Mir geht es darum, die pauschale Behauptung "LiFePO4 sei sicher und deswegen braucht man sich da keinen Kopp zu machen" zu hinterfragen. In den Sicherheitsdatenblättern solcher Batterien ist die Rede davon, dass die Batterie sicher ist, solange ihre Integrität unversehrt ist. Es steht aber auch drin, dass der flüssige Elektrolyt eine brennbare Flüssigkeit ist und dass verdampfender gasförmiger Elektrolyt zündfähige Gemische verursachen kann.
Bei großen stationären Blei-Säure-Akkus oder auch bei großen Traktionsbatterien (Gabelstapler) ist es üblich, Vorkehrungen gegen austretenden Elektrolyt zu treffen (Trog) und genauso ist es üblich, beim Ladevorgang entstehendes (Knall-)Gas abzulüften. Die Vorschriften für Batterieräume und Schutzbehälter sind da eindeutig. Ein thermisches Durchgehen ist bei Bleibatterien theoretisch möglich, allerdings sehr selten. Viel häufiger ist Bruch des Zellgehäuses und Auslaufen des Elektrolyten v.a. bei Traktionsbatterien (deswegen der Trog) und Knallgasexplosionen bei Überladung/fehlerhafter Ladetechnik.
Bei Lithium-Batterien scheint das bislang noch "egal" zu sein. Man hat ja ein "BMS", das die Batterie und die Umgebung vor allem beschützt. Dass ein BMS auch nur ein aus zig Einzelteilen zusammengelötetes Elektronikmodul ist, das jederzeit auch ausfallen kann oder eine Fehlfunktion aufweist, wird da gerne ausgeblendet. Was macht ein Lithium-Akku, der an einem Ladegerät hängt, dessen BMS einfach so "stirbt", dabei aber den Strompfad vom Ladegerät zu den Zellen nicht unterbricht, das Ladegerät also munter endlos weiterlädt?
Weiss man die Ursachen für E-Bike-Akku-Brände? Vom BMS direkt am Akku ist nach einem Zellenbrand vermutlich nicht mehr viel übrig, was sich forensisch auswerten ließe.
Ich habe beruflich auch mit der Entwicklung von Mikroelektronik für Anwendungen in der funktionalen Sicherheit (SIL/ASIL) zu tun. Ich hab eine grobe Vorstellung davon, wie aufwändig es ist, z.B. ein Treiber-IC für eine Leistungsstufe so zu entwerfen, dass die Zerstörungspfade auf dem Chip in jedem nur denkbaren Fehlerfall einem vorgegebenen Weg folgen, damit das System reproduzierbar auf vorhersehbare Weise versagt. Bei einem Elektronikmodul in der funktionalen Sicherheit muss ich für jede Komponente exakt wissen, ob sie z.B. bei Stromüberlastung einfach nur lokal verdampft (und eine Unterbrechung erzeugt) oder Metall schmilzt (und einen Kurzschluss bei Nachbarbauteilen verursacht) oder ob das Bauteil verkohlt (und der Kohlenstoff eine leitende Verbindung hinterlässt, die das System irgendwie weiterfunktionieren lässt, tückisch bei Widerständen).
Schalter und Relaiskontakte, die als Sicherheits-Unterbrecher im Notfall zuverlässig öffnen müssen, können mit der Zeit festkorrodieren, wenn jahrelang kein Fehler auftritt und der Kontakt nie geöffnet werden muss. Tritt dann der Fall ein und der Öffner bleibt kleben und unterbricht nicht, endet das fatal.
Ein z.B. nach SIL4 zertifiziertes Sicherheitssystem muss regelmäßig sicherstellen, dass Abschaltvorrichtungen auch funktionieren. Dazu kann man die Unterbrecher immer wieder mal für ganz kurze Zeit öffnen (macht man bei Notaus-Relais/Schütz-Schaltungen), so dass sich der Kontakt für wenige Millisekunden tatsächlich öffnet und schließt ihn dann sofort wieder. Idealerweise in einem Wechselstromkreis bei Nulldurchgang des Stroms, so dass diese Unterbrechung vom dahinter laufenden System gar nicht bemerkt wird.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass die in den derzeit auf dem Markt befindlichen Li-Akkusystemen verwendeten BMS die Anforderungen an funktionale Sicherheit nach bestehenden Normen erfüllen. Abgesehen von den Traktionsbatterien in E-Fahrzeugen, weil es da entsprechende Vorgaben für Automobilelektronik gibt.
