Hier geht es um die sicherlich idealste, aber auch aufwändigste Idee, Lebensmittel sehr lange haltbar zu machen.
Motiv und wissenschaftliche Hintergründe
Platz- und Gewichtseinsparung
Lebensmittel bestehen zunächst einmal aus Wasser. Unmengen an Wasser. Dann kommt lange nichts und schließlich all die Stoffe, die in dem Wasser gelöst oder suspendiert sind. Die machen vom Gesamtgewicht des Lebensmittels manchmal weniger als 10% aus! So bestehen etwa Erdbeeren zu 90% aus Wasser, Gurken aus bis zu 98% und selbst Fleisch zu 2/3 bis 3/4 aus Wasser. Ich habe beispielsweise einen Brokkoli getrocknet und dieser hatte dann gerade noch 14% (!) seines ursprünglichen Gewichts! Vorher hätte er das Gefrierfach eines Kühlschranks ausgefüllt, danach die Größe einer Zigarettenschachtel. Hätte man ihn auch noch gemahlen und gepresst, hätte der komplette Brokkoli in einer Streichholzschachtel Platz gehabt! Man muss sich vorstellen, dass z.B. 1kg Tomatenpulver das Trockenergebnis von 10 - 15 kg Tomaten sind! Oder jeder kennt die Gewichtsverhältnisse zwischen einer kleinen, federleichten "Tüte, in der es raschelt" und einer ganzen Schüssel voll Kartoffelpüree, die daraus wird: glücklicherweise sind Kartoffelflocken ein Trockenlebensmittel, das es schon sehr billig zu kaufen gibt. Der Gewichts- und Volumenverlust durch völligen Wasserentzug ist derart drastisch, dass ich mir vorstellen kann, dass eine Familie mit 2 Kindern von einem Kleintransporter voll sogar Jahre (!) leben könnte.
Sterilität und chemische Indifferenz
In einem System völlig ohne Wasser lebt nichts mehr.
Während es unter den sogenannten Extremophilen (http://de.wikipedia.org/wiki/Extremophile) z.B. Mikroben gibt, die Wassertemperaturen über 100 °C aushalten (unter hohem Wasserdruck in vulkanischer Tiefsee), gibt es faktisch kein Lebewesen, das, ohne Wasser vorzufinden und selbst Wasser zu enthalten, leben kann. Zwar bilden manche Bakterien und Pilze trockenresistente Sporen, Sporen sind aber gleichsam "mumifizierte Tote" in der Warteschleife. Sie "leben" nicht wirklich, sondern können später keimen, wenn sie wieder mit Wasser in Berührung kommen. Lebende Keime sterben bei der Totaltrockung eines Lebensmittels komplett ab, ein Teil der Sporen überlebt die Trocknung ebenfalls nur kurzzeitig und stirbt im Laufe der Lagerung ab und lediglich eine Rest-Sporenzahl (die auch in dem frischen Lebensmittel schon vorhanden war) mag auch nach langer Lagerung noch keimfähig sein.
Gewissermaßen basieren - außer dem Einwecken und dem Bestrahlen - auch die anderen Konservierungtechniken darauf, dass man Mikroben das lebensnotwendige Wasser verweigert: Beim Einfrieren wird das Wasser zwar nicht entzogen, aber immobilisiert, indem man es kristallisiert. Beim Einlegen in Salz oder Zucker wird den Mikroben das Wasser in ihrem Organismus durch osmotischen Druck entzogen, sie sterben ab. Aus dem selben Grund kann ein Schiffbrüchiger nicht überleben, indem er Meerwasser trinkt, sondern diese Salzlake würde umgedreht sogar noch das bisschen Wasser aus seinen Körperzellen entziehen: er vertrocknet, wenn er Meerwasser trinkt.
