Beiträge von leonardo

    Hallo zusammen :winke:


    ich möchte euch unbedingt was zeigen, weiss aber nicht zu welchem Thema es passt. Also weil hier um "Männertaschen" geht poste ich einfach dazu.
    Vor einer Weile habe ich bei ebay 2 Balistik-Schutzplatten von Secotec für ca 15 € ersteigert. Diese hatten wohl Produktionsfehler oder sowas und deshalb so billig, sollen
    aber trotzdem 9mm Beschuss standhalten :Cool:
    Ich hatte erst keine Ahnung wofür die Platten gut wären bis ich letzte Woche beim Amazon eine Handtasche entdeckte.
    In einer der Zahlreichen Innenfächer der Tasche passt genau eine der Platten rein.
    Ab heute wird diese Tasche mein EDC. Wenn das nicht paranoid genug ist dann weiss ich auch nicht :winking_face:


    previval.org/f/index.php?attachment/38416/previval.org/f/index.php?attachment/38417/previval.org/f/index.php?attachment/38418/

    Hallo,


    es ist vielleicht etwas OT aber mein vater ist 2009 an Krebs gestorben und meine Mutter leidet auch seit über einem Jahr an Gaumenkrebs.
    Nach etlichen OPs, Bestrahlung... haben die Ärzte aufgegeben. Nun lebt sie bei mir im Haus und wir nehmen die Tage so hin wie sie kommen.
    Zum Glück hat ihre Zuszand äusserlich nicht verschlimmert. Ich versuche meiner Mutter so schön wie es mir möglich ist zu machen und wenn ihre Zeit kommt
    dann ist es eben so.


    Nun mal zum Thema. Ich mache öfter Urlaub in der Türkei. Viele Medikamente kann man frei in Apotheke kaufen. Seit diesem Jahr aber wird Antibiotika nur gegen Rezept
    ausgegeben. Ich weiss nicht, ob die sachen die du so brauchst noch frei erhältlich wären. Wenn du jemanden kennst, der in der Türkei Urlaub macht, dann bitte ihn doch darum, nachzufragen. Leider war ich schon im April dort und meine nächste Reise ist noch nicht geplant. Sonst hätte ich mich auch schlauch manchen können.


    Viel Glück wünsche ich dir und gebe nicht auf. Jeden tag zählt.

    Hallo noch mal


    wenn die Wasserversorgung normal funktioniert würde ich auch Wasser aus dem Wasserhahn vorziehen. Es geht aber hier, so viel ich verstanden habe, darum, wenn das Wasserwerk nicht mehr liefert, warum auch immer. Haben die Löschleitung dann immer noch Druck??? Das muss mal ein Experter klären.
    Wenn mein Kind Wasser braucht dann hat es erstmal Priorität. Ob irgendjemand die Bude abfackelt muss ich drauf ankommen lassen.

    Hallo,
    ich bin nur darauf gekommen weil ich eine neue Wasserleitung legen wollte. Dazu musste ich die Leitung leeren. Aus Neugier habe ich das abgelassene Wasser aufgefangen. War knapp 30 Liter. Es ist zwar nicht viel aber im Notfall noch besser als gar nichts. Und ausserdem sauber wenn es nicht allzulange stand.
    Wir haben nur 2 Etagen und ausgebauten Dachboden. In einem grösseren Haus dürfte die Ausbeute sicherlich grösser sein.

    Hallo Foruler/rinnen
    Ich möchte nur mal darauf hinweisen, dass in jedem Haus eine Wassernotreserve eingebaut ist: die Wasserleitung.
    Wenn aus dem Hahn nichts mehr kommt schaut mal im Keller wo der Zähler ist. Da findet man meist eine Entlüftungsventil. Wenn ihr das öffnet läuft noch das Wasser was sich noch in der Leitung befindet runter.


    Mfg

    Ich war die letzten Tagen unterwegs und habe nur via Smart Phone mal kurz reingeschaut. Zu schreiben auf dem Touchscreen war mir doch zu mühselig deswegen kann ich erst heute antworten. Sorry.



    boppel das mit dem Gold kann ich dir leider nicht mehr sagen als dass die Plättchen aufgerollt etwa 5x7 cm groß waren und so weich, dass man sie zu einem Röllchen drehen konnte. Wäre mein Papa noch am Leben hätte ich ihn fragen können. Aber wenn ich meine Mutter sehe werde ich sie darauf ansprechen.

    Waldschrat Doctorhut habe ich nicht. Hätte ich die Möglichkeit zu studieren dann Kunst oder Tektonik. Leider hatte ich damals nicht den Mut und die finanzielle Rahmenbedingung um ein Studium anzufangen. So habe ich die Schule nach der 11er geschmissen und Automechaniker geworden. Ich bin trotzdem sehr glücklich und zufrieden mit meinem Leben. Aber meinen Sohn werde ich auf jeden Fall zur Uni treiben, wenn es sein muss mit einem Knüppel :boxing_smiley:



    Besondere Fähigkeiten habe ich durch die Flucht nicht aneignen können außer dass ich heute alles essen kann ohne zu meckern. Das schätzt meine Frau sehr an mir. Egal was und wie sie gekocht hat ist immer noch besser als das Essen im Camp :grosses Lachen:

    Hallo zusammen :winke:


    Als ich mich beschlossen habe, diese Geschichte in diesem Forum zu erzählen, dachte ich mir schon, dass nicht viele von euch sich, verständlicherweise, noch nie mit Hintergründen und Verlauf von einer Flucht auseinandergesetzt hat. Ich möchte hiermit keine Flüchtlingsdebatte anstoßen, es hängt mir sowieso durch die ganze Medien letzte Zeit schon zum Halse raus, sondern euch nur ein sagen: niemandem fällt es leicht, seine Heimat zu verlassen und keine Flucht läuft so ab wie geplant. Hinter jedem Fluchtenden steckt eine Geschichte und ich bin mir sicher, dass viele davon noch dramatischer und abenteuerlicher als meine sind.


    Ich bin, jetzt muss ich wieder das richtige Wort suchen, hmmm „überwältig“, oder einfach baff über euere Resonanz und Zuspruch. Natürlich hofft jeder, der etwas schreibt, dass die Leser seine Geschichte gut finden, aber das hier übertrifft bei weitem meine Erwartungen. Ich danke euch sehr dafür. Wie schon erwähnt, ich habe sie bisher niemandem erzählt. Noch nicht mal meiner Mutter.
    Eine ausführliche Version davon möchte ich irgendwann für meinen Sohn niederschreiben. Sonst habe ich eigentlich nicht vor, sie als Buch zu veröffentlichen. So stehe ich nicht unter Druck, etwas zu verändern, um vielleicht für den heutigen verwöhnten Leser die Dramatik zu steigern. Ihr kennt das ja. So bald Geld im Spiel ist, zieht die Wahrheit meist den Kürzeren.
    Ich hatte das große Glück, im richtigen Alter die Flucht anzutreten. Alt genug um Sprache und Kultur meiner alten Heimat nicht zu verlernen, jung genug um die neue zu erlernen. Alt genug um die Strapazen zu ertragen, jung genug um sie wieder zu vergessen. Ganz am Anfang als ich nach Deutschland angekommen war, wachte ich ab und zu mal nachts auf und dachte ich wäre noch im Lager auf den Philippinen. Sonst habe ich keine Folgeschäden davon getragen. Vielleicht habe ich noch mehr Glück und gehöre zu der resilienten Gruppe, die Krisen leichter wegstecken konnte.
    Link dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/R…Boat_People.29_in_den_USA


    Ich hoffe nicht noch mal alles hinter sich zu lassen und abhauen zu müssen. Wenn doch, bin ich vorbereitet. Ihr hoffentlich auch. :face_with_rolling_eyes:



    Frohes Fest wünsche ich euch allen

    In Bataan verlief unser Alltag strukturierter als in Palawan. Dadurch dass wir einen abgetrennten Wohnbereich hatten,
    müssen wir nicht ständig auf unsere Sachen aufpassen. Der Aufwand für Wasserbeschaffung und Toilettengänge reduzierte
    sich auf ein angenehmes Maß so dass wir mehr Zeit für andere Tätigkeiten bekamen. Der Mann, der mit uns im Haus
    wohnte, war ein findiger Geschäftmann. Er stellte verschiedene Souvenirs aus einfachsten Mittel her und verkaufte sie
    auf dem Marktplatz. Papa machte mit, malte und bastelte kleine Modelschiffe nach Vorbild der Flüchtlingsboote. Viele
    westliche Mitarbeiter der UNO und Leute die in Drittland ausreisen kauften unsere Andenken. So kam etwas Geld in unsere
    knappe Kasse. Der Xuan backte mit seinen Kumpels Brot in selbst gebauten Ofen für den Marktplatz. Ich begleitete einen
    Uhrenmacher als Lehrling. Der hatte gut zu tun da viele Uhren früher noch mechanisch und nicht wasserdicht waren.
    Ich lernte, wie man eine Uhr öffnet, reinigt, schmiert, den Taktgeber einstellt usw…Ein bisschen Geld bekam ich dafür
    jeden Tag. Zu Hause schleppte ich Wasser für den Mitbewohner und er gab mir 10 Dollars die Woche. Die meisten
    versuchten irgendwie sich zu beschäftigen, ob mit oder ohne finanzielle Vorteile. Hauptsache man war abgelenkt und
    der Tag schneller verging.


    Überall lauerten Leuten, die einen Fotoapparat besaßen, und machten fürs Geld Fotos. So kamen wir zu einigen wenigen
    Bilder von unserer Zeit in Bataan. Die hatten wir an unsere Familien geschickt damit sie sahen, dass es uns gut ging.


    Als wir ein Stück Kürbis mit der Essenration bekam, pflanzte ich die Kerne hinter dem Haus. Der Boden in Bataan war so
    fruchtbar, man brauchte nur hinzuspucken und schon wuchs da irgendwas. Meine Kürbispflanze wurde immer größer, kletterte
    an dem Gerüst hoch, den ich für sie gebaut hatte. Ich goss und pflegte die Pflanze jeden Tag. Als der erste Frucht heran reifte,
    freute ich mich wie ein frisch gebackene Vater auf sein erstes Kind. Als mein Kürbis so groß wie meine Hand war und die Angst
    vor Diebstahl zu viel wurde, pflückte ich ihn und kochte daraus eine leckere Suppe. So einfach konnte das Glück sein in einer
    Zeit, wo man sich sonst wenig Gründe hatte, sich zu freuen.


