Hallo (Tom & Tom),
zum Thema Landwirtschaft: Bin selber kein Bauer, wohne aber auf einem Hof in einem Bauerndorf (rund ein Duzend Höfe) und habe auch Landwirte in der Familie.
Weiter bin ich mir bewusst, dass die CH-Landwirtschaft eine andere, kleinräumiger und oft diversifizierter, ist als oft im Ausland.
Als Beispiel der Hof auf dem ich wohne (die anderen Betriebe im Dorf und Umgebung sehen, in anderen Zusammenstellungen, ähnlich aus) : etwa 10 Milchkühe, 15 Mutterkühe plus Kälber, Obst (Hoch- u. Niederstamm, Kirschen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen), Gewächs, Gras und Wald. Im Sommer noch ein paar Schweine, dazu noch Ponys und Hühner und seit letztem Jahr Erdbeeren, dafür Kartoffeln nur noch für Schnaps und Direktvermarktung.
Und wohlgemerkt, es ist kein Bio-Betrieb!
(Es gibt in unserem Dorf aber auch keinen Landwirt der nicht noch einem Nebenerwerb nachgeht)
Zitat von Booner;261163
Hier in Bayern gibt es praktisch nur noch hochspezialisierte Bauern, z.B. Viehaltung/Zucht.
Der hat dann mal mindestens 100 Rinder im Stall stehen.
Ein mir bekannter Architekt hat vor etwa 10 Jahren (wie es heute aussieht weiss ich nicht) den mit Abstand grössten Stall der Schweiz gebaut: 120 Kühe. Ist aber alles andere als die Norm.
Zitat von Booner;261163
Wohin geht die Sch###? Mistgabel? Oder reicht die vielleicht gar nicht mehr?
Die Sch### geht bei uns tatsächlich noch immer per Mistgabel und Handkarren auf den Miststock
Zitat von Booner;261163
Die sind an Melkroboter und Kraftfutter gewöhnt. Fällt bei so einem Stall für 36h der Strom aus, dann ist Schicht im Schacht.
Komplett. Totalausfall! Das überlebt doch kein Rind! Stellt Euch diese Qualen vor! (Und den psychischen Stress für die Bauern)
Handmelken? Muahaha, wer kann das überhaupt noch und können das die Kühe noch? Ich denke, da hat man keine Chance mehr.
Zur Melkmaschine meinte mein Vermieter nur lapidar: "Strom weg? Kein Problem. Beim alten Traktor Luftfilter weg, Melkmaschine da angehängt, mit dem Gas spielen bis das richtige Vakuum erreicht ist und Pedal festklemmen. Alles schon gehabt."
Zum Grücht (à la "Blackout"), dass alle Milchkühe sterben wenn sie nicht gemolken werden meinte der Tierarzt: Einige werden an Euterentzündung sterben, die meisten überleben es aber (unter Schmerzen zwar) und geben nach spätestens 14 Tagen keine Milch mehr. Die Milch im Euter wird wider absorbiert.
Auch von Hand Melken ist nicht soo schwierig. Das lernt auch ein Bürogummi sehr schnell (ja, ich kann Melken)
Zitat von Booner;261163
Woher kommt das Futter für die Viecher?
Das meiste aus Eigenanbau (Futtermais und Gras). Etwas Problematischer wird's beim Einstreu.
Zitat von Booner;261163
Hat er noch eigene Nutztiere? Hühner, Hasen, Schweine? Kann er diese schlachten? (Hier bei uns in der Umgebung klar dreimal nein)
Kleintiere zum Eigenbedarf werden in der Regel selber geschlachtet. Für Grossvieh: Schaal (Schlachtraum) ist im Dorf vorhanden Störmetzger auch (und etliche Metzger in den umliegenden Dörfer).
Zitat von Booner;261163
Oder kann der Bauer aus der eigenen Ernte wieder aussähen?
Ja. Tun viele.
Saatkartoffeln sind z.B. nur Kartoffeln die früher geerntet werden (bevor sie gross sind).
Auch haben wir keine EU-Saatgutverordnung, im Gegenteil, alte Sorten werden gefördert.
Zitat von Booner;261163
Glaubt ihr echt, auf dem Land ist es anders als in der Stadt?
Kurze Antwort: Oh ja!!
Zitat von tomduly;261165
Da hält der Mähdrescher nicht mehr an, um seinen Körnertank zu leeren, sondern drischt GPS-geführt munter weiter, der Traktor mit Anhänger, der die Körner aufnehmen soll, wird vom Bordrechner des Mähdreschers übernommen und zwangsgeführt, d.h. der Traktor wird per Funk vom Mähdrescher-Computer gesteuert.
Nicht bei uns. Da steht der Anhänger am Feldrand. Die Felder sind schlicht zu klein. (Ein durchschnittlicher Betrieb in der CH hat knapp 20ha Gesamtfläche!)
Die meisten haben nicht mal ein Radio auf dem Trecker.
Zitat von tomduly;261165
Milchkühe müssen deshalb ständig Kälber gebären, um hohe Milchleistung zu liefern. Diese "Dauerschwangerschaft" wiederum stresst die Tiere, so dass sie nach 3-4 Jahren "fertig" sind und geschlachtet werden (müssen). Aber das nur am Rande.
Auch da unterscheiden wir uns von der EU. Bei uns werden Milchkühe wesentlich länger gebraucht. Die Durchschnittsleistung sinkt damit zwar, aber anscheinend rechnet es sich trotzdem.
Grüsse, Gresli