Wie im Fokus bleiben oder "jetzt erst recht"?

  • Zum Thema Angst:
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    Mein Resumée:
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    In meiner Vergangenheit wurde ich immer wieder mit Ängsten konfrontiert. Kleine Ängste, grosse Ängste, begründbare Ängste und die allermieseste
    von allen möglichen Ängsten: die irrationale, dysfunktionale, schlicht und ergreifend nicht mehr begründbare Angst-im-Quadrat-hoch-mathematisch-N-im-exponentialen-Verhältnis-zu-3-schwarzen-Löchern. Dann kenne ich noch den "Freeze" einer Trauma-Angst. Da geht kein Wille mehr, nix, nada, null. Ich war nur noch gelähmt. Es ist mir übrigens dermassen auf den Sack und den Nerv gegangen, dass ich unweigerlich damit begann, nachzulesen, wer oder was genau in mir es schafft, sämtliche Funktionen meines Vortexes (also die beiden grossen Gehirnlappen im vorderen Bereich des Schädels) einfach so ausser Kraft zu setzen und abzuschalten.


    Ich hab also den 3. Dan im Angst haben! :kichern:


    Kleiner Exkurs in die Neurozeption:
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    Neurozeption = die drei Regelkreise des autonomen Nervensystems


    ventraler Vagus (soziale Interaktion/Kommunikation)
    hemmt
    Sympathikus (Mobilisation, "Kampf- oder Fluchtverhalten")
    hemmt
    dorsaler Vagus (Immobilisation, "Totstellreflex")


    diese drei Gesellen befinden sich ungefähr dort wo das Stammhirn ist, mit Ausläufern
    in die Wirbelsäule. Diese drei Gesellen sind so ziemlich das älteste und urtümlichste in uns.
    Insbesondere der Sympathikus und der dorsale Vagus.


    So. Nebst unserer kognitiven Einschätzung ob eine Umgebung oder eine unbekannte Person sicher ist oder nicht, hat unser Nervensystem offenbar noch eine eigene Meinung dazu und kann in "When all Hell Breaks Loose"-Situationen locker vom Hocker unsere kognitive Einschätzung überstimmen und die Schaltung übernehmen. Dazu habe ich persönlich mal die unterste Stufe, also den dorsalen Vagus, erlebt dürfen.


    Fazit:
    Wenn ich weder flüchten noch kämpfen kann, übernimmt der dorsale Vagus und schaltet ab. Dies muss übrigens nicht nur im Zusammenhang mit einer konkreten Situation, die jetzt gerade in meiner Aussenwelt stattfindet, sein.



    Umgang mit der Angst:
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    Solange es möglich ist zu flüchten oder zu "kämpfen", gibt's für diesen Post hier nichts zu schreiben. Dann flüchte ich eben oder "kämpfe".


    Ich habe bis jetzt noch nie erlebt, solange ich einen Handlungsspielraum hatte (eben zu flüchten oder zu kämpfen), dass mich meine Angst gelähmt hätte.


    Habe ich jedoch aufgrund eines negativen Erlebnisses mit schlechtem Ende (ich konnte während des Erlebnisses nichts tun und war hilflos ausgeliefert), nebst einigen anderen Symptomen wie z.B. Lähmungen oder spontaner Mangel an Energie und anderes nicht aufgezähltes, dann habe ich mit ziemlicher Sicherheit ein Trauma aufgelesen.


    Und genau deshalb empfehle ich wirklich dem werten Leser dieses Posts das Buch "Sprache ohne Worte" von Dr. Peter A. Levine zumindest mal zu lesen. Während eines SHTFs in Form einer Katastrophe werden so ziemlich die ersten, die ein Trauma auflesen die Kinder sein. Da finde ich es schon wichtig, dass man sich als Vater oder Mutter mit der Trauma-Materie ein bisschen auseinandersetzt. Und wenn ich einen Liebsten oder eine Liebste habe, finde ich es ebenso wichtig. Ich finde es sogar für mich selber wichtig, dass ich das tue.


    In einer "normalen" Zeit, also jetzt, ist es selbstverständlich empfohlen, wenn man merkt, dass man ein Trauma aufgelesen hat, dass man den Psychiater, den Psychologen aufsucht und sich dort therapieren lässt.


