Frage: Lastabschaltung bei Blackout

  • Weiss einer von euch ob es irgendwo Regelungen zu Lastabschaltungen bei einem drohenden Blackout gibt? Mich würde interessieren wie es sich bezüglich Stadt vs. Land verhält.


    In der Stadt hat man mehr Personen und auch dichtere Infrastruktur und somit mehr vilnerable Personen was für eine höhere „Schutzstellung“ sprechen würde.


    Auf dem Land stehen aber die Vogelschredder und die PV-Farmen. Wäre ja blöd die abzuklemmen.


    Gibt es da Regelungen und wenn ja, welche Prioritäten gibt es?


    :question_mark:

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Gibt es da Regelungen und wenn ja, welche Prioritäten gibt es?


    Da hat jeder Netzbetreiber Pläne in der Schublade, nur darüber reden wird keiner wollen.


    Ich kenne von früher, das möglichst erst große Verbraucher aufgefordert wurden, den Verbrauch einzuschränken und vor Abschaltunen vorgewarnt wurden, wenn die vom Netz waren und reicht nicht, ländliche Gebiete und zum Schluß die Großstädte. Die Flächenabschaltungen sollten rollieren erfolgen.

    Keine Ahnung, ob das heute auch noch so ist.

  • Ich gehe mal davon aus das es billiger ist zigtausende von Waschmaschienen zu stoppen als z.B. Industrieschmelzöfen kalt werden zu lassen.

    Gibt es da Regelungen und wenn ja, welche Prioritäten gibt es?

    davon gehe ich aus das da Vertäge mit der Industrie bestehen die das regeln.

    Du kannst die Zukunft verändern mit dem was du heute tust. :face_with_open_mouth:
    - aus Oberfranken in DE -

  • Das ist in Deutschland folgendermaßen geregelt.

    Die Regeln für einen Lastabwurf werden von den jeweiligen regionalen Netzbetreibern festgelegt. In Deutschland sind diese Regeln in den Netz- und Systemregeln der deutschen Übertragungsnetzbetreiber des Verbandes der Netzbetreiber (VDN) festgelegt.

    Einige Großverbraucher, hauptsächlich Zementmühlen oder große Kühlhäuser, haben Verträge als Lastabwurfkunden. Sie erhalten vergünstigten Strom und müssen dafür auf Anforderung des Energieunternehmens automatisch und innerhalb definierter Zeiten, typischerweise im Sekundenbereich, abschalten.

    Den Transmission Code findest du hier

    https://www.bdew.de/media/docu…_TransmissionCode2007.pdf


    Dort steht zb. auf Seite 65:

    IMG_20211227_221204.jpg

  • Man muss unterscheiden zwischen Demand-Side-Response (wo es einen Vertrag zwischen Netzbetreiber und Lastabwurfkunden gibt, Last abzuwerfen) und kompletten Abschaltungen von Großkunden oder ganzen Netzsegmenten (Umspannwerk-Abgang, ...), um Blackouts zu verhindern.

    Beim DSR werden - vereinfacht gesagt - gezielt Lasten (zB. Mühlen in Zementwerken, Lichtbogenöfen, Klimaanlagen in Kühllägern, große Gebläse oder Drucklufterzeuger, ...) abgeschaltet, die restlichen Anlagen des Betriebs (und tlw. sogar die Produktion an sich) bleiben hingegen am Netz. Auch erfolgt die Abschaltung der Last nicht zwangsweise, sondern der Netzbetreiber gibt nur ein Signal, welches der Kunde aber ignorieren kann (wenn er zB die Mühle gerade unbedingt benötigt).


    Wenn die DSR-Maßnahmen in Extremsituationen nicht ausreichen (weil zB. die Laständerung zu groß in zu kurzer Zeit ist), dann kann es eben zur kompletten Abschaltung von Kunden/Netzssegmenten kommen. Hier erfolgt die Trennung automatisiert, zwangsweise, komplett (also der ganze Betrieb, nicht nur einzelne Teile), ohne finanzielle Kompensation und ohne Vorwarnung.

    Grundsätzlich werden hier tendenziell auch zuerst Großverbraucher abgeschaltet, allerdings mit Ausnahmen (keine Krankenhäuser, Bäckereien, Logistikzentren und andere kritische Infrastrukturbetriebe).

    Die genaue Regelung, wer wann abgeschaltet wird, liegt wie gesagt beim Netzbetreiber.

    Arbeite, als wenn du ewig leben würdest. Liebe, als wenn du heute sterben müßtest.

  • Würde das bei einer Netzsegmentabschaltung dann auch bedeuten, dass "produzierende" Segmente mit Green-Enery mit rausgekegelt werden würden? Wenn ja frage ich mich wie das gemacht wird bzw. Ob man solche Segmente wenn "Überproduktion herrscht (viel Wind und Sonne) trotz Frequenzschwankung am Netz lassen kann zur Stabilisierung trotz Abgabeschwankungen.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Leider leider hinter der Bezahlschranke, da einer der besten Berichte ever auf Spiegel Online, meiner Meinung nach. Liest sich wie ein Krimi.

