Einfamilienhäuser in Ballungsgebieten

  • Da bin ich bei Dir, die Zeit vor etwa zehn Jahre war rückblickend sinnvoll für Käufe. In der Zeit habe ich mich auch mit Immobilien eingedeckt, renoviert und saniert und habe nun, durch die hohen Mieten eine gute Amortisation.

    Ich bin mir auch darüber im klaren, dass nicht jeder "selber" machen kann. Vermutlich hat jeder Talent(e) für irgendetwas und sollte es entsprechend nutzen. Leider bringen manche Talente mehr Geld und andere weniger. Kleine Anmerkung dazu: Eine Freundin von mir hat Kunst studiert, ich war im Bereich der ingenieurwissenschaften unterwegs. Salopp sagte ich zu ihr: Sie kann malen und ich rechnen. Daraufhin entgegnete sie, dass man mit "rechnen" viel verdienen kann, mit "malen" normalerweise nicht.

    Mit der Ressourcenverschwendung sehe ich es ja genau gleich: ich gehe nur den Weg, und hinterfrage, ob sich jeder ein Haus leisten soll.

    In meiner gedanklichen idealen Welt wären Begriffe wie Grundstücksgröße und Gemüseanbau miteinander gekoppelt. Real lässt sich sowas aber nur schwer umsetzen.


    Übrigens, zum Thema Scheidung aufgrund von Hausbau gibt es sogar spannende Studien. Es zeigt sich, dass ein psychologischer Effekt für die signifikanz der Scheidungsrate verantwortlich ist: durch diesen völlig überteuerten Preis, steigt die Erwartung an das nun im Besitz befindliche Haus. Leider kann ein Haus in der Psyche der meisten Menschen langfristig nur Befriedigung auslösen und das erhoffte Glück nur sehr kurze Zeit. Dies führt zu generellem Frust und eine hohe Assoziation mit dem Partner.

  • Ich lehn mich jetzt mal aus dem Fenster...


    für uns stand vor 14 Jahren auch "Bauen" oder "Mieten " an... Altimmobilien angekuckt, Mietwohnungen angeguckt....für die 800 Euro Kaltmiete konnte man selbst bei 4,24 % Zinsen hier knapp 1000 qm Grund plus Haus finanzieren. Allerdings nicht ohne solides Eigenkapital und etwa 50K zinslos der Schwiegereltern- egal, nach 10 Jahren durch. Wenn ich jetzt schaue, was mich Bau, Außenanlagen und der Restkram gekostet haben(vorweg: wir waren immer während der Abzahlung im Urlaub, haben ein relativ teueres Hobby nebenbei finanziert, haben 2 Neuwagen gekauft...): dafür bekomme ich jetzt nichts mehr: Vergleich: gemauerter Ziegelkeller: damals max 32K, Haus drauf(Selbstausbau) nackich 117K: heute Doppelgarage massiv mit Mehrzweckraum oben drauf: kein Angebot unter 90K. Also wie sich das eine junge Familie leisten soll....

    Und da kommt ja auch noch was dazu: mal geht die Heizung kaputt, nach 14 Jahren hat man auch schon wieder das eine oder andere machen müssen...

    Fazit: Wir können uns das leisten, aber jemand der den Mindestlohn kriegt guckt da in die Röhre...Für uns selbstgewähltes Elend :) jemand der das hier, am Erzgebirgskamm, will: schwierig.

  • Ich sehe, regional ist das sehr unterschiedlich. Bei uns ist noch viel Eigentum und steht auch recht hoch im Kurs. Aktuell ist es für einen normalen Arbeiter/Handwerker aber sehr schwierig. Für die einheimische Bevölkerung ging es im letzten Jahrhundert recht gut. Die Stammanwesen verfügten in der Regel über teilweise bebaubare Gärten und meist einen Acker im direkten Ortsumfeld (heute fast alles bebaut), zusätzlich oft über Wald oder Wiesenflächen. Bauplätze waren damit recht günstig, und auch beim Erben blieb oft noch ein Bauplatz übrig. Traditionell mit viel Eigenleistung war da ein EFH auch für relativ schlecht bezahlte möglich.

