Einen Tod müssen wir alle irgendwann mal sterben und ob nun Covid, die Grippe oder sonst was ist das ist für eine Grobbetrachtung erst einmal irrelevant, weil man sich nicht gegen alles schützen kann und will.
Sinngemäß hat der Tübinger OB Palmer das seinerzeit auch behauptet, es sterben an Corona ohnehin nur die, die sowieso bald gestorben wären. Abgesehen davon, dass das einigermaßen makaber ist (an COVID-19 zu sterben ist relativ unangenehm und verdammt einsam, da ist das nach einem Schlaganfall im Seniorenheim sanft wegzudämmern, evtl. mit den engsten Angehörigen am Bett deutlich "schöner"), die Erfahrung vom Intensivpersonal in unserem Bekanntenkreis sagen aber mittlerweile etwas anderes. Es sterben jetzt Familienväter und Mütter Anfang 40. Wir hatten im Nachbarort vor nem Vierteljahr einen tragischen Fall: syrische Familie, alle ungeimpft, Vater U40 bekommt im Frühjahr COVID-19, fulminanter Verlauf, rascher Tod. An sich schon schlimm genug. Dann fangen sich im Sommer die beiden Kinder der Familie das Virus ein, Schnelltest in Kita und Grundschule schlagen an. Ihre Mutter bringt die Kinder zum Hausarzt zwecks Abstrich für den PCR-Test. Ein Schnelltest bei der Mutter schlägt nun auch an. Es kommt wie es kommen muss: Mutter entwickelt schweren Verlauf, stirbt. Die Kinder sind rasch genesen, aber nun Vollwaisen.
Da ich selbst einen nahen Angehörigen an COVID-19 verloren habe und es fast live miterleben musste (ich kenne den zuständigen Bestatter persönlich), wie in einem Seniorenheim im Nachbarort innerhalb kürzester Zeit nach einem Corona-Ausbruch 22 Menschen gestorben sind (normal wären 4-6 Todesfälle in der gleichen Zeit gewesen), tu ich mich verdammt schwer, bei Spielchen mitzumachen, mittels Statistiken die Sterblichkeit in der Pandemie zu relativieren.
Wir treiben als Gesellschaft z.B. im Bereich Verkehrssicherheit einen immensen Aufwand, die Zahl der Verkehrstoten zu minimieren, die EU hat sogar "null Verkehrstote" zum erreichbaren Ziel erklärt. In D waren es 2020 gerade mal noch 2.700 Verkehrstote und das bei einer gesamten "Inländerfahrleistung" von 733 Milliarden Kilometern (Quelle). D.h. das Risiko, im Straßenverkehr umzukommen, ist pro Kilometer gar nicht mehr messbar. Mittlerweile nehmen die Todesfälle "aus medizinischen Gründen" hinterm Steuer einen relevanten Anteil der Verkehrstoten ein, die nicht wegen eines Unfalls sterben, sondern z.B. einen Herzinfarkt erleiden (und selbst da gibt es mittlerweile technische Vorrichtungen wie Nothalteassistenten, die versuchen, das Fahrzeug bei nicht mehr reagierendem Fahrer rechts ranzufahren, abzustellen und einen Notruf abzusetzen).
In der aktuellen Pandemie haben wir aber allein in D schon 100.000 Tote zu beklagen, weltweit geht man von 5,2 Mio. Corona-Opfern aus. Das irgendwie statistisch verniedlichen zu wollen, um sein Unbehagen gegenüber einschränkenden Maßnahmen zu rechtfertigen, ist schlicht zynisch.
Genausogut könnte man fordern, Airbags und Bremsassistenten ab sofort bei Autos nicht mehr vorszuchreiben, weil es ja relativ betrachtet, kaum noch Verkehrstote gibt, diese Sicherheitsmechanismen also momentan nicht nötig sind und nur Geld kosten.