Hallo Foris,
Hallo unbekannter Nutzer,
Hallo Ben,
zunächst mal Danke an Ben und den unbekannten Nutzer, dieses Thema anzubringen. Ist sehr wichtig, auch sowas zu besprechen.
Grundsätzlich schließe ich mich den Vorrednern an, trainiert, kennt die Ausrüstung, kennt Eure Techniken, und spielt vielleicht das ein oder andere Szenario im Kopf durch.
Aber vergesst nicht: Angst ist normal. Angst ist gut. Angst hält euch am Leben. Angst zu haben, bedeutet NICHT, dass man ein Feigling ist. Woher kommt Angst? Angst ist ein Modus, mit dem der Körper auf eine Situation reagiert, die sicher oder zu erwartend eine Gefahr für sich und/oder andere Personen darstellen kann. Dafür muss es entweder etwas angeborenes sein (Angst vor Raubtieren, Schlangen etc., Sehen von Blut,...), etwas gesellschaftlich oder aus der Bildung erlerntes oder selbst durchlebtes (Unfälle, Waffen, Misserfolg bei Prüfungssituationen,...) oder eine Situation, die der Mensch nicht kennt.
Und ich denke, letzteres war am ehesten der auslösende Aspekt. Du weißt, ein Unfall ist gefährlich. Du weißt, es können Menschen verletzt sein. Du weißt, dass der Verkehr ein Risiko darstellt. Du kennst deine Ausrüstung, hast vielleicht Kurse besucht, dich im Kopf vorbereitet. Aber dann passiert etwas, was den besten Profi aus der Bahn hauen kann: Es kommt unerwartet. Jetzt auf Gleich. So, wie ich das las, war der User direkter Zeuge des Ereignisses. In diesem Moment erkennt das Bewusstsein eine Gefahr, und schaltet zunächst in die Selbsterhaltung. Der Betroffene hat das Ereignis gesehen.
Dann muss das Gehirn folgendes durchgehen: Was ist passiert? Betrifft es mich? Gefährdet es mich? Kenne ich die Gefahr? Habe ich schonmal damit zu tun gehabt? Hatte ich eine Handlungsstrategie? War die Strategie gut, oder hat sie mir geschadet? Handle ich wieder nach dieser Strategie? Oder um es kurz zu machen, denn dafür ist das Jahrtausende alte Gehirn gebaut: Kampf oder Flucht? Und diese Entscheidung muss in Sekunden fallen.
Das ist auch der Grund, warum Profis zB im Beruf distanziert und professionell handeln können, es im privaten aber bei ähnlichen Situationen zu Problemen kommen kann. Ein kurzes Erlebnis, das ich hatte: Ich, als Rettungsassistent, habe einiges erlebt. Unfälle zB. Leichte, schwere, tödliche. Nach Aufregung in den ersten Schichten wich das einer Distanz. Ich bekomme die Meldung, fahre hin, arbeite ab, gut ist. Irgendwann kam ich in den letzten Jahren insgesamt 4-5x privat an schon geschehenen Unfällen vorbei, und leistete Erste Hilfe. War auch alles kein Problem. Dann, eines Tages, ganz lapidar eigentlich: Im Supermarkt fährt ein kleines Kind mit einem Fahrrad mit Stützrädern so eine stufenlose Rolltreppe herunter, nimmt richtig Fahrt auf, und knallt wenige Meter von mir entfernt in ein Schaufenster. Durch das Geschrei des Vaters, der hinterherrannte, sah ich kurz vor dem Einschlag in der Scheibe hin. Mir ging, was mir ein wenig peinlich ist, durch den Kopf: "Was ein blödes Kind" und wie automatisiert ging ich einfach weiter. Erst nach mehreren Metern wurde mir klar: "Das ist wirklich passiert! Du musst helfen!" Dann ging es.
Ich weiß natürlich nicht, ob man das auf jeden beziehen kann. Aber seitdem weiß ich, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob man etwas selbst sieht, Zeuge ist, dadurch auch irgendwie Betroffener ist, oder ob man eine Situation von außen betritt. In dem Moment hat mein Kopf auch gesagt: Flucht! Das ist vollkommen normal.
Also fassen wir zum Thema Angst zusammen: Angst gehört dazu, ist normal, kann jeden treffen, und soll eigentlich vor Gefahren schützen. Und vergessen wir nicht: Zeugen sind oft auch Betroffene!
Und es gibt noch einen anderen Mechanismus: Die abgegebene Verantwortung! Es ist gut möglich, dass du, unbekannter User, "besser", oder sagen wir gezielter, gehandelt hättest, wärest du allein gewesen.
Es gibt Studien, die das Verhalten von Ersthelfern untersuchten. Man fand zB heraus, dass, je mehr Leute da sind, desto weniger halfen aktiv. Man präparierte am Straßenrand einen Unfall, und hielt Fahrzeuge an, die weitergefahren waren. Es stellte sich heraus, dass es zwei Mechanismen gab: Der vordere Fahrer gab die Verantwortung ab an den hinteren, und der hintere nahm sich das Verhalten des Vordermanns zum Vorbild. Übertragen auf die geschilderte Situation kann das zB bedeuten, dass der, der wie gelähmt wirkt, im Unterbewussten denkt: Vielleicht kann es der andere besser?
Lieber unbekannter User, oder auch andere in solchen Situationen: Geht nicht zu hart mit euch ins Gericht! Ihr seid Menschen, "Zivilisten". Es macht einen Unterschied, ob man zu einer Situation kommt, oder sie miterlebt.
In dem Sinne
Gruß
Avesjünger
PS: Übrigens können, das weiß man heute, auch Unfallzeugen eine PTBS oder ABR aufzeigen! Solltet Ihr oder ein Mensch den Ihr kennt mal sowas durchleben, passt auf, dass er oder sie danach nicht hilflos alleine mit dem erlebten fertig werden muss!