Sonne, Sand, Spass, Dehydration.. selbst erlebt

  • Hallo zusammen,


    Ich habe mehrere Jahre in Dubai gelebt und war dort regelmässig in der Wüste am Campen. Normalerweise eher im Frühling oder Herbst, denn im Winter sind die Nächte in der Wüste doch ziemlich kalt und im Sommer doch ziemlich heiss am Tag mit über 50 Grad! Wir sind meistens mit ein paar 4X4 Jeeps in die Wüste gefahren und waren immer gut vorbereitet. Auch wenn wir nur einen kurzen Trip ohne Übernachtung machten, hatten wir immer min. 10 Liter Wasser pro Person dabei sowie eine gute Ausrüstung. Man weiss ja nie, was kommt. Ich erwähne dies, einfach um zu sagen, dass ich es gewohnt war, mich in der Wüste zu bewegen.


    Nun war ich an einem schönen Frühlingstag zusammen mit einem Freund auf unseren Offroad Motorrädern unterwegs. Hier beschränkt sich natürlich schon mal die Menge Wasser, die man mit sich führen kann, doch die UAE sind relativ gut erschlossen und die Wüsten werden oft von Strassen durchquert, auf welchen man in der Regel innerhalb 30min Fahrtzeit eine Tankstelle findet. Wir sind früh morgens los (etwa 5 Uhr), da dann die Hitze noch nicht so gross ist und man ohne grossen Verkehr aus Dubai rauskommt.


    Wir sind auf mehrheitlich offroad- und Shotterpisten and die Ostküste gefahren und haben dort in einem Restaurant gefrühstückt. Auf dem Retourweg natürlich wieder so oft wie möglich offroad. Wir wollten einen kleinen Teil der Strecke durch ein Wadi fahren. Ein Wadi ist ein ausgetrocknetes Flussbet, das nur im Winter mal ab und zu Wasser führt. In den UAE gibt es im Schnitt 5 Regentage pro Jahr und diese kommen alle im 'Winter', man kann den Rest des Jahres also getrost in diese Wadis fahren. Normalerweise kommt man in diesen Wadis auch gut vorwärts, tiefer Kies/Schotter und dazwischen ein paar Felsen und grössere Steine. Macht Spass.. einfach Volldampf mit viel Geschwindigkeit durch den Schotter, damit man nicht stecken bleibt und die Felsen geben eine technische Abwechslung.


    Wenn ich mich richtig erinnere, war dieses Wadi gemäss Karte etwa 11 Km lang. Kurz bevor wir zu diesem Wadi kamen, haben wir nochmals unsere Motorräder aufgetankt, einen Liter Sportgetränk runtergeschüttet und meinen 2 Liter Camelback mit Wasser aufgefüllt. Mein Freund hatte sogar 4 Liter Wasser dabei. Wir haben uns noch überlegt, ob wir wirklich durchs Wadi wollen, denn ich hatte relativ wenig geschlafen in der Nacht zuvor und wir waren doch schon ein paar Stunden offroad unterwegs und die Kräfte daher nicht mehr auf höchstem Niveau. Doch die Motivation war gut und auch unsere Ausrüstung war gut mit , Mobilephone, Erste Hilfe Kit mit Quick Cloth etc.


    Wir sind also mit Absicht und Freude in dieses Wadi gefahren, welches nicht unser erstes war. Aber, dieses Wadi kannten wir noch nicht. Die meisten Wadis sind sehr ähnlich, doch dieses war irgendwie deutlich schwieriger zu befahren und hat deutlich mehr Kraft in Anspruch genommen. Ein Paris-Dakkar Motorradfahrer hätte vielleicht weniger Mühe gehabt, doch wir beide hatten doch ziemlich Mühe vorwärts zu kommen. Das Kies war tiefer als üblich und es war schwierig auf Geschwindigkeit zu kommen. Auch war die Hitze in diesem Wadi massiv. Es war irgendwie windstill dort drin und die Hitze sammelte sich. Die Kräfte und Konzentration schwinden, man fällt mit dem Motorrad hin.. immer wieder, immer häufiger.. jedesmal wieder das Motorrad aufrichten und im tiefen Kies anfahren.. von unseren total 6 Litern Wasser hatten wir 5.5 Liter verbraucht und wir waren noch immer Mitten im Wadi.


    Hinter jeder Kurve im Wadi erhofften wir uns einfachere Verhältnisse oder sogar das Ende des Wadis, aber es kam nicht.. Als ich einen kleinen Busch sah, stieg ich vom Motorrad und sass in den Schatten des Busches. Nun das Problem, mein Puls war von der Anstrengung sehr hoch und ich atmete schwer. Na klar, das ist so beim Offroaden.. ABER, mein Puls kam nicht runter. Ich sass im Schatten für 10 Minuten und mein Puls war immernoch so hoch, wie als ich vom Motorrad abgestiegen bin! Das machte mir Angst. Ich hatte sowas zuvor noch nie erlebt. Man macht Sport und der Puls geht rauf, man hört damit auf und der Puls kommt wieder runter. Dass der Puls oben blieb war neu für mich. Der letzte halbe Liter Wasser war natürlich auch schnell weg. Wir haben unsere Situation besprochen: mir geht es dreckig und ich kann echt nicht mehr weiter, ich will weiter, aber ich habe Angst mich weiter zu bewegen, denn dann bricht noch mein Kreislauf zusammen.