D.h. man ist darauf angewiesen, den Versprechen der Importeure oder Hersteller zu glauben. Und wenn man einen Li-Akku mal aufmacht, dann kann es einen schon ziemlich gruseln.
Hier ein Beispiel eines BMS, offensichtlich aus einem Li-Akku von Liontron, wie sie gerade sehr gerne in Wohnmobilen als Ersatz für die bleierne Aufbaubatterie verwendet werden. Es kommen einfache weiße Wannensteckverbinder zum Einsatz, wie man sie von PC-Mainboards oder auch aus der Unterhaltungselektronik (z.B. DVD-Player) kennt. Ein Bluetooth-Dongle liegt quasi lose bei, mit etwas Schrumpfschlauch isoliert. Die Stecker sind nicht zusätzlich gegen Vibration gesichert. Der Einsatz des Akkus ist aber in Wohnmobilen vorgesehen.
Hier ein anderes Beispiel eines offensichtlich baugleichen BMS, ebenfalls aus einem Liontron-Akku. Hier sind die Steckverbinder mit Heißkleber-Klecksen gesichert. Allerdings fehlt der BT-Dongle und an seinem Steckplatz ist kein Wannensteckverbinder sondern eine simple schwarze Buchsenleiste für Pfostenstecker verbaut. Brisant wird es aber, was der Käufer dieses Akkus dann herausfindet:
"Das einfache Öffnen des Liontron Akkus war auch gleich das Erste was ich nutzen durfte, bekam ich doch keine Bluetooth Verbindung zum BMS. Es wurde überhaupt kein Signal eines Bluetooth Devices vom iPhone gefunden. Nach regen Mailverkehr mit dem Support habe ich dann den Akku öffnen dürfen.
Der Bluetoothstick war leider nicht an der Stelle, wo er eigentlich sein sollte. Dieser hatte sich wohl durch den Transport trotz Befestigung mit Heißkleber gelöst. Er klemmte nun zwischen BMS Platine und den Akkuzellen. Nachdem ich den Bluetooth Stick wieder eingesteckt habe, fing gleich eine kleine blaue Betriebs-LED an zu blinken. Nun war das BMS per Bluetooth und App erreichbar und zeigte mir eine Kapazität von 219 Ah für den 200 Ah Akku an." (Quelle)
Hey - sprechen wir hier gerade von einem 12V-Akku mit fast 220Ah Kapazität, von dessen BMS sich Teile lösen, die dann irgendwo "zwischen BMS Platine und Akkuzellen" klemmen??
Ich befürchte: auf diesem Niveau bewegt sich gerade der Markt der Li-Akkus für Consumer-Anwendungen. Die Autoindustrie kann sich das nicht erlauben (aber auch da gab es schon Überraschungen), denn hier können die Behörden Rückrufaktionen anordnen, die für die Hersteller sehr teuer werden können.
Von daher kann ich nur raten (insbesondere, wenn man Elektronik nicht selber beurteilen kann), bei der Verwendung von Li-Akkus das Thema Brandschutz nicht auszublenden oder sich blind auf Aussagen wie "der Akku ist sicher" zu verlassen.
Ich glaube nicht, dass der Hersteller des E-Bike-Akkupacks, das die Sennheiser-Villa abgefackelt hat, für den Schaden aufkommen wird. Denn schon in der Bedienungsanleitung wird gestanden haben, dass der Akku nicht unbeaufsichtigt und nicht in der Nähe von entzündlichem Material geladen werden darf. Damit ist er fein raus, auch wenn die wahrscheinliche Brandursache nicht das unbeaufsichtigte Laden des Akkus in der Bibliothek der Villa war, sondern ein Versagen der Akku- bzw. Lade-Elektronik war. Also vermutlich auf Pfusch beim BMS oder der Konstruktion des Akkupacks zurückzuführen ist.
Grüsse
Tom