... man in Hochwassergefährdeten Gebieten wohnt?

  • Hallo zusammen


    O.K. wir haben jetzt schon sehr viele gute Tipps, Hinweise, Anmerkungen ..........., und sonstiges.


    Kann sein, dass ich in der Flut der "guten Tipps" einiges überlesen habe.


    Ich sehe es so!


    Allen die betroffen sind wünsche ich alles Gute, dass alles möglichst ohne grossen Verluste vorbei gehen soll!!!!


    Aber einiges ist in der Tat von Menschenhand gemacht ........, JA das ist so! Denn viele Überschwemmungsbebiete sind der Natur abgetrotzt worden. Die Menschen bauen in diesen Regionen und sind dann erstaunt wenn die Natur ihr Gebiet wieder einfordert.
    Das ist kein Vorwurf an irgend ein Land das ist überall so ......! Beispiele lassen sich genügend finden.


    Das Thema freiwillige Helfer ist sehr brisant, denn das habe ich vor 20 Jahren erlebt. Ich war in einer Bereitschaftskompanie und wurde hier hin beordert:


    Brig 1993


    Es wurden im Radio Aufrufe geschaltet, dass freiwillige Helfer gesucht werden. Das muss aus einer Laune eines Radiomannes geschehen sein.


    Was ist passiert?


    Die Loyalität in der Bevölkerung war natürlich gross ...., ganze Heerscharen kamen um zu helfen. Was aber an der Logistik scheiterte.


    Denn hunderte Leute müssen verpflegt werden, müssen eine Unterkunft haben, müssen Sanitäre Anlagen haben ...... etc!


    Und dass es was bringt müssen sie geführt werden, das scheiterte aber daran dass sich ein Zivilist nicht wirklich von Armeeangehörigen führen lässt.


    Das führte dazu, dass der Dreck von den Zivilisten von einem Haufen auf den anderen geschippt wurde. :staun:


    Nicht wirklich zielführend.


    Das führte so weit, dass der Radiofritze dazu genötigt wurde am Radio zu senden, dass keine weitere Hilfe mehr nötig sei.


    Gut das war vielleicht ein Einzelfall ........., anderswo klappt es vielleicht besser.


    Nichts desto trotz ........, freiwillige Helfer sind immer willkommen wenn sie was bringen. Und in D haben sie wirklich verdammt gute Arbeit geleistet.


    Der Mensch muss halt einfach mit den eigenen Sünden leben ........, so hart wie es ist.


    Ernst

  • Also erstmal an unsere betroffenen Foris: Viel Glück euch, haltet die Ohren steif, ich zumindest halte euch die Daumen!
    An die Leute, die als Einsatzkräfte oder auch als Freiwillige Dienst leisten: Meinen Respekt und meinen Dank für euer Engagement!


    Ich habe ja, Jugendfeuerwehr eingerechnet etwa 15 Jahre im ehrenamtlichen Bereich, also ÖGA und KatS, runter.
    Daher auch mal meine 2 oder 3 Gedanken zum Thema (auch vor dem Hintergrund des 'Jahrhundert-Hochwassers' 2003, wo ich noch beim THW Frankfurt aktiv war):


    Einsatzorganisation
    Städte, Gemeinden und Landkreise haben in der Regel eigene Krisenstäbe, die sowohl mit den Stäben des jeweiligen Bundeslandes zusammenarbeiten, als auch über die Fachberater und Verbindungsleute mit den (inter-)nationalen Organisationen.
    In Frankfurt wurde bspw. der Krisenstab im Römer durch die Vertreter der AGFH (Arbeitsgemeinschaft Frankfurter Hilfsdienste mit damals 14 Mitglieder-Organisationen), als auch durch die Vertreter der Stadt gebildet. Das war für den Raum Frankfurt das Lagezentrum. Hier sind alle Informationen zusammengeflossen, Beraten und dann die Informationen aufbereitet (mit Handlungsanweisungen bzw. -empfehlungen) durch die Vertreter der jeweiligen Organisation an diese weitergegeben.
    Diese Informationen wurden (bei uns) in unserem Einsatzzentrum (Funkbude :winking_face: ) konzentriert und an die Einheitsführer draußen und drinnen weitergegeben. Selbstverständlich lief die Informationskette auch andersrum. Über unseren 'kleinen Stab' lief auch die Kommunikation mit den zur Unterstützung angeforderten Ortsverbänden. Natürlich ist das jetzt schematisch vereinfacht dargestellt.
    Was ich mit dem ganzen Drumherum sagen will: Der einzelne Helfer, der draußen QuikDam aufbaut, oder Sandsäcke stapelt, oder Verletzte versorgt, ... weiß in der Mehrzahl aller Fälle über das Gesamtbild wenig bis nichts, was über seinen akuten Arbeitsauftrag hinausgeht. (Muss er ja auch nicht) Die Einheitsführer draußen wissen über die grobe Lage Bescheid, können Verstärkung, Ablösung, Versorgung anfragen -aber die Logistik passiert in der Zentrale. Die Leute in der Zentrale wissen umfassend über die Einsatzmodalitäten ihrer eigenen Organisation Bescheid, ebenfalls über die Gesamtlage, aber wenn überhaupt, nur sehr grob über das, was bei den anderen Organisationen abläuft.


