Auf welche Szenarien bereitet ihr euch vor?
Viele Prepper stellen sich ja einen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung vor, wo Staat und Markt völlig weggebrochen sind, möglicherweise sogar weltweit. Die Frage wie es dazu gekommen sein soll, ist dann nicht mehr so wichtig. Ich frage mich mittlerweile: Wie wahrscheinlich ist das?
Es gibt einerseits Naturkatastrophen, diese setzen aber nicht flächendeckend die öffentliche Ordnung außer Kraft. Die Folgen eines Reaktorunfalls sind je nach Bevölkerungsdichte im betroffenen Gebiet schwer vorherzusagen aber höchstwahrschl. gilt da auch: Wenn man aus dem Gefahrengebiet ist, ist man in Sicherheit und im restlichen Land ist alles mehr oder weniger wie wir es gewohnt sind, zumindest bleiben wir am Leben (Vgl. Chernobyl, Fukushima). Ich glaube selbst wenn eine Großstadt verseucht wird, bricht ein Staat nicht zusammen, erst recht nicht seine Nachbarstaaten.
Viele preppen also eher für einen Zusammenbruch, der in eine Art postapokalyptisches Szenario mündet. So etwas gab es jedoch in der ganzen (neueren) Geschichte nicht. Nicht einmal in Folge von 2 Weltkriegen und 2 riesigen Weltwirtschaftskrisen, von denen besonders die erste 1929 katastrophale soziale Folgen hatte. Letztere hat zwar den zweiten Weltkrieg mit ausgelöst aber nicht innerhalb der Länder die öffentliche Ordnung außer Kraft gesetzt oder die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern komplett lahmgelegt. Die meisten Zivilisten kamen, wenn sie nicht gerade im Krieg bombardiert wurden oder es aufgrund kriegsbedingter Umstände zeitlich und örtlich begrenzt zu Hungersnöten kam, trotzdem irgendwie über die Runden. Selbst eine Hyperinflation hat Deutschland in den 20ern ohne größere Gewaltausbrüche überlebt.
Und das alles in einer Zeit, mit wesentlich geringerem materiellen Wohlstand und technischem Niveau, bevor es riesige Rentenkassen, die UNO und alle möglichen Hilfsorganisationen gab, bevor die Staaten sehr wirtschaftlich voneinander abhängig waren (macht Krieg unter Nationen unwahrscheinlicher), bevor der Staat Notvorrat anlegte und Krisenpläne hatte und als Gewalt ein häufigeres Mittel zur Beilegung politischer Streitigkeiten war unter den Staaten wie innerhalb von ihnen.
Man hört immer: "Was passiert, wenn die Supermarktregale leer bleiben?" und denkt schnell an Szenarien, wo Massen die Supermärkte leerräumen und gewalttätig werden. Vieles davon ist durch fiktionale Erzählungen wie Filme oder Spiele beeinflusst. Es gibt sicher auch Beispiele aus der Realität aber sind Menschen bei solchem Handeln nicht viel eher von einer kurzzeitigen Angst und Massenhysterie getrieben als von der korrekten Einsicht, dass die Engpässe dauerhaft bestehen bleiben?
Ein häufiges Argument sind auch die fragilen Lieferketten, wo eine kleine Störung schon ausreichen würde, um das Endergebnis der vollen Regale zu gefährden. Aber würden die Menschen wirklich aufhören Lebensmittel zu produzieren und zu verteilen, wenn die Versorgung in Gefahr ist oder würden sie nicht viel mehr all ihre Arbeitskraft auf dieses Grundbedürfnis konzentrieren? Ist dies nicht der Grund, weshalb auch in Kriegen für die Zivilbevölkerung zwar Engpässe geherrscht haben mögen, selten aber Hungersnöte? Und könnten wir uns auf diese lokale Lebensmittelproduktion (die Bauernhöfe, Maschinen, das know-how usw. verschwinden ja nicht und ich glaube auch ohne Treibstoff kann man mit genug Menschen noch anbauen und Nutztier halten) nicht auch in zukünftigen Krisen zumindest teilweise verlassen? Je nach Szenario gäbe es vll. keine Importe aus dem Ausland mehr aber direkt sterben würden wir nicht, wenn es keine Südfrüchte mehr gäbe.