    Jetzt sind die möglichen Siedlungsflächen praktisch aufgebraucht. Das normale Einfamilienhaus wird kaum mehr neu gebaut, ein paar Wohnungen zusätzlich sind üblich. Allenfalls gibt es noch Teilneubauten (Erweiterung eines kleines Hauses zur baurechtlich möglichen Obergrenze ohne Totalabriss, da eher viel Eigenleistung und viel Zeit). Wer aktuell keinen Grund hat, kann sich auch keinen leisten, Ausnahmen gibt es, aber eher über Beziehungen. Über den sichtbaren Markt gibt es kaum Angebot - und wenn, dann steht man in Konkurrenz zu Spekulationsgeld aus der nächsten Großstadt.

    Da ursprünglich kaum Industrie und größeres Gewerbe, haben sich klassischen Arbeiterquartiere hier in der Form nicht herausgebildet. Die klassische Mietwohnung gab es lange hauptsächlich im Bereich Bundeswehr/Polizei/Bahn/Post. Sonst klassische Vermietung von einzelnen Zimmern, teils eher langfristig, teils für den Fremdenverkehr. Wenn wenig Geld da war, wurde fast alles vermietet was geht, da haben halt die Hausherren in der Saison im Dachboden geschlafen, die Kinder bei der Oma. Das war die Umbruchszeit zwischen echtem Altbau (300 Jahre+, zumindest meistens schon elektrisch versorgt) und halbwegs modernem Wohnen, so 50er bis frühe 70er Jahre.

    Ums kurz zu machen und nicht zu anekdotisch zu werden: Bis nach dem zweiten Weltkrieg (Ausnahme Behördenwohnungen und touristisches) gab es fast nur das Mehrgenerationenhaus, danach erst mal Öffnung für den Tourismus und damit finanziert der Umbau des Altbestands, kleinere Wohnblöcke aber auch erst mal nur behördlich. Erst mit knapper werdendem Platz auch im privaten mehr Mehrfamilienhäuser. Schwenk von Fremdenzimmern zu Ferienwohnungen spätestens in den 90ern - die Frauen mussten nun auch arbeiten, da konnte man nicht mehr durchgehend die Gäste bespaßen.

    Etwas begüterten immobilienlastigen Fremdenverkehr gab es immer, das waren wenige Villenbauten.

    Damit ist zur Vergangenheit genug gesagt. Ab den 2000er Jahren begann dann verstärkt das Phänomen der Zweitwohnungen. Also die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen - und diese wurden zu einem großen Teil von extern gekauft. letztlich hat das jetzt zwei Auswirkungen, einmal die allgemeine Verknappung von Wohnraum, damit recht hohe Preise. Andererseits sind es jetzt sicher weit mehr als hundert Wohnungen, die nur sehr sporadisch bewohnt werden - mit Auswirkungen auf Gastronomie und Handel vor Ort.

    Jetzt hat man erkannt, dass durch obige Entwicklungen und Investitionsstau (Aufgabe von ein paar Hotels) zwar ein neue Hotels gewünscht sind - es für die Angestellten (alle Projekte zusammen wohl um die 200) keine Wohnungen gibt. Die aufgelassenen Hotels sind inzwischen Angestelltenhäuser von Hotels der Nachbargemeinde :winking_face:

    Insgesamt ist der Markt hier schon etwas überhitzt. Wer es sich irgendwie leisten kann schafft sich Eigentum - sind aber wenige, da einfach kein Angebot da ist. Zudem gibt es Tendenzen zu einer Zentralisierung - wer schon 2-3 Häuser mit guter Vermietung hat kann den spekulativen Ankauf von weiteren Objekten leichter machen, das Risiko teilt sich.


    Das Ganze ist sehr schwierig. Wenn man verwurzelt ist (bei mir der ganze soziale Kreis, das Ehrenamt, die Familie) tendiere ich eher zum Eigentum. In anderen Fällen mag die Miete sinnvoller sein. Letztlich muss man das durchrechnen. Ich kenne zumindest einen Fall, wo schon bei Kauf die Kreditzahlungen plus Nebenkosten (Hausgeld, Strom) in etwa gleichauf, wenn nicht geringer einer Miete in ähnlicher Wohnungsgröße waren. Wenn man dann eher stationär veranlagt ist, lohnt das schon. Ein paar Jahre sollte man aber durchhalten können, wenn es einen gleich erwischt - verkaufen müssen und Immo Preis im Keller - das wäre dann eher unangenehm.

    Wenn man auf Anlage/Spekulation geht würde ich selbst eher räumlich nahe Objekte wählen. Die Rendite mag zwar niedriger sein, man kann aber jederzeit vor Ort sein.

