Beiträge von theBrain

    Das ist der Unterschied: du beziehst dich in deinem Beispiel auf jemanden in einem kontrollierten Umfeld, ich eher auf präklinische Versorgung unter allen möglichen Umständen. Mit umfangreichem Monitoring und (Not-) Ärzten mit entsprechender Notfallausrüstung kann man anders vorgehen, als unter Bedingungen, wo sich Monitoring auf kaum mehr als palpatorisch gemessenen Blutdruck und ein Pulsoxy beschränkt, der Patient möglicherweise polytraumatisiert ist etc.
    Ich sage nicht, dass der Patient ein schnelles öffnen des TQ vielleicht doch vertragen würde. Aber ich vertrete die Ansicht, dass man einem frisch angelegten Verband Zeit geben sollte, zu zeigen, ob er hält, der Kreislauf soll Zeit bekommen, das ins saure gekippte Blut (bei einem geschlossenen Oberschenkelbruch reden wir da über den einen oder anderen Liter) aufzunehmen, ein sich anbahnender Schock soll durch die dann nicht mehr lokale Azidose nicht angefeuert werden... Ich denke, du weißt worauf ich hinaus will. Bei dem langsamen Öffnen handelt es sich vorrangig um eine Vorsichtsmaßnahme.

    Also: Meine Quelle hat, so wie ich, die entsprechenden Leitlinien durchgeschaut. Gefunden haben wir beide nichts konkretes, dennoch ist die halbe Umdrehung pro Minute (das Viertel ergab sich aus einem Missverständnis beim zählen, man lockert den Knebel also eine halbe Umdrehung und kann ihnen wieder sichern und hat beide Hände dann für was anderes frei, bis man eine Minute später wieder eine halbe Umdrehung lockert, usw.) Lehrmeinung bei den relevanten Spezialeinsatzkräften zumindest im deutschsprachigen Raum (lies: KSK, JaKdo,...).
    Relevant ist das langsame öffnen nach einer Verweildauer des TQ ab ca 30Min bis zu ca 2h. Bis 6h ist es für qualifiziertes Personal (NFS aufwärts) noch möglich, Komplikationen sind aber mit zunehmender Dauer wahrscheinlicher. Ab 6h sollte von jeglichem lösen des TQ außerhalb eines Spitals abgesehen werden.

    Ich habe sie aus einer Quelle, die ich grundsätzlich für valide und evidenzbasiert halte. Ich wassere da mal nach, vielleicht kann ich da Lesestoff dazu nachliefern.


    Edit: Frage ist abgeschickt, sobald ich mehr weiß, trage ich es nach.


    Edit 2: Steht angeblich in den Guidelines zu Prolonged Field Care oder vom Commitee on TCCC, ich habe begonnen zu suchen, aber fündig bin ich noch nicht.

    Noch ein Nachtrag, den ich als eigenen Beitrag schreibe, um sicherzustellen, dass er nicht untergeht, sollte das nicht erwünscht sein, hängt ihn bitte einem meiner beiden vorigen an.


    Aufgrund der Schmerzen, die ein TQ im Lauf der Zeit auslöst sollte man einerseits auf eine angemessene Analgesie achten (was für Laien kaum machbar sein wird) und zweitens, vermutlich deutlich wichtiger und auch für Laien zu bewerkstelligen, darauf, dass der Patient sich das Ding nicht lockert, um seine Schmerzen zu lindern. Im militärischen Kontext ist das speziell im Zusammenhang mit Kräften weniger entwickelter Länder (z.B. Afghanen) problematisch, weil denen in der Situation dann schwer zu vermitteln ist, dass der Schmerz ihnen das Leben retten kann.


    Und der Vollständigkeit halber noch paar Worte zum Öffnen eines TQ:
    Wenn das TQ nur kurz (< 5 Minuten) angelegt war, um einen Druckverband anzulegen oder herauskommt, dass das TQ vielleicht voreilig angelegt wurde, sind keine besonderen Maßnahmen nötig. Wenn man eine Konversion zum Druckverband durchführen will, sollte es langsam geöffnet werden, um im Fall eines ungenügenden Verbandes nicht alle Schleusen zu öffnen. Wie schnell genau, obliegt der jeweiligen Einschätzung vor Ort.


