Wenn alle gleichzeitig losfahren?

  • Hallo,


    ich glaube, manchmal überschätzen wir unseren "Preppervorteil". Auch ein Prepper wird sich schwer tun, weitreichende Entscheidungen mit kühlem Kopf und lange genug vor der Masse zu treffen. Es liegt nunmal in der Natur des Menschen, zunächst an "das Gute" zu glauben und sich so lange wie möglich an eine Hoffnung zu klammern. Hätte der Mensch einen ausgeprägteren Fluchttrieb, wären in der Geschichte sicherlich einige Tragödien ausgeblieben (Deportationen, Vertreibungen etc.). Der Mensch in der Masse scheint aber dazu zu neigen, länger als es ihm guttut, an eine Normalität zu glauben und ausharren zu wollen. Er lernt erst hinterher daraus, dass es besser gewesen wäre, abzuhauen. Darüber sollte man sich auch als "Prepper" im Klaren sein.


    Ich halte es für den mit Abstand schwierigsten Aspekt der ganzen Prepperei, zu erkennen, "wann die Zeit gekommen ist, abzuhauen". Egal wobei: Krieg/Unruhen, Naturkatstrophen, Technik-GAU.
    Es fängt ja schon mit ganz banalen Dingen an: muss ich Urlaub nehmen, wenn der Reaktor überkocht? Was wird mit Haus und Hof, wenn ich auf unbestimmte Zeit nicht mehr zurückkehren kann. Kann ich wirklich spontan an meinem irgendwann mal in der Theorie ausgewählten "sicheren Ort" umsiedeln? Mit Mann und Maus. Wenn der "SO" nicht 100% mir gehört und tatsächlich sofort und auf Dauer nutzbar ist, habe ich ein Problem. Und wenn es nur ist, die Schwiegereltern davon zu überzeugen, "dass wir ab morgen bis auf weiteres bei euch wohnen". Man hat auf einmal nicht mehr die Entscheidungshoheit, sondern wird zum Bittsteller. Vielleicht sehen es die "SO"-Bewohner, die schon dort sind, bei weitem nicht so, wie der anreisende Prepper. Kann durchaus sein. Was dann? Sich mit Gewalt einquartieren und den Bruch mit der Familie riskieren, inkl. polizeilicher Massnahmen?


    Zum Transportmittel bei einer Flucht: nur zu Fuss ist IMO die denkbar schlechteste Variante. Man schafft keine Distanz und man setzt jeden Einzelnen einem sehr hohen individuellen Risiko aus, das für die Gruppe noch weiter anwächst, sobald ein Mitglied z.B. gesundheitliche Probleme aufgrund der Strapazen bekommt. Das gefährdet dann die ganze Truppe (Marschgeschwindigkeit bricht auf einen Bruchteil ein, wenn man einen odere mehrere aus der Gruppe hat, den man tragen o.ä. muss). Und auch schon im Normalfall muss man sich am schwächsten der Gruppe orientieren, kann also nicht so schnell vorankommen, wie es evtl. möglich wäre. Deshalb ist bei uns im Fall einer absehbaren Flucht die Zu-Fuss-Variante das allerletzte Mittel. Es taugt eher dazu, sich aus einer unmittelbaren Gefährdung abzusetzen und wenn ein paar Kilometer Distanz letzlich ausreichen (bei einem Deichbruch nach Hochwasser z.B.).


    Bedingt durch die heutige Lebenswelt (alle hochmobil und berufstätig), ist die erste Herausforderung nach dem Erkennen einer "Flucht-Lage", das Zusammenführen der eigenen Gruppe. In unserem Fall sind die nächsten Familienmitglieder im Umkreis von 30-40km um unseren Wohnort verteilt, teils weil sie dort wohnen (Eltern), dort arbeiten oder einer Ausbildung nachgehen. Wenn es schnell gehen muss, wird man die Gruppe nichteinmal mehr zuhause sammeln können, um gemeinsam abzureisen. Sondern man muss über die verteilten Standorte kommunizieren können, ggf. einzelne überhaupt erst vom Ernst der lage überzeugen müssen und ggf. muss man sie einsammeln (sofern nicht selber mobil genug) und dann muss man einen für alle erreichbaren Sammelpunkt haben. Aus rein praktischen Gründen (AKW Fallout-Wolke) sollte man Sammelpunkte in jeder Himmelsrichtung haben, die alle Gruppenmitglieder auch finden können.´D.h. in der Praxis dürfte eine Flucht wesentlich komplexer sein, viel mehr Kommunikation und dummerweise auch ziemlich viel Such- und Einsammel-Verkehr mit sich bringen, als man sich das theoretisch so vorstellt: "An alle, es geht los: wir treffen uns am SO. Viel Glück." so wird es nicht funktionieren. Und schon steckt man mittendrin im Schlammassel, muss ggf. gegen flüchtende Massen ankämpfen oder kann den SO nicht direkt sondern nur über diverse Umwege (Sammelpunkte, Stauumfahrungen, Sperrgebietsvermeidung, Falloutvermeidung) und mit viel mehr Zeit- und Kilometeraufwand erreichen, als man gedacht hat.


    Deshalb kann ich nur dazu raten, alle in Frage kommenden Gruppenmitglieder und ihre Fluchtmittel (Fahrzeuge) nach und nach entsprechend vorzubereiten. Ein Anfang ist z.B., wenn man jedes Auto, das in der Gruppe vorhanden ist, mit einer Mindestausstattung ausrüstet: Reservekraftstoff, haltbare Verpflegung, Trinkwasser, Kommunikationsmittel(Funk), Strassenatlas, Bargeld, einfache Bergeausrüstung (Schaufel, Schneeketten, Säge, Abschleppseil, Taschenlampe) und ein zwei Wolldecken. Hat man das erreicht, dann hat man schon einen strategischen Vorteil. Weil man mit jedem Fahrzeug "schon mal losfahren kann" und mindestens 100km Reichweite hat, um aus der Gefahrenzone zu kommen.


    Je nach dem, wie sich die Gefahrenlage darstellt, hat man evtl. auch die Möglichkeit, einen Teil seines Hab&Guts mitzunehmen. Das sollte man auch mal durchspielen ("Was nehme ich mit und wie transportiere ich es?").



    Grüsse


    Tom