Zitat von Waldschrat;230903Hey, Du kannst Deinem Kind Alle Möglichkeiten dieser Welt öffnen! Du solltest vor allen Dingen nicht zwischen Sohn und Tochter unterscheiden!
Ich würde beiden Geschlechtern das volle Sortiment anbieten, von Barbiepuppen biu zum Chemiebaukasten.
Eigentlich ist mein Beitrag jetzt gar keine direkte Antwort auf Deinen, Waldschrat. Ich nehme ihn nur mal als Aufhänger für meine momentanen Gedanken.
Ich finde die Diskussion hier schon sehr interessant. Auch was manche so an persönlichen Erlebnissen berichten. Aber manchmal frage ich mich: was, um Himmels Willen, ist denn so verkehrt an traditionellen Rollenvorstellungen? Warum wird heutzutage scheinbar alles und jedes in Frage gestellt und uminterpretiert und kritisch be- oder gar verurteilt, bloß weil es auf alten Werten und Traditionen beruht? Früher war alles Scheiße, muss alles grundsätzlich angezweifelt, komplett über den Haufen geworfen und das Rad neu erfunden werden??? Manchmal komm ich da echt nicht mit. Liegt vielleicht an meiner eigenen Sozialisation.
Meine Eltern würde ich als konservativ bezeichnen: Vater (in leitender Position) schafft den hauptsächlichen Teil der Kohle ran, ist das Familienoberhaupt und hat bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort. Mutter arbeitet höchstens Teilzeit, ist ansonsten für die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zuständig.
Nur, das Witzige bei den beiden war, dass meine Mutter studiert hatte, mein Vater sich jedoch von einer (mit Ach und Krach bestandenen) Lehre aus hoch gearbeitet hat. Bildungsmäßig war sie ihm somit anfangs überlegen. Erst mal reagierte mein Vater total entsetzt, als er beim Kennenlernen meiner Mutter erfuhr, dass sie ausgerechnet Lehrerin war. Da die beiden sich aber halt nun mal liebten, haben sie doch zu einer sehr guten Symbiose gefunden.
Dabei kam z.B. heraus, dass er, wenn eine Rede anstand vor akademischen Kreisen, Geschäftsführern, Amtsinhabern etc. er diese erstmal im heimischen Wohnzimmer meiner Mutter hielt, welche dann hier und da ein wenig seine Grammatik korrigierte oder rhetorische Tipps gab. Und der Herr Papa brach sich gar keinen Zacken aus der Krone, diese Hilfestellungen anzunehmen. Und wenn wichtige Entscheidungen in der Familie zu treffen waren, hatte Vatern zwar das letzte Wort (und somit auch die Verantwortung für die getroffene Enetscheidung zu tragen), es wurde aber immer erst mal im Familienkreis (oder zwischen meinen Eltern) darüber gesprochen und jede Meinung gehört und erwogen. Nicht immer, aber doch häufig stimmte mein Vater letztlich dem zu, was meine Mutter vorbrachte (oder auch mal wir Kinder). Und sehr häufig hörte ich von meinen Eltern solche Sätze wie: "Mann und Frau sind natürlich nicht gleichberechtigt, aber gleichwertig! Gleiche Rechte bedeuten nämlich auch gleiche Pflichten und das würde beide überfordern. Und wer die letztendliche Entscheidungsbefugnis hat, hat damit auch die große Verantwortung, die Entscheidungen zum Wohle aller Beteiligten zu treffen - und nicht zum eigenen Vorteil auszunutzen!"
Mein Vater war für "Draußen" zuständig und traf hier die meisten Entscheidungen, meine Mutter war für "Drinnen" zuständig und schmiss den Laden. Das lief harmonisch ab und funktionierte wunderbar. Und es gab uns Kindern eine große Sicherheit. Und mir einen Sinn für die Schönheit der Unterschiede zwischen Mann und Frau und den Glauben daran, dass so ein Miteinander im gegenseitigem Respekt funktionieren kann. Ich habe es schließlich vorgelebt bekommen.
