Ja, zweifellos - aber wie ist das mit dem Risiko und was ist eine "angemessene Reaktion", wenn ein Geschäftsmodell nur funktioniert, solange oder weil die Gesellschaft bereit ist, ein "vertretbares Restrisiko" zu tragen? Oder wenn sie nicht bereit ist, aber nicht ausreichend informiert oder gar nicht erst gefragt wird? Oder wenn man ein Restrisiko tragen muss, damit Arbeitsplätze gesichert werden? Und wenn dieses Restrisiko - meistens geht es um ein de facto grosstechnisch nicht ganz beherrschbares Energie- oder Chemieproduktionsverfahren oder unerwünschte Nebenwirkungen davon - auch von denen mitgetragen werden muss, die gar nichts davon haben?
Das Problem besteht bei sehr kleiner Eintretenswahrscheinlichkeit und sehr hohem potentiellen Schaden. Die Bahn beispielweise musste erst durch den Unfall von Eschede lernen, dass man Inspektionsintervalle von Radsätzen von Hochgeschwindigkeitszügen kürzer halten muss. Das Risiko haben die Passagiere getragen, ohne es zu wissen; den Kostenvorteil hatte die Bahn.
Die Bahn hat das nie gewollt und wurde aus Nichtwissen schuldig; sie hat ihre Lehren daraus gezogen.
Beim Betrieb von Atomkraftwerken beispielsweise scheint mir die Mentalität der Betreiber anders zu sein.
Gerade in Atomkraftwerken werden die Anlagen als sicher definiert, weil ein Unfall im Nachhinein immer als Fehler eines Menschen dargestellt werden kann. Will heissen, ein Unfall ist nicht auf andere Anlagen übertragbar und damit kann man eine Statistik aushebeln, die besagt, dass pro 30'000 Megawattjahre ein grosser Störfall eintritt (behaftet mich nicht auf die Zahl, die Grössenordnung dürfte stimmen).
Zudem sind die meisten Sicherheitsvorkehrungen lästig, und bei Eile und Kostendruck sowie auch bei langem störungsfreiem Betrieb besteht die Tendenz, da aus Effizienzzwang nachlässig zu werden. Dieses Risiko besteht grundsätzlich, weshalb der Betrieb von Anlagen, die nicht komplett versagen dürfen, nicht aufgrund einer reinen technischen Sicherheitsanalyse heraus bewertet und als zumutbar definiert werden darf.