Besuch an der Ahr

  • Heute war ich nochmal an der Ahr.

    Dernau, Rech, Altenahr.

    Sehr bedrückend.


    Rech ist weiträumig zerstört, sehr viele Bagger und Baumaschinen im Einsatz.

    In Dernau sind sehr viele Gebäude auf der Prallhang Seite Totalschaden, sehr viele Bagger und Baumaschinen im Einsatz.

    In Altenahr sieht es leider gar nicht gut aus, die Innenstadt ist quasi Totalschaden.

    Der Bahnhof Altenahr steht sehr einsam, die Schienen fehlen noch immer. Die Brücke für die Schienen fehlt auch.


    Die Orte sind mit PkW frei anfahrbar, die Hauptstrassen sind geräumt.

    In allen 3 Orten gibt es Versorgungsstellen / Info-Points für die Anwohner.

    In Dernau gibt es von der Bundespost eine offizielle "Feldpoststelle".

    In allen 3 Orten gibt es keine (!!!) Supermärkte, keine Restaurants.

    In allen 3 Orten gibt es zahlreiche Dixie Toiletten.

    In Altenahr gibt es vor dem Rathaus für die Anwohner einen Duschcontainer.


    In allen 3 Orten habe ich Feuerwehrhelfer und noch viel mehr freiwillige Helfer gesehen.

    Null Polizei und Null Bundeswehr.

    Die zahllosen Bagger und Baumaschinen sind von gewerblichen Firmen.


    Zahlreiche beschädigte Häuser in den 3 Orten sind verlassen, Handynummern der Besitzer sind drauf gemalt.


    Falls ihr da doch mal hin fahrt, schaut euch zuvor den Film "Stalingrad" an.

    (an der Ahr natürlich ohne Krieg, aber die Gebäudeschäden etc. sind vergleichbar)


    Zahlreiche Stromgeneratoren machen dort Nachts Licht an öffentlichen Plätzen, Null Solarzellen-Systeme.


    Das zukünftige Ahrtal wird ein anderes sein, als das bisherige Ahrtal.


    In Altenahr sind Menschen in ihren Häusern ertrunken, weniger als 50 m von der nächsten rettenden Anhöhe entfernt.

  • Ich war am Wochenende auch wieder im Ahrtal als Helfer mit einer kleinen Hilfstruppe aus der Region.


    Wir haben Samstags in Dernau und Sonntags in Mayschoß gearbeitet. Dernau sieht mittlerweile schon wieder ganz gut aus (im Vergleich zu vor ein paar Wochen, natürlich noch sehr weit weg von "normal"). Wir konnten zum allersten Mal ein Garagendach aufschlagen und zusammen mit Elektriker und Installateur Wasser und Strom in ein Stockwerk bringen. Nach wochenlangem Abriss, Rausstemmen und Rausmeißeln ein echter Meilenstein und Motivator - nicht nur für die Betroffenen!


    In Mayschoß jedoch musste tatsächlich noch immer Schlamm aus Kellern geschaufelt werden :nauseated_face: Ab Dernau ahraufwärts sind die Zerstörungen wirklich noch allgegenwärtig. Je weiter es vom Rhein weggeht, desto massiver werden die Zerstörungen. Orte wie Schuld oder Insul bspw. spiegeln das in erschreckender Form wider... Hier gibt es gefühlt mehr Lücken in der Bebauung als Häuser.


    Insgesamt ist die Situation zwar unbefriedigend, aber zumindest gibt es überall Dixie-Toiletten (die regelmäßig geleert und gereinigt werden - nicht wie in der ersten Woche), Duschcontainer sowie Container mit Waschmaschinen. Die Verpflegung von Betroffenen und Helfern funktioniert in Dernau sehr gut, da in der Nähe der Kirche eine große Station betrieben wird. Die Zusammenkünfte dort zur Mittagszeit sind wirklich sehr schön, Freiwillige und Einwohner kommen ins Gespräch und tauschen sich aus.

    - Wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage -

    Bertold Brecht

  • Je weiter es vom Rhein weggeht, desto massiver werden die Zerstörungen. Orte wie Schuld oder Insul bspw. spiegeln das in erschreckender Form wider... Hier gibt es gefühlt mehr Lücken in der Bebauung als Häuser.

    Trifft leider zu.

    Direkt oberhalb von Altenahr ...

    Der gestrige Besuch an der Ahr hat selbst mich erschüttert und mal wieder eine schlaflose Nacht gekostet.


    Falls sich jemand motiviert fühlt:


    https://www.helfer-shuttle.de/ ( fahren aber nicht nach Schuld)


    Helfer werden noch gesucht.


