Wochenende unter Globetrottern

  • Hallo,


    wir waren vergangenes Wochenende endlich mal wieder beim "Willy-Treffen", dem grössten Fernreise-Mobil-Treffen in Europa, benannt nach seinem (2009 mit 84 Jahren verstorbenen) Initiator Willy Janssen, einem engen Freund von Rüdiger Nehberg übrigens. Das Treffen findet jährlich am letzten Augustwochenende statt, seit nun 33 Jahren. Seit diesem Jahr auf dem Kuhberg bei Bad Kreuznach, nachdem das vorherige Gelände, das Fort in Mendig schlicht zu klein wurde. Dieses mal kamen gut 700 (siebenhundert) Fernreisemobile unterschiedlichster Art zusammen mit geschätzt 2.000 Teilnehmern.
    Dabei ist die unter Globetrottern verpönte "Weissware" glücklicherweise kaum vertreten, dafür konnte man zig Magirusse, Mercedes-Kurzhauber, Hanomags, MANs, IVECOS, Unimogs, Syncro-Bullis, Buschtaxis, Landrover etc. pp. bestaunen.
    Gleichzeitig finden auf dem Willy-Treffen diverse Workshops statt, vom Axt-Werfen, Bogenschiessen, Hochseil-Klettergarten, es gab einen "Nacht-Schmiede"-Workshop und man konnte tagsüber beim Schmied seine Messer, Äxte etc. fachgerecht schärfen lassen oder gleich zigfach gefaltete Damaszener-Klingen erwerben. Abends gab es Reisevorträge. Das Treffen ist auch immer ein gigantischer Flohmarkt für Outdoor- und Allrad-LKW-Teile, jeder hat nen Tisch oder ne Plane vor dem Laster und bietet seine Überbestände an, ergänzt durch ein paar kommerzielle Armee-Teile-Händler, wo man vom Kochgeschirr über Feldbetten, Fahrzeugteilen, technischen Dienstvorschriften bis hin zum Stromerzeuger viele nützliche Dinge erwerben konnte.


    Neben der Atmosphäre des Treffens und der wohl unvergleichlichen Dichte an Allrad-LKWs auf einem Fleck ist das Willy-Treffen auch ein gigantischer Marktplatz der Erfahrungen, die in zahllosen Gesprächen ausgetauscht werden: welcher Kocher hat sich wo bewährt, welcher Schlafsack, welche Schuhe - all das erfährt man aus erster Hand von den Leuten, die auf eigene Faust die hintersten Winkel der Erde bereisen. Viele Willy-Teilnehmer leben ihren Traum, haben Haus und Hof verkauft oder vermietet und sind seit Jahren globetrottend unterwegs und kommen nur zur Zeit des Willy-Treffens für ein zwei Wochen zurück nach Deutschland bzw. planen ihrer Touren so, dass sie beim Treffen enden und nach dem Treffen zur nächsten Tour aufbrechen.


    Was hat das in einem S&P-Forum verloren?


    Diese Globetrotter leben sehr selbständig und weitgehend autark. Ihre Laster sind so ausgestattet, dass sie überall auf der Welt spontan bleiben und leben können, so lange sie wollen. Noch wichtiger ist aber die überwiegend anzutreffende mentale Einstellung, dass es nicht viel zum glücklichen Leben braucht und die Fähigkeit, sich selber helfen zu können, dazu lernen zu wollen und auf wichtigen Gebieten zum Generalist zu werden.


    Wir sind durch unsere mehrfachen Sahara-Touren seit 2001 mit unserem Ex-BW-Unimog ein wenig in die Globetrotter-Szene hineingerutscht, vielleicht schaffen wir auch eines Tages den "Absprung" und sind dann auch mal für länger weg...


    Für uns war das 4-Tage-Wochenende auch ein erster Test unseres neu eingerichteten Shelters, der uns als mobile Behausung auf unserm Unimog dient. Es hat sich gezeigt, dass es durchaus möglich ist, alles, was 2 Erwachsene und 1 Kind brauchen auf den 5qm "Wohnfläche" der ehemaligen Funkkabine unterzubringen:


