Kälteidiotie

Beschreibung

Bei erfrierenden Menschen kann man ein Verhalten beobachten, welches "paradoxes Entkleiden" oder auch "Kälteidiotie" genannt wird. Ab einer Körpertemperatur von unter 32°C beginnen diese Personen oft eine extreme Wärme zu verspüren, welche den Zwang in ihnen auslöst sich entkleiden zu müssen. Dies ist in der gegenwärtigen Situation kontraproduktiv und führt zu einem noch schnelleren Auskühlen des Körpers und zum raschen Eintritt des Todes durch Hypothermie.


Dieses Verhalten ist bei etwa 20 bis 50% von Erfrierenden zu beobachten und kann aufgrund der unbekleideten Auffinde-Situation auch zur falschen Annahme führen, dass es sich um Opfer von sexuellem Missbrauch handelt. Besonders dann, wenn jemand im innerstädtischen Bereich aufgefunden wird und nicht bei einer Bergwanderung.


Das paradoxe Verhalten kann sich aber auch dadurch zeigen, dass eine Person von Rettern in einen warmen Raum gebracht wird und aufgrund des starken Hitzeempfindens versucht den Raum zu verlassen und wieder in die Kälte zu gelangen.

Hintergrund

Sinkt die Temperatur des menschlichen Körpers zu weit ab, reguliert der Körper den Blutfluss weg von den Extremitäten und versorgt vornehmlich die inneren Organe, den Körperkern, um diese zu schützen. Die Extremitäten wie Arme und Beine, aber auch Nase und Ohren werden somit nicht mehr im erforderlichen Ausmaß mit Blut versorgt und es treten Erfrierungen auf. Sinkt die Körpertemperatur auf unter 32°C weiten sich die Blutgefäße in den Extremitäten wieder und sorgen bei den Betroffenen für ein plötzliches Gefühl großer Hitze. Deshalb versuchen diese Personen durch Entkleiden die vermeintlich erhöhte Körpertemperatur wieder zu regulieren.


Man vermutet, dass dieses Verhalten mit einer kälteinduzierten Fehlfunktion des Hypothalamus zusammenhängt, welcher falsche Signale an den Körper aussendet. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass die Muskeln, welche die Blutzufuhr zu den Extremitäten unterbinden bei zu geringer Temperatur "erschöpft sind" und die Blockade des Blutflusses nicht mehr aufrechterhalten können, wodurch das kalte Blut aus Armen und Beinen zum Körperkern zurückfließt.

Prävention und Soforthilfe

Wird man Zeuge eines solchen Verhaltens, sollte man die Person möglichst rasch aus der Gefahrenlage bringen und Hilfe rufen. Hierbei darauf achten die Person möglichst wenig zu bewegen, um einen Afterdrop und somit Bergungstod zu vermeiden. Dies gelingt beispielsweise durch Errichten eins Notbiwaks über dem am Boden liegenden Verletzten. Es gilt zu vermeiden, dass das kalte Blut aus den Extremitäten wieder zum Körperkern fließt. Grundsätzlich sind Hypothermie-Opfer immer von der Körpermitte langsam zu erwärmen, zum Beispiel durch chemische Wärmekissen auf Bauch und Brust (sogenannte Hibler-Wärmepackung) und der Zuführung von warmen, nicht zu heißen, Flüssigkeiten.

Quellen