    In einem SHTF-Szenario, When All Hell Breaks Loose, ist es meiner Meinung nach schon ein sehr grosser Zufall, wenn ich einem Psychiater begegnen würde, der dann noch die Zeit und Musse hätte meine traumarisierten Kinder zu therapieren. Also, das Buch lesen!


    Das Schöne zum Trauma-Abschnitt, jetzt noch zum Schluss:
    Der Mensch, auch wenn er es nicht weiss, birgt grundsätzlich die Skills und Mechanismen mit einem Trauma fertig zu werden. (Ich persönlich bin immer wieder aufs Neue überwältigt und fasziniert, wenn ich sowas herausfinden/lesen darf. Es gibt übrigens noch viele solcher Dinge, die wir nicht wissen und die wir einfach so können. Also ich weiss nicht, wie es Euch so geht. Mich ergreift da immer wieder mal eine ozeanische Dankbarkeit.)


    Ich erwähnte nochmals die Quelle dazu: "Sprache ohne Worte", Dr. Peter A. Levine


    Kleine Anleitung zur Angst-Meditation:
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    - Augen schliessen
    - Auf den Atem konzentrieren (ist er kurz? flach? lang? tief? spüre ich meine Nasenflügel?)
    - Falls nötig Atmung in das lange und tiefe atmen steuern
    - Auf die Angst konzentrieren (so richtig mit allem drum und dran in Empfang nehmen)
    - Ich stelle mir vor, wie ich auf die Angst zugehe (also innerlich umdrehen und einfach mal auf die Angst zugehen)
    => die belangloseren Ängste werden allermeistens gleich kleiner
    - Falls ich einer Angst begegne, die bestehen bleibt (meines Erachtens sind das Ängste, die
    tiefer greifen):
    stelle ich mir im Gewahrsein meiner Angst eine "Weite" vor
    (also ein grosses Feld, eine grosse Landschaft, meinen inneren Kosmos, alles was der für
    den Leser mit Weite von Bedeutung ist oder er als Weite kennt)
    => die Weisheit dazu:
    So wie Schatten vor Licht weichen muss, weicht die Angst vor der Weite.
    - Ich stelle mir solange die Weite vor, bis meine Angst erträglich oder gänzlich verblichen
    ist.
    - Dann kehre ich wieder zurück ins Hier und Jetzt, stehe auf und gehe oder mache weiter


    Es kann sein, dass die Angst wieder zurückkehrt, dann mache ich einfach wieder dieselbe Übung.


    Quelle: Ruediger Dahlke, Hörmeditation "Angstfrei leben"


    meint gandroiid




    P.S.
    Zu Risiken und Nebenwirkungen fressen Sie die Packungsbeilage und tragen Sie Ihren Arzt zum Apotheker.

  • Ich finde ja die unbegründete Angst am schlimmsten, also wenn man nicht weiß, wovor man Angst hat. Falls man überhaupt erkennt, dass es Angst ist - ist nämlich nicht trivial.


    Das Auseinandersetzen mit solchen Möglichkeiten hilft jedenfalls im Notfall enorm. Wenn man das nicht kennt/weiß, dann steht man vor einem diffusen Problem und ist evtl. gelähmt.
    Vor 20 Jahren kannte ich solch einen Fall. Damals konnte nur eine Droge helfen - heute wüsste ich, wie man weiter kommt - jedenfalls in etwa.


    cu Tom

  • In der Schweiz erhält man heutzutage im 18. Lebensjahr vom Staat eine Volljährigkeits-Erklärung.
    Bis gestern war dieser Teenager noch minderjährig und ab Heute ist er volljährig. Yeah! Er kann nun abstimmen gehen,
    selber entscheiden, selber Fehler machen, usw.


    Ich glaube gelesen zu haben, in so ziemlich jeder älteren Kultur (also so Jäger und Sammler, Pfahlbauer, Indianer, Aboriginies, etc) gab es zur "Volljährigkeit"
    Initiations-Rituale. "Grausame" und "unmenschliche" Rituale würde man heutzutage sagen.


