Hallo,
bei einem längeren Stromausfall wird sehr wahrscheinlich nicht versucht werden, so etwas wie einen Normalbetrieb aufrecht zu erhalten. D.h. es werden die Patientenzahlen drastisch runtergefahren und z.B. alle geplanten Eingriffe (d.h. Nicht-Notfälle) bis auf Weiteres storniert und nicht akut lebensbedrohte Patienten werden heimgeschickt. Lt. Statistik sind in D 39% der Einweisungen in Krankenhäuser Notfälle. Andersherum sind also 61% der Einweisungen keine Notfälle. Ohne Strom wird man solche Einweisungen sehr wahrscheinlich ablehnen. Bei den 39% Notfalleinweisungen wird man mit Sicherheit Priorisierungen, ähnlich wie bei einer Triage vornehmen und so die Zahl der Notfalleinweisungen weiter absenken. Ich gehe übrigens bei einem Blackout nicht von einem drastischen Anstieg medizinischer Notfälle aus. Da wird am Anfang, wenn die Verkehrsleitinfrastruktur gerade zusammenbricht, eventuell einen leichten Peak geben, aber danach werden die Menschen aufgefordert werden, zuhause zu bleiben und Ruhe zu bewahren. Und dann wirds sowieso ruhiger auf den Strassen.
So wird man in kurzer Zeit den Spitalbetrieb sicher um drei Viertel reduzieren können und kann sich dann auf reine Notfallchirurgie und Intensivmedizin beschränken. Die Bettenbauten und die komplette kassenfinanzierte "Kuschelmedizin" werden ohne Strom eben runtergefahren. Auch energiefressende Spezialgeräte wie Tomographen oder Bestrahlungsgeräte wird man ausser Betrieb setzen.
Generell ist zum Thema Überbrückungszeiten anzumerken, dass in den Katastrophenplanungen immer von unterschiedlich langen Überbrückungszeiten ausgegangen wird, die es zu überstehen gilt, bis z.B. das Stromnetz wiederkehrt. So z.B. im "Krisenhandbuch Stromausfall" des baden-württembergischen Innenministeriums: Szenario A (< 8 h), Szenario B (8-24 h), Szenario C (> 24 h). In diesem Blackout-Handbuch sind die Zeiten bis zum Ausfall anhand dieser Szenarien für die unterschiedlichsten Infrastrukturen abgeschätzt.
Für uns ist der worst case, also langandauernder Ausfall (>>24h) natürlich der spannendste. Für die behördlichen Fachplaner aber auch. Mittlerweile scheint bei denen ja das "Leuchtturm-Prinzip" für solche Szenarien in Mode zu kommen. D.h. man setzt ausgewählte wichtige Punkte z.B. in einem städtischen Ballungsraum wieder instand. Das kann z.B. ein Klinikum und eine Raffinierie sein, die beide von einem lokalen schwarzstartfähigen Kraftwerk versorgt werden, während die übrigen Gewerbe- und Wohngebiete abgeklemmt bleiben. Das halte ich auch für technisch machbar und innerhalb weniger Tage landesweit umsetzbar.
Dann hat man erst mal Luft gewonnen und kann sich daran machen, die Wohnquartiere mit provisorischen Wasserabgabestellen und Suppenküchen auszustatten. Dann die Wasserver- und Abwasserentsorgung wieder in Gang setzen usw. Man sollte nie vergessen, dass der Mensch in solchen Lagen "über sich hinaus wächst". In Japan hat es nach dem Erdbeben und Tsunami 2011 ja auch geklappt, trotz gigantischer Infrastrukturschäden, die Bevölkerung vor dem kollektiven Untergang zu bewahren - sogar weitgehend ohne Hilfe von aussen.
Grüsse
Tom