Ich hatte in meinem FH-Studium in der Fachrichtung Elektronik die Wahlfächer regenerative Energien (Wind, Strom, Wasser, Biogas, Geothermie), elektrische Antriebe (E-Motoren/Generatoren) und Wasseraufbereitung ("Wie gewinnt man Trinkwasser, wie behandelt man Abwasser" - wir hatten neben der Fakultät E-Technik eine Fakultät "Physikalische Technik" mit interessanten Themengebieten im Programm). Das war schon ein Blick über den Tellerrand und gibt einem Ingenieur das nötige Rüstzeug, die Plausibilität von Thesen zu hinterfragen. Natürlich fehlt mir der Gesamtüberblick, "wie" das Verbundstromnetz in Europa insgesamt funktioniert und wie hoch der Qualitätsstandard ist, also Erhaltung und Wartung der Technik sowie Ausbildungsstand, Erfahrung und Verfügbarkeit von Personal. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die verwendete Technik grundsolide und zuverlässig ist und dass das Bedienpersonal qualifiziert und mit Herzblut bei der Sache ist. Im Grunde ähnlich wie im Gesundheitswesen.
Wo ich mir nicht sicher bin, ist, ob man so ein komplexes Thema wie einen Blackout im klassisch wissenschaftlichen Sinne überhaupt untersuchen kann.
Warum? Ingenieure sind Techniker und keine Naturwissenschaftler. Techniker schreiben praktisch keine peer-reviewed Papers und gehen auch nicht auf wissenschaftliche Konferenzen. Umgekehrt sind Naturwissenschaftler keine Techniker. Sie liefern theoretische Grundlagen (Mechanik, Physik etc.) aber sie dimensionieren z.B. nicht die nötige Dicke eines Kupferleiters in einem Stromkabel oder den Durchmesser einer Schraube. Ich arbeite seit Jahrzehnten genau an der Nahtstelle zwischen Naturwissenschaft und Ingenieurwissenschaft, nennt sich neudeutsch "Innovationstransfer" und kann mir da glaube ich ein Urteil erlauben.
Einem "Blackout-Propheten" mangelnde wissenschaftliche Publikationstätigkeit vorzuwerfen, wird der Sache nicht gerecht. Die Thesen von Technikern/Ingenieuren zu Stromausfällen befassen sich meist mit technischen Abläufen (Abschaltungskaskaden nach Störungen oder Überlastungen, stufenweise Wiederinbetriebnahme von Netzen). Herbert Saurugg befasst sich m.W. vor allem mit den Folgen und dem Umgang mit einem Blackout-Szenario und wie man sich auf lokaler Ebene vorbereiten kann und arrangiert.
Die Studien vom Bundestagsbüro für Technikfolgen oder vom Bundesrechnungshof betrachten auch eher die Folgen, nicht im Detail die Ursachen und Auslöser, zudem auch vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht.
Autoren wie Elsberg verpacken das Szenario dann eben in eine unterhaltsame Form des Katastrophenromans.
Man kann natürlich Stromnetze in Simulationen allerhand Szenarien aussetzen und dabei auch Blackouts in der Simulation provozieren. Die Übertragbarkeit solcher Simulationen hängt von der Qualität der Modelle ab.
Ein solches Tool ist der PowerWorld-Simulator. Hier ein wissenschaftliches Paper mit einer Blackout-Simulation für das Stromnetz von Nigeria mit Hilfe des PWS.
Grüsse
Tom