Neben dem Schädlings-induzierten Nahrungsverderb durch Bakterien, Viren, Schimmelpilze oder Fraßinsekten, verdirbt Nahrung aber auch durch chemische Reaktionen. Und zwar durch Substanzen von außerhalb, namentlich Sauerstoff, sowie durch chemische Interaktion seiner eigenen Bestandteile, vermittelt durch Wasser als Lösungsmittel. Bei einer Totaltrocknung mit anschließendem Vakuumverpacken wird beides entzogen: Wasser und Sauerstoff. Übrig bleiben würden nun noch mögliche Festkörperreaktionen, die bei höheren Temperaturen auch ohne Wasser und Sauerstoff ablaufen. Wenn man die Lebensmittel nicht gerade auf eingeschalteten Herdplatten lagert, werden solche Reaktionen aber nicht stattfinden können. Wie sehr aber selbst geringe Wasserreste die Lagerstabilität eines Lebensmittels noch beeinflussen können, zeigen Erkenntnisse aus der Langzeitlagerung von Milchpulver: die etwa 4% Restwasser können dazu führen, dass bei häufigen Temperaturwechseln die einst mikrokristalline Laktose (Milchzucker) zu größeren Kristallen reakristallisiert. Das ist keine Veränderung im chemischen Sinne, aber im physikalischen: die daraus hergestellte Milch ist "sandig, griesig", man spürt die nun größeren Laktosekristalle auf der Zunge. Entzieht man dem Milchpulver auch dieses Restwasser noch, bleibt auch selbst diese physikalische Langzeitveränderung noch aus.
Von dramatischer Bedeutung ist der Fettverderb. Ist Fett wasserhaltig (Butter), sind fettspaltende Enzyme, Lipasen, aktiv, die zu einer "Lipolyse" führen, der Spaltung von Fett in kurzkettige Fettsäuren. Eine solche ist z.B. Buttersäure, die den ranzigen Geruch verdorbener Butter ausmacht. Dabei gibt es anearobe Lipasen wie auch solche, die Luftsauerstoff sozusagen katalytisch auf das Fett übertragen, ebenso wie Schwermetallionen das tun (Kupfer z.B.). Ein Beispiel einer Dose Schweineschmalz von 1948 (http://www.welt.de/vermischtes…hren-noch-geniessbar.html), das noch genießbar war, zeigt, dass allein schon der Entzug von Sauerstoff verhindert, dass über Jahrzehnte nennenswerte Mengen kurzkettiger Fettsäuren entstehen können. Das bedeutet, dass selbst Sahnepulver, wenn man es radikal nachtrocknet und dann vakuumverpackt, nahezu ewig haltbar werden muss (die offiziellen Haltbarkeiten von Trockenmilch "unter freiem Himmel" werden mit steigendem Fettgehalt immer kürzer: Magermilchpulver --> Vollmilchpulver --> Sahnepulver 50% Fett --> Sahnepulver 75% Fett).
Vakuumtrocknung - physikalischer Hintergrund
Wasser siedet bei 100 °C. Einschränkung: dies gilt für den Planeten Erde, ungefähr auf Meeresniveau. Das heißt freilich nicht, dass Wasser überhaupt erst bei 100 Grad verdampft. Sondern der Dampfdruck steigt langsam mit der Temperatur an, ja selbst Eis hat bereits einen gewissen Dampfdruck, um dann am Siedepunkt sprunghaft anzusteigen. Die Druckabhängigkeit des Siedepunkt bedeutet, dass Reinhold Messner auf dem Mount Everest partout seine weißen Bohnen nicht weichbekommt, denn Wasser siedet dort bereits bei 70 Grad! Bzw., er müsste sie dann verdammt lange garen, bis die mal essbar werden. Umgedreht verkürzt man mit dem Trick des Schnellkochtopfes die Garzeit, indem man den Siedepunkt des Wassers durch künstliche Druckerhöhung auf bis zu 115 Grad steigert.
Setzt man Wasser also unter verminderten Druck, senkt man dessen Siedepunkt. Bereits mit einer billigen Wasserstrahlpumpe am Wasserhahn kann man erreichen, dass Wasser bereits bei Handwärme kocht. Beim Sieden geht Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Dafür sind gewaltige Energiemengen nötig, die wir auf der Herdplatte dem kochenden Wasser ständig nachführen. Wird sie nicht nachgeführt, kühlt sich das noch flüssige Wasser durch den Wärmebedarf des verdampfenden Teils immer weiter ab: einen Schluck Wasser kann man, indem man ihn plötzlich unter Vakuum setzt, schlagartig gefrieren! Führen wir dem gefrorenen Schluck Wasser keine weitere Wärme zu, kommt die Verdampfung trotz Vakuum völlig zum Erliegen. Das ist der Grund, weshalb wir uns für die Vakuumtrocknung gründlich überlegen müssen, wie wir die entstandene Verdunstungskälte durch ständige Wärmezufuhr immer wieder ausgleichen.
