausgewählte Bauernhöfe und weitere (nah gelegene) Infrastruktureinrichtungen damit dezentral mit Strom versorgen.

    Solche Anlagen sind auf Netzeinspeisung ausgelegt und nicht auf Inselbetrieb. In einem der verlinkten Dokumente wurde eine entsprechende Umrüstung vorhandener Laufwasserkraftwerke untersucht. Wurde aufgrund von ernormem Aufwand und fragwürdigem Nutzen wieder verworfen.


    Allen Schwierigkeiten zum Trotz wird auch eine Worst-Case-Lage wahrscheinlich durch Improvisation irgendwie gemeistert werden können. Ich glaube aber kaum, dass irgendwelche Notfallpläne der Gemeinden da eine nennenwerte Rolle spielen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Thomas ()

  • Eine Versorgung der Bevölkerung durch die Gemeindeverwaltung ist genauso illusorisch.

    Ich hab mich da vielleicht mißverständlich ausgedrückt. Natürlich kann die Gemeindeverwaltung selber niemanden "versorgen".


    Den strategischen Vorteil den eine Gemeindeverwaltung hat, ist ihre Kenntnis der Verhältnisse vor Ort. Sie kennt die Unternehmen in der Kommune, die Handwerksbetriebe und Landwirte. Sie kann auf kurzem Dienstweg wichtige Informationen zusammentragen, z.B. über Heizölbestände, die als Dieselersatz genutzt werden können, sie kennt die Kapazitäten und Fähigkeiten z.B. der diversen Gastro-Einrichtungen (Festhallen, Schulkantinen, Vereinsheime und sie kann sich ein Bild über die am Ort lagernden Vorräte wichtige Güter (Getreide, Kartoffeln, Handelswaren) verschaffen. Und darauf basierend lässt sich eine provisorische Notversorgung der Bevölkerung durchaus organisieren.

    Ich würde auch die Solidarität der Bewohner untereinander nicht unterschätzen, zumindest auf dem Land funktionieren "Dorfgemeinschaften" noch ganz gut, gerade bei Notlagen (vgl. div. Hochwasser-Katastrophen der letzten Jahre).


    Ein Beispiel für die durch die Gemeindeverwaltung initiierte Selbstversorgung:

    Wir haben ca. 1600 Haushalte/4.000 Einwohner in unserer Gemeinde. Angenommen, die Gemeindeverwaltung, evtl. unterstützt durch die Kirchengemeinden, ruft nun zu Lebensmittelspenden auf und bittet z.B. jeden Haushalt um 2kg Mehl für den kommunalen "Not-Backbetrieb". In den allermeisten der jetzt stromlosen Haushalten ohne Backmöglichkeit ist das vorrätige Mehl weitgehend nutzlos. Kriegt man die 2kg pro Haushalt, hat man auf einen Schlag 3,2t Mehl zusammen, was 4,8t Brot ergibt, die in unserem Fall in den noch aktiv genutzten vier Holzofenbackhäusern problemlos stromlos hergestellt werden können (lediglich das Teigkneten ohne Maschine wird mühsam). Der deutsche Durchschnittsverbrauch an Brot beträgt ca. 56kg pro Kopf und Jahr oder ca. 150g Brot pro Tag. Mit den 4,8t könnte man also 32.000 Tagesrationen produzieren und die 4.000 Einwohner 8 Tage lang mit ihrem Brotbedarf versorgen, Solange man Mehl organisieren kann, kann man mit einem wöchentlichen Backtag die örtliche Bevölkerung ohne fremde Hilfe von außen grundversorgen. Und da dabei viele Helfer benötigt werden, würde das auch die Notgemeinschaft stärken.


    Aber man kann das ganze natürlich auch beliebig pessimistisch sehen, sich mit seinem BP-5-Vorrat und der Zimmerflak einigeln und die Gesellschaft bei einem Blackout sehenden Auges den Bach runtergehen lassen.

    Einmal editiert, zuletzt von tomduly ()

  • Ich glaube, ihr seid gar nicht soweit voneinander entfernt. Natürlich kann die Gemeinde die Versorgung der Bevölkerung nicht vollständig übernehmen. Sie kann und muss aber bei der Organisation der Hilfe in einem Krisenfall eine zentrale Rolle spielen.


