[FONT="]Therapie von Kampfstoffvergiftungen[/FONT]
[FONT="]I. Reizgase CN (Chloracetophenon) und CS (o-Chlorbenzalmalodinitril)[/FONT]
[FONT="]a) Beschreibung und Verwendung:
Bei beiden Stoffen handelt es sich um Nasen-, Augen- und Rachenkampfstoffe, die von Militär und Polizei als sog. "riot control agents", sprich: bei Aufruhr, zum Einsatz kommen.
CN liegt bei Raumtemperatur in farblosen, nach Apfelblüten riechenden, schwer flüchtigen Kristallen vor. Es ist schlecht wasserlöslich, aber gut löslich in organischen Lösemitteln (Alkohol, Ether, Benzol). CS besteht bei Normaltemperatur aus weißen, nach Pfeffer riechenden Kristallen. Auch hier ist die Löslichkeit in Wasser gering und in organischen Lösemitteln sehr gut.
Besonders CS ist darüber hinaus bedauerlicherweise für jedermann als Selbstverteidigungsmittel (i.d.R. als Sprühdose) erhältlich, obwohl ein Laie keineswegs in der Lage ist, die Folgen einer Verwendung von CS abzuschätzen.
Bei der Anwendung von CN oder CS in geschlossenen Räumen werden rasch Konzentrationen erreicht, die unter Umständen tödlich verlaufen können![/FONT]
[FONT="]b) Vergiftungssymptome:
starker, brennender Schmerz in den Augen; rasch einsetzende tränenreizende Wirkung; Brenngefühl an allen Schleimhäuten, der Nase und in der Kehle; Brennen und Stechen an der Haut, insb. auf Schürfwunden.
Längerdauernde oder wiederholte Exposition führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu allergischen Reaktionen (Kontaktdermatitis etc.).
LCt50: 8500 mg*min/m³ (bei CN) bzw. 25000-150000 mg*min/m³ (bei CS) inhalativ.[/FONT]
[FONT="]c) Therapie:
Für gute Lüftung sorgen; direkten Kontakt der Augen mit flüssigem Reizstoff vermeiden; Augen nicht reiben, offen lassen. Benetzte Kleidung sofort entfernen. ABC-Schutzmaske bietet sicheren Schutz. Dekontaminierung mit alkalischen Lösungen innerhalb einer Minute zur Verhinderung einer Kontaktdermatitis. Spülung der Augen mit Isogutt-Augen-Spülflasche (Dr. Winzer) oder mit ca. 2% Natriumbicarbonatlösung. Bei Hautkontakt mit Roticlean E (Polyethylenglycol 400) oder Wasser und Seife spülen. Bei starker Exposition Lungenödemprophylaxe mit Dexamethason-Spray (Auxiloson®-Dosier-Aerosol, 5 Hübe alle 10 Minuten); bei toxischem Lungenödem (geschlossene Räume) PEEP-Beatmung, Corticoide, Furosemid (Lasix®), Diazepam.[/FONT]
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II. Schwefellost (S-Lost, Senfgas, Gelbkreuz)[/FONT]
[FONT="]a) Beschreibung und Verwendung:
Reines S-Lost ist eine ölige, farb- und geruchlose Flüssigkeit. Herstellungsbedingte Verunreinigungen bewirken einen gelblichen Farbton und einen gummi-, senf-, meerrettich- oder knoblauchartigen Geruch.
S-Lost läßt sich verhältnismäßig einfach herstellen; die dazu verwendeten Chemikalien sind ohne größere Schwierigkeiten erhältlich. Es liegt daher auf der Hand, daß terroristische Anschläge durchaus mit Senfgas verübt werden können.[/FONT]
[FONT="]b) Vergiftungssymptome:
Nach Einatmen allgemeine Vergiftungssymptome wie Kopfschmerzen, Ohrensausen, Zittern, Appetitlosigkeit, Angst- oder Erregungszustände. Meist sind dies Vorboten einer Bewußtlosigkeit mit Todesfolge.
Hautkontakt führt nach 2-6 Stunden zu einer Schwellung und Rötung mit starkem Juckreiz. Später bilden sich Blasen, die Haut eitert und es entstehen sehr schlecht heilende Wunden.
Augenkontakt führt zu ähnlichen Symptomen. Bei Augenkontakt mit flüssigem Kampfstoff ist eine Erblindung sehr wahrscheinlich.
Einatmen geringer Mengen führt zu relativ harmlosem Kratzen im Hals und Heiserkeit, welche im Lauf einiger Tage zunehmen. Bei höheren Giftdosen sind Lungenödeme und -entzündungen möglich, die oft tödlich verlaufen.
Spätschäden nach Aufnahme nicht-tödlicher Mengen sind wahrscheinlich.