Indem wir das zu trocknende Lebensmittel also unter Vakuum setzen, erreichen wir eine sehr schnelle Trocknung schon bei niedrigen oder gar sehr niedrigen Temperaturen. Dies verhindert schon all die Schäden, die wir einem Lebensmittel zufügen, wenn wir es unter Normaldruck durch Erhitzen oder durch "Vergessen auf dem Dachboden" trocknen. Davon abgesehen, dass das Lebensmittel bei den klassischen Trocknungsverfahren auch dem Sauerstoff, Bakterien und Pilzen, wie auch sonstigen Schädlingen wie Insekten ausgesetzt ist.
Eine Sonderform der Vakuumtrocknung ist die Gefriertrocknung. Diese wird vor allem eingesetzt, um natürlichen Lebensmitteln auch nach der Trocknung noch die natürliche Zellstruktur zu erhalten (eine gefriergetrocknete ganze Erdbeere z.B. sieht aus der Ferne wie eine frische Erdbeere aus, bis man dann merkt, dass sie fast gar nichts wiegt, als ob sie innen hohl wäre). Desweiteren, um getrocknete Flüssigkeiten wie etwa Kaffee porös und schnell löslich zu machen. Macht man dies mit natürlichen Lebensmitteln, erfordert dies dann aber eine Schockfrostung ("Schnellabkühlung"), weil sonst durch langsames Einfrieren die natürliche Zellstruktur schon hierbei zerstört würde. Theoretisch ist Gefriertrocknung auch ohne Vakuum möglich, dauert dabei aber dramatisch länger: würde man in einem sehr strengen Winter gefrorenes Fleisch in die Sonne legen, würde es innerhalb von Tagen völlig trocknen, ohne dabei aufzutauen. Auch energetisch ist Gefriertrocknung aufwändiger: Statt lediglich der Verdampfungswärme von Wasser muss man hier die Sublimationswärme zuführen, gewissermaßen die Summe aus Schmelzwärme und Verdampfungswärme, das Eis geht vom festen direkt in den gasförmigen Zustand über, ohne dabei zu schmelzen. Hat man im Winter wochenlang arktische Kälte, verschwinden auch kleine gefrorene Wasserpfützen allmählich: die extrem trockene Luft nimmt die winzigen Mengen Wasserdampf aus dem Eis begierig auf.
Wie entferne ich eigentlich den Wasserdampf endgültig aus dem System? Im Chemielabor gibt es den Vakuum-Exsikkator. Darin befinden sich die zu trocknende Substanz und ein Trockenmittel. Dieses Trockenmittel kann regenerierbar sein (Silicagel z.B.), schwer regenerierbar (Calciumchlorid) oder gar nicht regenerierbar (Phosphorpentoxid). Unglücklicherweise sind die radikalsten chemischen Trockenmittel die gar nicht regenerierbaren und damit sehr teuren. Völlig ohne Trockenmittel kommt man aus, wenn man den Wasserdampf an einer kalten Fläche kondensiert, die auf jeden Fall kälter sein muss als das zu trocknende Gut selbst. Aus der Temperatur der Kondensationsfläche kann man dabei eine Beziehung zu Trockenmitteln herstellen: eine kältere Kondensationsfläche ist vergleichbar mit einem besseren Trockenmittel. Entscheidend ist letztlich aber die Temperaturdifferenz, das Temperaturgefälle, zwischen dem zu trocknenden Gut und der Kondensationsfläche. Das heißt, hat das Gut (in der Gefriertrocknung) schon -20 °C, sollte die Kondensationsfläche dann schon -60 Grad kalt sein, damit sich was bewegt. Achte ich bei der Wärmezufuhr zum Ausgleich der Verdunstungskälte stets darauf, dass das Gut nicht kälter als Zimmertemperatur werden kann, komme ich auch mit -20°C an der Kondensationsfläche schnell voran.
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In den nächsten Beiträgen geht es um den Bau einer Vakuumtrocknungs-Anlage und um verschiedene Baukonzepte, von primitiv bis ausgeklügelt.