    Um das leisten zu können, muss sie zunächst in die Lage dazu versetzt werden. Und das bedeutet aus meiner Sicht, dass sie sich einen Überblick verschafft, Defizite feststellt und entscheidet, was und wo sie Vorsorge treffen kann und will.


    Dass sie dazu Fragebögen verschickt, finde ich gut. Klar zeigt das auch, wie wenig sie über die Voraussetzungen in ihrer Gemeinde weiß. Aber was wäre die Alternative? Weiter unwissend bleiben und hoffen, dass nie etwas passieren möge?


    Die Bürgermeisterin von Agasterhausen sagt ja auch ganz klar, dass die Gemeinde die Bürger nicht versorgen kann. Daraus folgt aber ihre Erkenntnis, dass Information der Bürger und die Aufforderung zur eigenen Vorsorge notwendig sind. Und sie belässt es nicht bei der Erkenntnis, sondern veranstaltet einen Infoabend. (Ich wünschte, bei uns wären wir auch schon so weit.)


    Darüber hinaus muss die Gemeinde aber Vorbereitungen treffen, den Menschen zu helfen, die sich nicht selbst vorbereiten können. Zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen.


    Dass die Gemeinde zuerst die Grundversorgung sicherstellen muss, wie Löschwasser bereithalten und ein Mindestmaß an Brandschutz vorhalten, dazu vielleicht noch die Trinkwasserversorgung aufrecht erhalten, da gehe ich mit. Aber allein dazu bedarf es schon eines großen logistischen Aufwands. Die Treibstoffsicherung für Notstromaggregate oder die Schaffung von Einspeisepunkten zur Sicherstellung des oben genannten sind nur zwei Beispiele. Dazu noch die Versorgung der Einsatzkräfte etc.


    Die Realität vielerorts dürfte doch eher so aussehen, dass es keinen Überblick und keine Notfallplanung gibt. Diese nicht zu schaffen, weil die Gemeinde im Krisenfall überfordert sei, verstehe ich wiederum nicht.


    Alles was darüber hinaus geht, wird man improvisieren müssen. Das lässt sich nur bedingt planen. Aber auch Improvisation fällt leichter, wenn Szenarien schon mal besprochen und durchdacht wurden. Ähnlich wie tomduly es mit der Brotversorgung skizziert hat.

  • Es ist auch nicht ganz falsch, sich mal durch die entsprechenden Gesetze durchzuarbeiten, auch wenn das sperriger Lesestoff ist. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, haben die lokalen Behörden sehr viele Möglichkeiten. Das geht hin bis zur Beschlagnahmung von Lebensmitteln, Fahrzeugen, Anlagen und Geräten, Dienstpflicht für Einwohner etc.


    Wenn es heftig wird, kann die Verwaltung durchaus mit dem ganz großen Besteck arbeiten. Ob das dann in allen Lagen und mit allen zur Verfügung stehenden Personen auch wirklich funktioniert, ist nochmal eine andere Frage, aber grundsätzlich kann ein Bürgermeister oder Landrat im Katastrophenfall schon sehr viel bewegen.

  • Ich sehe ein weiteres "Problem" an anderer Stelle: in den Gemeinden (und nicht nur dort) sind es fast ausschließlich ehrenamtliche Helfer die zum Einsatz kommen: Feuerwehren, DRK und so weiter. Auch das THW besteht nahezu nur aus ehrenamtlichen Helfern.


    Nur - wer kommt von denen, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass zuhause alles in Ordnung ist und auch für eine ganze Weile so bleibt?

    Glaubt hier wirklich einer, dass ein Helfer in einer solchen Situation zum Brand- (oder sonstigen) Einsatz fährt, wenn er seine Familie nicht sicher versorgt weiß? Ich würde es nicht tun. Familie geht vor ALLEM, solange die nicht safe ist, kann mir persönlich die ganze Welt den Buckel runter rutschen.


