Ich bin schon da wo ich mich mal hingewählt habe, in der Schweiz. Wenn ich eine Entscheidung in meinem Leben nie bereut habe dann war es diese.
Eine Auswanderung ist aber ein fundamentaler Einschnitt in Leben der Personen die ihre Heimat verlassen und hat Konsequenzen die man am Tag der Abfahrt / des Abflugs vielleicht noch gar nicht erahnt. Bei uns war es zum Beispiel die Abwesenheit von anderen, "freien" Familienmitgliedern, Opa und Oma sind halt mal eben 800km weg von Daheim und können nicht mal eben die Kinder hüten.
Ausserdem ist da noch der Zyklus von rosaroter Brille zu Realität zu Integration. Diesen scheint es bei allen Auswanderern in der einen oder anderen Form zu geben, ich habe noch mit anderen Expats sprechen können die mir alle ähnliches geschildert haben.
Erst kommt eine Phase in der alles super ist, dann schlägt man irgendwann auf dem harten Boden der Realität auf - hey, auch hier ist nicht das Paradies !? Erholt man sich davon - manche tun das nicht und gehen zurück in die alte Heimat - beginnt die echte Integrationsphase, in der man sich in seiner Lebens - und Denkweise immer mehr den "Einheimischen" anpasst. Dieser Prozess geschieht lustigerweise fast wie von selbst, man muss es nur von Grund auf wollen.
Zum Zielland an sich:
Egal wo man hin geht, es ist anders, grundlegend anders dort.
Wenn ich mich heute wie auch früher mal in Auswandererforen umsehe sehe ich immer dass im Zusammenhang mit Deutschland und der Schweiz von "kleinen Unterschieden" gesprochen wird.
Diese Auffassung ist grundlegend falsch!
Es gibt nämlich einen gigantischen, fundamentalen Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz, der zwar allen bekannt ist, aber nicht die Konsequenzen daraus - die direkte Demokratie bzw. die Organisation des Staates an sich. Während Deutschland sehr "von oben herab" organisiert ist - was nicht schlecht sein muss- ist es in der Schweiz genau umgekehrt - jeder einzelne Bürger ist tragende Säule des Staaes. Daraus ergibt sich eine grundlegend andere Handelns - und Denkweise der Menschen als in .DE. Ich habe ungefähr 8 Jahre gebraucht um das zu raffen...
Und wir sprechen hier von einem europäischen, demokratischen, christlich geprägten Land mit (fast ;-)) derselben Sprache wie in Deutschland. In anderen Staaten kann man die Schwierigkeiten dann beliebig heftig auswählen - andere Sprache, grundlegend andere Staatsstruktur, andere Staatsreligion, etcpp. Jeder dieser Punkte erhöht den Schwierigkeitsgrad um ein Level, bis zur völligen unintegrierbarkeit bis zum eigenen Lebensende und einem ziemlich frustrierten Tod. Wenn man sich den Schuh denn anziehen will, ich kenne auch genug Leute die sich auch in zweiter Generation immer noch "Deutsche" schimpfen. Von denen hat es aber leider keiner in meinen engeren Bekanntenkreis, sprich zu den Leuten mit denen ich auch privat zu tun habe, geschafft. :unschuldig:
Sorry wenn ich so weit ausgeholt habe aber ich fand das notwendig um die Frage des TO beantworten zu können:
Wir können überall hin gehen. Dorthin wo wir wollen. Systemgrenzen sind wesentlich leichter zu überschreiten als noch vor 20 oder 25 Jahren. Die Frage ist, ob wir den Preis dafür bezahlen wollen an dem Ort leben zu dürfen der uns am lebenswertesten erscheint.
Ich habe mich entschieden, den Preis bezahlt. Neue Freunde finden, Kontakte knüpfen, ein soziales Netz aufbauen, sich integrieren und glücklich werden, die alten Freunde hinter sich lassen, jedenfalls die meisten, und auch die Familie, bis auf mehr oder weniger regelmässige Besuche. Es gab auch Zeiten in denen ich hätte ausrasten können, tief deprimiert war oder alles hinschmeissen wollte.
Aber ich bin immer noch hier, und fühle mich wohl wie nie.
LG, Bremsstrahlung