Technik vergangener Zeiten

  • Nachdem ich bei meiner Neulingsvorstellung mehrmals darauf angesprochen wurde, wie ein Reenactor verschiedene Dinge lösen würde, fange ich jetzt mal mit Erfahrungsberichten an.
    Mein erstes Thema ist das Rindenpech.
    Es gibt hier im Forum bereits einen Beitrag zum Thema Birkenpech, jedoch kenne ich verschiedene andere Pechsorten mit anderen Anwendungsbereichen.
    Weil das Teilweise schon bekannt ist, beginne ich mit Birkenpech: Die Herstellung wurde schon beschrieben, deshalb nur ein kurzer Überblick: Birkenrinde wird unter Luftabschluss verkohlt und trägt als Reaktionsmasse Holzessig und Pech aus. Ich meine wirklich Luftabschluss. Verschiedene Verfahren erfordern laut vorangehender Beschreibung das Ausgasen von Behältern. Das ist nach meiner Erfahrung nur notwendig, wenn der Reaktionsbehälter kleiner als einen halben Liter ausfällt.
    Ich habe mehrere Jahre Birkenpech mit folgendem Aufbau hergestellt: Ein Gefäss mit etwa 5 Ltr Inhalt gefüllt mit Birkenrinde (etwa 350 Gramm), aufgestülpt auf ein kleineres Gefäss (etwa 0,5 Ltr ) abgedichtet durch Tonschlamm (das grosse auf dem kleinen, das als Auffangbehälter dient).
    Diesen Aufbau setzt man in eine Feuerstelle und entfacht ein Feuer. Ein recht grosses, das die Behälter vollständig einfasst.
    Nachdem der Aufbau allseitig etwa 90 Minuten erhitzt wurde lässt man den Aufbau erkalten und wartet etwa 3 Stunden (sonst verbrennt man sich die Finger). Dann entnimmt man die Behälter und trennt sie. Der Auffangbehälter sollte nun etwa mit 20 bis 25 Gramm Birkenpech gefüllt sein.
    Etwaige Verunreigungen durch Asche können meist vernachlässigt werden.
    Voila, man hat Birkenpech gemacht.
    Jetzt hab ich das Zeug, was fange ich damit an?
    Nun ja, es ist ein Thermokleber, was meint, dass man nach Erwärmung der Masse alles mögliche damit Kleben kann.
    Zum Beispiel: Flintklingen an Griffe kleben ( das werde ich noch erläutern)
    Vorratsbehälter sicher verschliessen ( Kork und Pech, Holzpfriem und Pech)
    Schiffsplanken kalfatern
    Tauwerk von Notünterkünften Wassersicher machen
    Leder imprägnieren
    Schuhsohlen ankleben und Nähte wasserdicht machen
    Wasserleitungen abdichten
    Grundpfähle von wassernahen Gebäuden bearbeiten
    Eine wasserdichte Schicht auf Walkloden auftragen (das ist eine sehr experimentalarchäologische Sache)
    Eitrige Wunden verschliessen
    Es gibt da wahrscheinlich noch mehr Anwendungsgebiete, die mir jetzt gerade nicht einfallen, ich werde da noch etwas nachforschen.
    Ansonsten: Rosebud


    Bald mehr!

  • Das nächste, was mir dazu einfällt ist Nadelpech: Pech aus Tannen- und Fichtenrinde.
    Der Aufbau zur Herstellung ist der selbe, den ich zur Birkenpechgewinnung einsetzte: ein grosser Behälter mit der Reaktionsmasse gefüllt, ein kleinerer zum Auffang des Erzeugnis.
    Pech aus Tannen- oder Fichtenrinde hat eine höhere Viskosität, ist also unter geringeren Temperaturen verarbeitbar (etwa 85 Grad C) hat jedoch eine wesentlich geringere Spannungsfähigkeit, was meint, es reisst unter extremen Temperaturschwankungen.
    Eine Fausformel kann hier sein: je dichter und schwerer das Holz, desto strapazierfähiger das Pech aus der Rinde.
    Tannenpech eignet sich, aufgrund meiner Erfahrung, besonds für das Abdichten von Leitungen (leicht zu ersetzen) und das ausstreichen von Bootskörpern in Binnengewässern (die in in ständigem Wechsel von Nass zu Trocken behandelt werden).

  • Hallo Holzweber,


    recht schönen Dank für diese interessante Beiträge.


    Ich habe eine Verständnisfrage: Der Behälter, der die Rinde enthält - wie muss ich mir den vorstellen? Als "Dose" mit Loch unten, damit das Pech unten abfließen kann?