    Ist aber das "Zuhause" sicher, die Familie versorgt, Tante Gertrud und Opa Klaus auch in Ordnung, DANN denke ich daran mich aufzumachen und anderen zu helfen. Aber erst dann. Und weiter: solange ich im Einsatz bin, weiß ich nicht, wie es meinen Lieben geht und derlei Einsätze sind sicher nicht in zwei Stunden erledigt. Ich erwarte also hier von den Verantwortlichen die Möglichkeit einer "Kommunikation/Rückmeldung". Ansonsten: siehe oben.


    Ich glaube, dass die meisten Helfer exakt die gleichen Vorkehrungen getroffen haben, wie der größte Teil der Bevölkerung: nämlich keine. Und diese haben dann genug anderes zu tun, als sich Gedanken um die Noteinspeisung am Spritzenhaus zu machen. Vielleicht werden die meisten anfangs noch "ganz normal" zu ihrem Dienst erscheinen, sobald aber auch dem letzten klar wird, dass es sich hier um eine langanhaltende Sache handelt, bekommen Familie und Co. einen deutlich höheren Stellenwert, als der Einsatzdienst.

    "Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf." Theodor Fontane


    Als ich zur Schule ging, fragten sie mich,

    was ich werden will, wenn ich erwachsen bin.

    Ich schrieb: "Glücklich".

    Sie sagten mir, ich hätte die Aufgabe nicht verstanden.

    Ich sagte ihnen, sie hätten das Leben nicht verstanden.

    - John Lennon -


    DE/Hessische Bergstrasse

  • Ich verstehe nicht ganz, von welchem Szenario du ausgehst, Previ . Klar, wenn dir Wikinger brandschatzend durch den Ort ziehen, geht keiner zum Feuerwehreinsatz. Das ist aber ein eher unwahrscheinliches Szenario. Hier geht es doch eher um eine zwar anspruchsvolle, aber bearbeitbare Problemlage: Strom weg, eingeschneit, Straßen durch Windwurf blockiert, kein Heizgas mehr...


    Das ist zwar eine schwierige Lage, aber nicht unmittelbar lebensbedrohlich für die Familien der Hilfskräfte. Und die Familien haben auch wenig davon, wenn die betreffenden Leute zu Hause rumhocken. Insofern sehe ich keinen Grund, warum die Leute nicht zum Dienst kommen sollten. Im Gegenteil: Die Leute sind ja ehrenamtlich bei Feuerwehr, THW und so weiter, weil sie in genau solchen Situationen helfen wollen.

  • Das hängt auch vom Ausmaß einer Notlage und ob die eigene Familie akut in Gefahr ist ab. Bei einem flächendeckenden Stromausfall besteht ja zu Hause keine unmittelbare Gefahr. Warum sollten Rettungskräfte also untätig daheim bleiben?


    Bei den Hilfsorganisationen erfährt man in der Regel zuerst, was Sache ist und kann sich an einer Verbesserung der lokalen Lage aktiv beteiligen. Das hilft im Zweifel nicht nur Dritten, sondern in einem Extremszenario auch den eigenen Angehörigen. Außerdem ist die Hilfsorganisation in vielen Fällen wie eine zweite Familie. :winking_face:


    Vielleicht ist das auch eine Mentalitätssache. Die einen stellen sich einer Herausforderung lieber direkt, die anderen ziehen lieber die Zugbrücke hoch und versuchen eine Krise auszusitzen. Bei den Rettungskräften sehe ich eher Menschen der ersten Gruppe.


    Was natürlich richtig ist, wenn die eigene Familie oder die eigene Gesundheit unmittelbar betroffen sind und das flächendeckend, dann stehen die Rettungskräfte auch nicht mehr uneingeschränkt bereit. Aber das hat, glaube ich, weniger etwas mit der Organisationsform (freiwillig/beruflich) zu tun, sondern ist menschlich bzw. dann höhere Gewalt.


    Solche Extremlagen kann ich mir in Deutschland aber kaum vorstellen. Vielleicht ein Störfall in einem KKW mit flächendeckendem Fallout?