    Dort werden die Szenarien wie Lastabwurf gut beschrieben:


    https://www.spiegel.de/panoram…02-0001-0000-000176138629


    Zitat

    Große Energieverbraucher, Aluminiumhütten etwa, können aus dem Netz geworfen werden, ohne Vorwarnung, aber unter zuvor ausgehandelten Bedingungen.


    ...darf jede Anlage nur einmal am Tag vom Netz trennen und höchstens für eine Stunde.


    Was ich krass fand in dem Bericht:


    Zitat

    Unter anderem trifft es Produktionslinien der Trimet-Aluhütte in Nordrhein-Westfalen, die allein rund ein Prozent des Stroms aus dem deutschen Netz ziehen.

  • Würde das bei einer Netzsegmentabschaltung dann auch bedeuten, dass "produzierende" Segmente mit Green-Enery mit rausgekegelt werden würden?


    Hängt von der Spannungsebene ab, wo sie einspeisen.

    Wenn aber ein Segment zwangstrennt werden muss, sind auch alle Erzeuger in dem Segment (egal welcher Farbe) mit betroffen.

    Die dürften im den seltens Fällen reichen, um eine Strominsel aufrecht zu erhalten und trenne sich dann auch automatisch vom Netzt.

  • jau, Großverbraucher können rausgekegelt werden, dafür bekommen sie aber im Vorfeld Goodies für diese Bereitschaft.


    Was ich aber viel spannender finde ist die Frage wie bei einem schwankenden Stromnetz mit den Produzenten Grüner Energie (technisch) umgegangen werden kann/muss.


    Nehmen wir an es gibt einen "Zusammenbruch" im europäischen Verbundnetz (warum auch immer). Zusammenbruch definiert als Trennung in unterschiedliche Teilbereiche aber keine Doomsday-Szenarien wo Installationen wirklich technisch total im Arsch sind. Also quasi der Zerfall in kleine Netzsegmente und damit verbundene Notabschaltungen. Jetzt müssen Insellösungen her, um das Netz wieder aufzubauen.


    Kraftwerke können von der Leistung konstant einreguliert werden und dann je nach zugeschalteter Größe der Netzinfrastruktur mit den Verbrauchern als Insel das Netz wieder aufbauen. Das ist, denke ich, sogar halbwegs leicht berechenbar, kennt man doch seine Großverbraucher und hat Erfahrungswerte zur sonstigen allgemeinen Grundlast. Insofern Alles berechenbar.


    Was passiert aber mit der massenweise produzierten Energie auf dem Platten Land in Form von Windkraft und PV?


    nehmen wir mal den hypothetischen Fall ein solches Ereignis passiert, es ist Sommer später Nachmittag, ich hab noch 2-3 Stunden Stromertrag durch PV und mittelstarken Wind der auch noch in der Nacht wehen soll.


    Wie verhalte ich mich als Entscheider? Schmeiße ich den ganzen Kram vom Netz und versuche nur mit den immer weniger vorhandenen Kraftwerken das Netz wieder hoch zu fahren? Kann man technisch nur einzelne (große) Windparks zur Unterstützung einzeln dazuschalten? Ist das technisch möglich oder bedeutet Netzabschaltung auch das damit die Energiequelle Wind automatisch mit versiegt, sofern keine Pufferspeicher vorhanden sind (was ja jetzt der Fall ist? Ab welcher Größenordnung sind Grüne Kraftwerke einzeln zuschaltbar?


    Diese Fragen finde ich entscheidend, wenn es um die Handlungsabfolgen bei einem solchen Szenario geht. Eine Antwort a la "wir haben doch das europäische Verbundnetz und dann holen wir uns in dem Fall halt den Strom von den AKW`s aus Frankreich oder den Kohlemeilern aus Polen" würde ich nicht gelten lassen, die konventionelle Versorgung wird ja immer geringer und somit unzuverlässiger, gerade im Falle wenn jedes Land gleichzeitig Probleme hat. Das wäre ohne Frage bei einer Segmentierung auf europäischer und lokaler Basis im Krisenfall gegeben.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • https://www.heise.de/tp/featur…romerzeugern-4499804.html


    Soweit ich weiß, wird das Netz von konventionellen schwarzstartfähigen Kraftwerken aus wiederbelebt, so dass zuerst kleine Inseln etabliert werden, in denen die Versorgung wieder hergestellt wird. Dann kommen die nicht schwarzstartfähigen konventionellen Kraftwerke hinzu. Erst zuletzt die PV und Windturbinen. Das liegt daran, dass sie nicht regelbar sind, und dass ihre Spannungsschwankungen von den konventionellen Kraftwerken ausgeglichen werden müssen. Die konventionellen Kraftwerke übernehmen hier die Rolle, die bei meiner Standalone-PV-Anlage zu Hause der Laderegler samt Akkus übernimmt.


    Momentan bewerte ich die Blackoutwahrscheinlichkeit als erhöht, da zum Jahresende einige deutsche Kernkraftwerke vom Netz gehen und einige französische Kernkraftwerke außerplanmäßig in der Wartung sind. Daher habe ich jetzt über Weihnachten gearbeitet, um so viele Projekte wie möglich fertigzustellen und fristwahrend abzugeben. Ich hab zwar eigenen Strom, aber wenn kein Internet da ist, bekomme ich die Sachen nicht zum Kunden. Ich brauche daher einen größeren Zeitpuffer.

