Zur Einleitung: Nach dem abgebrochenem Marsch auf Moskau durch die Gruppe Wagner und deren anschließende Verlegung ins "Exil" nach Belarus gab es Befürchtungen, dass dies Ausgangspunkt für einen Angriff auf ukrainisches Staatsgebiet durch Wagner aus Belarus heraus sein könnte. Dies ist bisher nicht geschehen. Polen äußerte in den letzten Tagen mehrfach seine Sorge vor Angriffen Wagners auf die polnische Grenze. Dieses Szenario bzw. ein Angriff auf Litauen scheint mir plausibler und Putin könnte in dem Szenario mehrere Probleme lösen, abhängig von der Reaktion der NATO.
(1) Ein Angriff der EXIL-Wagners auf Polen oder Litauen (Suwalki-Korridor), die nicht in die russische Armee integriert sind, kann man nicht zwingend als Angriff Russlands auf das NATO-Bündnisgebiet werten. Die Diskussionen über Artikel 5 würden laut werden ähnlich wie beim Anschlag aufs WTC. Gegen wen konkret richtet sich ein möglicher Gegenschlag (Wagner?) und wo (auf NATO-Gebiet oder Belarus als Ausgangspunkt?). Ein Angriff auf belarussisches Gebiet würde zur Ausrufung des Bündnisfalls der OVKS führen und das Narrativ einer imperialistischen NATO bestärken. Auf die Reaktion Kasachstans wäre ich gespannt, die sich bisher sehr neutral verhalten.
(2) Die NATO und vor allen die osteuropäischen Unterstützerländer Polen und die baltischen Staaten wären mit sich selbst beschäftigt und der Fokus kann sich schnell von der Ukraine hin zur Verteidigung des NATO-Bündnisgebietes schieben und zur nachlassenden militärischen Unterstützung für die Ukraine führen.
(3) Ein paralleler Angriff belarussischer Truppen auf die Nordgrenze der Ukraine würde eine zweite Front für die Ukraine schaffen. Im schlimmsten Fall könnten die Nachschubrouten der NATO für die ukrainischen Truppen in der West-Ukraine zum Stillstand kommen. Von Brest nach Lwiw sind es nur 300 Kilometer.
(3) Selbst eine mögliche Vernichtung der EXIL-Wagners durch NATO-Truppen im Zuge dieses Szenarios würde einen innenpolitischen Gegenspieler Putins komplett aus dem Rennen nehmen.
In der Hoffnung, dass dieses Szenario nicht eintritt, freue ich mich dennoch auf eine angeregte Diskussion.