    Meinem Freund geht es auch dreckig aber immerhin etwas besser als mir. Um uns herum etwa 5 Meter hohe Seitenwände des Wadis, steil nach oben, wie Hauswände. Wir hatten Empfang und dort sieht es so aus, als ob der Ausgang aus dem Wadi nicht mehr allzuweit weg wäre. Auch hatten wir Mobile Empfang und hätten Hilfe rufen können. Dies beruhigte mich etwas, doch auch wenn wir Hilfe gerufen hätten, es hätte sehr lange gedauert, bis Hilfe gekommen wäre, wenn überhaupt jemand gekommen wäre. Aber in dem Moment war es doch sehr gut zu wissen, dass das Telefon funktionierte.


    Wir haben uns aber entschlossen, noch ein Stück weiterzugehen und zu sehen, was hinter der nächsten Kurve im Wadi ist. Motorräder stehen gelassen, ich blieb sitzen, mein Freund ging ein Stück. Er kam kurz darauf zurück mit der besten Nachricht.. etwa 300 Meter weiter hat es Wasser!! Eine kleine Oase! Ich raffte mich auf, diese 300 Meter zu gehen und bin dort ins knietiefe Wasser gesprungen.. respektive habe mich fallen lassen.. mit den ganzen Kleidern, Stiefeln etc.. einfach rein ins Wasser.


    Dieses BESTE Bad aller Zeiten gab mir wieder viel Kraft zurück. Mein Körper konnte sich gut erholen. Wir gingen tropfnass und zu fuss noch etwa 200 Meter weiter, denn es hatte nun einen kleinen Bach und Vegetation und Schatten. Und plötzlich waren wir am Ausgang des Wadis! Ich bin also etwa 500 Meter vom Ausgang des Wadis vom Bike gestiegen und konnte nicht mehr weiter. Nach so vielen Kurven wo ich gehofft hatte, dass dahinter der Ausgang kommt, hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass nach dieser Kurve der Ausgang kommen könnte.. doch hier waren wir. Und wäre das nicht Glück genug, hat genau dort ausserhalb des Wadis eine Gruppe Touristen mit einem lokalen Führer Rast gemacht und sie haben uns Getränke und Essen zur Stärkung gegeben! Was für ein Glück! Frisch gestärkt und abgekühlt gingen wir wieder zu unseren Bikes zurück und sind ohne größere Probleme das letzte Stück aus dem Wadi gefahren und dann zurück nach Dubai.


    Es dauerte etwa noch zwei volle Tage, bis ich mich davon erholt hatte und mich wieder einigermassen fit fühlte.


    Klar, das war jetzt nicht die extreme Survival Situation, aber mir hat es gereicht und ich habe daraus einiges gelernt:


    1. Unterschätze nicht die gefährliche Kombination von körperlicher Anstrengung bei grosser Hitze! Hört sich einfach und logisch an, aber es geschieht schneller als man denkt, insbesondere wenn man von der Anstrengung abgelenkt ist wie zB Motorrad offroad fahren.


    2. Auch 3 Liter Wasser pro Person können innerhalb von 3h verbraucht sein.


    3. Wenig Schlaf beeinträchtigt die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich. Klar, sagen jetzt alle, ist ja logisch, aber denkt man wirklich immer daran?


    4. Wenn der Weg, den Du einschlägst, Dir unbekannt ist, und von Anfang an nur schwierig zu begehen/befahren ist, dann überlege Dir nochmals sehr gut, ob Du diesen Weg wirklich beschreiten willst oder ob es nicht doch eine Alternative gäbe. Denn wenn Du dort reingehst wo es schwierig ist, ist es auch schwierig raus, falls Du umdrehen musst. Und der Weg wird evtl. die ganze Strecke so schwierig bleiben.


    5. Auch eine gute Ausrüstung kann Dir unter Umständen nicht helfen. (aber es hilft psychisch enorm, zu wissen, dass man gut ausgerüstet ist).


    6. Murphy's Gesetz gilt! Du kannst etwas 100 mal machen und dabei immer übergerüstet sein und nie passiert etwas, das 101. mal, wo Du gerade knapp ausgerüstet bist, passiert was.


    7. Aus Spaß kann Ernst werden und es kommt überraschend.


  • Hallo,
    ich habe ähnliche Erfahrungen in der Mojave Wüste gemacht und kann Dir da nur zustimmen, man verschätzt sich derart schnell.
    Gruß Geronimo

  • Hallo Alive, so etwas kann einem auch in Deutschland passieren. Ich habe mal als Dachdeckergehilfe gearbeitet: Sommer, Sonnenschein, Hitze. Flachdach mit Bitumen kleben. Das Bitumen wird dafür in einem Kocher auf weit über 100 Grad Celsius erhitzt. Das starke Sonnenlicht wurde von der Aluminiumeinfassung des Daches reflektiert, sodass man -egal ob Blickrichtung nach oben oder unten- geblendet wurde. Das Ergebnis war ein Hitzeschlag (extreme Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Kreislaufprobleme, Fieber), einige Tage arbeitsunfähig, Gott sei dank keine Schäden davon getragen. Seitdem weiß ich, dass man beim Thema Hitze auf die eigenen Grenzen zu achten hat und dass man aufpassen und ggf. helfen muss, wenn jemand bei Anstrengung und Hitze Krankheitssymptome bekommt. Eine vernünftige Sonnenschutzmütze ist Bestandteil meines Fluchtgepäcks. Viele Grüße