  • jau, Großverbraucher können rausgekegelt werden, dafür bekommen sie aber im Vorfeld Goodies für diese Bereitschaft.

    Eigentlich müsste man jetzt noch Demand Response und Demand Side Management unterscheiden. Ersteres dient dazu, dass Kraftwerke nicht so oft hoch/runtergeregelt werden müssen (was auf die Lebensdauer geht), letzteres der Netzstabilisierung. Da wir uns eh aber nur relativ grob auf der Übersichtsebene befinden, kann man das auch zusammenfassen:

    Lastabwurfkunden bekommen Geld nicht (nur) im Vorfeld. Sie bekommen - je nach vertraglicher Verpflichtung - einerseits Geld für die Bereitstellung von Leistungskapazität, andererseits auch ein Entgelt für den tatsächlichen "Abruf". Wenn man z.B. eine Anlage mit 5 MW für eine Stunde abschaltet, bekommt man xxx,yy Euro * 5 MWh.

    Was ich aber viel spannender finde ist die Frage wie bei einem schwankenden Stromnetz mit den Produzenten Grüner Energie (technisch) umgegangen werden kann/muss.

    Prinzipiell haben größere EE-Erzeuger "Fernsteuerungen", welche dem Netzbetreiber ermöglichen, diese abhängig von der Netzsituation zu regeln. War das früher eine relativ starre (und zu Schwingungen führende) Abschaltung bei 50,2 Hz, stehen heute mit den sog. Parkreglern deutlich flexiblere Steuermöglichkeiten (Leistungsreduktion in Abhängigkeit von der Netzsituation) zur Verfügung.


    Klar ist jedoch, dass Deutschland einen massiven Bedarf an Speichermöglichkeit hat (zumindest Tagesspeicher). Zum Vergleich: DE hat aktuell ~ 30 GWh Speicherkapazität. Österreich (mit ~ 1/10 des Strombedarfs) ca. 3.300 GWh. Und während in D der Ausbau seit Jahren stockt, wird in Ö sogar aktuell noch zugebaut (Kraftwerke Limberg 3, Kühtai, Molln und Ebensee sind gerade im Bau, weitere wie z.B. Kaunertal in Planung).

    Trotz des Wegfalls der Grundlastkraftwerke (alleine Atomkraft: ~ 140 TWh/a) soll/muss ja die konstante Stromversorgung gesichert werden. Das kann nicht alleine durch Importe passieren (weil 1. der Import auch von der Exportfähigkeit der Nachbarländer abhängt - siehe aktuell Frankreich) und 2. schlicht die Kapazitäten der grenzüberschreitenden Kapazität limitiert ist).

    In Summe betrachtet ist diese Frage natürlich sowohl spannend als auch berechtigt und (mWn) ungelöst (sofern man das Prinzip Hoffnung nicht als Lösung akzeptiert)...

    Kraftwerke können von der Leistung konstant einreguliert werden und dann je nach zugeschalteter Größe der Netzinfrastruktur mit den Verbrauchern als Insel das Netz wieder aufbauen. Das ist, denke ich, sogar halbwegs leicht berechenbar, kennt man doch seine Großverbraucher und hat Erfahrungswerte zur sonstigen allgemeinen Grundlast. Insofern Alles berechenbar.

    Jein. Stromnetze sind ab einer gewissen Größe nur mehr schwer berechenbar. Es kommt tlw. zu sogenannten "paradoxen Effekten", wo Maßnahmen einen anderen oder sogar gegenteiligen Effekt haben können als das, was beabsichtigt war. Daher sind der Aufbau von Inseln (sofern ein kompletter Blackout vorlag) bzw. das Zusammenschalten derselbigen keineswegs triviale Angelegenheiten.

    Da man nicht einfach beliebig Netzsegmente abdrehen kann, werden solche Manöver primär im Simulator geübt. Ob das dann auch in der Realität funktioniert, steht auf einem anderen Blatt...

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  • Tja ohne Strom hast du heute auch keine Kommunikation mehr, wie sollen da die einzelnen Inseln ein Hochfahren koordinieren?

    „Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer“

  • Unabhäniger : Googel mal die Begriffe Schwarzstart und Kommunikation. Das ist bei den Regulierungsbehörden und den Übertragungsnetzbetreibern und Energieversorgern ein großes Thema. Aktuell sind die Vorgaben, dass die Stromnetzbetreiber über "schwarzfallfeste Kommunikationssysteme" zur Sprach- und Datenkommunikation verfügen müssen, die bisher 24h, künftig mindestens 72h autark sind. Damit sind nicht Köfferchen mit SAT-Handys gemeint (obwohl es die auch gibt), sondern Kommunikationsnetze, die die relevanten Stromnetzkomponenten untereinander verbinden und zum Austausch von Regelungsdaten- und Schaltinformationen dienen.

  • Netzbetreiber haben ihr eigenes Kommunikationsnetz... :winking_face:

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