  • Für mich ist das Eigentum (egal ob Haus oder Wohnung) keine Frage des Geldes sondern des haben wollens.

    Was mir gehört gehört mir (jetzt bitte keine Diskussionen über mögliche Enteignungen, Erhöhung der Steuern, usw.). Es gehört mir und wegnehmen kann man mir alles.


    Was bedeutet Eigentum für mich? Ich entscheide, ob ich die Wände schwarz färbe oder grün oder lila oder weiß.

    Ich entscheide, ob eine Erdwärmepumpe angeschafft wird oder nicht.

    Ich entscheide, ob ich renoviere oder nicht.

    Ich entscheide, wo eine Tür eingebaut wird.


    Diese Freiheit ist unbezahlbar. Und kostet sie mehr als die Miete, so kaufe ich mir diese dann eben.


    Und jetzt lehne ich mich gaaaanz weit aus dem Fenster: Die Zersiedelung nimmt immer weiter zu. In den letzten 10 Jahren wurde z.B. in dem größeren "Dörfchen" in der nähe mal so eben 150 neue Häuser gebaut. An den Neubaugebieten komme ich öfters vorbei. Jetzt wohnen da nicht mehr 4.000 Menschen sondern fast 4600 (Mutter, Vater, zwei Kinder). Gebaut wurden zudem drei Kindergärten und ein weiterer Einkaufsmarkt, Getränkemarkt, Bäcker, Drogerie. Das war alles schon vorhanden, hat aber nicht mehr gereicht.


    Und dies ist in mehreren Dörfern in der Umgebung ähnlich geschehen.


    Folge daraus: Die Äcker und Wiesen sind verschwunden und damit sind auch die Störche woanders, sowie der Milan usw. Wir sind mit den Kindern oft über die Wiesen gelaufen, um Drachen steigen zu lassen. Das war ein recht idyllisches Fleckchen.


    Fazit: EFH machen die Landschaft kaputt und ich habe nichts dagegen, wenn es zukünftig strengere Regelungen gibt, die den Bau neuer EFH verhindern. Zugegeben habe ich es leicht, da ich ja bereits mein Wohneigentum habe. Aber die wilde Bauerei in den letzten Jahren sehe ich sehr skeptisch.

  • Um auf den Ausgangstbeitrag zurückzukommen: Da wo EFHs vom Bebauungsplan her zulässig sind und ein Grundbesitzer ein solches bauen will, kann die Bewilligung nicht verweigert werden.

    Wenn eine Behörde keine EFHs fördern möchte, gibt es viele gute Gründe dafür und das Publizieren des Umkehrschlusses (sind gegen EFHs, wollen EFHs verbieten usw.) ist meist falsch und bewusster Populismus. Man kann z.B. Mehrfamilienhäuser fördern, weil man das Problem der Wohnungsnot für wenig einkommensstarke Schichten in Zentrumsnähe höher gewichtet als die Selbstverwirklichung derjenigen, die sich das leisten können.

  • Grüß Gott zusammen,


    aus den 80ern kenne ich noch den "sozialen Wohnungsbau". MFHs wo potentielle Mieter einen sogenannten Wohnberechtigungsschein bekamen - Sozialhilfeempfänger, Geringverdiener, usw. Dafür wurde der Bauträger finanziell gefördert (Grundstück, Hypothek, ...) und im Gegenzug gab es eine Mietdeckelung für die Miete für ca. 30 Jahre.


    Habe ich das Überlesen oder ist dieser Ansatz nirgends mehr in der Politik angesagt? :question_mark: :thinking_face:


    Waidmannsheil

    zero

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  • aus den 80ern kenne ich noch den "sozialen Wohnungsbau". MFHs wo potentielle Mieter einen sogenannten Wohnberechtigungsschein bekamen

    Das gibt es nach wie vor - löst aber das momentane Problem nicht: die Mittelschicht findet in Ballungsgebieten keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, ist aber wegen ihres (normalen) Einkommens "zu reich" für einen Wohnberechtigungsschein. Teilweise gibt es verfügbare Sozialwohnungen, aber eben keine Wohnungen für Normalverdiener. Was in Städten nach Modernisierung/Gentrifizierung ganzer Quartiere übrig bleibt, sind schicke Appartments für DINKS (dual income - no kids), da geht dann mindestens ein volles Gehalt fürs Wohnen drauf, der Rest für den Lifestyle. Schönes Beispiel "The Wave" in der Hamburger HafenCity: 72 Wohnungen werden da von Engel&Völkers projektiert, Fertigstellung 2023, Preise von 720.000 € - 1.770.000 €, wohlgemerkt für Wohnungen, in einer ehemaligen Hafen-Industrielandschaft.