    Diese Initiations-Rituale hatten mehrere Gründe:


    1. Der Test, ob der geprüfte Jüngling, die geprüfte Jungfrau überlebensfähig ist
    2. Kann diese junge Person in Mangel, Not, auf sich alleine gestellt überleben
    3. Kann sie Schmerzen aushalten
    4. Kann diese Person mit sich selber und ihren Vorstellungen von Angst, Einsamkeit auf sich gestellt leben
    5. Ist diese Person belastbar
    6. etc.


    Mit anderen Worten die geprüfte Person wurde an ihre Grenzen gebracht, um das mal zu erfahren (leider ohne gespanntes Sicherheitsnetz), darin zu bestehen, zu überleben
    ,etwas daraus zu machen und insbesondere daran zu reifen.


    Ich möchte damit solche Initiationsrituale nicht verglorifizieren. Ich finde einfach, dass es sich lohnt sich zumindest mittels Bücher über Ängste, Traumen, etc. zu informieren.
    Zumindest gedanklich an das Thema "überwältigende Emotionen" heranzugehen.


    Meines Erachtens ist die unbegründete, irrationale Angst der Zenith des Angst-möglichen. Symbolisch betrachtet, die Geburt.


    So wie ich das mittlerweilen verstehe ist eh jede Not, jede Krise, jedes "tiefe Lebenstal", jede überbordende Situation, der ich auf meinem Lebensweg begegne und Mühe habe damit umzugehen, weil ich mir die Fähigkeit dazu fehlt, eine Geburt.
    Ebenso die Widerstände des Lebens, mit denen ich Mühe habe, mich eigentlich nicht damit auseinandersetzen möchte, lieber davonlaufen würde, lieber aussteige, what so ever.
    Sind alles Geburten.


    Was kann schon passieren?


    Nichts.


    Vielleicht habe ich meinen Stolz verloren. Ein geknicktes Ego. So what? Das brauche ich definitiv nicht um zu Leben oder überleben.


    Und je mehr ich mich weigere erneut durch den "Uterus" des Lebens zu kriechen, desto mühsamer wird die Geburt.
    ich kann mir in einer Situation der unbegründeten Angst sogar genau dieses Bild vorstellen: Ich bin in einem Uterus und werde geboren.


    Wer kennt nicht das Kinder-Spiel der Mutproben? Eine Gruppe von Kindern erfindet eine Aufgabe, die jeder machen muss.
    Z.B. von einem Dach in einen Sandhaufen in einem Blechkasten springen. Noch nie gemacht, höllisch verboten, irre gefährlich, das Herz pocht im Hals oben,
    der Puls rast. Ein paar Mutige gehen voran und springen. Die haben es geschafft! Sie haben ihre Angst besiegt. Ein paar springen nach. Die letzten bleiben am längsten.
    Vielleicht gibt sogar einer auf.


    Was haben die gemacht? Sie gingen an die Grenze ihrer möglichen Angst. Wie ging es weiter? Sie haben die Grenze der Angst überschritten. Wie ging es noch weiter?
    Sie gingen irgendwo anders hin, und spielten etwas anderes....


    Selbstverständlich ist das üüüüberhaupt kein Vergleich zur Angst eines Erwachsenen! Hallo? SHTF und Sandkasten-Springen vergleichen? Haaallloooo?


    Tja, ich kann mich gut erinnern an das Springen in diesen Sand-Kasten. Fast hätte ich es nicht gemacht. Die Angst war übrigens riesig. Ich habe sie damals gemeistert.
    Angst ist und bleibt Angst. Sie begleitet mich ein Leben lang. Immer wieder mal kommt sie hervor. Manchmal mehr, manchmal weniger. Es ist übrigens meine Angst.
    Meine ganz persönliche Angst, die mir gehört. Ich bin dafür selber verantwortlich. Es liegt an mir, zu lernen mit meiner Angst umzugehen. Die "Katastrophe" ist übrigens nicht die Angst. Die Angst ist ja ein Bestandteil von mir. Ich bin der Schöpfer meiner Angst. Egal in welcher Form. Die "Katastrophe" ist und bleibt eine "Katastrophe". Je nachdem was es ist, kann es mich physisch durchaus wegfetzen. Ich kann jedoch meinen subjektiven Eindruck der "Katastrophe" vergrössern oder verkleinern.