    Nach vier Monaten in Bataan kam endlich die Erlösung. Wir bekamen unsere Einreisegenehmigung nach Deutschland. Mit
    unserem schwerverdienten Geld kauften wir das Nötigste für die Reise. Schuhe, Socken, Pullover…Der Xuan schenkte mir
    drei Unterhosen. Das habe ich bis heute nicht vergessen.


    Mit dem Bus fuhren wir nach Manila. Man ließ uns einfach vor einem leerstehenden Gebäude, das aussah wie eine ehemalige
    Schule, aussteigen. Da sollten wir zwei Nächte bleiben. Darin waren schon etwa 40-50 andere vietnamesische Flüchtlinge, die
    auch wie wir auf die Weiterreise warteten. Wir suchen uns einen freien Schlafplatz im Gebäude. Vielleicht gab es da Betten aber
    ich selbst hatte keine gefunden. So schliefen wir einfach auf dem Boden. Daran waren wir gewohnt. Ich passte auf unser Gepäck
    auf, das aus meiner selbst genähten Reissäcken bestand, während Papa und der Xuan in die Stadt fuhr. Ich war in Manila und
    hatte nichts davon gesehen. Ich nahm mir seit dem Tag vor, irgendwann nach Manila zurückzukommen und mir die Stadt anzusehen.


    Nach zwei Tagen brachte ein Mitarbeiter von UNHCR uns zum Flughafen. Erst am Eingang der Abflughalle übergab er uns unsere
    Reisepässe. Sicherlich damit wir keine Gelegenheit bekamen, Unfug zu treiben, z.B. die Pässe verkaufen oder Plätze tauschen.
    Dann sah ich diesen seltsamen Gesichtsausdruck wieder, was mein Vater damals hatte, nachdem wir auf die Cap Anamur kletterten.


    Auf einem DC 10 der Flughansa flogen wir in die neue Heimat. Wie ich das nach so lange Zeit das noch wüsste? Der Flug dauerte
    11 Stunden + 2 Stunden Aufenthalt in New Delhi. Da hatte ich eine Menge Zeit um die Magazine und Prospekte zu lesen, was vor
    mir in der Sitztasche befand. Als eine Stewardess mich fragte:“ Would you like something to drinks?”nahm ich all meinen Mut
    zusammen und antwortete:” Nein danke. Ich möchte jetzt noch nichts.“ Meine ersten Wörter auf Deutsch außerhalb des
    Deutschunterrichts von Günther. Die Frau blickte kurz erstaunt, hatte mich aber anscheinend verstanden, lächelte
    freundlich:“ OK. Dann vielleicht später.“ Ich war so stolz und dankte innerlich meinem Deutschlehrer. Von jetzt an könnte
    gar nichts mehr schief gehen. Ich war auf alles gefasst. Was sollte uns nach diese Reise außer dem Weltuntergang noch
    schocken können?


    Am 01.September 1981verließen wir Vietnam in einem kleinen Boot. Am 10. November 1982 stiegen wir aus dem Flugzeug
    in Frankfurter Flughafen. Es war eine lange beschwerliche aber auch abenteuerliche Reise, die mich mein ganzes Leben prägte.
    Es klingt vielleicht abgedroschen wenn ich sage, diese Erfahrung will ich für nichts auf der Welt missen aber hoffe inständig,
    dass ich sie nicht noch mal durchlaufen muss. Anderen Vätern reicht es, mit ihren Söhnen zu zelten oder angeln zu gehen.
    Mein Vater musste gleich maßlos übertreiben. :face_with_rolling_eyes:




    Puhhh. :anxious_face_with_sweat: Erstmal Luft holen. Das war eine Geschichte was?


    Nach zwei Jahren holte Papa meine Mutter und meine vier Geschwistern nach Deutschland. Ich muss gar nicht beschreiben,
    wie groß die Freude war, sie alle wieder zu sehen. Nur die Lücke, die die Zeit und unsere Erlebnisse uns trennten, war nie
    wieder gefüllt. Ich war nicht mehr der kleine Junge wie Mama mich in Erinnerung kannte. Meine Geschwister brachten mir
    immer noch den gleichen Respekt wie früher entgegen aber ich konnte mit ihnen nichts mehr anfangen. Nicht dass wir uns
    nicht mehr lieben aber so ein nahloser Übergang als ob nichts gewesen wäre, wurde es nicht. Sie waren mir irgendwie fremd
    und ich ihnen vielleicht auch. Warum erzähle ich euch das? Trennt euch nicht von euere Familie wenn es nicht unbedingt sein muss.


    Nach weiteren zwei Jahren durfte Oma auch zu uns wenn wir der deutschen Behörde versicherten, selbst für Oma zu sorgen
    und sie nicht das Sozialsystem belastete. Der Deal auf der vietnamesischen Seite war, unsere Eigentumswohnung gegen die
    Ausreisegenehmigung.


    Der Flüchtlingsjunge von damals ist heute mit einer Deutsch-Türkin verheiratet, hat einen dreijährigen Sohn nachdem wir uns
    die Welt angesehen haben. Wir waren in den Cheops Pyramide, in New York, Niagara Wasserfälle, Paris, Venedig, Angkor Wat,
    kreuz und quer durch Vietnam gereist…Ok genug der Angeberei. Ich besitze einen Open Water Diver Brevet, fahre Motorrad…
    kurz um führe einen Leben wie ich in meinem wildesten Träume nicht gewagt hätten. Dieses geschenkte Leben möchte ich auf
    keinem Fall vergeuden. Ich bin nicht reich, besitze auch keinen akademischen Titel. Alles was ich mir in Deutschland erreiche,
    schaffe ich mit harter Arbeit, Fleiß und Genügsamkeit. Wir drei wohnen seit fast zwei Jahren in unserem Haus mit Garten, Garage
    und einem Zaun rum. Das übliche halt. Wenn ich eine abgetrennte Wohnung im Haus samt eigene Küche und Bad fertig renoviere,
    wird meine Mutter zu mir ziehen. Sie hat so ihre Ansprüche. Mit einem Zimmer konnte ich sie nicht locken.


    Papa erlag seinem Krebsleiden Anfang 2009. Als er in der Onkologie lag, hatte ich viel Zeit mit ihm zu reden. Ich erfuhr viele Dinge,
    die er mir bis dato nie gesagt hat. Viele Geschichte über unsere Familie, über die schwere Zeit nach dem Krieg…Als ich ihn fragte,
    ob er Angst vor dem Tod hat, meinte er:“ Ich habe den Krieg überlebt, die Flucht überlebt. Was soll mir jetzt noch Angst machen?“.
    Bis zur letzten Sekunde hatte Papa trotz seinen Schmerzen nicht gejammert. Habe ich auch nicht von ihm erwartet. Mein Papa halt.
    Ich hatte das riesige Glück, bei meinem Vater am Bett zu sein als er uns verließ. Auf seine letzte Reise.


    Die Freundin von Xuan kam ein Jahr nach Mama auch nach Deutschland. Die beiden haben zwei Kinder. Der ältere Junge studiert im
    Moment BWL, die Tochter arbeitet als Arzthelferin.
    Die Familie haben noch mit uns letzte Sylvester zusammen in meinem Haus gefeiert.

    Die Cap Anamur hatte auf ihre Mission 11 000 Flüchtlinge gerettet. Ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den Massen der
    Flüchtlinge damals. Die meisten von ihnen hätten hochwahrscheinlich ohne das Rettungsschiff nicht überlebt. Daraus sind heute nach
    meinem letzten Wissenstand ca 60 000 geworden. Natürlich sind ein Paar Spinner, Loser, Kriminelle darunter. Aber wo gibt es so was
    nicht. Die meisten Flüchtlinge die ich kenne sind anständige Bürger mit sehr hohem Anteil von Eigenheimbesitzer. Von uns fünf
    Geschwister haben zwei eigene Häuser und ein eine Eigentumswohnung. Fast jede zweite meiner ehemaligen Freunde aus den Camps
    bewohnen ihre eigenen Häuser. Faule Marotzer, die auf das soziales Netz sich bequem machen sind wir definitiv nicht.


    Zum Abschluss möchte ich, wie es üblich ist bei der Oskarverleihung :grosses Lachen:, mich bei Herrn Rupert Neudeck, seine Organisation Cap Anamur
    und deren Spender für unsere Rettung, bei den Mitarbeitern der UNHCR die um uns auf den Philippinen gekümmert hatten, das
    philippinische Volk, das uns eine Zwischenstation bot und natürlich unser neue Heimat Deutschland das uns mit offenen Armen
    aufgenommen hat, von ganzen Herzen bedanken.


    Und auch an euch allen, die so viel Interesse an meine Geschichte gezeigt habt, ein dickes Danke schön.

    Erstmal habt vielen Dank für euere Interesse an der Geschichte. Es macht mir auch sehr viel Spaß, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Ich muss dabei immer abwägen: ist dieses oder jenes überhaupt interessant für euch? Sind manche Details vielleicht doch zu persönlich um hier im Netz für jedermann zu veröffentlichen? Also einfach ist es nicht. Ich bemühe mich so weit mein Gedächtnis mir erlaubt, authentisch und wahrheitsgemäß zu erzählen. Bitte habt noch etwas Geduld.

    luka jetzt aber vol im Ernst. Für jemanden mit „Migrationshintergrund“ wie mich ist es eine große Ehre wenn eine Schriftstellerin seine Formulierungen toll findet. Wenn ich Zeit habe, würde ich auch mal gern deine Bücher lesen.

    @KUFPERSALZ mein Vater besaß noch seine Dienstwaffe. Ich glaube zu wissen, dass es ein Colt 1911 in 45er Kaliber war. Ob 5’’ oder 6’’ Lauf konnte ich jetzt nicht sagen. Wäre die Flucht planmäßig abgelaufen, hätte er sie meiner Einschätzung nach mitgenommen. Es war aber richtig in unserem Fall das Ding zu Hause zu lassen. Es hätte nur unnötig die Meuterer provoziert. Durchsucht wurden wir nie aber wo du es fragst, ich glaube als wir auf der Cap Anamur waren, hatte man uns gefragt, ob jemand Schusswaffen bei sich führte. In unserem Fall hatten wir keine Waffe gebraucht aber ich kenne viele anderen, die von thailändischen Piraten überfallen worden waren. Da war es sicherlich nicht verkehr, eine Knarre im Boot zu haben. Also ich persönlich würde im Notfall eine Waffe mitnehmen aber auf jedem fall diese gut verdeckt tragen.

