Hallo Zusammen,
in meinen Augen macht Nuklearvorsorge definitiv Sinn, es kommt allerdings auf ein paar Dinge an.
Erstens: Das Szenario. Bei einem nuklearen Schlagabtausch gibt es mehrere Szenarien, die gerne nach der Anzahl der verschossenen Gefechtskörper bezeichnet werden. 500er und 2000er sind hier meines Wissens nach die meistzitierten. Dann gibt es noch das Vernichtungsszenario, bei dem alles verschossen wird was die Rohre hergeben.
Ein 500er Szenario ist relativ (!) begrenzt und umfasst wahrscheinlich die Kombattanten und ihre direkten Alliierten. In erster Linie handelt es sich um ein taktisches Szenario, was jedoch nicht heisst, dass es das einfacher machen würde. Ich komme später noch dazu.
Ein 2000er Szenario umfasst die Kombattanten, die Alliierten und auch die entfernteren Alliierten, wir sprechen also von einem Weltkriegsszenario. Kriegsparteien und Alliierte werden gerne auch zweimal beharkt, und es werden strategisch weniger wichtige Ziele mit bodennahen Angriffen eingeebnet, was die Strahlungsniveaus nach oben treibt.
Das Vernichtungsszenario ist genau das. Stecker gezogen, Ende für die Menschheit. Durch den massiven Einsatz von Nuklearwaffen in den oberen Atmosphärenschichten werden diese Schutzschichten vollständig zerstört und die Erdoberfläche ist praktisch schutzlos der harten Strahlung ausgesetzt. Gleichzeitig sorgt die Menge der aufgewirbelten Partikel für den gefürchteten nuklearen Winter (dieser tritt auch in den anderen Szenarien auf, jedoch wesentlich milder). Ich meine mal gelesen zu haben dass Modellrechnungen selbst nach 10 Jahren keine oder nur geringfügige Veränderungen der Wetterlage ergeben haben.
Zweitens: Die Art der Waffe. Grundsätzlich kann man Nuklearwaffen in drei Detonationskategorien einteilen.
Unterirdisch - Bunkerbrecher, wird gegen unterirdische Infrastruktur eingesetzt, etc. Die Detonation findet unter der Erde statt und setzt - je nach Tiefe - praktisch keine Strahlung frei.
Bodennah - eingesetzt gegen oberirdische strategische Ziele wie Flughäfen, Militäranlagen etc. Die Waffe wird in einigen hundert Metern höhe gezündet, die Zerstörung geschieht nicht nur durch die Druckwelle, sondern auch durch die intensive Hitze. Ausschlaggebend ist hier, dass eine grosse Menge Partikel hochgeschleudert werden, die berühmte Pilzwolke. Diese sind wenn nicht von sich aus radioaktiv so doch mit Sicherheit radioaktiv kontaminiert und sehr fein. Normale Filter werden von diesen Partikeln mühelos durchdrungen, um Atemluft zu Filtern braucht es HEPA - Filter der Klasse 12+.
Atmosphärisch - die Waffe wird relativ hoch über dem Erdboden gezündet, es entsteht keine Pilzwolke, dafür eine starke Druckwelle. Wir zur flächendeckenden Vernichtung ganzer Gebiete eingesetzt. Um sich das Vernichtungspotential einer solchen Waffe klar zu machen: Eine einzige russische ICBM vom Typ R-36M trägt 10 Sprengköpfe mit je 800kt Sprengkraft. Atmosphärisch gezündet wäre eine dieser Raketen in der Lage, eine Fläche in etwa so gross wie Bayern dem Erdboden gleich zu machen. Führt man sich vor Augen was das bedeutet, wird meine Aussage zum 500er Szenario klarer denke ich. Bei einer solchen Detonation sind die Strahlungslevel anfangs relativ hoch, sobald die kurzlebigen Isotope abgeklungen sind kann man aber wieder nach draussen, nach ca. zwei bis drei Wochen also.