    Ich habe also die Möglichkeit meinen subjektiv erzeugten Eindruck der mich in seiner Intensität überwältigen will zu verkleinern. Zu einem "normal unangenehmen Eindruck".


    Ich persönlich hab es zu Anfang auch nicht für möglich gehalten. Weil meine grundlosen, nichtbegründbaren, irrationalen Existenzängste (Siegmund Freud und C. G. Jung lassen Grüssen) waren für mich ehrlich gesagt, viel grösser als eine "Katastrophe". Auf dem Weg dazu diese zu meistern habe ich dann irgendwann mal die Subjektivität dazu begriffen.


    Ich hoffe ich konnte dem einen oder anderen Leser dieses Posts einen möglichen Lösungsansatz bieten, falls der Leser dieses Posts sich auf der Suche nach Lösungen zum Umgang mit der Angst befindet.


    Dies ist also meine subjektive Meinung und mein subjektiver Umgang mit meiner subjektiven Angst.


    subjektive Grüsse
    gandroiid

  • Bei deinem Avatar muss man ja auch Angst kriegen… :help:


    cu Tom


  • Hallo Gandroiid,
    super Beitrag. Diese von Dir genannten Initationsrituale kommen in unserem Kulturkreis derzeit glücklicherweise aus der "Eso-Ecke" raus und werden in der Arbeit mit Jugendlichen aber auch mit Erwachsenen angewandt. Habe selbst an einem Teilgenommen und ich muss sagen dass es mit das härteste war was ich bisher gemacht habe.
    Das ganze dauerte vierzehn Tage wobei fünf Tage der Vorbereitung und fünf Tage der Nachbereitung des Rituals dienten. In der Vorbereitung haben wir verschiedene Übungen gemacht, haben geschaut was für Schatten, also Ängste, wir mit uns herum tragen und haben daraus Zielsetzungen für unser Ritual erarbeitet.
    Das eigentliche Ritual besteht daraus dass jeder Teilnehmer die Gruppe verlässt und sich an einem vorher selbst festgelegten und auf einer Karte markierten Punkt zurückzieht. Dort verbringt der Teilnehmer dann vier Tage fastend, ohne Gesellschaft und ohne Zelt, allein mit sich und seinen Fragen/Ängsten.
    Er/Sie opfert also Nahrung, Gesellschaft und Obdach, bringt sich also selbst in eine Krisensituation welche es zu durchschreiten gilt. In der vierten Nacht wird es dann noch etwas heikler, er/sie verabschiedet sich vom bisherigen Leben und von allen die Ihm/Ihr wichtig sind, zieht sich in einen Kreis zurück. In diesem Kreis wird dann die Nacht wach verbracht und um ein "Neues Gesicht" gebeten. Die letzte Nacht war sehr hart und wahnsinnig lang.. Danach geht es zurück zu dem Platz an dem sich alle getrennt haben und Sie/Er wird wieder in der Gemeinschaft aufgenommen, anschließendes Fastenbrechen und die nächsten vier Tage werden die Geschichten erzählt welche die Teilnehmer erlebten.


    Das ganze ist jetzt sehr kurz herunter gebrochen, wer sich genauer darüber informieren möchte darf mich gerne fragen, ansonsten empfehle ich folgende Bücher.


    http://www.amazon.de/Visionssu…ster&tag=httpswwwaustr-21


    http://www.zeitzuleben.de/1773…o-von-lupke-vision-quest/


    Ein Sicherheitsnetz gibt es dabei natürlich, also sprich wir hatten ein Buddy-System mit Briefkasten, Besprechung was ist im Notfall zu tun, immer nen Rucksack dabei, Trillerpfeife und es gab ein Team bestehend aus zwei Leitern plus Assistenten welche immer in der Nähe waren.


    Inzwischen mache ich selbst eine Fortbildung zum Visionssucheleiter und ja, da geht so einiges.


    Gruß,
    der Thomas

  • Zitat von occam;169006

    Was tun, wenn man selbst wirklich fertig ist,
    verletzt, mit den Nerven am Ende,
    der Puls hoch ist, man selbst schwebt in Gefahr,
    ausgehungert, und man muß trotzdem weiter?