    Diese Koordination von regulären Einsatzkräften (ggf. noch Unterstützung der Bundeswehr über ZMZ) IST im besten Falle spannend und oft genug eher abenteuerlich. Wenn dann noch freiwillige Helfer ohne Zugehörigkeit und KatS-Erfahrung dazu kommen, werden leider oft genug Einsatzkräfte behindert und wie oben beschrieben, durch spontane Rettungseinsätze zusätzlich belastet.


    Daher:
    -Habt bitte Verständnis dafür, dass es manchmal Stunden oder auch Tage dauern kann, bis Informationen, Material und Manpower bereitgestellt werden können!
    -Es gibt im Einsatz in der Regel Wechselschichten -4std Einsatz, 4std. Pause, bei manchen auch 6/6 oder 8/8- Wenn jemand aus 8 Stunden Einsatz rauskommt, sich dann noch ne Kippe und ein Bier genehmigt und dann weglegt gönne ich ihm das von Herzen. Für Alkohol im Dienst allerdings habe ich kein Verständnis. (Aber es gibt ja gerüchteweise auch alkoholfreies Bier)
    -Wenn ihr euch engagieren und helfen wollt, sucht euch nicht den dicksten Pulk aus. Eventuell kann man in der Querstraße 5m hinter dem Deich noch jemandem helfen, Sachen in Sicherheit zu bringen, Kellerfenster abzudichten, etc. Das sind die super vielen kleinen Schauplätze, die eben nicht im Rampenlicht stehen, wo aber die meisten 'Heldentaten' vollbracht werden (müssen)!
    -"Wahren Sie Funkdisziplin!" hat jeder im Einsatz schon gehört (und oft gehasst). Wichtig ist es aber, um relevante Nachrichten durchzubekommen, dass Netze verfügbar sind. Kein Mensch BRAUCHT Facebook, man kann unwichtige Gespräche auf später verschieben und lieber kurz eine SMS schreiben.


    und das allerallerwichtigste: EIGENSICHERUNG GEHT VOR! (eigentlich in rot, aber Mod-Farbe)


    Doch schon wieder länger geworden als geplant...


    So long,
    Sam

  • Zitat von 200680G60510;138605

    Cephalotus
    Komischerweise habe ich genau das selbe beobachtet...
    Ich wollte ebenfalls zum Sandsäckeschaufeln anrücken (In einer kleineren Ortschaft unterhalb von Passau).
    Gelangweilte, biertrinkende und rauchende Feuerwehrleute die den Pumpen beim Kellerleerpumpen zusahen. Die Sandsäcke waren schon alle geschaufelt, auf Paletten aufgerichtet und mit Folie Umwickelt. Irgendwie gabs keine Arbeit für mich...


    Da hat dann wohl die Führung versagt, wenn verfügbare Kräfte nicht genutzt werden.


    ich habe vorhin im Fernsehen ein absolutes Gegenbeispiel gesehen. Da hat ein Bundeswehrhauptmann beim Bürgermeister zivile Transportkapazität für Sandsacktransporte zum Deich angefordert. Da schwere LKW für das Gelände nicht taugten, waren Kleintransporter gefragt. Der hatte eine ziemlich bunte Kompanie aus Möbelwagen, Ackerschleppern mit Anhänger, grossen Geländewagen .... nebst zivilen Freiwilligen unter seinem Kommando.


    Wahrscheinlich konnte der Mann organisieren.


    Meint


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Zitat von Waldschrat;139184

    Da hat dann wohl die Führung versagt, wenn verfügbare Kräfte nicht genutzt werden.


    Da muss ich jetzt mal dagegen halten.


    1. Organisierte Einheiten der Gefahrenabwehr:
    Wenn die nicht genutzt werden, dann sind sie vieleicht Reserve. Das verstehen viele, auch Mitglieder dieser Einheiten, dann als unnützes Warten und Ressourcenverschwendung.
    Dabei machen Reserven eine Reaktion auf veränderte Situation erst möglich. (Reserve ist preppen beim Führungsstab)


    2. Freiwillige Helfer, die einfach aus betroffenheit und hilfsbereitschaft helfen möchten:
    Die sinnvolle Einbindung dieser Helfer ist extrem schwierig, denn dazu muss es entweder einfache Arbeit geben, die idiotensicher ist. Oder die Leute müssen organsiert und minimal instruiert werden.
    Für letzteres braucht es Führungskräfte der KatS-Einheiten, die das übernehmen können. Gerade in Grosslagen sind Führungskräfte aber Mangelware, da jede Einheit bekadert werden muss und zusätzlich die verschiedenen Stäbe der Behörden ebenfalls auf diese FüKr zugreifen.