Tödliche Dosis bei Aufnahme über die Haut: bei 50 mg/kg über mind. 1 Stunde Tod innerhalb von 3 Tagen; bei 600 mg/kg Tod nach einigen Stunden. LCt50: 1000-1500 mg*min/m³ inhalativ, 10000 mg*min/m³ perkutan.[/FONT]
[FONT="]c) Therapie:
Sofortiges Abspülen der Haut und Ausspülen der Augen mit der schnellstmöglich verfügbaren Flüssigkeit (Getränke, Wasser, Regenpfütze, Urin). Ideal ist das schnelle Hineinspringen in das nächste Gewässer samt Kleidern. Erst dann Kleidung entfernen. Wenn möglich, Entkleidung mit Gummihandschuhen (Haushaltshandschuhe schützen ca. 10 Minute, Soldatenstiefel ca. 20 Minuten). Auf keinen Fall die Augen mit den Fingern berühren. Augen beim Waschen bzw. Duschen geschlossen halten. Sofort prophylakitsch Auxiloson®-Dosier-Aerosol (alle 10 Min. 5 Hübe) inhalieren lassen.[/FONT]
[FONT="]Orale Vergiftung: Sofort Mageninhalt auspumpen, danach mehrmals mit 500 ml einer 0,1-0,2%igen Kaliumpermanganatlösung (burgunderrot) oder einer 2%igen Natriumthiosulfatlösung ausspülen. Ist mehr als 1 Stunde vergangen, keine Spülung vornehmen! Dann nur Kaliumpermanganat- oder Natriumthiosulfatlösung mit Medizinalkohlepulver geben.
Giftaufnahme durch die Haut: innerhalb der ersten halben Stunde Schnellinfusion einer 10%igen Natriumthiosulfatlösung. Dosierung: 100-500 mg/kg Körpergewicht = 250 - 1000 ml einer 10%igen Lösung.
Hauterythem: sofort mit 10%igem Clorina® oder Roticlean® (PEG 400) benetzen, Kampfstoffspritzer mit Tupfer und Pinzette entfernen. Notfalls Chlorkalk mit Wasser im Verhältnis 1:1 bis 1:10 anwenden. Gegen den Juckreiz antihistaminhaltige Salbe (z.B. Fenistil®), in schweren Fällen Kortikosteroide (z.B. Locacorten®).
Hautblasen: Behandlung wie Brandblasen. Blasen nie abtragen, sondern nur punktieren.
Augen: sofort mit Isogutt-Augen-Spülflasche oder mit 1,3%iger Natriumbikarbonatlösung oder 0,9%iger Kochsalzlösung oder Leitungswasser spülen. Zusammenkleben der Lidränder mit steriler Vaseline verhindern.
Giftaufname durch Einatmen: Auxiloson®-Dosier-Aerosol (alle 10 Min. 5 Hübe) [/FONT]
[FONT="]III. Nervenkampfstoffe (Alkylphosphate, wie z.B. Tabun, Sarin, Soman, VX)[/FONT]
[FONT="]a) Beschreibung und Verwendung:
weißlich/bräunliche (Tabun) oder farblose (Sarin und VX) Flüssigkeit, geruchlos oder leichter Geruch durch Verunreinigungen. Aufnahme in den Körper durch Haut, Lunge und Magen-Darm-Trakt.
Alkylphosphate kommen auch - wenngleich mit wesentlich geringerer Giftigkeit - als Pestizide vor, z.B. E605 oder Dichlorvos.[/FONT]
[FONT="]b) Vergiftungssymptome:
Extreme Miosis (enge Pupillen), verschwommenes Sehen, starker Speichelfluß, Schweißbildung, Durchfälle, Verlangsamung des Herzschlages, Krämpfe, Zyanose (blaue Hautfärbung), Atemlähmung, Schock, Herzstillstand.
LCt50: 150 mg*min/m³ (bei Tabun), 70 mg*min/m³ (bei Sarin und Soman), 10 mg*min/m³ (bei VX) inhalativ.[/FONT]
[FONT="]c) Therapie:
ABC-Schutzmaske und Schutzkleidung anlegen, Giftentfernung von der Haut mit Wasser und Seife oder Roticlean®, benetzte Kleider entfernen; Augen reichlich mit Wasser ausspülen; Entfernung des Vergifteten aus der kontaminierten Umgebung unter Beachtung des Selbstschutzes; künstliche Beatmung mit dem Ambu-Beutel nur in giftstofffreier Luft oder mit vorgesetztem Filter. Dekontamination mit Chlorkalk. Mindestens 3 x 2mg Atropin i.m. (z.B. aus dem ABC-Selbsthilfesatz) im Abstand von 15 Minuten jeweils bis zur Hemmung der Schleim- und Schweißsekretion, Erweiterung der Pupille oder Tachykardie (Herzrasen). Dosis kann bei sicherer Vergiftung auf 50-500 mg i.v. gesteigert werden. In den ersten 6 Stunden nach der Vergiftung kann Obidoxim (Toxogonin®) angewandt werden (1 Ampulle zu 250 mg i.v.), es wird dann weniger Atropin benötigt - Cave: bei Intoxikation durch Insektizide vom Carbamattyp ist Obidoxim kontraindiziert! -. Natriumbicarbonat inaktiviert das Gift, daher Haut mit 4%iger Lösung spülen, nach Magenspülung 4%ige Lösung instillieren, 1molare (8,4%ige) Lösung infundieren. Als Antikonvulsivum sollte Diazepam i.v. (10-20 mg) oder Clonazepam (z.B. Rivotril®, 2-4 mg i.v.) verabreicht werden (Wirkung hält 12-18 Stunden an).
Die prophylaktische Einnahme von Pralidoxim (P2S) ist umstritten; sie bietet zwar keinen Schutz vor einer Vergiftung, verbessert aber die Wirksamkeit des Atropin (außer bei Vergiftung durch Soman). Nebenwirkungen von P2S sind Durchfall und Sehstörungen, daher ist Daueranwendung nicht empfehlenswert. Dosierung: 4 g P2S (10 Tabletten zu 0,4 g) alle 6 Stunden. Bei Somanvergiftungen empfiehlt sich eine Kombinationsbehandlung aus Atropin, Pyridostigmin, [/FONT]