    War das TQ länger angelegt, sollte man es AUF KEINEN FALL schlagartig öffnen, weil dem zu diesem Zeitpunkt ohnehin geschwächten Kreislauf auch noch von jetzt auf gleich sämtliche Stoffwechselabfallprodukte, die sich distal des TQ angesammelt haben, aufgehalst werden. Sollte der Patient bis zu diesem Zeitpunkt stabil gewesen sein, ist er es mit einiger Wahrscheinlichkeit ab dann nicht mehr.
    In dieser Situation gilt als Faustformel jede Minute maximal 1/4 Umdrehung zu öffnen und zwar langsam und gleichmäßig. Sollte eine Verschlechterung eintreten, ist logischerweise zumindest am Status quo zu verharren und eine Stabilisierung abzuwarten. Tritt die nicht ein, muss wohl oder übel wieder abgebunden werden. Eine verlorene Extremität lässt sich leichter versorgen als ein septischer Schock ohne ausreichende medizinische Infrastruktur rundherum.

    Grundsätzlich richtig, aber...



    Bei einer offenen Wunde, bei der ein Abbinden mittels TQ indiziert ist, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin schon einiges an Dreck jedweder Art drin, weshalb die zusätzliche Verunreinigung, die bei offener, trockener Lagerung zu erwarten ist, vernachlässigt werden kann. Die definitive Wundversorgung findet in solchen Fällen auch erst im OP statt (und nicht einmal notwendigerweise beim ersten Anlauf) und als Sanitäter will ich die Wunde live sehen.
    Nochmal: wir reden hier von mit TQ gestillter Blutung einer gravierenden Wunde, nichts das mit Druckverband oder so versorgt wurde.
    Gegen ein Abdecken spricht nichts, aber eben nicht verbinden. Wundauflagen drauflegen ja, großartig fixieren eher nicht, das sollte man der Rettung überlassen.

    Nachtrag: Die größte Gefahr beim Anlegen eines TQ ist nicht, dass es zu fest ist (geht praktisch kaum) sondern zu locker. Ein nicht ausreichend fest angelegtes TQ führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem venösen Rückstau, der die arterielle Blutung noch verstärkt, wodurch das TQ die Situation sogar noch verschlimmert. Dazu kommt, dass ein korrekt angelegtes TQ wenn nicht von Beginn an, dann doch nach einigen Minuten zu erheblichen Schmerzen führt, die viele Helfer davon abhalten, ausreichend weit abzubinden.
    Eine ausreichende Abbindung ist erreicht (aber nicht dauerhaft sichergestellt), wenn nach dem Anlegen distal, also auf der körperstammfernen Seite, einerseits die Blutung zum Erliegen gekommen ist UND kein Puls mehr ertastet werden kann (wenn vorhanden, lässt sich das mit einem Pulsoxy gut feststellen, gerade am Bein ist der Puls abgesehen von der Leistenarterie schwer zu finden).
    Im weiteren Verlauf muss der korrekte Sitz in regelmäßigen Abständen überprüft und ggf. nachgebessert werden, was konkret bedeutet, dass vielleicht die eine oder andere halbe Umdrehung nachgezogen werden muss. Einem Ersthelfer rate ich in 99% der Fälle davon ab, eine Konversion mit Verband anzustreben weil
    1.) hält das später eintreffenden Hilfskräften den Zugang und die Sicht zur Wunde offen,
    2.) funktioniert das nur in den seltensten Fällen zufriedenstellend und bietet bei den in Europa üblicherweise zu erwartenden Zeiten bis zum Eintreffen professioneller Hilfe keinen echten Mehrwert und
    3.) bietet das öffnen länger angelegter TQ seine ganz eigenen Risiken, denen sich nicht mal alle Sanitäter in vollem Umfang bewusst sind.

    Diese Überlegung führt so gut wie jegliches Prepping, die Verbandkasette im Auto und manches anderes ad absurdum, oder? Die Frage, die mich interessiert ist, wieviele der TQ- Eigner sich mit dem Ding auch beschäftigt haben...