    Es steht jedem frei, sich in einer entsprechenden Organisation zu engagieren, bevor der Tag X da ist. Aber den Personen, welche das gemacht haben, Führungsversagen vorzuwerfen, wenn man mit seiner Schippe nicht mit tun kann, finde ich eine Frechheit.


    Und ja, es ist Schade, dass das Potential an Spontanhelfern teilweise ungenutz bleibt, dass lässt sich aber nicht immer ändern.
    (Und "nur" schon Sandsäcke aufschichten braucht eine Instruktion, ansonsten wird der Wall nicht dicht.)

  • Zitat von tut;139190

    Da muss ich jetzt mal dagegen halten.


    ...
    2. Freiwillige Helfer, die einfach aus betroffenheit und hilfsbereitschaft helfen möchten:
    Die sinnvolle Einbindung dieser Helfer ist extrem schwierig, denn dazu muss es entweder einfache Arbeit geben, die idiotensicher ist. Oder die Leute müssen organsiert und minimal instruiert werden.
    Für letzteres braucht es Führungskräfte der KatS-Einheiten, die das übernehmen können. Gerade in Grosslagen sind Führungskräfte aber Mangelware, da jede Einheit bekadert werden muss und zusätzlich die verschiedenen Stäbe der Behörden ebenfalls auf diese FüKr zugreifen.


    Es steht jedem frei, sich in einer entsprechenden Organisation zu engagieren, bevor der Tag X da ist. Aber den Personen, welche das gemacht haben, Führungsversagen vorzuwerfen, wenn man mit seiner Schippe nicht mit tun kann, finde ich eine Frechheit.


    Hallo tut,


    Du sprichst ein interessantes Thema an. Ich stelle da mal zur Diskussion, dass die professionellen Kräfte tatsächlich primär das Führungspersonal stellen und Anleitung/Einweisung geben sollten. Willige aber laienhafte zivile Helfer werden in Masse verfügbar sein, ich muss die nur organisieren. Macht es wirklich Sinn, wenn ein gut ausgebildeter THW-Helfer, der weitaus mehr leisten könnte, Sandsäcke füllt, während die Evakuierten als "Opfer" behandelt und in Turnhallen und ähnliche Auffanglager gekarrt werden?


    Im Grunde funktioniert jedes Fertigungswerk in der Industrie vielfach nicht anders. Ich zerlege komplexe Arbeiten in Fertigungsschritte, für die ich auch Produktionshelfer ohne qualifizierte Facharbeiterausbildung in akzeptabler Zeit anlernen kann. Das heisst Fertigungsplanung.


    Ich fand diese Fernsehsendung mit dem Bundeswehrhauptmann und seiner zivilen Transportkompanie richtig genial. Der hat seine Soldaten statt zum Sandsackverladen dazu eingesetzt, die willigen aber unbedarften Laienhelfer einzuweisen und damit ein Mehrfaches erreicht, was er mit seiner Mannschaftsstärke hätte leisten können - mal abgesehen davon, dass er die erforderlichen Fahrzeuge aus Militärbestand nicht hatte und auf Zivilfahrzeuge zurückgreifen musste.


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Zitat von Cephalotus;138519

    Passau wird es wohl sehr, sehr böse erwischen, möglicherweise auf einem Level wie seit 500(!) Jahren nicht mehr.



    Ist zwar jetzt leicht off topic, aber ich habe bei einem weniger überfluteten Besuch in Passau mal neben einer Kirche einen schönen frühneuzeitlichen Grabstein (16. Jahrhundert?) ausgemacht, der die wunderschöne Inschrift trug: "Hier liegen meine Gebeine, ich wollt es wären deine"



    Das waren noch Zeiten, als selbst Grabsteininschriften ehrlich waren. :)


    P.S. Meine wird lauten: "Hier liegt der letze Mensch ohen Facebook-Account."



    Lästerliche Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)


  • Wobei die Soldaten im KatS mit Ausnahme von Spezialisten (Pioniere etc.) eben gerade die gleiche Funktion ausüben wie die Spontanhelfer. Manpower ohne spezifische Kenntnisse. Aber eben schon organisiert und führbar.
    Wenn die dann ihre Manpower so vergrössern, spricht nichts dagegen. Aber die Erwartung, dass das überall möglich ist finde ich unangebracht.


    Und kreative Führer sind oft sehr wertvoll :)