    Aber auch in eher schlichter Lage und Massenquartierbauweise zahlt man für einen fensterarmen 3-Zimmer-Wohnriegel aus älterem Bestand mal eben 679.000€


    Diese Preise treiben die Familien aus den Städten. Das kann man durch sozialen Wohnungsbau auch nicht abfangen, da Normalverdiener da nicht reindürfen. Ironischerweise ist der Preisanstieg bei Immobilien der Oberklasse bei weitem nicht so krass. Im Raum Stuttgart gibt es genügend Häuser in der 2-3Mio.€-Klasse auf dem Markt, die tatsächlich geräumig und hochwertig gebaut sind, auf einem respektablen Grundstück stehen und luxuriöse Extras (Gartenhaus, Schwimmbad) besitzen. Aber einfache Reihenhäuschen aus den 50er Jahren "in bevorzugter Lage" kosten locker 900.000 Euro - unsaniert mit grüner Badkeramik.


    Grüsse

    Tom

  • Der soziale Wohnungsbau hat mehrere Probleme. Erst mal gibt es in Deutschland die Besonderheit, dass Sozialwohnungen irgendwann, meist nach 15 Jahren, aus der Bindung fallen, also dann zu Marktmieten vermarktet werden. Das macht den sozialen Wohnungsbau für langfristige Investoren attraktiv, führt aber dazu, dass die Sozialwohnungen irgendwann weg sind. Das erleben wir momentan. Aktuell fallen viel mehr Sozialwohnungen aus der Bindung als neue nachgebaut werden.


    Ein weiterer Faktor sind die hohen Baulandpreise in den Ballungsräumen. Genossenschaften und öffentliche Wohnungsbauunternehmen müssen letztlich wirtschaftlich kalkulieren, auch wenn sie nicht unbedingt Gewinn erzielen müssen. Der Kauf des Baulands muss sich letztlich durch die Mieten refinanzieren lassen. Wenn die Miethöhe im sozialen Wohnungsbau begrenzt ist, kann man bei den Baulandpreisen nur bis zu einem gewissen Niveau mitgehen. Wenn das überschritten ist, hat man das Nachsehen und die Privaten, die höhere Mieten oder ETW-Verkaufspreise nehmen können, bekommen das Land. In geringerem Umfang gilt das auch für die Erstellungskosten durch die Bauwirtschaft und durch die Energiespar- und sonstigen Auflagen, aber das Bauland ist der entscheidende Treiber.


    Dazu kommt der politische Rahmen. Nach der "Neuen Heimat", die den Älteren vielleicht noch ein Begriff ist, wurden die Steuervorteile für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen gestrichen, die letztlich noch aus dem Kaiserreich kamen. Zusätzlich ist man so ab 1995/2000 auf die Idee gekommen, dass man den ganzen sozialistischen Quatsch wie Wohnungsbestände von Bahn, Post, Kommunen etc. oder städtische Baulandreserven nicht mehr wirklich brauche. Viele davon waren auf niedrigem Mietniveau, wurden dann verkauft und werden jetzt von den Privaten teuer vermietet.


    Insgeamt gibt es auch nicht mehr viele Reserveflächen. Alte Bahnhöfe, Bundeswehrliegenschaften, etc. sind in den Metropolen größtenteils durchentwickelt. Gewerbebrachen gibt es auch kaum noch. Und wenn, werden sie mit Rechenzentren und Logistik bebaut.


    Dann gibt es die von tomduly beschriebene Fallen für mittlere Einkommen, die zu viel für eine Sozialwohnung verdienen, aber nicht genug, um Marktmieten zu zahlen. Einige Städte haben dafür Mittelstandsprogramme zusätzlich zum klassischen sozialen Wohnungsbau aufgelegt. Aber da hast du das Kostenproblem auf geringfügig höherem Niveau erneut. Außerdem kanibalisieren solche Programme die Ressourcen für den klassischen sozialen Wohnungsbau.