    David das Problem, die richtigen Wörter zu finden kenne ich zu gut. Da bist du nicht der einziger. Woher ich die alten Fotos herhabe erklärt sich im laufe der Geschichte von selbst. Oder soll ich dir jetzt schon vorab verraten? So wie du gerne hättest.

    Wenn mein Sohn gleich einschläft mache ich mich wieder an Tastatur.

    Viele Grüße

    Auf eine große Fähre fuhren wir zu einer anderen Insel. Unser Gepäck bestand aus sechs Taschen,
    die ich allein in mühsamer Arbeit aus alten Reissäcken mit Nadel und Fäden zusammengenäht hatte.
    Außer uns fuhren auch 40-50 andere Flüchtlinge mit nach Bataan Philippine Refugee Processing Center
    ( PRPC).Dahin dürften nur die, die definitiv eine Zusage von einem Drittland erhalten hatten.Trotz
    neun Monaten Aufenthalt in Palawan traute ich das Camp nicht nach. Vor uns lag die nächste Etappe
    unserer Reise in Ungewissheit aber auch voller Hoffnung. Hoffnung auf ein Leben in Freiheit, Wohlstand
    und dass wir unsere Familie wieder sehen würden.


    Nach dem Anlegen der Fähre fuhren wir mit mehreren Kleinbussen von der Stadt Morong auf die Berge
    hoch. Als wir das neue Camp nach einigen Stunden erreichten war ich richtig angenehm überrascht.
    Das riesige Camp sah aus wie eine richtige Stadt. Mit asphaltierten Strassen, Wasserstelle, Toilettenhäuschen…
    Unser Bezirk für die Vietnamesen, die nach Deutschland oder Norwegen ausreisen dürften, lag ganz am Ende
    vom Lager.
    Wir konnten nicht mehr aussuchen, mit wem wir zusammen wohnten sondern nur unsere Gruppengröße
    angeben und wurden dann immer zu 5 bis 8 Personen in eines von den vielen baugleichen Häuschen zugeteilt.

    Papa, der Xuan und ich bekamen mit einem Ehepaar ein Haus zugewiesen. Die Häuser wurden mit
    Pressholzplatten auf einfachste Weise in Blöcke gebaut. Unser haus war etwa 3m breit und 4 m lang.
    Unten ein Doppelbett. Da schlief natürlich das Ehepaar. Nach oben direkt unter dem Schrägdach hatten
    wir drei unser Lager. Und überhaupt war alles nicht mehr so provisorisch wie in Palawan. Es gab richtige
    Kirche, buddhistische Tempel, sogar einen Marktplatz. In jedem Bezirk befanden sich mehrere Schulräume.
    Die Toilette waren zwar gewöhnungsbedürftig aber sauber da es in jedem Kabine einen eigenen Wasserhahn
    gab. Zwischen den Häuserblöcken waren Gemeinschaftswaschbecken aber keine Duschkabine. Wir konnten
    entweder in den Toilettenräume oder das Wasser bis nach Hause schleppen und in unserer selbstgebauten
    Kabine duschen. Der Haken war aber: das Wasser lief nur ein Paar Stunden am Tag. So gegen späten
    Nachmittag. Eine genaue Uhrzeit dafür gab es nicht. Wir mussten also immer etwas Wasser auf Reserve
    haben, auch für den Fall wenn das Wasser ausblieb, passiert aber zum Glück ganz selten. Auf jeden fall war
    es um Welten besser als in Palawan.
    Das Essen war von Qualität her besser aber von der Menge her wiederum etwas weniger. Es gab mehr Obst
    und Gemüse und weniger Fleisch. Nicht dass ihr mich falsch versteht. Wir stellten keine Ansprüche. Wir waren
    halt froh dass es überhaupt jemand um uns kümmert. Man hätte uns auch einfach unser Schicksal überlassen
    können. Stattdessen organisierte jemand aus dem Nichts solche Lager, die zigtausend Menschen beherbergten
    mit solch meisterlicher Logistik. Wir könnten gar nicht genug dankbar dafür sein.

    Neben uns lebte ein jüngeres Pärchen nur zu zwei in dem Haus, das sie in ein kleines Cafe verwandelten.
    Der Mann war ein von den „schweren Jungs“. Also ein von den harten Sorte. Die beiden wohnten schon eine
    halbe Ewigkeit dort und gar keine Aussicht auf Ausreise in ein anderes Land. Keine Ahnung wie sie da gelandet
    waren. Den Grund zu fragen hatte ich mich nicht getraut obwohl sie die ganze Zeit super nett zu uns waren.
    Eigentlich waren sie mitunter die nettesten Menschen die ich auf diese lange Reise begegnet hatte. Der Mann
    hatte mir ein paar Mal die Haare geschnitten, die Frau, eine sehr schöne junge Frau mit operierte Nase und
    ordentlich viel Holz vor der Hüte :face_with_rolling_eyes:, scherzte und lachte viel mit uns. Dass die zwei nicht so harmlos waren hatte
    ich erst bemerkt, als ein kleiner Vorfall ereignet. Ein von den Gäste hatte die Frau irgendwie blöd angebaggert
    als der Mann nicht zu Hause war. Als er das erfuhr war er fuchsteufelwild, rief einige von seinen Jungs zusammen,
    die den Typ unbedingt finden sollten. Nach einiger Zeit war der Typ zu dem Cafe gekommen und hatte heulend
    auf die Knien um Verzeihung gebeten. So kann man sich in den Menschen täuschen.

    Zwei Deutschen und zwei Vietnamesen, die schon in Deutschland lebten, gaben uns Deutschunterricht. Genau so wie
    ich waren die meisten Feuer und Flamme auf die Schule. Kein Wunde nach so langer Zeit endlich wieder eine sinnvolle
    Beschäftigung zu haben. Außerdem war das der erste Kontakt mit unserer zukünftigen Heimat. Mein Lehrer, Günther,
    war ein lustiger lockerer Typ. Er versuchte uns nicht nur die Sprache sondern auch die Geflogenheiten in Deutschland
    beizubringen. Wirklich ein toller Typ. Günther, wenn du jemals das hier zu lesen bekommen solltest. Ich danke dir
    von ganzen Herzen. Es hatte mir sehr viel geholfen, was du uns damals gelehrt hast.

    [FONT=&amp]Das Camp wurde auf einem Hügel gebaut. Rum herum war nur Wald und Berge. Ca eine Stunde Fußmarsch über die
    Berge lief ein Bach auf eine ruhige Stelle und das Wasser war tief genug um darin zu schwimmen. Immer wenn ich Zeit
    hatte, ging ich dahin. Unterwegs probierte ich alle Früchte im Wald auf Essbarkeit. Auf dem Weg zurück suchte ich
    Brennholz und trug diesen nach Hause. Der Urwald war hammermäßig schön. Total unberührt und dicht bewachsen.
    Ich folgte ein Mal einem trockenen Bach hoch zu der Quelle bis es fast dunkel [/FONT]wurde. Hätte ich die Ausrüstung wie
    heute wäre es ein Riesenspaß gewesen. So aber musste ich meine Expedition abbrechen und schnell zurück zum
    Camp laufen.

    Die evangelische Kirche in Bataan wurde schon von unserer Ankunft benachrichtigt.Wir wurden herzlich in die
    Gemeinschaft aufgenommen. Jeden Sonntag zogen wir unsere besten Klamotten an und gingen in die Kirche.
    Da hatte ich zum ersten Mal ein „Ausländer“ gesehen, der unsere Sprache sprach. Er, ein Australier, sprach
    nicht nur sondern predigt in Vietnamesisch. Hammer. Wir haben mit Abstand eine der schwierigsten Sprache der
    Welt. Ich kannte einige, die nur paar Fetzen zum Besten geben konnten aber so wie er, zwar mit starkem
    Akzent aber perfekten Grammatik und etlichen Redewendungen. Nicht zu glauben!


    Nach zwei Monaten nach der Ankunft in Bataan wurden wir drei getauft. Aber so richtig von einem Pfarrer in
    einem Fluß und nicht nur angedeutet mit ein paar Wasserspritzer.


    Auf Youtube habe ich ein Video mit vielen Bildern vom Camp in Bataan gefunden. Da kommen mir viele
    Erinerrung von damals hoch.




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    Da ihr auf meine Reise bis hierhin gefolgt habt, möchte ich der Geschichte auch ein Gesicht geben.
    Hier ein Bild von mir( in grauen T-Shirt), mein Vater und der Xuan vor der Kirche in Bataan.
    Man beachte meine Größe. Mit 15 war ich so groß wie mein Papa. :grosses Lachen:


    [ATTACH=CONFIG]21653[/ATTACH]

    Schriftsteller! Wer ? Ich! Ich bin froh wenn ich halbwegs verständlich und nicht mit all zu vielen Fehler schreibe.
    Trotzdem danke sehr für das Kompliment und deine netten Wörter.


    Mein Vater hatte etwas Gold als Notreserve mitgenommen, mit dem wir uns das nötigste wie Zahnpasta,
    Unterwäsche, Waschpulver ect kauften. Es hatte aber nicht lange gereicht so dass er auch von seinem
    Offizierring trennen müsste. Das Ding war nicht viel Wert, da nur 8 Karat, aber es musste ihm schwer
    gefallen sein, sich davon zu trennen. Wir waren dann in die Stadt gefahren um Briefe abzuschicken und
    einzukaufen.


    Seit wir zu den Evangelisten gehörten, hatten wir wieder etwas zu tun. Entweder lasen wir die Bibel oder
    traffen wir uns mit den anderen in der Kirche. An den Wochenenden zeigte die Campverwaltung Videofilme
    auf einer Leinwand. Meist waren es Kungfu - oder Action –Filme in English. Mit der Zeit wurde mein
    Schulenglisch immer besser, auch weil wir mit den Philippinos Englisch sprechen mussten. Alle Philippinos
    konnte Englisch, von Kleinkind bis Greisen.