    Wirbelstürme wie in den USA gibt‘s hier einfach nicht in dem Ausmaß. Bei Überschwemmungen sind in der Regel auch nicht alle Angehörigen einer HiOrg gleichermaßen betroffen (Oderhochwasser vielleicht mal ausgenommen). Und selbst bei einem wochenlangen, bundesweiten Stromausfall stelle ich mir vor, wäre die Mitarbeit bei der Behebung unmittelbarer Schwierigkeiten allemal interessanter, als zu Hause in Unwissenheit abzuwarten.


    Und mal ehrlich, wofür schafft man denn ein gewisses Maß an Vorbereitung? Doch dafür, dass man nicht erst die lebensnotwendigen Dinge im Getümmel besorgen muss, sondern Zeit für andere Sachen hat. :)

  • Hallo,


    die Betreuung (und Versorgung) von Angehörigen des "Funktionspersonals" ist in den aktuellen Planungen zu flächendeckenden Stromausfällen durchaus ein Thema. So findet man z.B. im Musternotfallplan Stromausfall des RP Karlsruhe entsprechende Bemerkungen:


    "Hinweis: Mitarbeiter, die ggf. daheim eine Familie zu betreuen haben, stehen im Spannungsfeld zwischen Arbeitgeber und der Versorgung der Familienan-gehörige. Verweis Krisenhandbuch Stromausfall: V-A-11, S-A-3-A"


    Leider ist die Langfassung des Krisenhandbuch Stromausfall für Baden-Württemberg bisher immer noch nicht öffentlich zugänglich. Lediglich die Kurzfassung findet man auf der Webseite der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg.


    Der eingangs genannte Musternotfallplan ist zum Thema "Gemeinde und Blackout" absolut lesenswert, da er genau die Punkte adressiert, die wir hier diskutieren.


    Z.B. auf Seite 20, beim Thema "Betreuungsstellen":


    "Grundsätzlich kann in bestimmten Umfang von einer Eigenvorsorge[5] der Bevölkerung ausgegangen werden; eine umfassende Versorgung der Bevölkerung durch die Gemeinde ist nicht Ziel und Inhalt dieser Handlungsempfehlungen. Der Nachbarschaftshilfe wird eine besondere Bedeutung beigemessen. Für Personen, die dennoch der Hilfe der Gemeinde bedürfen, sollte diese eine ausreichende Anzahl an Betreuungsstellen (Grundversorgung) mit folgenden Aufgaben in ihre Überlegungen mit einbeziehen:

    • Unterbringung
    • Verpflegung
    • Hygiene
    • Information
    • soziale Betreuung.

    Dies kann z. B. eine Sport-/Turnhalle sein, die über eine Notstromversorgung verfügt. Eine vorherige Planung von Betreuungsstellen, ggf. zusammen mit den örtlichen Hilfsorganisationen / Vereinen wird empfohlen."



    Grüsse

    Tom

  • Diese ganzen Notfallpläne und Krisenhandbücher hören sich ja hochwichtig an, letztlich sind sie aber wahrscheinlich wie fast jedes heutzutage produzierte Papier zum Abheften und nie mehr reinschauen gedacht. Das wissen dann auch die meisten Beteiligten und entsprechend ist es um die Qualität bestellt, wirklich konkrete und funktionierende Lösungsmöglichkeiten finden sich darin kaum.


    "eine umfassende Versorgung der Bevölkerung durch die Gemeinde ist nicht Ziel und Inhalt dieser Handlungsempfehlungen [..] Für Personen, die dennoch der Hilfe der Gemeinde bedürfen, sollte diese eine ausreichende Anzahl an Betreuungsstellen [..] "


    Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wer in der Bevölkerung hat Lebensmittelvorräte, stromunabhängige Heizmöglichkeit oder gar eine Notstromversorgung? Geschätzte 99% haben nichts davon, sitzen bei einem Blackout im Winter also im Kalten und Dunkeln und haben Kohldampf. Zunächst mal nichts lebensbedrohliches, aber jetzt gibt es da eine notstromversorgte Turnhalle, wo es hell und warm ist und was zu essen gibt. Wer will da logischerweise hin? ALLE. Wenn die Gemeinde eine solche Möglichkeit schafft, muss sie daher dafür sorgen, dass die Kapazitäten auch für alle reichen, sonst gibt das Mord und Totschlag. Durch solche gut gemeinten, aber nicht durchdachten Maßnahmen wird man das richtige Chaos erst verursachen.


