Turnique - Wie sinnvoll?

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  • Komisch, bei allen Auffrischungs-Kursen später wurde diese EH-Technik nie besprochen :thinking_face: - wird wohl einen Grund haben.

    Lt DRK weil der Nutzer bzw Bedarf sehr gering ist.


    Excurs: Ich habe bereits 3 verschiedene Techniken der stabilen Seitenlage lernen müssen. Alle paar Jahre was neues :)

  • Bei meinem allerersten EH-Kurs 1964 verwendeteten wir damals für den Zweck Dreieckstücher, die zu einem Strang zusammengezwirbelt wurden (oder notfalls eine Krawatte !) und dann um die Gliedmaße gebunden wurden. Sodann wurde ein Stock (Ast, Metallstab etc) durchgeschoben und entsprechend verdreht und fixiert, sodass der angelegte Strang wirklich, wirklich fest saß und das Blutgefäß verschloss.

    Ich erinnere mich, dass uns eingeschärft wurde, einen Zettel am Patienten zu befestigen mit der genauen Uhrzeit der EH-Maßnahme. Ich glaube, wenn keine medizinische Hilfe in Sicht war, hätte man es nach 2 Stunden wieder lockern müssen (sollen).

    Komisch, bei allen Auffrischungs-Kursen später wurde diese EH-Technik nie besprochen :thinking_face: - wird wohl einen Grund haben.

    Ich habe das bis Mitte/Ende der 1990er noch so in den EH-Kursen gelernt. U. a. als Maßnahme bei Schlangenbissen. Halblustiger Kommentar der Kursleiter war dann immer: Bei der Schwiegermutter bitte auf Halshöhe... :face_with_rolling_eyes:

    I expect chocolate for breakfast. If you don’t feel sick by mid-morning you’re not doing it right.

  • Hmmm, mittlerweile sind die Dinger (wieder) im Rettungsdienst Standard. Aber die Einsatzhäufigkeit ist vernachlässigbar gering. Es geht ja um extreme Blutungen der Extremitäten, die ein Druckverband nicht hinbekommt. Da reden wir von Sprengverletzungen, Abriss...


    Es gab nen guten Artikel in der 'Taktik und Medizin' (kann ich übrigens sehr empfehlen), dass selbst bei Terroranschlägen unter 12% der Verletzungen mittels Tourniquet sinnvoll zu versorgen sind.

    Interessant StefanS, deckt sich mit meiner Vermutung dass ein Tourniquet ein eher enges Spektrum hat wo es sinnvoller Weise od. ausschließlich eingesetzt werden soll. Habe selber eins, das ist allerdings nur in der Schnittschutzhose mit dabei wenn ich mit der Kettensäge arbeite. Bei meinen bushcraftigen Akionen wo schon mal mit schwerer Axt Brennholz zerkleinert wird kommt es selten mit und im Auto liegt lediglich eine Israeli Bandage - man weiß ja nie ob man nicht doch zu einem schweren Motorradunfall kommt? In einem solchen Szenario wo abgetrennte Gliedmaßen im Spiel sein können würde ein Tourniquet sicherlich Sinn machen da man es direkt an den Extremitäten anlegt wo es auch hingehört. Im Hintergrund des Ukrainekrieges und einer Anpassung des Evakierungspäcks bei kriegerischen Auseinandersetzungen würde ich eins in den Fluchtrucksack packen, bei vielen anderen Szenarien erachte ich es als eher verzichtbar ...

  • Also, mal von meiner Erfahrung aus:


    2x Original CAT-7-Tourniquet und auf keinen Fall einen günstigen Nachahmer kaufen (1x blau, 1x schwarz oder orange). Vergesst alle anderen Marken (ausser, Ihr seid geübt darin)


    Youtubevideos schauen, wie man die anlegt.


    Mit dem blauen an Dir selbst üben. (Puls am Bein/Arm tasten mit Hilfe von ... Youtubevideos :) und dann Tourniquet anlegen, bis der Puls weg ist, dann ist es richtig. ... Ach ja, ausserdem solltest Du einen ziemlichen Schmerz dabei empfinden und am nächsten Morgen blaue Flecken am Bein/Arm haben.).


    Aber Achtung: wenn man es falsch macht, kann man sich verletzen ... und eigentlich auch, wenn man es richtig macht 🙄.


    Ausserdem: 2x israelischen Notverband kaufen und dann ... Youtubevideos schauen, wie das Ding angewendet wird. Einer zum Üben, einer für den Ernstfall.


    Als letztes: 95 Jahre alt werden und die Tourniquet sowie die Israeliverbände hoffentlich unbenutzt fortschmeissen. Es ist wie eine Versicherung: Die beste Versicherung ist die, die Du nie benötigt hast.


    Bemerkung: diese Infos sind meine Meinung. Ich möchte klar darauf hinweisen, dass es sich nicht um ein Spielzeug handelt und es eine reelle Chance gibt, dass Ihr Euch verletzt. Besser wäre ein richtiger Kurs, bei dem Ihr die Anwendung lernt.


    Viel Spass


    Euer MEDIC

  • Als letztes: 95 Jahre alt werden und die Tourniquet sowie die Israeliverbände hoffentlich unbenutzt fortschmeissen. Es ist wie eine Versicherung: Die beste Versicherung ist die, die Du nie benötigt hast.