    Nach mehreren Monaten vollen Entbehrungen, ohne jegliche Privatsphäre, ständige Sorge um die Familie
    war ich mit meinem Nerven am Ende. Nach außen ließ ich mir nichts anmerken, wir besch**** es mir ging.
    Alles wurde schön hinter einem freundlichen Lächeln versteckt. So waren wir nun mal erzogen worden.
    Den ganzen Stress, die Verzweiflung stauten sich immer mehr. Bis eines Nacht als ich geträumt hatte,
    wieder zu Hause zu sein. Ja. Wieder zu Hause mit Mama und meiner Geschwister. Oma hatte wie immer
    lecker gekocht. Ich wühlte wieder in meinem Bücherschrank, lag in meinem Bett, saß auf meinem
    Fahrrad… bis ich wach wurde. Ich lag in einer Baracke auf dem harten Holz mit hunderten von fremden
    Menschen. So eine ungeheuere Wut stieg in mir auf, meine Hände hatten gezittert, ich konnte keine klaren
    Gedanken mehr fassen. Es dauerte zwei, drei Tage bis ich mich wieder zusammen reißen konnte. Seitdem
    verstand ich die Menschen, die Drogen nehmen um in ihren Traum zu bleiben.


    Der Lagerkommandant ließ einen kleinen, 2x2 m Käfig aus Draht mitten auf der Hauptstraße zusammen
    zimmern. Wer sich prügelte, im Gebüsch seine Notdurft verrichtet oder irgendwie Mist baute durfte je
    nach Vergehen eine Zeitlang darin hocken. „ Monkey House „ nannte man diese Einrichtung. Schon ziemlich
    peinlich wenn das ganze Camp an einem vorbei lief und man saß da wie ein Affe im Zoo. Ständig war jemand
    drin. Manchmal sogar Frauen. Meistens weil sie sich vor den Plumpsklo ekelten aber zu faul um weiter weg
    von Lager zu laufen.


    Wieder erreichte uns einen Brief von Mama. Meiner Schwester ging es zum Glück besser. Sonst hatte Mama
    alles im Griff. Wir sollten uns keine Sorgen um die Familie machen.


    Mein Onkel, der Marineoffizier aus dem #27 Beitrag versuchte kurz nach uns auch zu flüchten. Er, meine Tante
    und die 5 jährige Tochter, ein süßes aufgewecktes Mädchen, wurden bei der Flucht von der Küstenwache entdeckt.
    Als die Flüchtende in Panik versuchten, das Boot zu erreichen, hatten die Soldaten auf sie geschossen. Meine Tante
    schaffte es, ins Boot zu steigen und erreichte dank guter Organisation sogar direkt Australien. Mann und Kind
    blieben aber verschwunden. Nach ein Paar Monaten schrieb sie meine Oma an, ob ihr Mann und Tochter schon
    wieder zu Hause seien. Oma dachte aber sie wären alle zusammen geblieben, da die beide auch nicht nach
    Saigon zurückkamen. Sie macht sich dann auf dem Weg zu der Stelle, wo das Schiff abgelegt hatte. Die
    orfbewohner brachte sie an einem Grab, wo sie vor einiger Zeit zwei Leichen, die am Strand gespült waren,
    begruben. Mein Onkel trug meine Cousine auf dem Arm als er angeschossen wurde und ins Wasser gefallen war.
    Im Todeskampf hatte er seine Tochter nicht losgelassen. So waren sie beide fest umklammert als sie gefunden
    wurden. Meine Oma nahm die Gebeine zurück nach Saigon wo sie nach einer Feuerbestattung nun nebeneinander
    in einem buddishtischen Tempel ihre Ruhe fanden.


    [FONT=&amp]Das war die zweite, nicht selbst erlebten Geschichte, die ich euch noch erzählten wollte.
    [/FONT]
    Nach neun Monaten in Puerto Princessa ertönte endlich unseren Namen aus den Lautsprechern. Wir drei sollten uns
    im Büro melden. Unsere Anträge waren durch. Deutschland nahm uns aus humanitären Gründen auf. Dafür sollte
    sogar extra irgendein Gesetz von der Regierung damals neu geschrieben worden sein. Das hieß aber nicht dass
    wir sofort nach Deutschland fliegen dürften sondern erst in ein anderes Camp umziehen mussten.
    Trotzdem waren wir halt froh dass es überhaupt irgendwie weiter ging.


    Wir packten unsere Habseligkeit und verließen das Camp mit dem LKW, welcher uns hingebracht hatte, Richtung Hafen.
    Unser Ziel: Bataan.






    Hier noch ein Fotos aus guten Tagen. Es musste 1972 oder 73 gewesen sein. Wir fahren oft mit ganzer Familie
    zum Strand mit Papa’s Auto. Unterwegs machten wir immer einen Picknick in einem der vielen Kautschukplantagen.
    Ich bin der größere auf der Motorhaube. Links ist mein kleiner Bruder. Rechts von mir ein entfernten Onkel.
    Es war eine sehr schöne Zeit. Ich hatte damals eine tolle Kindheit, die ich mit niemanden tauschen würde.
    [FONT=&amp]Papa war ein Feinschmecker. Er fuhr mit mir auf seinem Moped durch die halbe Stadt nur um ein bestimmtes
    Gericht zu essen. Mit Mama durfte ich wiederum den ganzen Frauenkram probieren.


    [ATTACH=CONFIG]21404[/ATTACH][/FONT]

    So liebe Leute, bin wieder da. Ich habe die letzte Woche das milde Wetter ausgenutzt um noch anfallende
    Arbeiten draußen am Haus zu erledigen. Deswegen kam ich nicht dazu weiter zu schreiben.




    Weiter geht’s

    Auf der Insel war es am Tag 35-40 Grad heiß. Nachts kühlte es ab um die 17-20 Grad. Ok, für Europäer angenehme
    Zimmertemperatur. Für uns Sonnenverwöhnten Asiaten war es schon sehr empfindlich kalt. Außerdem wehte vom
    Meer ständig eine frische Brise Wind. In einer Nacht, als ich pinkelt musste, merkte ich, dass es um kurz nach fünf
    eine Zeitfenster gab, wo es totale flaute war. Die Entdeckung erzählte ich am nächsten Tag meiner Leute. Papa kam
    dann auf die geniale Idee, den Xuan und mich um fünf zu wecken und zum Wasserhand zu kommandieren. Um die
    Zeit war der Wasserhahn natürlich leer, so dass wir uns ohne den kalten Wind und die unendlich lange Warteschlange
    richtig duschen und die Eimer in aller Ruhe füllen konnten.


    Seit dem Tag scheute uns Papa jeden Morgen um fünf aus der Matte um zu duschen. Es war schon sch**** so früh
    aufstehen zu müssen aber dafür waren wir drei von Hautkrankheiten verschont.
    Hygiene ist und bleibt im Notfall lebenswichtig.


    Endlich bekamen wir Post von zu Hause. Wenn eine Brieflieferung ins Camp ankam, wurden durch Lautsprecher
    die Empfänger aufgerufen. Dann war es gespenstisch ruhig. Alle lauschten und hofften, dass sein Name dabei war.
    Diesmal hatten wir Glück. Auch der Xuan hatte Post. Nachdem wir unseren Briefe abgeholt hatten, saßen wir vor
    der evangelischen Kirche, eigentlich nur eine keine Holzhütte mit ein paar einfachen Holzbänke aber man konnte
    davor sitzen und es war abends relativ hell beleuchtet. Mit zitternden Händen machte Papa den Brief auf. Ich ging
    mir was zum essen holen und ließ die beiden allein. Als ich wieder kam hatten mein Vater und Xuan Tränen in den
    Augen. Ich hatte mein Vater noch nie weinen gesehen. Noch nicht mal bei der Beerdigung von seinem Opa. Männer
    weinen nicht. Und der Clan Oberhaupt schon drei mal nicht. Bis zu diesem Tag.


    Dann kriegte ich den Brief auch zu lesen. Meine Kleine Schwester war schwer krank und musste ins Krankenhaus.
    Bei uns gab es nicht so was wie Krankenversicherung. Wer krank war musste selbst alles zahlen. Nun musste Mama
    nicht nur allein die Familie satt bekommen sondern auch noch um meine kranke Schwester kümmern. Währenddessen
    saßen wir hier fest, ohne zu wissen wann, wie oder ob überhaupt es weiter ging. Auch der Xuan hatte schlechte
    Nachrichten von seiner Freundin, ich glaubte, ihre Familie machte ihr die Hölle heiß weil sie ihm das Geld für die Flucht gab.


    Ich hoffe für euch alle, dass ihr nie in solche Lage kommen müsst, dass die Verzweiflung einem seelisch fertig macht.
    Diese Ohnmächtigkeit zu spüren, dass man nichts unternehmen konnte um seine Familie in höchste Not helfen zu können.


    Vor der evangelischen Kirche saßen wir oft abends. Manchmal hörten wir auch die Predigen von draußen an. Eines
    Tages bat uns der Priester rein zu kommen. Wir nahmen Platz auf der letzten Reihe und schauten uns das Treiben an.
    Die „Kirche“ war höchstens 4x5 m groß. Vorne ein Rednerpult. 5 zusammen genagelten Holzbänken. Die Leute waren
    alle sehr freundlich und sangen ständig Loblieder über ihren Gott. Die Predigen waren für mich auch sehr interessant,
    da ich so was noch nie gehört hatte. Der Prediger schenkte jedem von uns ein dickes rotes Buch. Ich besaß zu Hause
    in Vietnam eine richtige Büchersammlung, in die ich mein ganzes Taschengeld gesteckt hatte. Seit der Flucht hatte ich
    kein richtiges Buch mehr gelesen, deswegen freute ich mich auf dieses Geschenk ganz besonders.