    Hallo occam,


    auf Bergwanderungen bin ich schon ein Paar Mal an meine Grenzen gekommen und das erste Problem war immer, das man seine Lage erstmal nicht wahr haben wollte, weil ja alles anders geplant war.
    Das zweite Problem ist, wenn man trotz Erschöpfung beginnt noch hektisch zu werden, auf die Art "vielleicht schaffe ich das geplante Etappenziel ja doch noch", obwohl es zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon völlig unrealistisch ist, was man aber verdrängt.
    Das ist der Punkt an dem man die Kontrolle verliert und aus einer verhältnismäßig, garnicht so schlimmen Ausgangslage, eine lebensgefährliche Situation entstehen kann, wenn man sich nicht "selbst eine runterhaut".


    Ich habe es mir "antrainiert", das wenn ich aus einem Erschöpfungszustand heraus beginne hektisch zu werden "STOP" zu sagen, mein Hirn wieder in den Realitätsmodus zu versetzen und zunächst einmal die Situation zu akzeptieren.
    Dann versuche ich, das Bestmögliche aus den Umständen zu machen aber ohne auch nur einen weiteren Gedanken über "wie konnte das nur passieren" oder andere völlig unwichtige Dinge zu verschwenden.

    Ich sage mir in solchen Situationen auch immer, das egal was ist oder noch kommt, solange ich unverletzt bin, alles "in Butter" ist, denn Erschöpfung kann man mit Pause "heilen", eine Platzwunde am Kopf oder ein gebrochenes Bein (in Folge von Unkonzentriertheit durch die Erschöpfung) nicht. Ganz zu schweigen vom Kreislaufzusammenbruch.
    Außerdem, solange meine Stiefel fest zu geschnürrt an meinen Füssen sind und mein Rucksack (meine Ausrüstung) bei mir ist, habe ich keine (wirklichen) Probleme.

    Ich mache die Zeit zu meinem Verbündeten, nicht zu meinem Feind.


    Ich mache mir einen Plan B, im Sinne von:

    1. Orientierung -> Die Situation und die Gegebenheiten klar vor Augen halten.
    2. Schutz -> Einen sicheren Platz für die Nacht ansteuern.
    3. Erste Hilfe -> Evtl. kleinere Verletzungen versorgen und Medikamente einnehmen, mehr trinken, mehr essen und schlafen.


    Natürlich weiß ich, das solche Wandererlebnisse nichts im Vergleich zu Kampfeinsätzen und der gleichen sind aber darüber könnte ich sowieso nur Vermutungen anstellen.


    Ich hoffe, das meine Erfahrungen dennoch im Sinne dieses Threads sind.


    Gruß Einzelkämper

  • Ich mache zum besseren Fokussieren und zum Ängste bekämpfen regelmäßig "Caving", also Höhlen klettern. Da wirst du mit allerlei konfrontiert. Enge, Dunkelheit, Wasser und das Unbekannte. Du hast zwar eine Stirmlampe, aber du weißt nicht, wohin du trittst, du musst dich im Dunkeln abseilen, dich durch Spalten quetschen, kriechen und im Wasser waten. Aufgrund der Dunkelheit und der Stille erreichst du fast einen meditativen Zustand, weil einfach die Sinne wegfallen. Ist außerdem ein super Training.


    Außerdem praktiziere ich in ernsten Situationen auch den Yoga-Feueratem, um nicht in blinder Panik wild zu agieren, sondern erst zu mir zurückzukommen, nachzudenken und dann zu starten. Gilt natürlich nicht, wenn das Haus brennt. Da renn ich dann doch lieber... :winking_face:


    Liebe Grüße


    Kathrin

  • Zitat von Thomas H.;169316

    super Beitrag. Diese von Dir genannten Initationsrituale kommen in unserem Kulturkreis derzeit glücklicherweise aus der "Eso-Ecke" raus und werden in der Arbeit mit Jugendlichen aber auch mit Erwachsenen angewandt. Habe selbst an einem Teilgenommen und ich muss sagen dass es mit das härteste war was ich bisher gemacht habe.


    Hallo Thomas


    Spannende Anregungen, danke!