    Von nicht koordinierten Hilfslieferungen wird dringend abgeraten.

    So wird bei nicht benötigten Hilfslieferungen (z.B. Kinderwagen) die Annahme verweigert - anders geht es leider nicht.

  • Die Verpflegung von Betroffenen und Helfern funktioniert in Dernau sehr gut, da in der Nähe der Kirche eine große Station betrieben wird. Die Zusammenkünfte dort zur Mittagszeit sind wirklich sehr schön, Freiwillige und Einwohner kommen ins Gespräch und tauschen sich aus.

    Kann ich sehr gut bestätigen.

    Das Essen bei der Kirche und die Gespräche sind hervorragend.

    Die Feldpost der Bundespost ist nur 50 m von der Kirche entfernt.

  • Bin jetzt ein wenig irritiert.


    Das Ahrtal ist weitest gehend durch die Flutwelle zerstört.

    Die Bagger räumen derzeit noch die Trümmer weg.

    Das Helfer Shuttle ist noch immer im Einsatz.

    Helfer werden noch immer gesucht.


    Und dann diese Meldung:

    https://www.spiegel.de/panoram…09-4cce-a9f6-804fd3af66b5


    Da können die BOS Kräfte aus ganz Deutschland doch direkt schon mal voll tanken.

    Die freiwilligen Helfer aus ganz Deutschland können schon mal ihr Arbeitsmaterial bereit legen.

    Die Bundeswehr sollte bis auf weiteres keine Kriege führen und Mannschaften bereit halten.


    Die nächste Flutwelle kommt bestimmt.

  • Das zukünftige Ahrtal wird ein anderes sein, als das bisherige Ahrtal.

    Andereseits will man's fast genauso wieder aufbauen wie es war.


    Offenbar droht die nächsten 100 Jahre dann doch keine ähnliche Flut, egal wie warm es auf dem Planeten noch wird.


    Ich als Laie versteh das erstmal nicht, aber vielleicht sind da auch andere, kurzfristigere Interessen dominierend?

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Ich kann es im Prinzip nachvollziehen. Die Leute wollen halt auf ihre Immobilien, von denen die meisten ja "nur" beschädigt sind, nicht verzichten - vermutlich aus finanziellen Überlegungen ebenso wie aus emotionaler Verbundenheit. Und da wird sich kaum ein Bürgermeister oder Landrat erfolgreich gegen stemmen können. Ob man das jetzt Politik oder Heimatverbundenheit nennen will, ist vermutlich Geschmackssache.


    Übrigens müsste man genauso in so ziemlich jedem Flusstal im Gebirge oder Mittelgebirge argumentieren. Einem erheblichen Teil der Bevölkerung sagen, dass sie ihren Wohnsitz und den damit verbundenen Vermögenswert aufgeben soll: Das dürfte nicht durchsetzbar sein.


    Davon unbenommen stimmt natürlich die Fernperspektive, dass damit erneute Flutkatastrophen programmiert sind. Nur werden eben die meisten lieber auf die Chance hoffen, dass ihrem Haus nichts (nochmal) passiert, als die Gewissheit in Kauf zu nehmen, dass sie es aufgeben müssen.


    Vermutlich wird ein Abrücken der Siedlungen von den Flüssen nur über Jahrzehnte laufen, einerseits über den Verlust des Versicherungsschutzes und damit verbunden den sukzessiven Verlust der Gebäudesubstanz bzw. dort, wo das zufälligerweise nicht passiert, den Wertverlust der Immobilien und der damit verbundenen Aufgabe bem nächsten Generationswechsel.

  • Heute kam ein längerer Bericht dazu im Radio. Zusammenfassung: ja es darf wieder aufgebaut werden. Aber nicht überall. Die besonders exponierten Grundstücke dürfen nicht mehr bebaut werden.

    Für den Rest gibt es verschiedene Auflagen. Mal darf es im Erdgeschoss keine Wohnungen mehr geben, mal muss das Haus verstärkte Fundamente und Mauern erhalten (z.B. Verstärkte Betonwände bis zum 1. OG).

  • Naja, das Grundstück ist ja noch "da". Verkauf das mal und finde was anderes mit dem Geld das du dafür bekommst...

    Es ist schon nachvollziehbar dass die Leute nicht weg können.

    Die ganze Flut zeigt wie unfähig unser System schon ist wenn es eigentlich noch "handlungsfähig" ist... Stellt euch Mal was flächendeckendes vor:rolleyes:

  • Naja, das Grundstück ist ja noch "da". Verkauf das mal und finde was anderes mit dem Geld das du dafür bekommst...