    Diese Buch, die Bibel, las ich in einem durch durch. Papa und der Xuan brauchten etwas länger.
    Wir gingen immer öfter in die Kirche und es kam wie es kommen müsste, irgendwann hatte uns den Pfarrer so weit
    gekriegt, dass wir uns zu dem Glauben beitraten. Eigentlich war es Papa’s Entscheidung. So richtig überzeugt von Religion
    war ich ehrlich gesagt nie. Von da an gehörten wir zu der kleinen evangelischen Gemeinde. Ich glaubte, Papa fand viel
    Trost und Hoffnung in der neuen Religion. Die schweren Entscheidungen und deren Konsequenzen auf den lieben Gott zu
    schieben war mal was anderes als wie bisher immer selbst zu schultern. Ich fand nur die Gruppe sehr nett, und das nicht
    nur wegen den netten Mädchen :021:. Wir bekamen von der Gemeinde viel Unterstützung, nicht nur seelisch sondern auch materiell.
    Wenn jemand abreiste kriegen wir ihre Sachen was sie nicht mehr brauchten ab. Der Pfarrer hatte von der evangelischen
    Kirche der Stadt dicke warme Decken organisiert, was er an uns weiter verteilte. Es ist nicht verkehr, in einer Notlage die
    Gesellschaft zu einer religiösen Gruppe zu suchen.

    Es war bestimmt nicht so ernst gemeint von sm4rty mit dem Tausendfüssler. Damals konnte ich aber nicht drüber lachen.
    Abgesehen von dem Schmerz kam noch die Angst vor einer Entzündung. Die Ambulanz von dem Militärflughafen behandelte
    nur dringende Notfälle. Insektenstiche gehörten nicht dazu. Als Papa mich fragte warum ich so humpelte, zeigte ich ihm
    die Beule auf meinem Oberschenkel. Er daraufhin: „Halte die Wunde sauber und kühl sie mit einem nassen Tuch ab!“.


    Tja, einmal Soldat immer Soldat. Papa jammerte nie und erwarte das gleiche auch von mir. Wenn er etwas sagt dann
    wurde ausgeführt und nicht diskutiert. Obwohl er nicht rumbrühte oder mit aufgeblähter Brust nach Respekt verlangte,
    brachten trotzdem alle ihm Vertrauen und Respekt entgegen. Ich kannte in meinem ganzen Leben niemanden, der etwas
    Schlechtes über meinen Vater sagen konnte. Zu uns Kindern war er sehr streng. Besonders ich als Erstgeborene war meist
    überfordert von seiner Erwartungen.


    Papas guten Ruf wurde belohnt als uns jemand ansprach, ob wir deren Schlafsplatz übernehmen wollten. Sie hatten ihre
    Ausreisetermin bekommen und möchten, dass ihr Nachbar anständigen Ersatz bekam. Wir gingen zu dem neuen Platz ganz
    am Ende vom Lager. Da standen 4 relativ neu gebauten Gebäude. Zwar nur 4 großen Baracken aber wir müssten nicht
    mehr auf dem Boden schlafen und waren vor Wind und Wetter geschützt.


    Ein Ehepaar im mittleren Alter tauschte mit Papa einige Sätze aus. Dann hatten wir die Prüfung bestanden und durften
    neben ihnen den Platz beziehen. Der Umzug gestaltet sich ziemlich problemlos. Ich packte einen kleinen Pappkarton mit
    unserer Essenvorrat, einen leeren Reissack, den ich mir organisiert hatte für meine wenige Klamotten, die Strohmatte
    und meine Decke unterm Arm, verabschiedete mich von den Mitbewohnern und zog in unser neues Zuhause ein. Es war
    ein von 4 großen Gebäude ganz am Ende vom Lager, weit weg vom Strand. Das Haus war mit ca 3-4 m hoch, 6 m breit u
    nd 30 m lang. Innen jeweils 2 Etagen aus Holzbrettern zu jeder Seite, in der Mitte ein kleiner Gang. So etwa wie in den KZ
    im zweiten Weltkrieg. Nur dass wir nun viel mehr Platz zur Verfügung hatten als vorher. Zum Glück liegen wir auch noch
    in der oberen Etage, ganz nah am Ausgang. Mit der Zeit freundeten wir mit dem Ehepaar an und waren richtig gute
    Freunde geworden. Der Mann, auch ein Ex-Soldat der südvietnamesischen Armee, verstand sich prächtig mit Papa.
    Selbst als wir alle in Deutschland leben reißt der Kontakt nicht ab. Der Mann, Phuoc war sein Name, ruft meinen Vater
    jedes Jahr zum Silvester an. Ohne Ausnahme.


    Ab da an waren wir wieder eine größere Gruppe. Mein Vater, ich, der Xuan, Phuoc und seine Frau.

    Nach einer Woche tauchte der Messerstecher wieder auf. Er hatte sich auf der Cap Anamur versteckt. Da das Schiff nach
    dem Abladen der restlichen Flüchtlinge ablegen musste, blieb ihm nichts anderes übrig als sich zu stellen. Er war aber
    nicht von der Cap Anamur gerettet sondern ein gestrandete. Somit durfte er nicht nach Deutschland. Mit seiner Aussicht
    nach Amerika auszureisen konnte er nach diesem Vorfall auch vergessen. Die Amis waren nicht so großzügig wie die
    Deutschen und ließen jeden ins Land. Sie betrieben sehr offensichtlich „cherry picking“ unter den Flüchtlingen. Personen
    mit Qualifikation, Berufserfahrung, Ex-Offiziere der Armee usw wurden ganz schnell ausgeflogen. Wer sich auffällig benahm,
    gewalttätig, gar kriminell oder machte falsche Angaben zur Identität ließen sie im Lager schmoren.


    Alles was ich euch hier erzähle, habe ich selbst erlebt. Ich möchte aber zwei Ausnahmen machen weil ich es für sehr wichtig
    halte, dass viele anderen Menschen auch diese Geschichte erfahren sollen.


    Neben uns war ein Junge, vielleicht 1-2 Jahre älter als ich. Es war aber schwer einzuschätzen bei ihm weil er ganz merkwürdig
    aussah. Seine Haare waren nicht glatt und schwarz glänzend wir bei uns üblich sondern struppig und wuchsen ungleichmäßig.
    Er lebte allein im Camp, sprach aber auch kaum mit anderen. Entweder schlief er oder wanderte herum. Da er allein war,
    bekam er nur winzige Essenportionen zugeteilt so dass er nichts damit anfangen konnte.


    Dann gab er mir meist seinen Anteil und aß dann nichts. Wenn ich dran war mit Kochen packte ich etwas von den fertigen
    Gericht zur Seite und gab ihm das. Mit der Zeit taute er langsam auf und wir redeten ab und zu mit einander. Dann erfuhr
    ich den Grund, warum er Kontakt zu den anderen meidet, und sie zu ihm.


    Er war ursprünglich mit seiner älteren Schwester geflüchtet. Sein Schiff ging genau so wie unser nach kurzer Zeit kaputt.
    Sie trieben auf Meer bis alle Vorräte verbraucht waren. Ein nach dem anderen starb durch Hunger und Durst. Am Anfang
    schmissen sie die Tote über Bord. Auch seine Schwester wurde ins Wasser geworfen als sie tot war. Als ob es nicht schon
    schlimm genug wäre, versank ihre Leiche nicht sofort sondern trieb noch eine ganze Weile am Boot und schlug die ganze
    Zeit dagegen. Er saß im Boot und musste mit anhören, wie nach jeder Welle die Leiche seiner Schwester an das Boot knallte,
    als ob sie ankloppe und wieder rein wolle. Er war fast verrückt geworden.


    Später, als Hunger und Durst alle zum Wahnsinn trieb, tranken einige Meerwasser. Einer sogar mit Batteriesäure gemischt
    weil er meinte, das neutralisiert das Salz. Der hatte Blut gespuckt und war sofort tot. Die Toten wurden nicht mehr ins Meer
    geworfen sondern dünne Scheiben von Bein und Schenkel geschnitten, diese in der Sonne getrocknet und … gegessen.


    Nach 49 Tagen wurden sein Boot ans Land auf dem Philippinen gespült. Von über 80 Menschen hatten 28 überlebt.


    Die Amerikaner fanden immer welche fadenscheinigen Gründe um diese Gruppe nicht aufzunehmen. Sie warteten bis dato
    schon zwei Jahren im Camp. Er selbst wurde immer vorgeworfen, er hätte angeblich falsche Angabe zu seinem Alter gemacht
    und deswegen wurde seinen Antrag immer wieder abgelehnt.


    Gar nicht mal doof von den Amis eine Gruppe von traumatisierten Kannibalen nicht ins Land zu lassen. Die hätten
    höchstwahrscheinlich das Gesundheitsytem nur belastet. Aber ich frage mich, wer sind die wahren Unmenschen?
    Die armen 28 Seelen, die durch die Hölle mussten oder die Anzugträger am Schreibtisch, die solchen Menschen
    eiskalt ihrem Schicksal überließen.

    Die Cap Anamur lief den Hafen von Puerto Princessa wieder an. Zum letzten mal. An Bord diesmal 702 gerettete
    Menschen. Man hatte aus der Erfahrung gelernt und teilte sie in zwei Gruppen, die nach einander ans Land gehen
    dürften. Würde alle auf einmal das sowieso schon überfüllte Camp stürmen hätte es, glaube ich, den totalen
    Zusammenbruch gegeben.


    Nun war ich der jenige, der am Eingang auf die Neuankömmlinge wartete und hoffte, jemanden aus meiner
    Nachbarschaft, einen Bekannten zu treffen. Der LKW, der sonst uns Fisch lieferte, brachte mehrere Ladungen
    von Menschen in das Lager. Sie alle durchliefen dieselben Prozeduren, was wir auch gemacht haben.


    Die 350 Menschen verteilten sich irgendwie doch im Camp. Es wurde zusammen gerückt, Plätze getaucht damit
    Familien beieinander bleiben konnten. Wir versuchten zu helfen so gut wir in der Lage waren. Die Cap Anamur
    blieb im Hafen mit den restlichen Flüchtlingen und wartete auf die Genehmigung der Camp-Verwaltung.


    Dann passierte etwas völlig bescheuertes.


    An einem Morgen hörte ich Schüsse im Camp. Mehrere Wagen mit Soldaten hielten entlang des Lagerzauns.
    Ein riesen Tumult. Durch die Lautsprecher wurde eine Ausgangsperre verhängt. Alle sollten in den Gebäude
    bleiben und auf Anweisung warten.