    Kennst Du http://www.initiation-erwachsenwerden.de? Klingt auch sehr interessant. Z.B. http://www.initiation-erwachsenwerden.de/walkaway.html


    Bei einem dieser GEO-Preppervideos fand ich es spannend, wie der Vater so ein Ritual mit seinem Sohn durchführte. Ich glaube, am Ende bekam der Sohn einen speziellen Gegenstand (evtl. war es etwas, was die Eltern oder der Vater bei seiner Geburt gemacht hatten oder es war eine Waffe, bin nicht mehr sicher). Hm, vielleicht Zeit, solche Aspekte des Draussen- und Alleinseins zu vertiefen, auch wenn unsere Kinder noch zu klein sind dafür.


    Falls du Lust darauf hast, würde ich gerne Genaueres zu diesem Initiationsritual erfahren, z.B. wie die Zielsetzungen erarbeitet wurden, wie sie aussahen und wie danach die Ziele angegangen wurden. Vielleicht passt das dann besser im Thread Nachwuchsförderung.


    Deine Schilderungen erinnerten mich auch an 24h an einen Baum gelehnt sitzen bei Henry David Thoreau.


    Herzliche Grüsse
    linthler

  • Sehr interessante Fragen.


    Zitat von occam;169006

    Was tun, wenn man selbst wirklich fertig ist,
    verletzt, mit den Nerven am Ende,
    der Puls hoch ist, man selbst schwebt in Gefahr,
    ausgehungert, und man muß trotzdem weiter?


    Wird man das jemals wissen? Als Durchschnittsbürger und -prepper wohl kaum, denke ich. Die wenigen, die das wissen, wurden für ihren Beruf darauf getestet, ob und wie sie funktionieren, wenn sie physisch und psychisch fertig sind. Wenn die Dokus über die Selektionsverfahren der Spezialeinheiten weitgehend stimmen. Die werden aber ständig beobachtet, auch von Medizinern. Und ab und zu stirbt angeblich auch mal einer bei der harten Selektion oder dem harten Training. Als Normalo-Prepper hat man kaum die Ressourcen, die für eine begleitete Reise an die eigenen Grenzen nötig sind (und ohne Begleitung würde ich es als Leichtsinn bezeichnen). Natürlich kann man immer wieder mal etwas über seine Grenzen gehen, Angst vor dem Alleinsein im nächtlichen Wald überwinden, sich höherer Unsicherheit aussetzen, sich beim Fitnesstraining dem inneren Schweinehund stellen, usw. Aber dürfte dabei meilenweit entfernt sein von den Grenzen, an denen man dann wirklich zusammenbricht.


    Wie man unter hohem Stress reagiert, wo es um Leben und Tod gehen kann, dürften noch die Mitglieder der Blaulichtorganisationen kennen. Wobei der Alltag eines Gemeindepolizisten etwas anders aussieht als bei der Kripo. Weshalb z.B. in der Doku "After Armageddon" bewusst das Beispiel eines Rettungssanitäters zur Illustration gewählt wurde. Der gelernt hat, unter Stress und hoher Unsicherheit ruhig zu agieren.


    Zitat von occam;169006

    Mich würde interessieren, wie ihr euch in Notlagen zu motivieren wisst,


    Kinder, Frau, mein eigenes wertvolles Leben.


    Zitat von occam;169006

    oder wie ihr mit Extremsituationen mental umgeht.


    Wie kann man das vorher wissen (ausser es wurde simuliert, siehe die erwähnten Selektionsverfahren)? Ich hätte nie im Voraus sagen können, wie ich darauf reagieren werde, dass meine Frau infolge schwerer Erkrankung für rund 1.5 Jahre in vielen Belangen ausfällt, keine familiäre Unterstützung da ist, usw.


    Zitat von occam;169006

    Was hilft euch dann weiter, was mobilisiert bei euch Kräfte?