    Absolut richtig! Meine Autoverbandkästen habe ich auch regelmäßig der übungsmäßigen oder haushaltsmäßigen Verwertung zuführen können/müssen.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Da ich im Forst arbeite, ist auf der Arbeit immer ein TQ in Reichweite, genau wie beim Autofahren und anderen Outdooraktivitäten. Hab letztens erst mitbekommen, wie lange es vom Unfall, bis zur Ankunft des Rettungsdienstes dauern kann...

  • Weitere Vorteil am TQ, man kann ihn mit einer Hand anlegen, dazu muss dieser im besten Fall vorher extra so eingefädelt werden, dass dies möglich ist.

  • Was man beim Tourniquet nicht vergessen sollte, es ist nur ein Teil eines ganzen Maßnahmenpakets. In der modernen Militärmedizin bringt ein TQ oder auch eine Beckenschlinge bei entsprechend lebensbedrohlichen Blutungen durchaus was, sofern man den Patienten innerhalb kürzester Zeit einer professionellen Notfallchirurgie zuführen kann. Bei den IFOR-Truppen in Afghanistan konnte man das lt. einem US-Bericht nahezu perfektionieren, teilweise betrug da die Zeit zwischen Verletzung im Feld und gefäßchirurgischer OP gerade mal 15 Minuten.

    Bin ich allein in der Pampa oder im Outback dauert es Stunden oder Tage, bis ich eine adäquate chirurgische Versorgung erreiche. Ich muss den Druckverband ja aber irgendwann wieder lösen, damit mir das unversorgte Körperteil nicht abstirbt. Und eine aufgerissene Beinvene oder Aorta heilt nicht von selbst. Das muss genäht werden, im Zweifelsfall muss das Gefäß vor der Schadstelle verschlossen werden und das Körperteil nach der Schadstelle amputiert werden.


    Fast noch wichtiger als ein TQ finde ich mittlerweile die Brustkorb-Pflaster mit Ventil bzw. kontrollierter Belüftungsmöglichkeit. Die braucht man bei Schusswaffenverletzungen oder anderen Verletzungen, bei denen der Brustkorb durchbohrt wurde. Hier entsteht meistens sehr schnell ein Pneumothorax, d.h. die Lunge fällt in sich zusammen, weil der Brustinneraum um die Lunge herum durch die Wundöffnung den Umgebungsdruck annimmt. Folge: der Patient erstickt. Brustkorbpflaster dienen dem Verschluss der Penetrationswunden und der gezielten Entlüftung desy Brustkorbs über ein Ventil, damit die Lunge sich wieder aufblähen kann. Das Pflaster funktioniert natürlich nur, wenn durch die Schussverletzung nicht auch noch die Lunge selbst oder andere Organe(Gefäße massiv beschädigt wurden. Aber es ist ein preiswertes Hilfsmittel, das in jedem taktischen EH-Kit inzwischen vorhanden ist (sein sollte).

  • Hier entsteht meistens sehr schnell ein Pneumothorax, d.h. die Lunge fällt in sich zusammen, weil der Brustinneraum um die Lunge herum durch die Wundöffnung den Umgebungsdruck annimmt. Folge: der Patient erstickt

    Das kann ich aus eigener schmerzlicher Erfahrung bestätigen.


    Durch einen Unfall im Bus hatte ich einen (geschlossenen) fünffach Rippenbruch mit Pneumothorax zum Glück nur einseitig. Dies wurde von den Sanis erst gar nicht bemerkt, erst nach dem Wochenende bekam ich Atemnot auf dem Fußweg zum Bus.


    Die Behandlung im KH sah dann folgendermaßen aus: Es wurde durch einen kleinen Schnitt ein Schlauch eingeführt. Dieser war an einer Vakuumpumpe angeschlossen, die den Unterdruck zwischen Lunge und Brustkorb wieder herstellt. Der Nähfaden wurde gleich als Schlinge mit eingenäht, damit man beim Entfernen des Schlauches nach ein paar Tagen die Undichtigkeit sofort verschliessen konnte.


    War nicht sehr angenehm, gab aber wenigstens ordentlich Schmerzensgeld :grinning_face_with_smiling_eyes: vom Vekehrsbetrieb. Die holten sich das vermutlich von dem PKW - Fahrer wieder, der dem Bus die Vorfahrt genommen hatte.


    Gruß Peter

  • d.h. die Lunge fällt in sich zusammen, weil der Brustinneraum um die Lunge herum durch die Wundöffnung den Umgebungsdruck annimmt

    wenn es nur ein Einzelschuss war kollabiert nur der getroffene Lungenflügel. Du schaust da erstmal dumm aus der Wäsche, schmerzt auch ordentlich aber wenns ein sauberer Durchschuss ist und die Blutung halbwegs gestillt werden kann und du Plastik drunter hast bist du noch recht mobil musst dich nur sehr sehr vorsichtig bewegen. Ich bin mit so einer Verletzung mal 12 Meilen zurück bis zum ersten Vorposten mit Funk auf meinen eigenen Beinen gelaufen.


    Mag sein, das da ein dutzend Schutzengel dran beteiligt waren und der Glücksgott sich direkt über mir erleichtert hat, aber ich lebe noch.

  • Die Pflaster haben genauso wie TQ's so ihre Grenzen. Was Landei beschreibt klappt bei Standard Militär Munition. Mit wahnsinnig viel Glück. Wer Mal ein Reh von Innen gesehen hat, das nen Treffer mit Teilmantel abbekommen hat, wird etwas pessimistisch....

    Ja, ich habe so was. Aber ob es im Ernstfall bei der Jagd noch Sinn macht?

    Oder wie drückte es Ausbilder aus: Einfach noch Mal abdrücken. Geht schneller...