    10 Jahre warten. Dann ist das ganze vergessen und man hat ein begehrtes Wassergrundstück.

  • Naja, das Grundstück ist ja noch "da". Verkauf das mal und finde was anderes mit dem Geld das du dafür bekommst...

    Es ist schon nachvollziehbar dass die Leute nicht weg können.

    Die ganze Flut zeigt wie unfähig unser System schon ist wenn es eigentlich noch "handlungsfähig" ist... Stellt euch Mal was flächendeckendes vor:rolleyes:

    Den Leuten werden 80-100% der Kosten für den Wiederaufbau aus Steuergeldern erstattet.


    Ist immer praktisch, wenn soe eine Katastrophe vor der WEahl auftritt.


    Ich kenne die Details nicht, vermute aber, dass da auch Grundstück und nagelneues Haus damit gemeint ist.

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Den Leuten werden 80-100% der Kosten für den Wiederaufbau aus Steuergeldern erstattet.


    Ist immer praktisch, wenn soe eine Katastrophe vor der WEahl auftritt.

    Zum einen sind Wahlversprechen so gut wie nix wert.


    Zum anderen habe ich über die Jahre gelernt dass es bei staatlichen Geldern mehrere Gruppen von Empfängern gibt.

    Es gibt Schreihälse, das beginnt schon bei Sozialleistungen usw , die jammern medienwirksam, drohen mit allen möglichen Verbänden und Politikern die sich solidarisieren und bekommen alles sofort gern auch mal deutlich mehr, auch wenn sie nicht mal Anspruch drauf haben .

    Und dann gibt es noch den dummen Ehrlichen der einfach nur das haben will was ihm gemäß des Solidaritätsprinzips oder des Wahl/Hilfsversprechens zusteht.

    Da wird er Sachbearbeiter aber gern mal biestig ala: "Was? Sie haben keine lückenlose Dokumentation? Ja dann gibt es auch kein Geld!

    Weggespült? Da könnte ja jeder kommen!"


    Und selbst wenn es dann 40% geben sollte dauert es erfahrungsgemäß ewig biss die Gelder dann auch mal fließen.


    Zu den Grundstücken... Ich bin durchaus ein Vertreter der "Dan muss man einfach massiver bauen" Fraktion, aber was man dort an Ausspülungen gesehen hat... Da müsste man ja gigantische Fundamente gießen um für ein weiteres Hochwasser gewappnet zu sein.

    Wobei ja bei den Fundamenten auch nicht das Hochwasser das Problem war, sondern der abrasive Strom der dort alles weggefräst hat.

  • Bei den braunkohletagebaubedingten Umsiedlungen ganzer Gemeinden, hier in der Gegend kann ich etwa 20 Gemeinden aufzählen, stemmt das ein Unternehmen allein und macht trotzdem Gewinn. Den Einwohnern wird der Umzug dermaßen finanziell versüßt, dass kaum einer ablehnt. Auch die Gemeindeeinrichtungen profitieren davon, z.B. Sportanlagen, Mehrzweckhallen, FFW-Gebäude usw. Kenne ich alles aus erster Hand, inkl. der finanziellen Rahmenbedingungen.

    Verstehe nicht, wieso das im Ahrtal nicht auch so gehandhabt wird. Spätestens beim nächsten Hochwasser hätte man die Kosten wieder drin, weil man keine erneute Katastrophe stemmen muss.

  • Heute kam ein längerer Bericht dazu im Radio. Zusammenfassung: ja es darf wieder aufgebaut werden. Aber nicht überall. Die besonders exponierten Grundstücke dürfen nicht mehr bebaut werden.

    Für den Rest gibt es verschiedene Auflagen. Mal darf es im Erdgeschoss keine Wohnungen mehr geben, mal muss das Haus verstärkte Fundamente und Mauern erhalten (z.B. Verstärkte Betonwände bis zum 1. OG).

    Grüß Gott,


    jau, in Schlesien, nahe bei der Oder, wurde in einem mir bekannt Dorf (eingeheiratet) in einigen Häusern die Stromverteilung im 1.OG installiert damit im Fall der Fälle noch Strom da ist. Die Trafohäuser sind auch etwas höher aufgebaut.


    Mein angeheirateter Cousin hat im Keller z.B. eine alte Holz-Schwerkraftheizung die bei Hochwasser nicht kaputt gehen kann. Eine moderne würde er nie im Keller installieren lassen.


    Weiterhin ist die Hauptwohnung im ersten OG und im EG sind "nur" die Kinderzimmer, Garage usw.


    Waidmannsheil

    zero

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