    Was war passiert? Es gab wieder mal eine Schlägerei zwischen zwei Vietnamesen. Zwei philippinische Soldaten
    von der Wachmannschaft gingen dazwischen. Ein von den Vietnamesen zog ein Messer und stach auf einen
    der Soldaten ein und rannte weg. Der zweite Soldat schoss mit seinem M16 Gewehr hinterher, traf dabei ein
    kleines unbetteiliges Mädchen und verletzte dieses schwer. Der Lagerkommandant natürlich stink sauer und
    befiehl, um jeden Preis den Messerstecher zu fassen.


    Bewaffnete Soldaten riegelten das Camp ab und durchsuchten mit Gewehr am Anschlag jeden Winkel nach dem
    Typ. Der war aber spurlos verschwunden. Als die Suche bis zum Mittag ergebnislos blieb, kam eine Durchsage,
    alle müssten sich auf die Start-Landebahn von dem Militärflughafen nebenan begeben. Nur Kleinkinder und alte
    Leute dürften im Lager an ihren Schlafplätze bleiben. Die Soldaten trieben uns wie Vieh auf die betonierte
    Landebahn. Über 40*C im Schatten. Dicht an dicht standen wir in der senkende Sonne. Niemand war auf die
    Situation vorbereitet und deswegen auch kein Wasser mitgenommen. Zu essen hatten wir durch den Tumult
    auch noch nicht bekommen. Ich sah viele, vielleicht alle, Mitarbeiter von UNHCR unter den Flüchtlingen. Sie
    müssten ja nicht aber blieben aus Solidarität bei uns und hielten die philippinischen Soldaten im Schacht wenn
    die zu rabiat gegen uns vorgingen. Einige machten heimlich Fotos.


    Selbst mit 14 Jahre war es mir bewusst, wir waren niemand. Wir waren nichts. Ohne Heimat. Ohne Rechte.
    Hätte man uns jetzt alle erschossen, würde das keine Sau interessieren. Für Vietnam waren wir Fahnenflüchtige.
    Wir gehörten auch sonst nirgendwohin. Ausweise besaßen wir nicht. Man hätte auf unseren Grabsteine noch nicht
    mal unseren Namen schreiben können. Wie könnte es nur so weit kommen. Wir waren so ein stolzes Volk.
    Jahrtausende hatten wir tapfer und erfolgreich gegen die Chinesen Widerstand geleistet, alle Besatzungsmächte
    aus dem Land vertrieben. Nun behandelte man uns wie Tiere. Wir wurden bestraft für etwas, wofür wir gar nichts
    konnten. So eine Demütigung.


    Gegen Abend dürften wir zurück ins Camp. Der Messerstecher war immer noch verschwunden.

    Die nötigen Formalitäten wurden erledigt. Außer abzuwarten konnten wir nichts tun. Wieder jeden Morgen um 7
    Mozart Symphony Nr. 40, Wasser holen, Essen zubereiten, sauber machen, Gang zum Strand, wieder Essen kochen,
    abends Spaziergang auf der Promenade, um 22 Uhr Licht aus, um 7 Mozart Symphony Nr. 40…..


    Hörte sich eigentlich nach einem ganz erholsamen und entspannten Pauschalurlaub an wenn nicht doch ein paar
    Kleinigkeiten etwas das paradiesische Gesamtbild störten.


    Das Lager wurde als Provisorium auf einem Stück Brachland fernab von einheimischen Siedlungen gebaut. Außer
    einer Wasserleitung war sonst nichts an Infrastruktur vorhanden.


    Folglich auch keine Kanalisation. Unser Schmutzwasser wurde in planlos selbst angefertigten Rinnen paar Meter
    weg von unserer Behausung geleitet. Unzähligen Pfützen verteilten sich überall im Lager. Ein Paradies für Mücken
    und Co die nur darauf warten, Malaria und sonst noch für Krankheiten unter 20 Tausend Menschen, die auf engsten
    Raum eingepfercht waren, zu verteilen.


    Durch den Wassermangel konnten wir uns nie richtig waschen. Wenn noch 200 Leute hinter dir in der Schlange
    standen traute du dir auch nicht eine ausgiebige Dusche zu nehmen. Daher juckte es ständig irgendwo. Aber wehe
    man kratzte sich mit den dreckigen Finger. Dann entzündete es sich an der Stelle 100%. Viele hatten so viel Abszesse
    und Entzündungen dass es aussah als hätten sie Lepra.


    Wenn ich nachts auf die Toilette musste war es für mich die Hölle. Da ich nicht zum Strand im Dunkel laufen
    konnte musste ich auf dem Plumpsklo im Lager. Einen Eimer aus der Grundwasserhandpumpe nahm ich immer
    mit um die Toilette grob zusäubern bevor ich mich hinhocken konnte. Wegen dem Gestank atmete ich die ganze
    Zeit so flach wie es ging. Trotzdem war ich jedes Mal den Ohnmacht nah wenn der Wind die Gase von unten hoch druckte.


    Mir ist noch etwas gruseliges eingefallen. Man erzählte, einige Frauen. die im Camp schwanger geworden waren aber
    das Kind nicht wollten, weil sie für das neugeborene Baby einen Kompletten Einreiseantrag stellen mussten, scmissen
    die Babies einfach in die Toilette. Manchmal nachts sollte das Geschrei von den toten Babies zu hören sein. Noch ein Grund
    mehr für mich, das Plumpsklo zu meiden.


    In dem Raum wo wir schliefen war es zur zwei Seiten offen. Wenn es regnete, und es regnete oft auf den Philippinen,
    fegte der Wind das Wasser mal zu einer, mal zu andere Seite von dem Raum. Wenn der Wind landwärts wehte dann
    bekam ich nassen Kopf. Notdürftig behängten wir die Fenster mit irgendwas, um mindestens etwas Schutz zu haben.
    Ich drehte meinen Kopf auf die andere Seite und schlief mit den Nassen Füssen weiter.


    Zu viele Menschen auf engsten Raum. Ohne jegliche Privatsphäre. Zu viele junge Männer, die allein auf die Flucht waren.
    Ohne Frau, Freundin, Partnerin was auch immer. Es staute sich eine Menge Energie und Testosteron, die nur darauf
    warten, sich entladen zu können.Fast jeden Tag gab es Schlägereien. Wegen nichts. Ein falsches Wort, Vordrängen am
    Wasserhahn, Angeblich ungerecht verteilte Hilfegüte…

    Da wir auf dem Boden schliefen, krabbelten ständig irgendwelche Ungeziefer nachts auf uns rum. Ameisen, Kakerlaken,
    Spinnen waren noch harmlos. Einmal nachts spürte ich im Tiefschlaf etwas an meine Oberschenkel. Aus Reflex klatschte
    ich mit der Hand drauf. Ein stechender Schmerz riss mich schlagartig aus dem Schlaf. Im Mondlicht sah ich gerade noch
    einen riesigen Tausendfüssler von mir wegkrabbeln. Ich hatte eine dicke Beule auf meinem Bein, die noch wochenlang
    wehtat. Also merke: Tausendfüssler ist definitiv giftig. Auch wenn nicht tödlich.


    Aber das Schlimmste, das die meisten von uns fertig machte, war die Ungewissheit, wie es unseren Familien erging.
    Telefon besaß so gut wie niemand in VN damals. Die Briefe waren monatelang unterwegs. Wenn ich mal wieder zur
    Ruhe kam, dachte ich zwangläufig an Mama und meine Geschwistern. „Wie schafft Mama nun alleine für vier Kinder
    und meine Oma zu sorgen. Letzte Zeit hatte Oma sehr oft Knieschmerzen, musste trotzdem zu Fuß täglich zum Markt
    um einzukaufen. Was macht meine Jüngste Schwester? Wer holt sie von Kindergarten ab wo ich nicht mehr da bin?
    Und mein Bruder, der Idiot. Fing dauernd Schlägerei an und ich musste mich immer seinetwegen mit anderen prügeln.
    Jetzt kann der zusehen wie er allein fertig wird. Wie lange dauert es denn noch? Wie lange sollen wir noch hier bleiben?
    Bestimmt bald sind wir weg hier. Vielleicht schon morgen. Dann werden wir auch Pakete nach hause schicken.
    Irgendwann werden wir unsere Familie nach Deutschland holen. Was gebe ich dafür, sie alle jetzt zu sehen.
    Wie lange dauert es denn noch? Wie lange sollen wir noch hier bleiben?
    Vielleicht schon morgen….“


    Mir war immer bewusst, dass es auf der Welt noch Millionen Menschen gab, denen es noch schlechter ging als uns.
    Ich hatte in Saigon Menschen gesehen, die auf und von der Müllhalde leben, die Obdachlosen aus der neuen Wirtschaftzone.
    Sie alle bekamen noch weniger zu essen und deren Zukunftsaussichten weitaus beschissenen als unser. Tröstete mich dieses
    Wissen ein wenig über unsere Situation hinweg? Ehrlich gesagt, nein. Der tägliche Kampf um ein wenig Wasser, ein Bisschen
    Nahrung, einen trockenen Schlafsplatz, die Angst wegen Krankheiten, Gewalt, giftigen Insekten, die Ungewissheit über
    unsere Zukunft, die Sorge um unsere Familie dominierten über alles. Da war kein Platz mehr für Mitgefühl.

    Guten Morgen zusammen,


    für alle die mich noch nicht kennt, ich bin ende der 60er in Vietnam mitten im Krieg geboren. Damals gab es auch schon bei uns Milchpulver und an das Zeug im Gläschen kann ich mich auch noch gut erinnern. Wenn meine Mutter Reis gekocht hatte, füllte sie etwas mehr Wasser in den Topf als sonst und wenn der Reis anfing zu kochen, kippte sie die Flüssikeit aus dem Topf. Das Zeug sah aus wie dünnflüssige Tapetenkleister, schmeckte aber neutral. Also nach Reis halt. Das bekamen meine Geschwister als Säuglings mit einem Löfel Zucker gesüßt zu trinken. Wieviel Nährwert darin enthalten war kann ich jetzt nicht sagen machte aber gut satt, geschadet hat es uns auf jedem Fall nicht. Für den Notfall kann ich euch die Methode mit gutem Gewissen ans Herz legen.


