Deutschland bekommt das 49-Euro-Ticket

  • Aufgrund der auch hier geltenden 20/80 Regel geht es nicht darum, jedem eine perfekte Anbindung zu ermöglichen, der irgendwo draussen wohnt und irgendwo anders hin muss, sonderen es sollen die grossen Pendlermengen auf den öV gebracht werden, um Strasse und Umwelt zu entlasten. Das geht wie immer bei Änderungen nur mit Zuckerbrot und Peitsche.


    Im konkreten Fall würde zuerst ich mal mit dem Arbeitgeber sprechen, ob man die Arbeitszeiten besser an den Fahrplan anpassen kann. Meistens kann man das, bloss kommen die nicht von selber auf die Idee.



    In der Schweiz funktioniert das mit dem öV ganz gut, auch wenn natürlich nie alle zufrieden sind.

    Dazu braucht es unkomplizierte Tarifierung, Monatskarten sind gut, und vor allem ein gutes engmaschiges Nahverkehrsnetz. Sonst fährt jeder Auto weil es keinen Bus hat und es hat keinen Bus weil jeder mit dem Auto fährt was er sowieso hat. Dazu kommt Unterstützung durch die Firma - statt Firmenparkplatz gibts beispielsweise die Monatskarte des öV.


    Des weiteren ist eine ausreichende Querfinanzierung des öV durch den Motorfahrzeugverkehr erforderlich. Das ist im Interesse beider Gruppen.



    Das Auto hat für den Berufsnahverkehr folgende Vorteile:

    - vandalensicher (wie stellt man das Fahrrad von zu Hause zum Bahnhof so ab, dass es noch da und ganz ist, wenn man damit wieder nach Hause will?

    - jederzeit verfügbar, keine Umsteigezeitverluste

    - witterungsgeschützt, Transportmöglichkeit

    - keine lästigen Mitfahrer

    - man ist flexibler und kann am Weg auch mal noch rasch etwas einkaufen oder erledigen

    - Fahrplan ist egal


    - Der passive Teil, Strassen und deren Unterhalt, werden von der Öffentlichkeit kostenlos bereitgestellt und sind "sowieso" da, beim öV muss man mit der Fahrt auch den Unterhalt des Scheinennetzes mitfinanzieren.

    Die Nachteile, ausser dem Parkproblem, werden oft nicht wahrgenommen: Man wird durch das Fahren vor und nach der Arbeit beansprucht. Im Zug kann man schlafen oder lesen - wenns nicht grad krachevoll ist und keine dauertelefonierenden Typen nerven.

    Die Hauptnachteile des Individualverkehrs ergeben sich vor allem für die Öffentlichkeit; es muss das in Anschaffung und Betrieb sehr aufwendige Nahverkehrssystem bereitgestellt werden.


    Psychologisch ist es leider so, dass man die Nachteile des Autos nicht gleich wahrnimmt wie wenn es bei der Bahn klemmt: "Es hat Stau" oder "es hat Schnee" aber "die können nicht fahren" und "es ist zu voll" oder "die Anschlüsse klappen nicht". Ebenso hat man als Gewohnheitstier den Anspruch, dass es zu klappen hat - ich freu mich nicht wenn es keine Verspätungen hat, aber ich ärgere mich wenn es mal nicht klappt.


    Was Vandalismus und Littering in der Bahn betrifft, so würde ich dort wesentlich mehr Kontrollen veranlassen. Geisterzüge ohne Personal gehen gar nicht. Wer erwischt wird. muss ohne Ansehen der Person in der Rollmaterialwartung abdienen.

    Einmal editiert, zuletzt von jp10686 ()

  • Die Landkreise sind auch lustig. Natürlich wird es "holpern", auf jeden Fall in den ersten Monaten und vermutlich auch noch zwei, drei Jahre lang. Es wäre auch illusorich, bei einer so grundlegenden Umstellung des Verkehrssystems von Anfang an ein perfektes Funktionieren zu erwarten. Und natürlich wird die Finanzierung nochmal ausgefeilt werden müssen, was im Wesentlichen weitere Zuschüsse aus der Steuerkasse bedeutet.