    VG qittatun

  • Eigentlich ja.
    Ich habe bis jetzt einen grossen Tontopf verwandt, ähnlich einer Amphore- ein bauchiges Gefäss mit einer kleinen Öffnung. Der Behälter steht auf dem Kopf, oder besser, er sitzt auf dem Auffanggefäss (upside down).
    Um Verunreinigungen zu vermeiden( das habe ich noch nicht beschrieben) setzt man ein Holzbrett(möglichst trocken) zwischen Rindenpacket und Auffang.

  • Erst mal danke. Und schon wieder blockiert der Holzkopp. Holzbrett dazwischen? Hä? Wie läuft dann das Pech in den unteren Behälter?

  • Um das mal so präzise wie möglich zu beschreiben: der obere Behälter ist recht gross, im Idealfall 5 mal so gross wie der Auffangbehälter (oder größer, das Holzessigvolumen muß auch irgendwo hin)
    Er sitzt dimensional über dem Auffangbehälter.
    Der Aufbau ist Luftdicht (durch Tonschlammdichtung oder auch neumodische Verdichtung( Teer, Hyperthermaler Gummi oder metallfluidum))
    Der Auffangbehälter liegt im energetisch kühlsten Bereich( also unten) und fängt die Reaktionsmasse auf.
    Der Gesamtaufbau muss in der der Reaktionsphase wärmer als 450* C sein. Über etwa 20 min.
    Erst dann ist ein verwendbares Ergebnis zu erwarten.
    Jedoch empfielt es sich, die Aufbauzeit über 60 min aufrecht zu erhalten- gut Ding will weile haben

  • @ quittatun: Geduld ist eine Tugend, auch wenn die neuerdings nicht so gefragt scheint.

  • Gut, das habe ich verstanden. Nur das mit dem Holzbrettchen nicht. Aber vielleicht belohnt mich meine Geduld :--)
    Danke!

  • Oh, das ist ganz einfach: ein Teil der Rinde verhohlt und zerfällt in Koksstücke, die will ich aber nicht in meinem Pech haben.
    Also setze ich zwischen Reaktionsteil (oberer Behälter) und Auffang eine Feststoffsperre, in diesem Fall in trockenes Hartholzstück. Das hält den Rindenkoks oben und mir fällt kein ungewolltes Zeug in das Pech- man braucht ein wenig Übung, um zu wissen, wie man das Brett da reinklemmt, ohne den Pechfluss zu stören, aber das hat man nach 2 oder 3 mal Pechkochen raus. Man sollte sich immer nach der Faserrichtung des Hartholzes richten, dann etwa 20* neigen, das macht die wenigsten Probleme.
    Wenn dann noch was klemmt, einfach länger kochen lassen.
    Gut Ding und Weile...

  • Hallo Holzweber hast du vielleicht eine Aufbau Zeichnung ?
    Wo bekommt man solchen Tontöpfe her ?
    Kann man auch Stahltöpfe verwenden ?
    Vielen Dank!!!

  • Man kann so ziemlich alles verwenden, das entscheidende ist der Luftabschluss, damit die ganze Sache nicht verbrennt.
    Mein "Gerätesatz" besteht aus einer schlechten Amphorenkopie und der Bonbondose meiner Oma, ein Kumpel in Bremen benutzt eine olle Milchkanne und nen Kochtopf.
    Hier der Link zeigt ein super Verfahren mit Metallbehältern:
    http://www.feuer-steinzeit.de/programm/pech.php

  • Hab in letzter Zeit nichts geschrieben, weil ich viel Arbeit zu tun hatte und zuhaus renoviert habe. Ich hab zwar immer noch keinen Kühlschrank, Backofen, Einbauherd und ich denke, darauf werde ich auch weiterhin verzichten, was ich aber geschafft habe, ist mir wieder einen Brettchenwebrahmen zu bauen- juhu!
    Wer Brettchenborte nicht kennt siehe hier



    http://de.wikipedia.org/wiki/Brettchenweben


    nach.
    Warum freut mich das so?
    Zuerst einmal ist weben für mich eine entspannende Tätigkeit und es kommt auch noch was Brauchbares dabei raus.
    Borte lässt sich für vielerlei praktische Zwecke verwenden: als Trage- und Zugriemen, Gürtel, Flicken, Schnürsenkel und einen Haufen anderer Dinge.
    Meistens jedoch verwendet man sie als verzierenden Saumabschluss an Kleidungsstücken, wie hunderte Generationen zuvor.
    Für mich ist es sehr befriedigend, etwas herzustellen, was nützlich ist und auch noch gut aussieht (zumindest für mein ästhetisches Empfinden).
    Wenn ich demnächst mal eine Kamera organisieren kann, zeige ich Euch auch etwas von dem, was ich gemacht habe.