Vielleicht denkt ihr jetzt, ich wäre dann also vielleicht als Püppchen oder Prinzessin groß gezogen worden. Weit gefehlt! Ich hab oft mit den Nachbarsjungs draußen Fußball gespielt und bin auf Bäume geklettert und sehe mich noch mit meinem Vater zusammen im Garten die Fahrräder für die ganze Familie reparieren. Ja, ich hatte auch Freundinnen und auch Puppen, aber mit denen hab ich weniger gespielt. Die Mädchen fand ich oft zu zickig oder gemein (und es war schwer, in ihren Kreis aufgenommen zu werden). Die Jungs waren da unkomplizierter und ihre Spiele spannender. Für meine Eltern war das scheinbar so okay, dass das zuhause nicht mal thematisiert wurde. Ich hatte extra Spielklamotten, die auch dreckig werden durften und wenn mal ein Riss drin war, wurde der halt geflickt. Wenn ich also nicht mit total verflickten Sachen herumlaufen wollte, musste ich halt ein bisschen aufpassen. An Gemecker von meiner Mutter erinnere ich mich aber nicht.
So, aber jetzt zu dem Punkt "Du solltest vor allen Dingen nicht zwischen Sohn und Tochter unterscheiden!" Das kann ich so nicht unterschreiben. Ich finde es durchaus wichtig, dass Kinder Rollenvorbilder haben, Verständnis erleben und Rat / Anleitung bekommen vom gleichgeschlechtlichen Elternteil und dass sie ihre Andersartigkeit erleben gegenüber dem andersgeschlechtlichen Elternteil und dass diese von ihm / ihr als sehr schön und wertvoll geschätzt wird. Ich kann Euch gar nicht beschreiben wie toll sich das für mich als Kind angefühlt hat, wenn mich mein Papa "Prinzessin Goldzöpfchen" genannt hat (auch wenn ich gerade verschwitzt vom Spielen rein kam)! Oder wenn er entzückt reagiert hat, wenn ich (meist nur sonntags für die Kirche oder wenn wir bei hochschnopopligen Freunden meiner Eltern eingeladen waren ) im Kleidchen und mit ordentlicher Frisur auftrat. Leute, was soll ich Euch sagen, das Kinderbüchlein "Prinzessin Goldzöpfchen" (das zu meinem Kosenamen führte, den mein Vater mir gab), das mir mein Papa mal von einer Geschäftsreise mitgebracht hat, das hüte ich noch immer wie einen kostbaren Schatz - und mir kommen schon beim Erzählen beinahe die Tränen.
In ebenso wertvoller Erinnerung habe ich Gespräche zwischen meiner Mutter und mir, als es um die verunsichernden Erfahrungen in der Pubertät ging. Gespräche über Menstruation, Beziehungen mit Jungs, Sex vor der Ehe - ja oder nein? Verhütung, ... usw. Und die Geschichten, die sie mir aus ihrer eigenen Vergangenheit erzählt hat, Erfahrungen, die sie gemacht hat, Ratschläge, die sie schon von ihrer Mutter bekommen hat ....
Mein Bruder wurde teilweise doch ganz anders behandelt als ich oder meine Schwester. Einerseits durfte er mehr (er war aber auch älter), andererseits wurde von ihm aber auch erwartet, uns Mädchen zu beschützen, für meine Mutter die schweren Einkäufe aus dem Auto in den Keller runter zu tragen, oder, als absehbar war, dass mein Vater nicht mehr lange leben würde, die Verantwortung für die Familie zu übernehmen (da stand mein Bruder schon im Berufsleben und hatte seine Militärzeit hinter sich).
Also, ich finde, meine Eltern haben das ganz toll gemacht. Natürlich nicht alles, aber solche Dinge meine ich jetzt, die hier zum Thema Geschlechterrolle gehören und die mir geholfen haben, meine Identität zu finden und zu schätzen. In diesem Punkt sind sie für mich (in meiner vermutlich teilweise etwas geschönten Erinnerung) ein großes Vorbild. Und sie haben einen großen Anteil daran, dass ich heute weiß, dass ich eine Frau bin, das toll finde, damit aber ziemlich entspannt umgehe und gar kein Problem damit habe, auch "männliche" Anteile in mir zu sehen und sie teilweise ganz locker auszuleben. Danke Mama! Danke Papa! R.I.P.