Guten Tag zusammen,
ich habe gestern ein bissl gelesen hier und festgestellt, dass die "gefühlte Gefährdung" sehr unterschiedlich empfunden wird. Da oft statistische Daten als Begründung oder Rechtfertigung für Vorsorge und angepasstes Handeln genutzt werden, wollte ich dazu ein wenig aus meiner Erfahrung dazu beitragen.
Statistik (i.S.v. Interpretation von Zahlenhaufen) ist nicht sehr tief in unserer Schulausbildung verbreitet. Die wissentschaftliche Auslegung ist auch sehr trocken und abstrakt. Wer aber schon den TV einschaltet, bekommt Statistiken zu Klima, Wetter, Kriminalität und anderen "Bedrohungen" zietiert, ohne dass man darüber nachdenkt, was einem da eigentlich erzählt wird. Im ersten Moment glaubt man es (die meisten tun das ja gerne), weil es "amtlich" oder öffentlich mitgeteilt wird. Nachdem ich im beruflichen Umfeld mal mit der Kriminalstatistik zu tun hatte, stellte ich fest, dass die Realität und die Erwartungen sehr weit auseinander lagen. Deshalb möchte ich mal die Methoden aufzeigen, weil man damit eben selten in Kontakt kommt.
"Statistisch gesehen ist die Gefahr, Opfer eines Schadensereignisses zu werden, ähnlich der eines Lottogewinns" Wer hat sich für den Lottogewinn vorbereitet?
Wie wird eine Statistik gemacht? Ganz einfach: Man nimmt mehr als 1000 Rohdatensätze, sortiert nach Gusto und fügt eine Interpretation hinzu. Man bekommt dann mathematisch genau eine 90%tige Wahrheit. Erfundenes Beispiel: Stuttgart hat 1500 Bushaltestellen, diese werden mehrfach am Tag angefahren. Im Schnitt wird also jede ca. 9,38 mal am Tag "bedient". Wie man sieht, eine mathematisch richtige, aber für Einzelbürger nutzlose Information.
Jetzt wirds politisch: Der Bürgermeister verfügt, dass ab jetzt jede Haltestelle 1x mehr angefahren wird, damit verbessern wir den ÖPNV. Auch mathematisch richtig, aber ebenso sinnlos in der Realität. Denn welche Haltestellen sind gemeint? Und hier ist der Hund begraben: Keiner kennt die Rohdaten, keiner kennt die Auswahlmethoden UND die kausale Interpretation IM GANZEN. Ausser der, der die Statistik gemacht hat. Und so lässt sich damit "alles" begründen, egal, wie die Zahlen aussehen.
Beispiele aus meinem Arbeitsleben:
Regenmengen (Starkregenereignisse) in der Vorderpfalz seit 1968: Häufung in den 80ern, abnehmende Häufung bis heute (Hoppla, dass wird aber ganz anders kommuniziert?). Was wird gemacht? Man nimmt zur Bemessung von Kanälen jetzt ein 30-jähriges Ereignis, nicht mehr nur fünfjährig. Gleiches beim Hochwasser. Und schon wachsen die Rohrdurchmesser.
Kriminaltität: Rohdaten gehen von der PI an das Innenministerium, diese werden um die Randgruppen beschnitten, dann werden die Erhebungen für die Rohdaten der Folgejahre angepasst. Das, was im TV präsentiert wird, ist eine recht freie Darstellung der Realität. Wenn es kein Feld zum Anklicken für "Straftäter aus Land X" gibt, dann gibt es dies Straftat eben nicht. Sie fehlt in den Rohdaten. Oder wird nicht mit einbezogen. Wer weiß das schon?
Feuerwehr: Rund 30% der Einsätze sind Brandeinsätze. Seit 60 Jahren so, abnehmende Tendenz. Deshalb wird die Ausrüstung, Ausbildung und Mannschaft darauf ausgelegt. Keine Feuerwehr ist (alleine) für ein besonderes Einzelereignis ausgerüstet. Warum? Statistisch unwahrscheinlich. Trotzdem sollte man einen Feuerlöscher haben. Und eine Tauchpumpe, und...?
Erhebung von Wohnraum: Es werden zufällig und anonym Bürger per Brief befragt. Keiner kann nachprüfen, wie real die Daten sind, die an die Gemeinde zurück gegeben werden. Oft werden Wohnungsgrößen oder Mieten anderst angegeben - aus Angst vor dem Finanzamt. Wohnungsnot? Kann sein - oder eben nicht...
Was will ich damit sagen? Lasst euch nicht den eigenen Verstand ausreden. Die Realität ist das, was ihr um euch herum seht und erlebt. Wie oft regnet es, wie oft gibt es Hochwasser? Muss ich mich vorbereiten? Jeder muss es selbst entscheiden. Und man trifft mit einiger Sicherheit dann so rund 80% der Wahrscheinlichkeit. Das ist schon ein guter Wert! Mit einer gesunden Auslegung der Gefährdung hat man eine gute Basis für Vorbereitung und Lagerhaltung. Jedes Wirtschaftssystem analysiert die Vergangenheit, um Prognosen zu erstellen. Bei dieser Analyse ist die Qualität der Rohdaten entscheident. Das Problem für alle hier im Alltag ist, die richtigen Rohdaten, also die Wahrheit, zu erfahren. Bleibt skeptisch, jede amtliche Mitteilung kann amtlich widerlegt werden. In jedem Ministerium arbeiten in der Kommunikation Menschen den ganzen Tag daran, Informationen "maßzuschneidern". Im Allgemeinen ist das Hintergrundwissen der Politiker weit geringer als angenommen. Was bleibt, sind Fachleute (Feuerwehr, THW etc.) vor Ort, wenn etwas passiert. Und da lohnt es sich, hinzuschauen, abzuschauen, mitzuhelfen und vorzusorgen!
Ich bin jetzt absichtlich nicht auf mathematische Details eingegangen, bitte einfach Fragen. Und wer hat Angst vorm "Klima"? Ich nicht. Change my mind
Viele Grüße,
Etzwiesel