Wenn nun doch ein schrecklicher Krieg kommt oder eine Krise, die alles vergangene übersteigt, die weltweite Ordnung zusammenbricht, die Flucht in andere Länder also ausgeschlossen ist, dann wird es wohl eher sehr lange dauern, bis wieder Ordnung einkehrt. Können wir das alles dann wirklich mit einigen Vorräten zuhause aussitzen oder mit allem was in ein Auto oder einen Rucksack passt irgendwo in der Natur?
Es ist schwer sich auf so etwas vorzubereiten wie es generell schwer ist hier Prognosen zu machen. Vll. habe ich auch unrecht, ein Krise mittleren Ausmaßes kommt (z.B. nach 6-12 Monaten totaler Versorgungskrise kommt man wieder leichter an Grundnahrungsmittel) und ein bisschen mehr Prepping hätte mich am Ende schon über den Berg gebracht. Aber ich denke mir folgendes: Wenn eine kleine oder mittelmäßige Krise kommt, wird die Versorgung durch Markt und Staat nicht direkt gänzlich zusammenbrechen (ich sehe dafür einfach keine Anhaltspunkte in der Geschichte), wenn dies doch geschieht in einem quasi noch nie dagewesenen Szenario ist das bisschen Vorsorge, das man als Einzelner Treffen kann, wahrscheinlich ohnehin extrem unzureichend.
Ich bin mir noch nicht sicher, was für mich die Konsequenz aus dieser Einsicht sein soll. Vll. eher zur Ergänzung von Engpässen in einer Krise preppen, die keinen kompletten Wegfall der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln verursacht, (also vll. eher Tauschmittel statt Nahrung bevorraten) und sich Nahrungsmittel-mäßig maximal auf schnell vorübergehende Engpässe vorbereiten, wie es das Ministerium auch empfiehlt. Und ansonsten im Falle regional begrenzter Unruhen oder eines (Bürger)krieges eher eine Flucht in ein anderes Land oder in weniger besiedelte Gebiete in Erwägung ziehen. Also Bargeld bereit halten, ein geeignetes Fahrzeug, evtl. geeignete Orte ins Auge fassen. Wobei schwer vorherzusehen ist, ob der favorisierte Ort im Ernstfall nicht auch unsicher ist. Außerdem wäre eine Eigentumswohnung in der Schweiz oder in Kanada nur fürs Prepping für mich persönlich nicht erschwinglich.
Ich stelle mir wie ihr seht Grundsatzfragen zu meinem Prepping-Konzept. Ich habe gemerkt, wie ich einen blinden Fleck habe, wie mir das preppen und horten (Sammeltrieb) Freude bringt, ich mich eher davon leiten lasse und mir irgendwelche Szenarien unter Ausblendung ungemütlicher Tatsachen zurechtbiege (bis hin zu einer romantischen Vorstellung der Krise), um das zu rechtfertigen, ohne mich wirklich zu fragen, wie wahrscheinlich das alles denn im Gesamtbild ist. Klar, den schwarzen Schwan gibt es immer und da niemand hellsehen kann bleibt nur das Wahrscheinlichkeiten abwägen auf Grundlage von Analysen in der Gegenwart und Vergangenheit. Aber wenn alles oben dargestellte stimmt, finde ich die Wahrscheinlichkeit, dass das, was ich bisher gemacht habe, mir wirklich hilft, eher gering und ich investiere mein Geld lieber anders.
Zu guter letzt möchte ich nicht Leuten auf den Leim gehen, die mit der Angst vor der Krise ihr Geld machen oder Verschwörungstheoretikern, die ihre Behauptungen nicht zu Ende denken. Ich denke es würde uns Preppern gut tun, da öfter kritisch nachzufragen und zu diskutieren, welche Szenarien tatsächlich wie wahrscheinlich sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Nicht immer mit unseren Überlegungen da anzufangen, wo Staat, Markt, gesellschaftliche Solidarität, Kreativität und Arbeitsteilung gänzlich weggebrochen sind und jeder auf sich alleine oder eine vorher bestimmte Gruppe gestellt ist.
Ich finde wir sollten ein bisschen davon abrücken, uns nur auf Methoden und Techniken zu konzentrieren (auch wenn das natürlich mehr Spaß macht als stundenlanges grübeln und recherchieren) und Fälle zu konstruieren, in denen diese nützlich sein könnten, bevor wir Prioritäten anhand der Wahrscheinlichkeiten gesetzt haben.