    Der Wille, überleben zu wollen. Alles loslassen, was dafür nicht nötig ist (Luxus, Status, Anerkennung, falscher Stolz, usw.). Ballast in Form von Selbsterwartungen und Konventionen abwerfen. Gnadenlos ehrlich zu sein gegenüber sich selbst, das eigene Empfinden, die eigenen Kräfte, die Situation. Reduktion auf das Nötigste. Ständiges Priorisieren. Muss-Grosse Konsequenzen (müssen auf den laufenden Radar), Muss-Kleine Konsequenzen (2. Prio), Kann-Energie bringend (nice to have, wann immer möglich), Kann-Energie abziehend (alle zu eliminieren). Keine Gedanken an morgen, sondern voller Fokus darauf, die anstehende "Feuerwehrübung" abzuwickeln. Aber auch jede kleine Pause/"Normalität" voll im Hier und Jetzt auskostend. Bei Bedarf zu fokussieren, aber nach Möglichkeit sofort zu entspannen, im Moment zu ruhen und sich zu erholen. Ständig nur noch fokussieren kann zum gefährlichen Tunnelblick führen, dass man Alternativen und Erholungsmöglichkeiten nicht mehr sieht, sondern nur noch eine übergross werdende Bedrohung.


    Zitat von occam;169006

    Also, wie im Fokus bleiben, wie seine Aufgabe erfüllen, wenn "nichts mehr geht"...


    Schwierig wird es, wenn es aussichtslos erscheint. Dann ist die grosse Frage: Ist es wirklich aussichtlos oder ist meine Sicht aus-sichts-los? Je nachdem kann sich der weitere Kampf lohnen, je nachdem kann es auch einfach Zeit sein, gehen zu müssen. An einem krassen theoretischen Beispiel illustriert: Man ist in einer Gruppe schwer verletzt. Ist die Situation aussichtsreich motiviert man (falls man noch kann) seine Kameraden, einen mitzunehmen, durchzuhalten, usw. Ist die Situation aussichtslos (lebensgefährliche Verletzung, rechtzeitige Hilfe höchst unwahrscheinlich bis unmöglich), so bittet man vielleicht die Kameraden, einen zum Sterben zurückzulassen (oder um eine Waffe, um sich das Leiden zu verkürzen), auf dass wenigstens sie die besseren Chancen haben. Aber das hängt natürlich von vielem ab, der eigenen Einstellung zum Leben und Sterben, den Werten der Gruppe (wird z.B. niemals ein Kamerad zurückgelassen, unter keinen Umständen). Solange wir (zum Glück) keine solche Erfahrung gemacht haben bleibt jede Überlegung dazu graue Theorie. Da hilft vielleicht eher weiter, sich mit der Resilienzforschung zu beschäftigen. Wobei wir auch da meinen können, voller Resilienzfaktoren zu sein, aber im Ernstfall doch in Panik ausbrechen oder zusammenkippen.


    Wie seine Aufgaben erfüllen, das fragen sich viele Leute jeden Tag. Viele Alleinerziehende, viele Angehörige von schwer Kranken, Kinder, die ihre Eltern pflegen, usw. Die vielleicht nicht in einer ganz extremen Situation stecken, aber einer, die etwas über den Kräften liegen und extrem lang andauern kann. Das ist weniger "spektakulär", kann aber ähnlich herausfordernd sein. Wie ein Marsch mit etwas weniger Gepäck, aber der sehr, sehr viel länger dauert.