    Ich verwende das hauptsächlich, um mich blind in meinem Rucksack zurecht zu finden. Für gewöhnlich habe ich 3 - 5 Packsäcke in unterschiedlichen Größen in Verwendung, die tastbar markiert sind (Paracord- Schlaufen mit Knoten, Anzahl gemäß der Größe, der kleinste hat einen, der nächst größere 2, usw.). So kann ich mich bei absoluter Dunkelheit in meinem Rucksack zurechtfinden und habe gleichzeitig die Sicherheit , dass meine Reservekleidung und sonstige Ausrüstung trocken bleibt. Und wenn mal ein Packsack ein Loch bekommt, wird nicht gleich alles nass.

    Als einer von denen, die mit Tourniquet sowohl als Ausbilder als auch als Anwender auf professioneller Ebene zu tun haben, möchte ich meinen Senf dazugeben bzw einige Darstellungen hier etwas ins rechte Licht rücken:


    .) Das Tq ist keinesfalls das letzte Mittel der Wahl. Bei klarer Indikation ist es sogar das erste Mittel der Wahl.
    .) Im Rahmen der Indikationen ist es (abhängig von den Umgebungsbedingungen) auch für Laien IMHO ein sinnvolles Mittel.


    Warum?


    Meine Aussagen beziehen sich jetzt auf die Lage in AUT mit Berücksichtigung der ÖRK- Lehrmeinung, die hierzulande quasi die Opinion- Leader sind.
    Es gibt klare Indikationen in deren Rahmen das Tq anzuwenden ist, die in dem Nerdfallmedizin- Beitrag gut abgebildet werden:

    • nicht erreichbare schwere Blutung
    • anders nicht beherrschbare schwere Blutung
    • großflächige Wunden oder Amputationen die mit konventionellem Druckverband nicht beherrscht werden können
    • schwere Blutung bei gleichzeitigem ABC- Problem bei kritischen Patienten
    • mehrere Verletzte mit schweren Blutungen


    Die Blutungen müssen sich logischerweise an den Extremitäten befinden, weiters bedeutet schwere Blutung in diesem Zusammenhang, dass die Blutung zumindest das Potential haben muss, lebensbedrohlich zu werden oder schon zu sein.
    Beispiele dafür werden ja in dem Video auch genannt, sollte etwas davon unklar sein, erläutere ich das gerne nochmal.


    Für den Laien gelten diese Rahmenbedingungen grundsätzlich auch, sie sind aber NICHT MEHR in den Ausbildungsleitlinien für EH- Kurse enthalten, weil unterm Strich der Verzicht auf Abbinden durch den Ersthelfer zu weniger Schäden führt, als falsches und zu häufiges Abbinden (also z.B. mit der Wäscheleine und bei jeder Blutung, die mehr als 3cm Pflasterstreifen benötigt).
    Wenn mich ein Arbeitskollege (keine Sanitäter aber in Sachen EH gut ausgebildet) fragt, ob er als ziviler Ersthelfer ein Tq anlegen darf, erkläre ich ihm die Indikationen, und dass es mir als Sanitäter unter diesen Bedingungen lieber wäre, dass er ein echtes Tq dafür verwendet, als seinen Gürtel oder die althergebrachte Variante aus Dreiekstuch und Holzknebel. Aber eben wirklich nur bei den genannten Indikationen. Ich empfehle es so, weil ich weiß, dass diese Leute damit umgehen können. Bei meiner Familie sähe meine Empfehlung anders aus.
    Es gibt leider viele (meistens eher altgediente) Sanitäter die sich auf den Standpunkt stellen, dass das Tq Teufelswerk sei und am besten nie zum Einsatz kommen sollte. Ja, man kann viel kaputt machen damit, aber ich kann unter den richtigen Bedingungen damit auch Leben retten. Und ob es für den Laien notwendig ist, ein Tq anzulegen, wenn die Rettung binnen weniger (<10) Minuten vor Ort ist, darf auch bezweifelt werden. In diesem Rahmen halte ich es für sinnvoller, mit manuellem Druck die Blutung soweit zu bremsen, wie möglich und auf das Eintreffen der Profis zu warten.
    Für angebracht halte ich es allerdings bspw. bei einem Unfall mit Kettensäge in unwegsamem Gelände, wo eine Anfahrt der Rettung unter 20 - 30 Minuten kaum möglich ist und der Patient vor Ort auch kaum behandelt werden kann.