    "Die Kritischen Infrastrukturen treffen vorab eigenständig die erforderlichen Vorkehrungen für einen langanhaltenden Stromausfall."


    Aha. Und wenn nicht? Im verlinkten Fall Aglasterhausen arbeitet der Wasserversorgungszweckverband also

    an einem Versorgungskonzept und so ziemlich alle anderen angeschriebenen "kritischen Infrastrukturen" haben nichts oder haben nicht mal geantwortet. Was kann, soll oder muss die Gemeinde jetzt tun - außer das ganze zur Kenntnis zu nehmen und abzuheften? Dazu sagt das Notfallplan-Muster irgendwie nichts?

    Funktionierende Vorkehrungen für einen langanhaltenden Stromausfall kosten richtig viel Geld, das wird niemand mal einfach so aufgrund eines freundlichen Hinweises in die Hand nehmen, da bräuchte es schon klare Zuständigkeiten, wer was auf wessen Kosten tun oder vorhalten muss. Und es bräuchte auch eine unabhängige Überprüfung.


    Eine flächendeckende Bereitstellung von Notstromaggregaten durch die Gemeinde oder Hilfsorganisationen ist aufgrund der großen Anzahl von kritischen Infrastrukturen nicht zu bewerkstelligen. Aus diesem Grunde sollte die Kritische Infrastruktur über die Folgen eines langanhaltenden Stromausfalls informiert und sensibilisiert sowie auf die Notwendigkeit eigener Vorbereitungen hingewiesen werden.


    Das Vorhandensein von Notstromaggregaten ist leider nicht mal die halbe Miete. Wie werden die zuständigen Mitarbeiter vom Wasserwerk alarmiert, wenn kein Telefon mehr geht? Wie kommen sie zum Einsatzort, wenn die normalen Verkehrsverbindungen nicht mehr funktionieren? Wie wird die Kraftstoffversorgung langfristig sichergestellt? Wie lange hält das Notstromaggregat im Dauerbetrieb durch? Bei den wirklich wichtigen Dingen wäre es schon besser, wenn die örtliche Feuerwehr eingebunden wäre, denn die hat wenigstens Leute vor Ort.

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  • Moin!


    ad i): 98% - der Rest steckt im Verkehr fest oder auf der Arbeit ... nee, sorry, aber Du täuscht dich in der Motivationslage meine Kameradinnen und Kameraden ganz, ganz gewaltig! Und das war jetzt die höfliche Formulierungsweise!


    ad ii): Hältst Du uns Führungskräfte für Vollidioten? Selbstverständlich gehört es gerade in diesen Bereichen zu guten Führungsarbeit auch auf das Befinden seiner Einsatzkräfte zu achten. Zumindest habe ich das mal so gelernt und auch praktiziert ...


    ad iii) „Ich glaube ...“ sagt ja schon alles! Wenn Du es nicht weißt, dann geh hin und frag. Und vielleicht kannst Du ja bei deiner örtlichen Gruppierung mal einen Vortragsabend zur Helfermotivation anbieten ...

    Sicherlich wird die Vorbereitung bei jedem und jeder unterschiedlich ausfallen. Aber die Leute, die ich so in der Branche kennen gelernt habe, denken schon auch mal über den Tellerrand hinaus. Oder glaubst Du ernsthaft, dass ein Helfer, der darauf „geeicht“ ist, ein Einsatzfahrzeug immer mit mindestens halbvollem Tank in die Halle zu stellen seinen eigenen PKW erst tankt, wenns Kontrollämpchen blinkt?


    Ich formuliere es mal sehr zurückhaltend:

    Katastrophenschutz ist ein ganz klein wenig mehr, als eine „Noteinspeisung am Spritzenhaus“ - wobei der Ausdruck Spritzenhaus bereits einen tiefen Einblick in die Sach- und Fachkunde des Schreibers gibt.


    ... ein ksbulli mit 220er Systole ...

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!