Zitat von Grummel;293987
... Ich vertrete daher den Standpunkt das "Fairness und Anstand" kompromisslos durchgesetzt werden muss, wenigstens bei den eigenen Leuten, damit daraus erst keine "Weichheit und Dummheit" werden kann.
Wenn der eigene Clan soweit "sauber" ist und funktioniert, besteht auch ein Fundament in einer Welt aus Arschlöchern was zu erreichen.
Sehe ich auch so, aber das ist ein Zustand, der dauernd mit Anstrengung angestrebt werden muss und nie ganz erreicht werden kann.
Ich denke, wir sind wegen unserer sehr langer Vergangenheit als Jäger und Sammler in der Gruppe verhaltensmässig noch auf diese optimiert.
In der Gruppe, wo jeder jeden kennt und einschätzen kann, behandelt man die anderen so, wie man von diesen behandelt werden will. Das höchste Gut ist sozialer Status, und den gewinnt man mit einem Verhalten,d as der Gruppe förderlich ist.
An Spielen wie dem eingangs zitierten ist unrealistisch, dass man mit Menschen interagiert, die man nachher nie mehr sieht. Menschen, mit denen man nichts mehr zu tun haben wird, schätzt man ein, aber man interagiert nicht mit ihnen. Tut man es doch, dann nach dieser Regel:
Behandle Unbekannte freundlich.
Nach der ersten Interaktion behandle sie so, wie sie dich behandelt haben.
Instinktiv weiss man, dass man nie sicher sein kann, dass man nie mehr mit den anderen zu tun haben wird. Folglich ist es etwas weltfremd, wenn die Spielregel genau das vorgibt. Man kann so tief eingeprägte Regeln nicht einfach missachten, nur weil ein Schiedsricher das sagt.
Kommt dazu, dass egoistisches Verhalten sich nur auf der materiellen Ebene lohnen kann. Auf der immateriellen hat man aber ein ungutes Gefühl dabei, weil man gegen Regeln verstösst, die sich über Hunderttausende von Jahren als optimal herausgebildet haben und Teil unseres angeborenen Verhaltens geworden sind.
Zudem sind die Personen, die man wissentlich gewollt unfair behandeln soll, persönlich anwesend. Das ist selbst bei vorhandenem Willen ein grosses Hemmnis.
Aus diesem Grund sind Online-Betrügereien oder auch nur Automatendiebstahl viel einfacher zu begehen als wenn man wirklich in eine Wohnung einbricht.
Die moderne Wirtschaft lebt nun gerade davon, dass Leute zwar Waren und Dienstleistungen austauschen, sich persönlich aber nicht mehr sehen. Deshalb ist es problemlos, reich zu werden, indem man anderswo andere zu schlechten Bedingungen für sich arbeiten lässt, denn mit denen hat man nichts zu tun. Genau so wie ich Feuerholz im Wald aufsammle, ohne mir überlegen zu müssen, was das für den Wald für Konsequenzen haben könnte, kann ich also ohne Gewissenskonflikt Billigwaren kaufen.
Zudem ist in der neoliberalen Welt Geld das einzige Gut und ein Mass für alles, hat also Religionsfunktion. Die Art und Weise, wie man dazu gekommen ist, zählt nicht. Man ist sogar ein Held, wenn man viel leistungsloses Einkommen erzielt, also Anrecht auf Diesntleistungen und Waren erwirbt, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung erbracht zu haben.
Es ist ja irrational, weiter Geld zu machen, wenn man das, was man schon hat, zu Lebzeiten nie mehr aufbrauchen kann.
Wir benehmen uns da nicht anders wie ein alleinstehender 90jähriger Mann, der noch für 30 Jahre Brennholz hat und es weiterhin sammelt. Trotzdem wird das, wenn es um Geld geht, kaum je hinterfragt.
Der Spielleiter hat Mühe zu erklären, warum sich in solchen Spielen viele Teilnehmer nicht logisch verhalten. Er kann offenbar nicht nachvollziehen, dass Geld nicht der einzige Verhaltensmasstab sein muss. Die meisten Menschen funktionieren zum Glück nicht so eindimansional, sonst würde unsere Gesellschaft schon lange nicht mehr bestehen.
Hier wäre dann auch meine Kritik am obigen Zitat: " ... in einer Welt aus Arschlöchern was zu erreichen." Die Arschlöcher sind die Ausnahme, und es wäre schön, wenn das so bliebe.
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Nachtrag: In der modernen Welt ist Schummeln nicht nur ok, sondern es wird sogar als dumm angesehen, wenn man das nicht tut, falls man sicher sein kann, dass es nicht auskommt.
In Personaltests stellt man deshalb Fragen wie "Würden sie an der Kasse im Supermarkt die Kassiererin darauf hinweisen, wenn Sie irrtümlich zuviel Herausgeld bekommen?" . Wer da mit Ja antwortet, könnte vom Personalchef als unehrlich angesehen werden, denn solches Verhalten passt nicht ins Denkschema der Leute, deren einziger Lebenszweck es zu sein scheint, ihr Einkommen zu optimieren.