    Herzliche Grüsse
    linthler

  • Ein Erlebnis auf einer an sich nicht schweren Tages-Bergtour:
    abseits der Wege in ein bisher unbekanntes Gelände eingestiegen, das mich schon länger gereizt hat.
    Ich wusste jedoch schon wo die mir bekannten Bergsteige entlanglaufen und Orientierung war kein Problem.
    Schöne Tierbeobachtungen: Gemsen, Bergdohlen, Feuersalamander, diverse Vögel, Riesen-Waldameisenhaufen...
    Erste Abweichung von der vorgedachten Tour: das Gelände war sauschwer begehbar wegen dichtem Bewuchs mit Latschen. Dazwischen lag in den Vertiefungen noch Schnee vom Winter, der am Berg von unten nicht zu sehen war. Unter dem Schnee war fallweise mit tiefen Löchern zu rechnen (ich kenn den Berg). Deshalb konnte ich nicht die einladenden Schneeflächen begehen und musste zeitraubend am Rand entlang oder streckenweise quer über die Latschen klettern = richtige Sicherheits-Entscheidung aber schön viel klebriges Harz auf den Händen...
    Ich schlug die Richtung zur nähesten Stelle des nächstgelegenen Bergsteiges ein = richtige Entscheidung, nicht schwer...
    Nach einer mühsamen kräfteraubenden Stunde löst sich die Sohle des rechten Bergschuhes von vorne her ab = nicht vorhersehbar. Bleibe immer wieder hängen, Festbinden mit Schnur hält nicht und das Hängenbleiben kann auch nicht vermieden werden, solange das Anbinden hält. Hält eh nie lange...
    Fluchend reisse ich die Sch...-Sohle ganz ab, dadurch natürlich kein Grip auf dem Schuh und ständiges Ausrutschen, was durch zusätzliche Konzentration ausgeglichen werden muss - nervt und kostet viel Zeit. Ich sehe, daß die Zeit nicht ausreichen wird, vor Einbruch der Dunkelheit vom Berg runterzukommen. Glück im Unglück: das Wetter ist gut. Meine neue Tourplanung sieht so aus: möglichst in kein Loch reinfallen, nicht verletzen, egal wie lang es dauert: ich muss nur bis Einbruch der Dunkelheit auf dem bekannten Weg sein, der nicht schwer begehbar ist. Das Pech mit dem Schuh ärgert mich, die etwas unglücklich gewählte Strecke sehe ich nachträglich als Dummheit ein, bisschen Selbstvorwürfe die aber mit Abenteuerlust erklärt werden können und nicht unbedingt grob fahrlässig gewertet werden können = kompensiert es etwas.
    Wie einkalkuliert erreiche ich mit Dämmerung ziemlich genau den Punkt am bekannten Weg, wie ich es mir vorgestellt habe = Bestätigung einer richtigen Entscheidung = Pluspunkt gebucht, immer gut für Hinnahme von weiteren Schwierigkeiten.
    Nun weiss ich, daß ab der Stelle normal 2 Stunden bis nach unten sind = ca. 23 Uhr, oije :frowning_face:
    Weil lange Strecken dieses Weges über Grasflächen führen, die mittlerweile taunass geworden sind, wird es verdammt rutschig, noch dazu mit dem sohlenlosen rechten Schuh, fluche wie ein Schuster (passt gut dazu) = Neuberechnung der Ankunft unten = ca. 24 Uhr :-(( ..... gut, daß mir jetzt keiner mit Sprüchen von positivem Denken daherkommt, nach einiger Zeit teilweise auf allen Vieren nachdem ich einige mal auf den A gefallen bin fange ich selber damit an: "Egal, und wenn es bis morgen früh dauert, ich will nur heil wieder runterkommen, nur nicht verletzen oder in ein Loch fallen. Also alles mit der Ruhe... schau wie schön die Sterne leuchten - ja, klar du A..." mit solchen Selbstgesprächen vergeht wunderbar diese nette Zeit.
    Nächstes eigenartiges Erlebnis: ich komme um eine Wegbiegung und vorn links leuchtet ein rotes Licht - wasn das? oder wer steht hier um die Uhrzeit und leuchtet deppert mit einer roten Funsel? - ich will mich nicht außenrum vorbeidrücken ohne dieses ungute Gefühl des Nichtwissens und Kopfkinos loszuwerden und gehe drauf zu, Taschenmesserl in Hose ist schon aufgeklappt, haha.
    Wie ich näher rankomme, erkenne ich daß es ein Grablichterl ist, daß für einen vor 100 Jahren verunglückten Bergsteiger von jemand an der Gedenktafel aufgestellt wurde. Die Geschichte vergess ich nie und jedesmal wenn ich heute dran vorbeikomm, leg ich einen Zweig oder schönen Stein da hin.
    Danach unspektakuläre aber mühsam abwärts plagende Zeit. Ein letztes Stück durch den dunklen Wald (ohne Lichtgeister) und um 1 Uhr bin ich fix und foxi beim Auto. Heim, und den ganzen nächsten Tag durchgeschlafen. Nächste Wochen neue Bergschuhe gekauft. Nach noch einer Woche: "Was für eine verrückt-super Tour! Mach ich aber nicht noch mal..."

  • Hallo Linthler,
    danke ich schreib gerne was dazu, wird aber nur in Etappen klappen da mir gerade die Zeit etwas fehlt.
    Die Seite welche Du gepostet hast kenne ich jetzt nicht aber die Systeme sind mir bekannt.


    Gruß,
    der Thomas