    Die Äußerung der Landkreise zielt vermutlich darauf ab, für sich selbst ein größeres Stück vom finanziellen Kuchen zu sichern, nachdem Bund und Länder sich geeinigt haben. Selbstverständlich sollen die ihr Geld bekommen, aber wirklich genau wird man das erst nach ein par Jahren Praxiserfahrung mit dem System geradeziehen können.

  • Was bei mir beim SO auf der Kuhbläke in McPom als Service angeboten wird: "call a bus". Man bestellt sich quasi den Bus wenn man ihn braucht und der kommt in einem Zeitfenster von (ich glaube) 1 Stunde, wenn man es am Vortag anmeldet. Hat den Vorteil, dass die Kleinbusse dann besser ausgelastet sind und der Fahrplan flexibel nach Kundenanforderungen gestaltet wird. Fand ich sehr fortschritlich.


    Nachteil: spontane Fahrten sind damit natürlich weiterhin nicht möglich aber es bringt schon Bewegung in "eingefahrene Zeitpläne".

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Nachteil: spontane Fahrten sind damit natürlich weiterhin nicht möglich aber es bringt schon Bewegung in "eingefahrene Zeitpläne".

    Bei mir in der Straße gibt es eine Ruf-Bus-Haltestelle. Ich habe in all den Jahren, die ich dort mittlerweile wohne, nie einen Rufbus gesehen. Die Haltestelle wird von Anwohnern mittlerweile seit eigentlich mindestens ebenso langer Zeit als illegale Erweiterung des Parkraums genutzt. 🙄

    Es ist selbst für 85-jährige mit dem eigenen Auto von A nach B zu fahren oder den knappen Kilometer zur nächsten regulären Haltestelle zu laufen und einen "regulären" Bus zu nehmen.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Bei uns in der Gegend gab und gibt es mehrere Ansätze für ein Rufbussystem. Vor Jahren haben das sowohl der Landkreis als auch die Kreisstadt versucht, in Zusammenarbeit mit örtlichen Taxiunternehmen, aber das Programm ist mangels Nutzung wieder eingestellt worden. Eine kleinere Stadt in der Region leistet sich einen eigenen Rufbus zwischen den Stadtteilen, aber die haben zuletzt wegen Kosten und Fahrermangel die verfügbaren Zeiten eingeschränkt. Der regionale Verkehrsverbund (RMV) bietet auch ein Rufbussystem, aber davon habe ich in der Gegend noch nie ein Fahrzeug gesehen. Möglicherweise sind die nur im Ballungsraum unterwegs.


    Die Kreisstadt hat vorletztes Jahr wieder einen Rufbus installiert und inzwischen wohl teilweise auf Nachbarkommunen ausgeweitet. Soweit ich von Bekannten höre, funktioniert das recht komfortabel und wird auch gut genutzt. Das hängt aber wohl im Wesentlichen an Bundes- und EU-Zuschüssen, die bis Ende 2024 laufen. Wie die Kalkulation ohne die Zuschüsse aussähe, weiß ich nicht. Was nach 2024 kommt, muss man abwarten.

  • Es ist selbst für 85-jährige mit dem eigenen Auto von A nach B zu fahren oder den knappen Kilometer zur nächsten regulären Haltestelle zu laufen und einen "regulären" Bus zu nehmen.

    So einen kenne ich auch.

    Er kommt mit seinem Rollator kaum in den Bus hoch und mit Einkäufen noch schlechter raus.


    Und dann trage einmal mit Rollator einen Regenschirm.


    Also fährt er die 3 km mit dem Auto und das besser als manch jüngere. Ich bin immer wieder überrascht, wie er aufblüht, wenn er mal wieder unter Menschen kommt. Für ein Altersheim ist er zu rüstig.


    Also diese alten Autofahrer mag ich. Da nützt jedes Ticket nichts.

  • Ich bin immer wieder überrascht, wie er aufblüht, wenn er mal wieder unter Menschen kommt. Für ein Altersheim ist er zu rüstig.

    Im Altersheim würde ich ihm keine vier Wochen geben.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Mittlerweile gibt es erste Auswertungen. Es gibt bereits jetzt eine signifikante Verlagerung von der Straße auf die Schiene.