    Gruss

    Wir gewöhnten uns schnell in das Leben im Lager. Es blieb uns auch nichts anderes übrig als das Beste aus der
    Situation zu machen. Asiatisches Pragmatismus halt.
    Jeden Morgen Mozart Symphony Nr.40 als Weckruf. Danach 2 Brötchen zum Frühstück. Ich holte Wasser.
    Die anderen kümmerten sich um das Essen, holten Versorgungsgüte ab, machten unsere Schlafplätze sauber…
    Nach dem Essen schlafen die meisten oder unterhielten sich. Ich zog auf Erkundungstour los. Manchmal allein,
    manchmal mit Freunden.


    Nach dem Abendessen gingen Papa, X. , und ich auf unsere „ Promenade “, die Straße zum Ausgangstor, spazieren.
    Da war abends immer viel los. Es gab viele kleine Essenstände, die leckere selbst gemachte Snacks verkauften.
    Man kam dort auch leicht mit anderen ins Gespräch und kriegte so viele interessante Dinge mit. Z.B. dass man
    vietnamesisches Geld ins philippinisches Pesos bei bestimmten Leuten umtauschen konnte. Ich hatte noch, da
    ich damals im Boot nicht an mein Geld kam als wir es sammeln müssten um das Boot von den Fischern freizukaufen,
    etwas davon bei mir, das ich schnell umtauschte. Von meinem unerwarteten Reichtum hatte ich mir sofort Kaugummi
    gekauft. Ich weiß noch ganz genau, wie ich so langsam dran kaute, damit den süßen Geschmack nicht zu schnell
    verflüchtigen wurde. Und überhaupt. Mit Geld konnte man, wie überall auf der Welt, (fast) alles auch im Lager kaufen.
    Drogen, bessere Unterkünfte, Sex…


    Jede Neuankömmlinge bekamen einen freigemachten Briefumschlag von der Verwaltung.
    In das Din A4 großes Blatt durfte man nichts rein legen sondern direkt drauf schreiben und zu einem Briefumschlag
    zusammen falten. Sonst würde er nicht weiterbefördert. Keine Ahnung warum.


    Endlich nach fast zwei Monaten konnten wir eine Nachricht an unsere Familie schicken.
    Ich schrieb nur ein paar Zeile an Mama und meine Geschwister, dass es uns gut ging und ich sie alle sehr vermisste..
    auf Papa’s Brief mit. Auf meinem Briefumschlag schrieb Papa an jemanden, dessen Adresse ich vorher zu Hause auswendig
    lernen müsste. Ich betete innerlich, dass die Briefe schnell ihre Ziele erreichten, dass sie überhaupt ihre Ziele erreichten.


    Nach einigen Wochen trennten wir von den Steuermann D. und seiner Familie. Die Frauen waren für uns keine Hilfe. Seine
    Frau war faul und tollpatschig, seine Schwester mitten in der Pubertär und ließ ihre Laune bei jeder Gelegenheit an uns aus.
    Papa, ich und der junge Mann X. (eigentlich heißt der Xuan, das bedeutet Frühling) blieben zusammen. Dieser X. war für
    uns ein Glückfall. Er war nicht nur ein herzensguter Mensch sondern besaß ein erfischendes Galgenhumor. Zu jeder
    Katastrophe konnte er einen lustigen Spruch loslassen. Seine Freundin hatte ihr Geld zusammen gekratzt um ihm die
    Flucht zu ermöglichen. Für beide reichte das Geld leider nicht so waren sie nun getrennt.


    Der Tag der Interviews kam. Wir wurden ins Verwaltungsgebäude aufgerufen. Wir mussten ein Formular ausfüllen.
    Wer wir waren, was hatte wir gemacht im und nach dem Krieg, wann Vietnam verlassen, ob noch Familie in VN…blah blah.
    Dann saßen wir an einem Tisch einen UNHCR Mitarbeiter und seinen Dolmetscher gegenüber. Der stellte Papa viele Fragen.
    Manche Fragen antwortete mein Vater direkt, manche musste übersetzt werden. Dann kam die wichtigste Frage. Wo wollten
    oder konnten wir hin. Als Ex-Offizier der Süd-Vietnamesischen Armee konnte mein Papa nach Amerika ausreisen. Die
    Deutschen würden uns aber auch aus humanitären Gründen aufnehmen. Dann mussten wir von den Ami’s keine Identitätsprüfung
    abwarten, was das Verfahren erheblich beschleunigen würde, behauptete er.


    Als wir unsere Heimat verließ, war unser Ziel Amerika. Was anderes kam uns gar nicht in den Sinn. Die Rettung durch die
    Cap Anamur änderte schlagartig alles. Nun hatten wir auf einmal die Wahl. Was meinen Vater in seiner Entscheidung beeinflusst
    hatte, konnte ich nur erahnen.
    Vielleicht konnte er die Hand unserer Lebensretter, die uns jetzt noch einmal entgegenstreckt, nicht ausschlagen. Vielleicht
    verglich er nur das Bild von den amerikanischen GI’s und den deutschen Ärzten auf der Cap Anamur und wahrlich dazwischen
    trennten Welten. Vielleicht dachte er nur, in so einem Land, wo solchen Menschen lebten, die von anderer Seite der Erde uns
    ein Schiff zur Rettung schickten während die ganze Welt samt unsere Verbündete uns den Rücken zudrehten, konnte gar kein
    schlechte Ort zum leben sein.


    Nach kurzen Bedenkzeit antwortete mein Vater, wir möchten, wenn es uns möglich wäre, nach Deutschland.





    PS: Seit einem Monat habe ich ein grosses Projekt an meinem Haus. Die Kellerwände sind feutch und wir müssen sie von außen abdichten.
    Deswegen hatte ich nicht viel Zeit um an der Geschichte zu arbeiten. Ich hoffe ihr habt dafür Verständnis.
    Liebe Grüße

    Das Camp lag direkt an einem wunderschönen Strand und einem kleinen Militärflughafen. Rum herum hatte man
    einen Stacheldrahtzaun gebaut, der aber nur einen symbolischen Zweck hatte. Bis Puerto Princessa, die größte
    Stadt auf der Insel, fuhr man mit einem TukTuk etwa 10-15 Minuten. Davor musste man sich einen Passierschein
    von Lagerverwaltung holen. Ohne ging es natürlich auch aber man bekam großen Ärger wenn die Polizei einen
    kontrolliert. Die ganze Zeit in Palawan war ich ganze zwei Mal in der Stadt. So ein kleiner Kaff mit einem schönen
    Fischereihafen. Die meisten von den Campinsassen gingen in die Stadt um Filme im Kino zu schauen. Einige, die
    Geld hatten, besuchten gewisse Establishments, na ihr wisst schon… :face_with_rolling_eyes:


    Der Vorteil an der Nähe zu Flughafen war, dass wir von der Krankenstation mitversorgt wurden. Der Nachteil war,
    dass die Kampfjets ohne Rücksicht auf Tageszeiten flogen. So ein F4 Phantom machte schon am Tag ordentlich Krach.
    Wenn der nachts um 2 mit gezündeten Nachbrennern startete dann fühlte ich wie der Boden unter mir zitterte.
    Irgendwann gewöhnte ich mich dran und schlief trotzdem weiter.


    Was mir auf dem ersten Blick chaotisch wie ein Termitenhaufen vorkam, entpuppte sich nach längerem Aufenthalt als
    erstaunlich gut organisierter Zwergstaat. Das Lager wurde in mehrere Bezirke aufgeteilt. In den Bezirken mehrere Gruppen.
    Die Gruppen wählten einen Vorsteher, der als Bindeglied zu der Lagerverwaltung fungierte und für Abholung sowie Verteilung
    von Nahrung zuständig war. Jeder musste sich in einer Liste melden, zu welcher Gruppe er aktuell gehörte damit niemand
    doppelt kassierte. Die Mitarbeiter von UNHCR wohnten mit im Camp in winzigen Bretternbuden und waren eigentlich immer
    präsent. Mich hatte es damals sehr beeindruckt wie zugänglich und bescheiden diese Leute waren. Die hätten sicherlich
    etwas Komfortableres leisten können anstatt den ganzen Tag zu arbeiten und abends auch noch mit uns zusammen zu hängen.


    Es gab mehrere kleine Läden, die von Vietnamesen betreiben wurden, die schon länger da waren. Viele haben sich gemütlich
    eingerichtet, als ob sie für immer im Camp leben würden, was mich sehr schockierte. Wie lange mögen die schon hier sein?
    Wie lange müssten Papa und ich hier bleiben?


    Essen und anderen notwendigen Sachen wie Brennholz, Schuhe, Kleidung… wurden nach und nach verteilt. Zwar nicht viel aber
    uns hatte es sehr geholfen. Ab und zu gab es sogar Instantkaffee und Zucker.


    Jeden Morgen nach Mozart Symphony Nr 40 in G minor bekamen wir 2 kleine Brötchen zum Frühstück. Danach stellte ich mich
    in der Schlange vor dem Wasserhahn. Die anderen in unserer Kleingruppe, im Camp als Familie genannt, also Papa, X., der
    Steuermann und seine Frau kümmerten sich um das Mittagsessen, holten die Sachen ab, die an dem Tag verteilt wurden. Wenn
    nichts mehr zu tun war trieb ich gern überall rum. Für einen 14 jähriger Junge wie mich, der Robinson Crusoe und alle Bücher
    von Jules Verne verschlungen hatte, war die Insel ein riesiger Abendteuerspielplatz. Vom Lager aus direkt ins Meer lief ich mehr
    als 100 Meter weit auf einem abgestorbenen Korallenriff bis einen Sandbank, der nur bei Ebbe sich zeigte. Im Wasser blühte
    das Leben. Seeigel, Wasserschlangen, Seesterne, kunterbunte Fische …


    Rechts von Lager verlief der traumhafte Sandstrand, gesäumt von Kokospalmen. Man konnte Kilometer weit laufen ohne auf
    anderen Menschen zu treffen. Mittags wenn es im Lager zu stickig war, ging ich gern den Strand runter, bis das Camp nicht
    mehr zu sehen war und sch**** ins Meer. Herrlich. Vor mir der blaue Ozean. Hinter mir Millionen Kokospalmen. Könnte es
    einen schöneren Ort auf der Weltzum kacken geben?