    • abgetrennter Bereich fürs Kind ("Kinderzimmer" 70x190cm, 80cm hoch)
    • festes Bett 70x190cm, das zum Doppelbett 140x190cm ausgezogen werden kann
    • Sitzgruppe für 3 Personen, die auch benutzt werden kann, wenn ein Bett belegt ist
    • Küche, eher Pantry wie in einer Segelyacht (60x0cm) mit Spülbecken, Gaskocher und Kompressorkühlbox
    • richtiges (Kassetten-)WC mit Wasserspülung
    • genügend Staufächer für Kleidung, persönliche Dinge, Spielsachen, Lebensmittel, Getränke etc.
    • frostsicher im Innenraum montierter 100l-Frischwassertank
    • leistungsstarke Druckpumpe mit nachgeschaltetem Katadyn-Trinkwasserfilter
    • integrierter 30l-Abwasserkanister für Spül-/Waschbecken (ermöglicht "diskretes" campen ohne Spuren)
    • eigene Stromversorgung 24V DC mit 115 Ah Batteriekapazität
    • Batterieladung durch Solarmodul auf dem Dach oder von der LKW-LiMa oder vom Landstromanschluss 230V
    • mobiles Büro mit Notebook mit 24V-Netzteil, Drucker, UMTS-Stick und WLAN-Richtantenne
    • Weltempfänger (Grundig Yachtboy 400), Autoradio mit MP3
    • Bordapotheke, die je nach Tour von Erste-Hilfe-Kasten-Niveau bis First-Responder-Rucksack variieren kann
    • Werkzeuge und Ersatzteile
    • pistenfester Stauraum für 7 Stück 20l-Kanister (Diesel oder Wasser) im Shelter


    Im Praxistest durchgefallen waren einige Ecken und Kanten, an denen man sich stossen kann, wenn man zu dritt auf so engem Raum umherwuselt. Dann begann das gebraucht erworbene Kassetten-WC zu tropfen (gottseidank nur der Spülwassertank...): ein unerkannter Frostschaden, den der Vorbesitzer des WC verschwiegen hatte :verärgert: Naja, Ersatzteile sind bestellt. Da ich die Bordelektrik zum Termin nicht mehr ganz fertig bekam, musste ich bei der Solaranlage etwas improvisieren und betrieb im Stand provisorisch nur vier 30-Watt-Module, die lose und flach auf dem Dach des Shelters lagen. Die lieferten am durchwachsenen Wochenende tagsüber zwischen 1 und 3 ins 24V-Netz, im Schnitt waren es 2 tagsüber, bei 8 Stunden Sonne bzw. Helligkeit. Das liefert mir ganz gute Anhaltspunkte, welche Werte ich dann mit den demnächst montierten 400Wp Modulleistung statt der nun getesteten 120Wp erwarten kann, nämlich zwischen 3 und 10 Ladestrom bzw. 6,6 im Schnitt bei "durchschnittlichem Wetter". Das wären dann bei 8h knapp 1,3kWh "Ernte" pro Tag oder 53 Ah Ladung im 24V-System.


    Auf der Fahrt verlor unser Unimog sein Auspuff-Endrohr (zuhause hatte ich noch ein neues) und nach der Rückkehr stellte ich eine durchgescheuerte Druckluftleitung aus Polyamid fest, die den Bremsdruck ans Armaturenbrett "meldet". Auch da ist Ersatz unterwegs (TÜV-zugelassene Schnellsteckverbinder für NFZ-Bremsanlagen und ein Bund PA-Rohrleitung in der exotischen 11mm-Dimension des Militär-Unimogs) und wird künftig die Ersatzteilkiste bereichern.


    Noch ein paar Ergänzungen zur Ausstattung unseres Fernreisemobils:


    Fürs Leben draussen sind an Bord:

    • Biertischgarnitur
    • Sonnensegel u. div. Planen, Aufstellstangen, Abspannschnüre
    • Faltstühle, Falttisch
    • Aussendusche (Duschbrause, die aussen angestöpselt werden kann und vom Frischwassertank gespeist wird)
    • ein Grill :), genügend Grillkohle
    • von innen schaltbare Aussenbeleuchtung (10W-LED-Fluter) wahlweise über Bewegungsmelder
    • starke 24V-Tauchpumpe, Kabel und Schlauch zum Wasserfassen aus Bächen und Flüssen


    Am Fahrgestell bzw. im Fahrerhaus untergebracht:


    • BW-Schanzzeug: Spaten, Spitzhacke, Bügelsäge, Klauenbeil, Bolzenschneider
    • Bergeausrüstung: Sandbleche, Greifzug, Bergegurte, Sandschaufeln, Abschleppstange, Wagenheber
    • Schmierstoffkiste, Wartungskiste, Ersatzteilkiste, Druckluftkiste, Werkzeugkoffer und Rolltasche
    • Reservekanister 2x 20l Diesel
    • Reserverad
    • Notfallrucksack (im Fahrerhaus) mit Notverpflegung, Sat-Handy, Solarfaltmodul, Trinkwasser, Verbandszeug, und Landkarten


    Man sieht, an einem Globetrotter-Fahrzeug kann man(n) sich S&P-mässig vollkommen austoben :face_with_rolling_eyes:


    Die Anfahrt zum Willytreffen war 90% Autobahn, wenns ging mit Tempo 90, Gesamt-Schnitt war 75km/h, insgesamt 520km mit 90l Dieselverbrauch. Das macht 17,3l auf 100km, was für einen 28jahre alten 6,5t-Unimog mit 130PS-Saugmotor und grobstolliger Bereifung und ohne jegliche Windschlüpfrigkeit kein schlechter Wert ist. Bei 160l Tankinhalt und 40l Reserve ergibt das eine Reichweite von über 1.100km, mit 140l in Kanistern im Shelter kommen nochmal 800km dazu. Damit wäre eine "Fluchtreichweite" von 1.900km ohne Tankstopp erzielbar.


    Noch eine Anmerkung zu meinem "Spritfresser": natürlich sind Verbräuche von 17 Litern nicht mehr zeitgemäss, schon gar nicht für ein "Freizeit"-Fahrzeug. Zur Verteidigung muss ich aber die generell geringe tatsächliche Fahrleistung solcher Hobby-LKW anführen. Unsern Unimog z.B. hab ich zuletzt 2009 vollgetankt und bin bis letzte Woche seither gerade mal 300km damit gefahren, d.h. weniger als 100km pro Jahr. Dieses Jahr das Globetrotter-Treffen und im Herbst noch mal eine Wochenendtour, dann wird wieder mit Winterdiesel randvoll aufgetankt und der Unimog in den Winterschlaf geschickt. So ist das Fahrzeug immer "einsatzbereit" und der Tank rostet nicht, was bei nur teilgefülltem Tank durch Kondenswasser passieren kann. Vier Jahre alter Winterdiesel aus 2009 fährt sich übrigens problemlos im LKW - soviel zur Lagerfähigkeit von Diesel.


    Grüsse


    Tom

  • Ich finde diese Fahrten durch Rumänien, Ungarn und co nur zu Interessant, nur leider gibts zuwenig videos / serien davon oder ich finde sie nie :)
    Würde sowas auch gerne mal machen, ist natürlich sehr interessant mit der riesen Reichweite für uns alle, allerdings wäre da in meinen Augen fast ein BMW F600GS Umbau mit größerem Tank + Alukoffern links rechts mitte interessanter da 4,5-5,5L Spritverbrauch und das mit bis zu 50L tankinhalt ( in die ALU koffer könnte man ja auch Sprit einfüllen, zumindest links rechts einen Kanister^^ )für ein 2 Personenhaushalt super genial; besser noch wenn 2 von den Maschinen vorhanden sind und beide Elternteile fahren dürfen, so könnte man mit 4 Personen " preiswert " flexibel weg, auch bei unwegsamen gelände und wenns mal sehr schmal wird ( vielleicht über kleinere Waldwege... )


    Lieben Gruß


    Prydae

  • na so was wäre für mich auch spannend, schliesslich hatte ich mir in den 80gern nen mezedes-hanomag, selber ausgebaut, und über den tüv gebracht... das war ein paradies für mich,
    da ich auch vieles selber machen konnte...immer mit hund, obercool.....


    und ich als zwerg hatte stehhöhe, durchs dach...und funk drinne, bekam mal eben ne einladung zum kaffee, mitten in der pampa..cool..


    und sogar mit einem wiskas auspuff gefahren....alter schraubertrick für einen defekten auspuff


    heute mit meinem jetztigem wissensstand....ein grosser traum.......


    welch eine bereicherung land und leute kennenzulernen.....


    find ich echt cool....wenns einem gefällt, einfach stehen bleiben, es war teilweise knochenarbeit,
    aber da bekam ich aber viel mit.


    lg urban-rolli

    Auch eine Reise von tausend Meilen fängt mit dem ersten Schritt an. (sprichwort,china)


    Anmerkung der Administration: Aufgrund besonderer Umstände darf diese Fori die allgemein gültige Rechtschreibung ausser Kraft setzen!!!