Das Thema Weltreisemobil ist sehr vielschichtig und man muss aufpassen, dass man nicht versucht, die eierlegende Wollmilchsau zu konstruieren oder herbeizuwünschen. Auch ist die Gefahr durchaus real, dass man dem "einen" Fahrzeug alles andere unterordnet und den eigentlichen Zweck mit der Zeit vergisst (nämlich zu reisen und was von der Welt zu sehen bzw. für sich und seine Familie eine andere Lebensweise zu erfahren).
Das Fahrzeug ist wichtig, aber es ist nicht alles. Vor allem sollte man den Aspekt im Hinterkopf behalten, dass man sein Vehikel auch mal verlieren können muss (bzw. aufgeben), ohne dass für einen eine Welt zusammenbricht oder man ruiniert ist. Wenn man das von vorneherein kategorisch ausschließt, dann hat man im Fall des Falles ein Problem.
Genug der philosophischen Abschweifungen...
Ich hab seit 21 Jahren einen Unimog (U1300L Pritsche & Plane von der Bundeswehr), als den klassischen "Zwotonner" vom Bund. Bj. 1984, 2000 bei der Strukturreform der BW aus Strukturüberhang ausgemustert, der Mog hatte zu diesem Zeitpunkt keine 20.000km drauf. Dafür bekam er 1999 beim Bund noch eine MES3 (Materialerhaltungsstufe 3), d.h. eine Werksüberholung, inkl modernisierter Bremsanlage mit Lufttrockner und Korrosionsschutz fürs Fahrerhaus. Soweit so gut und hatte mir damals meinen "Kindheitstraum" erfüllt. Gleichzeitig kaufte ich mir eine FM1-Kabine, ebenfalls aus BW-Beständen, also ein isolierter Alucontainer, der als Richtfunkkabine benutzt wurde. Der Vorteil dieser Kabinen ist, dass sie sehr robust sind und eine gute Basis für einen Selbstausbau sind. Besonders praktisch ist, dass der Innenraum komplett rechtwinklig ist und man durch die Skelettbauweise praktisch an beliebiger Stelle Fenster o.ä. einbauen kann, ohne die Struktur entscheidend zu schwächen. Beides ein riesen Vorteil gegenüber z.B. einem Van. Nachteilig ist bei den Kabinen, dass sie schmaler als die LKW-Pritsche bzw. die zulässige Aufbaubreite sind. D.h. man verschenkt wertvolle Breite, wenn man z.B. ein Bett quer einbauen will (man hat unter 180cm Innenbreite). Wir nutzen die Kabine, auf der Pritsche des Unimog verzurrt, als Wohnkabine mit einem Festbett quer an der Stirnseite, darunter die Koje für unseren Sohn. In der Mitte ist auf der linken Seite eine Sitzgruppe mit 3 Plätzen und einem Klapptisch. Da Festbett lässt sich zu einem Doppelbett ausziehen, dann muss der Tisch weggeklappt werden und die 2er Sitzbank ist dann nicht mehr nutzbar. Im hinteren Drittel befindet sich die Eingangstür, rechts davon ein Kassetten-WC, auf der linken Seite eine sehr kompakte Küche mit Spülbecken, 100l Wassertank, 30l Grauwassertank, Kompressorkühlbox und Gaskocher. Das ganze ist der mittlerweile dritte (selbst gemachte) Innenausbau unserer Kabine innerhalb der letzten 20 Jahre, immer an die geänderten Anforderungen angepasst.
Wir verbringen damit Urlaube/Reisen vom Wochenendtrip bis hin zu 3-4 Wochenreisen in den Mittelmeerraum. Für dauerhaftes Leben, Wohnen und Arbeiten wäre das aber nichts. Vor allem wenn man daran denkt, auch mal produktiv am Laptop zu arbeiten und mit Kind/ern unterwegs ist, braucht man eigentlich drei abtrennbare Bereiche. Sonst wird es spätestens bei der ersten Schlechtwetterwoche kritisch.
Zur optimalen Größe des Reisemobils.