    Einmal lief ich mit einem anderen Jungen wieder zum Strand um unseren Geschäft zu erledigen. Auf dem Rückweg hatten wir
    riesen Durst. Am Strand lagen tausenden von gefallenen Kokos. Ich hob einen auf und wir versuchten ihn mit einem Stein
    kaputt zu schlagen. Plötzlich kam ein philippinischer Junge aus dem Wald her raus und verlangte, dass wir die Kokos wieder
    zurücklegen sollten. Wir waren zu zwei aber er trug eine Machete am Gürtel. Widerwillig legte ich die Kokos hin und sagte zu
    meinem Kumpel auf Vietnamesisch: „So viele Kokos lagen im Wald die sowieso verrotten aber den einen gönnte er uns nicht.
    Was für ein Arschloch“ Und schimpfte. Zur unseren Überraschung verstand er meine letzten Wörter, kam wütend mit seiner
    Machete in der Hand auf uns zu. Wir rannten um unser Leben bis wir in Camp ankamen. Viele Philippinos waren sehr neidisch
    auf uns. Wir bekamen gratis Essen, kamen nach Amerika und andere westliche Länder. Sie konnten das nicht. Hass und
    Neid auf Fremde gibt es also überall.


    Abends wurde noch mal Essen geliefert. Meist waren es Reste von Markt oder Beifang der Fischerboote, die nicht verkauft wurden.
    Da die Fische schon längere Zeit bei 40 Grad C unterwegs waren, rochen sie meist ziemlich streng. Viele waren schon so aufgeweicht
    dass sie auseinander fallen. Trotzdem wurde nichts weggeschmissen. Manchmal fand ich Würmer oder Maden in den Fischen.
    Die nahm ich raus, wusch den Fisch etwas länger als sonst und ließ den länger in Pfanne braten. Zum Glück hatte uns nur eine
    Fischvergiftung erwischt. Papa und ich musste in die Krankenstation von dem Flughafen behandelt werden. Es war aber nicht
    schlimmes. Uns war nur übel und wir hatten den Fisch ausgekotzt. Nach einen halben Tag waren wir schon wieder entlassen.


    Als kleine Familie hatten wir viele Vorteile. Für 6 Personen konnten wir mit dem wenigen was wir bekamen besser kochen und
    aufteilen als alleine oder zu zweit. Als kleines Beispiel: es gab ein Mal ausnahmsweise Hähnchen. Zu 6 bekamen wir ein halbes
    Hähnchen. Wir hatten es klein geschnitten, in der Pfanne vor gebraten, danach mit Sojasoße und etwas Wasser gegart. Die
    unfreundlichen Einzelgänger, die zu keiner Familie gehörten, bekam eine Flügel oder ein halbe Schenkel. Wie sollten sie das zubereiten?


    Außerdem war immer jemand da der auf unsere Sachen aufpasste. Den Einzelkämpfern wurde ständig was geklaut.
    Wir konnten unsere Aufgaben teilen. Einer holte Wasser, der andere kümmerte sich um Essen usw. Alleine war man aufgeschmissen.


    Also Leute. Falls ihr in so einer Situation geraten solltet, schön nett sein und eine Gruppe bilden.
    Einzelkämpfer a la Rambo überlebt nur im Film.
    Wenn jemand das Camp verließ und ins gelobte Land flog, hinterließ für seine Freunde was er nicht mitnahm. Mit der Zeit waren wir
    immer besser ausgerüstet. Die unfreundlichen Spinner kriegten natürlich nichts ab. Also noch ein Grund nett zu sein.

    Sorry Leute. Ich habe heute noch mal auf Google Maps geguckt. So groß war das Camp nicht.
    Höchsten 500 m lang und 300 m breit. Irgendwie habe ich mich voll verschätzt. War auch schon
    so lange her.


    Diese Geschichte bekommt ihr hier im Forum exklusiv zu lesen. Noch nicht mal meine Mutter
    kenne sie in dieser Version. Papa hat ihr bestimmt davon erzählt aber von meiner Sicht aus kennt
    sie nur meiner Frau. Irgendwann kriegt mein Sohn eine ausführlichere Ausgabe, eine Director’s Cut
    sozusagen, aber als Buch für die Öffentlichkeit glaube ich wird’s nicht.


    Bei der Gelegenheit möchte ich mich bei euch für euere Interesse und Zuspruch bedanken.
    Ich versuche so weit es mir zeitlich möglich ist weiter dran zu arbeiten.

    Anti: die Zeit nach dem Ankunft in Deutschland war wieder ein Abenteuer für sich, hat aber kaum mehr
    mit Überleben zu tun.



    Dann weiter geht’s.

    Mein Vater war Soldat. Ihm machte es vielleicht nicht aus im Regen zu schlafen. Mir schon. Ich war ein ganz
    normale 14jähriger Junge, der bis dato ein komfortables Leben führte. Ich hatte zwar kein eigenes Zimmer
    aber ein eigenes bequemes Bett, eine kleine Kommode für meine Bücher und meine Sachen. Seit einem Monat
    schlief ich auf hartem Holz. Überall tat es mir weh, besonders da wo es nur Knochen und Haut gab und diese
    auf die harte Unterlage scheuerte. Richtig gehungert hatte ich bis zu der Flucht auch noch nie. Seit ich auf das
    Boot stieg war ich, außer auf dem Klo, nie allein. Ständig fremde Menschen um mich, ständig welchen Geräuschen.
    Nie konnte ich richtig tief schlafen. Immer musste ich auf unsere Sachen aufpassen. Ich hatte gehofft, im Lager
    würde alles besser werden. Leider war das nicht der Fall.


    Am nächsten Morgen um 7 Uhr ertönte aus den Lautsprechern Symphony Nr 40 von Mozart in G minor als Weckruf.
    Aber nicht die klassische Version sondern ein richtig rockige Cover. Es könnte von der Gruppe Ekseptions
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ekseption sein. Leider habe ich bis heute diese noch nicht gefunden.


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    Nach und nach wurden die Neuankömmlinge nach Gruppen zum Sammelstelle aufgerufen.
    Jeder von uns bekam zwei kleine Brötchen zum Frühstück und noch einiges an Verpflegung.
    Nachdem ich unsere nassen Sachen notdürftig in der Sonne zum trocknen gelegt hatte, nahm ich den Topf und
    begab mich auf der Suche nach Wasser. Dann traf mich der Schlag. Im Lager gab es nur zwei Wasserhähne.
    Zwei Wasserhähne für 18 tausend Menschen. Davor bildeten sich zig Meter lange Schlangen aus hunderten von
    Eimern. Ich outete mich als Neuling und wurde freundlicherweise vor gelassen, um meinen Topf mit Wasser zu füllen.


    Damit erledigten wir unsere Morgenwäsche und tranken den Rest auf. Papa hatte sich in der Zeit mit einigen
    Leuten unterhalten. Der Steuermann von unserem Boot, seine Frau und seine kleine Schwester wollten mit
    uns eine kleine Gruppe bilden. Außerdem ein junger Mann, der auch mit uns im Boot war, nennen wir ihn hier
    einfach X, möchte auch zu uns gesellen.


    Ein anderer junger Mann, der schon etwas länger im Lager lebte, zeigte uns ein Paar freie Plätze, wo wir alle
    zusammen bleiben konnten.


    Es war ein großer Raum, der ursprünglich als Schule gedacht war, nun aber voll mit Menschen belegt wurde.
    Der Raum war ca 6 m breit und 10 m lang. Da wo die Fenster normalerweise sein sollten gab es nur Gitter
    aus Eisen. Wir liegen alle in zwei Reihen auf dem Boden nebeneinander. Ich hatte so viel Platz wie meine
    Strohmatte, die man sonst für den strand benutzt, groß war. Also etwa 60x200 cm erstreckte sich mein Königsreich.


    Nachdem wir unsere Plätze belegt hatten versuchten wir unser Mittagessen zu Kochen. Die Schwester von D.,
    der Steuermann, wurde zum Wasserholen geschickt. Als junges Mädchen hatte sie bessere Chance, vorgelassen
    zu werden. Mit dem Löffel gruben wir ein Loch im Boden draußen neben der Wand und legten drei Steine drum.
    Schon hatten wir einen Herd. Vorhin bekamen wir mit der Verpflegung zusammen einige Holzscheiten, die wir
    trotz der allgemeinen Feuchtigkeit zum brennen brachten. Reis und Fisch wurden gekocht. Danach gab es noch
    lösliche Kaffee. Herrlich.
    Unsere erste selbst zubereitete Mahlzeit seit langen.

    Der nächste Schock kam, als ich die Toilette aufsuchen wollte. Das Lager war am Anfang nicht für so eine
    Menschenmasse gedacht. Man hatte als provisorische Toilette nur einen Kasten ungefähr zwei Meter hoch,
    zehn Meter lang, drei Meter breit gemauert und ein paar nach oben offenen Kabinen aus Holz drauf gesetzt.
    Dieses Provisorium war nach drei Jahren gut zur Hälfte gefüllt. Der Gestank war nicht auszuhalten. Da es kein
    fließendes Wasser zum abspülen gab, sahen die Kabinen dem entsprechend aus. So schnell es ging erledigte
    ich mein Geschäft, kam zurück und warnte die anderen. Wenn man rechtzeitig schaffte, die 300 m zum Strand
    zu laufen, dann war es viel angenehmer als auf dem Plumpsklo.


    Außer den zwei Wasserhähnen existierten noch zwei Grundwasserhandpumpen, die nicht so intensiv genutzt
    wurden. Da sie zu nah am Meer standen war das Wasser etwas salzig. Zum waschen und Zähne putzen ging
    es gerade noch. Zum Trinken und Kochen mussten alle an den Süßwasserhahn stundenlang anstellen.
    Wir wechseln uns mit dem Wasserholen ab. Meist aber stellte ich mich an der Schlange und wartete geduldig.
    Einige junge Männer wollten nicht so lange warten und drängten sich an der Stelle vor, wo sie glaubten, auf
    wenig Widerstand zu stoßen. Wenn einer sich seinen Eimer vor meinen schob, musste ich den überzeugen,
    dass ich mir es nicht tatenlos gefallen ließ. Glaubte er nicht dran, dann gab es Kloppe. Irgendwann merkten
    sie das und versuchten es nicht noch mal.