    Und wie immer gilt: Üben, üben, üben. Haben ist gut, nutzt einem aber nichts, wenn man nicht damit umgehen kann.

    In meinen Augen ist das stark von dem Gelände abhängig, in dem du dich bewegen wirst. Im ländlichen Gebiet wirst du kaum mehr Zange brauchen als einen ausgewachsenen Leatherman dafür aber sicher die eine oder andere Gelegenheit haben, den Spaten sinnvoll zu nutzen. Im urbanen Gelände sehe ich das eher umgekehrt, da ist ein Bolzenschneider durchaus praktisch, sei es um ein Fahrrad zu requirieren, ein Kellerabteil zu öffnen, etc. Auch Zäune oder SB- Rollen sind mit Bolzenschneider wesentlich leichter zu bändigen. Allerdings denke ich reicht in 95% aller Fälle ein Knipex CoBolt bzw dessen Zwilling von Gedore (Ich besitze beide, im Zweifel würde ich den Gedore nehmen, das ist aber ein Unterschied auf sehr hohem Niveau).

    Bei Desinfektionsmitteln rate ich zu Octenisept. Ist klar, man erkennt also im Gegensatz zu Jod, wo es ggf. blutet, brennt kaum und wirkt ziemlich breitbandig.


    In Sachen Isi- Banage und TQ: Die Isi- Bandage kann nichts, was ein herkömmlicher Druckverband nicht auch könnte, mit dem Unterschied, dass alles handlich verpackt ist, und mit etwas Geschick auch einhändig angelegt werden kann. Ob man das unbedingt braucht, soll jeder für sich beurteilen. Wenn ich die Dinger dienstlich bekomme, verwende ich sie, wenn nicht, dann eben nicht. Zum Selbstkauf sind sie mir zu teuer.
    Abbinden ist nach aktueller Lehrmeinung des ÖRK (ich gehe mal davon aus, dass sich die nicht großartig von der deutschen unterscheiden wird) für den Ersthelfer nur unter sehr stark begrenzten Umständen zulässig, nämlich Amputation bzw großflächige, stark blutende Verletzung, die anders nicht unter Kontrolle gebracht werden kann sowie in Fällen, wo die Wunde nicht erreicht werden kann (z.B. eingeklemmt nach KFZ- Unfall). Der Hype der da in den letzten Jahren ausgebrochen ist, hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack, weil da der Eindruck erweckt wird, dass ein TQ eine Art Wundermittel ist, mit dem fast jedes Verletzungsmuster beherrscht werden kann. Und das kann ein gefährlicher Trugschluss sein.


    Meine Empfehlung: Besorg dir Octenisept als Desinfektionsmittel und mach einen EH- Kurs, der so umfangeich ist, wie irgendwie möglich. In AUT haben die dann typischerweise 16h. Manche haben dann außerdem noch Anpassungen an bestimmte Interessensgruppen (Bergsport,...) mit entsprechend gewählten Schwerpunkten. Dort lernst du den aktuellen Stand der Dinge kennen und kannst den Ausbilder auch sicher ausfragen bzgl TQ etc.

    Ich habe mit einem Kollegen auch mal die Variante 2x Biwaksack/Minizelt und Tarp probiert. War erstaunlich praktisch.


    Konkret: Das Tarp als Schrägdach abgespannt und die 2 Zelte (ein Carinthia Explorer und ein Snugpak Ionosphere glaube ich) mit den Kopfenden zueinander so weit unter dem Tarp aufgestellt, dass ein trockenes ein- und aussteigen möglich war. Dauert bissl länger zum aufbauen, als jede der Varianten einzeln, aber war dafür erstaunlich komfortabel.

    Auch mein Kenntnisstand ist, dass die Swiza- Messer auf dem Mist einiger ehemaliger Wenger- Mitarbeiter wachsen.
    Das eine Swiza, das ich besitze, macht einen durchdachten Eindruck, die Handlage ist brauchbar und die Geometrie des ganzen ist etwas moderner/gewagter/progressiver, wie immer man es nennen will. In meinen Augen ist es ein brauchbares Stück Hardware, wobei die möglichen Umfänge halt deutlich geringer sind als bei Victorinox.