Autarkes Leben ist prinzipiell auf kleinem Raum möglich (vgl. Apollo/Sojus.Raumkapseln...). Auch unser Unimog ist z.B. für Wüstentouren bis zu 3 Wochen Dauer vollautark nutzbar: 400l Diesel, 200l Trinkwasser, Proviant, viele Ersatzteile & Verbrauchsmaterial, viel Werkzeug, Bergeausrüstung, erweitertes Erste-Hilfe-Equipment, Funk- und Navigationsausrüstung usw. Aber in der Wüste hat man den Vorteil, dass man spätestens am Ende eine Fahretappe draußen lebt, kocht, schläft und ein unendlich großes Wohn- und Schlafzimmer hat.
Reist man in zivilisierten und dicht besiedelten Regionen, ist man öfter mal gezwungen, sich am Lagerplatz überwiegend im Fahrzeug aufzuhalten, entweder weil man nicht auffallen will oder weil es draußen keine Privatsphäre gibt (fragt mal Indienreisende, wie es sich fühlt, draußen zu frühstücken, wenn 50 Leute dichtgedrängt um einen herumstehen und dich anglotzen.
Also braucht man für eine kleine Familie auf Dauer 2-3 Zimmer. Da ist man schnell bei >6m Kofferlänge, was man mindestens braucht.
Dann zum Fahrerhaus.
Bei einem kleinen Kind kann man noch mit einem normalen Frontlenkerfahrerhaus reisen, wenn man den Kindersitz auf dem Motortunnel bzw. dahinter montiert. Wird aus dem Kind ein Jugendlicher, wird es schwierig, weil die meisten Frontlenker keine Beifahrersitzbank für 2 Personen haben, sondern einen Einzelsitz auf der Beifahrerseite und einen Notsitz (für Menschen ohne Beine) in der Mitte. Bei zwei Kindern geht das schon nicht mehr. Familientauglicher ist definitiv ein Doppelkabinen-Fahrerhaus, also ein viertüriges Fahrerhaus. Allerdings ist eine Doka 1,5-2m länger als ein normales Kurzstrecken-Fahrerhaus, die Länge fehlt dann hinten beim Aufbau. Man kann die Doka natürlich als separates Kinder- oder Ess/Arbeitszimmer nutzen, dann muss man sich einen Durchstieg in die Kabine bauen, komplett offen kann man Doka und Wohnaufbau aber nicht verbinden, weil das Fahrerhaus zur Motorrevision gekippt werden muss. Es ist schon eine Kunst, einen kleinen Durchstieg wasser-/luftdicht, verwindungsfähig und einbruchsicher hinzubekommen und gleichzeitig trennbar, wenn man die Hütte kippen muss.
Das heisst, wir sind jetzt schon bei 6m Koffer und Doka-Fahrerhaus. Damit ergibt sich schon mal, dass ein 7,5t Fahrgestell nicht ausreicht, weil man schon mit Doka, Fahrgestell und ausgebautem Koffer lässig 7-8t erreicht, ohne gefüllte Tanks, ohne Ausrüstung, persönliche Sachen, Proviant, Campingmöbel, Fahrräder usw. Reisefertig ist man dann bei 9t. Empfehlenswert ist daher ein LKW der 12t-Klasse, dann hat man auch Auswahl bei Fahrerhäusern, Motorisierung, Allrad- oder Hinterradantrieb, genügend Platz für größere Tanks und Staukästen. Auch kann man sich eine (absenkbare) Plattform ans Heck bauen, um E-Bikes, Motorräder oder ein Quad mitnehmen zu können.
Nachteilig ist bei Fahrzeugen schon ab >3,5t allerdings die zunehmende Einschränkung in Europa, was das Einfahren auch schon in kleine Ortschaften betrifft (Frankreich, Italien). Auch sind in touristischen Zonen die meisten Strandstraßen/Promenaden für Fahrzeuge >3,5t tabu. Das kann schon einschränken. Ein großer Wohnaufbau und eine Fahrzeughöhe >3m ist oft hinderlich bei eingewachsenen Straßen und Wegen im ländlichen Bereich. Im einfachsten Fall zerkratzt man sich nur die Außenhaut des Koffers und die Plastikfenster, blöd wirds, wenn man wegen zweier Alleebäume nicht weiterkommt und mit der Motorsäge ran muss (sofern man sie dabei hat), so eine Aktion ist vielerorts aber nicht möglich oder man macht sich keine Freunde damit. Und dann ist rückwärtsfahren angesagt. Das gleiche gilt auch für enge Altstädte oder tief hängende Stromleitungen (ist der Klassiker in Nordafrika).
Grüsse
Tom