    Externer Inhalt twitter.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • ich hab mir das jetzt mal für 2 monate gebucht. So richtig lohnen tut sich das aber nicht, da man dann mit kostenloser kindermitnahme, brandenburg ticket, kleingruppen ticket nicht mehr so gut spart. Für mega lange reisen im nahverkehr bin ich nicht masochistisch genug. Ich hätte ja für die kids je eins geholt, aber das lostet das gleiche wie für Erwachsene. Kein Familien rabatt und nur Kalendermonate. Sie sind zwar 4 wochen in den ferien da, aber auf zwei monate verteilt d.h. fast 200 eur für 4 wochen mobilität.


    Zudem sind beliebte buslinien so überfüllt, dass nicht sicher ist, dass man mifahren kann. Mit Kinderwagen/rehabuggy erst recht nicht.


    Wnen dann ein bus wg. Technischen defekt aus fällt bekommt man die 16 eur für das tagesticket nicht zurück, weil höhere gewalt.


    Bei carsharing zahlt man die parkzeit am see mit. D.h. man ist schnell bei 40-50 eur für einmal an den see zum baden.


    Umweltfreundliche mobilität ohne eigenes auto wird einem echt schwer gemacht

    aus DE gesendet....

    Einmal editiert, zuletzt von Traumgarten ()

  • Ja das ist halt immer eine Strukturfrage wo man wohnt und wie da die Verbindungen sind. Bei mir hat sich das Bahnfahrern vs. die Individualmobilität trotz Parkplatzproblemen an der Klinik, Umweltgedanken und fast identischer Fahrzeit noch nicht durchgesetzt da ich eben immer noch zum Bahnhof laufen muss und meine Option unterwegs oder nach dem Dienst noch schnell einzukaufen leider damit weg wäre. Außerdem ist es halt einfacher mit einem voll ausgerüsteten Auto unterwegs zu sein als mit der Bahn. Bequemlichkeitsgedanken noch dazu und schon fällt es einem schwer. Und finanziell lohnt es sich nur bedingt bei mir. Klar wären ca. 30 Euro weniger im Monat aber dafür alle Nachteile???


    Was anderes ist das sicherlich in strukturell besser aufgestellten gebieten

  • Das Argument mit den schlecht angebundenen ländlichen Räumen hört man immer wieder. Es ist sicher nicht falsch, und im individuellen Fall gibt es sicher immer wieder gute Gründe, warum ÖPNV keine praktikable Alternative ist.


    Allerdings ist die ÖPNV-Anbindung insgesamt dann auch wieder nicht gar so schlecht. Dazu gibt es eine brandaktuelle Erhebung vom BBSR (das insgesamt übrigens viele spannende Sachen macht, wenn man sich ein bisschen für Raumstruktur und Demografie interessiert: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/…3/oev-erreichbarkeit.html


    Demnach leben bundesweit rund 90% der Menschen in 600 m Entfernung zu einer zumindest einigermaßen ordentlich bedienten Bushaltestelle oder in 1200 m Entfernung zu einem Bahnhaltepunkt.


    Ich persönlich spare mit dem 49-Euro-Ticket jedenfalls rund 150 Euro im Monat gegenüber dem Autofahren und knapp 200 Euro gegenüber dem herkömmlichen Bahnfahren, selbst wenn man einrechnet, dass das Abo über die Urlaubszeit weiterläuft. Dazu kommen im Schnitt knapp 100 Euro, die mein Arbeitgeber an Reisekosten spart. Leider will der sich nicht an dem Ticket beteiligen. Wenn das nächste Auto in der Familie die Grätsche macht, wäre außerdem zu überlegen, ob sich eventuell ein Auto ganz einsparen lässt. Das wäre dann nochmal ein größerer Hebel.

  • Ich fahre schon seit 20 Jahren mit dem ÖPNV zur Arbeit. Bisher waren es 80€ pro Monat.

    Da spare ich jetzt 30€. Gefällt mir.

    Ein Auto haben wir auch, nur zum einkaufen, Verwandte besuchen...

    Das tanken wir 3-4 mal im Jahr. Jedesmal Taxi fahren wäre wahrscheinlich etwas billiger.

    Aber dann wäre kein Auto für den Fluchtfall vor der Haustüre.

    P.S. getankt wird, sobald 50 % Tankfüllung unterschritten werden.

    Der Optimist glaubt in der besten aller Welten zu leben.
    Der Pessimist denkt: Der Optimist hat recht, alle anderen Welten sind noch schlechter.


    BZHYY65R