Jahrgangsstufen wiederholen war in meiner Schulzeit bereits nicht von jedem gerne wahrgenommen. Die Kiddies in meiner Klasse, die einen Jahrgang wiederholen mussten, hatten auch erst einige Jahre gebraucht, ehe sie die Wiederholung der Klasse nicht als Strafe, sondern als Chance sahen.
Ich halte das für ein ganz schwieriges Thema. Natürlich schleppt man mit "niemand bleibt sitzen" auch die Fälle durchs Schulsystem, die es sonst ausgesiebt hätte. Allerdings sehe ich in der Pandemie-Phase die Schuldfrage bei "Sitzenbleibern" etwas differenzierter. Hier sacken nicht nur lernschwache oder "dummme" Kinder leistungsmäßig ab, sondern auch sehr viele "normale" Kids - weil das System Schule in den Homeschoolingphasen den Stoff nur bruchstückhaft und überwiegend ohne direktes Feedback von den Kindern zu den Lehrern vermittelt. Dieses defacto-Versagen der Bildungsvermittlung müssen dann die Kinder insgesamt ausbaden, weil die Leistungsmessung und Erfolgsbeurteilung knallhart am Präsenzunterricht orientiert ist.
Die Halbjahresnoten fürs vergangenen Schulhalbjahr wurden an unserer Schule im Wesentlichen an einer einzigen Klassenarbeit pro Fach festgemacht. Im Präsenzunterricht üblich wären zwei Klassenarbeiten pro Fach und Halbjahr sowie diverse kleinere Tests (Vokabeltests z.B.). Für die Zeugnisnote wird die schriftliche Leistung mit 60-80% gewichtet, den Rest tragen mündliche Leistung, Heftführung und Dinge wie Laborversuche und Referate bei.
Da man jetzt nur eine einzige Klassenarbeit als Messwert für die gesamte schriftliche Leistung heranzieht, hat diese Momentaufnahme ein viel zu starkes Gewicht.
Bei den bei Kindern im Pubertätsalter durchaus üblichen Leistungs-/Motivationsschwankungen ergibt das unterm Strich mehr Verlierer als Gewinner bei dieser an einer einzigen Leistungsmessung orientierten Benotung.
Es wäre also nur Fair, den Kindern für die großenteils klägliche Bildungsvermittlung im Fernunterricht seitens der Schulen einen rechnerischen Bonus auf ihre Noten zu gewähren. Und den Eltern, die ungefragt zu "Hilfslehrern" herangezogen wurden, ihren Aufwand finanziell bzw. steuerlich zu entschädigen. Das System Schule hat sich als ganzes praktisch nicht bewegt, es hat nun über ein Jahr gedauert, um nur die gröbsten technischen Hürden für Fernunterricht beiseite zu schaffen. Die Pädagogik wurde in keinster Weise an die neue Situation angepasst. Und die Leistungsmessung erst recht nicht.
Ansonsten regiert in den Schulen das verzweifelte Prinzip Hoffnung, dass das alles irgendwie von selbst vorübergeht. Die Maßnahmen an den Schulen beschränken sich nach wie vor auf Einbahnverkehr in Treppenhäusern, Planquadrate auf Schulhöfen, Maskenpflicht und Desinfektionsmittelspender. Selbst das Thema Aerosolbekämpfung wird ausgesessen, obwohl schon seit Monaten bekannt ist, dass die Methode "Fenster auf - wir lüften" nur in der kühlen Jahreszeit funktioniert. Steht im Sommer die Hitze draußen, bewegt sich beim Lüften ohne Hilfe von Ventilatoren gar nichts.
Das wird spätestens nach den ersten sommerlich heißen Tagen im Juni zu Hektik führen und zu ausverkauften Ventilatorbeständen, wenn es im Sommer völlig überraschend heiß wird.
Grüsse
Tom