Drittens: Mein Standort. Lebe ich ländlich relativ weit weg von grösseren Städten ist die Chance, von einer bodennahen Waffe erwischt zu werden relativ gering. Dafür wird mich die Atmosphärenwaffe treffen, todsicher. Ein gut verbunkerter Unterschlupf ist hier aber durchaus in der Lage, das überleben sicherzustellen, vorausgesetzt, es befindet sich ausreichend viel "Schutzmasse" über einem, Blei ist sicherlich auch nicht die schlechteste Idee.
Viertens: Mein generelles Verhalten und meine Sachkenntnis in Sachen Radioaktivität, und jetzt wird die Geschichte eigentlich brutal. Ich persönlich gehe davon aus, dass viele Menschen die sich verbunkern konnten beim Verlassen des Bunkers oder kurz danach aus Unwissenheit so hohe Strahlendosen akkumulieren dass sie sterben.
Der erste Irrtum den die meisten machen ist nämlich der, dass Strahlung einfach so im Raum herumsteht. Bekommt man diese ab, ist man "Verstrahlt". Ist man radioaktiver Strahlung ausgesetzt, wird man jedoch "bestrahlt" und bekommt eine gewisse Dosis. Ist die Strahlung weg, bekommt man auch keine Dosis mehr. Das Thema ist wesentlich komplexer besonders in Bezug auf wiederkehrende kleine Dosen, Alltagsdosen, etc. Das nur zur Veranschaulichung.
Der zweite Irrtum ist, dass Strahlung einfach so im Nichts existiert. Strahlung hat immer einen Träger der sie aussendet. Bei jedem nuklearen Szenario sind viele radioaktive Staubpartikel in der Luft. Vor diesen gilt es sich zu schützen, darum schützen auch dünne Papieranzüge schon gar nicht schlecht. Gegen Alphastrahlung an sich sicherlich, vor allem aber gegen Partikel die als Träger der Strahlung fungieren. Es gilt unter allen Umständen zu verhindern, dass diese in den Körper gelangen können! Viele Radioisotope können nämlich vom Körper verbaut werden und strahlen dann dort munter weiter. Hohe Dosen sind die Folge gegen die man nichts oder nur extrem wenig tun kann. Kaliumjodid ist eine Möglichkeit, viel trinken um die Ausschwemmung zu beschleunigen eine andere.
Der dritte Irrtum ist, dass jetzt draussen alles tödlich ist. So ist es durchaus möglich, Wasser einem verseuchten Fluss zu entnehmen und nach Destillation zu trinken. Es enthält maximal zwei Tritiumatome, ein Radioisotop des Sauerstoffs ist mir nicht bekannt, habe aber auch meine Unterlagen grad nicht zur Hand. Toll ist das zwar nicht, kann aber wenn es in die Kalkulation für eine Flucht mit einbezogen wird die Route möglicherweise deutlich verkürzen.
Mit guter Risikoabschätzung und extrem guter Vorbereitung, besonders theoretischer, ist es durchaus möglich, sich auf ein 500er Szenario vorzubereiten und dieses im Nachgang auch zu überleben, bei einem 2000er wird das schon wesentlich schwieriger. Ich persönlich habe nur einige Schutzanzüge (Papier), Panzertape, dicht schliessende Schutzbrillen und Feinstaubfiltermasken zurückgelegt. "Toll" ist das nicht, es erhöht aber die überlebenschancen erheblich. Ich bin aber auch nicht bereit, die umfassenden Einschränkungen zu tragen die die erforderliche Vorbereitung auf unser Leben hätte, weil ich ein nukleares Kriegsszenario für relativ unwahrscheinich halte.
Für wesentlich wahrscheinlicher halte ich einen Terrorangriff mit einer unkonventionellen radiologischen Waffe. Darauf kann man sich jedoch gut vorbereiten, und ein einfacher Geigerzähler schützt vor schlimmerem.
LG, Bremsstrahlung