Eva Horn: Zukunft als Katastrophe

  • Mir ist bewusst, dass diese Literaturvorstellung wahrscheinlich kontrovers aufgenommen wird. Es handelt sich um die wissenschaftliche Arbeit einer Germanistikprofessorin. Eva Horn geht darin verschiedenen Fiktionen, aber auch einflussreichen wissenschaftlichen Texten nach, die sich mit Vorstellungen von weltumfassenden Katastrophen und des Umgangs mit diesen befassen. Das alles macht sie an zahlreichen konkreten Beispielen von etwa 1800 bis etwa 2010 fest und versucht vor allem der Frage nachzugehen, warum in bestimmten historischen Zusammenhängen die Untergangsphantasien so ausgesehen haben, wie sie ausgesehen haben.


    Ihre Argumentation ist meist recht plausibel und der Text vergleichsweise leicht lesbar geschrieben. Nur etwa im dritten Viertel wird es etwas arg philosophisch. Da befasst sie sich mit der Frage der Voraussehbarkeit von Ereignissen und der Beeinflussbarkeit des Schicksals und bemüht so illustre Beispiele wie den Sophokles' "König Ödipus" und Camerons "Terminator". Abgesehen von dieser etwas schweren Passage wäre mein einziger Kritikpunkt, dass sie bei den neuesten Entwicklungen die Interpretation schleifen lässt. So wird etwa die aktuelle Flut der Zombie-Filme erwähnt, aber Horn bleibt eine Interpretation schuldig, warum derzeit ausgerechnet diese Untergangsphantasie so populär ist. Auch Cormac McCarthys Roman "Die Straße" von 2006 nimmt sehr breiten Raum ein (was meiner bescheidenen Meinung nach durch seine literarische Qualität nicht gerechtfertigt ist), aber auch hier bleibt die Autorin seltsamerweise eine Antwort darauf schuldig, warum McCarthy ausgerechnet sein ungewöhnliches Szenario gewählt hat, mal abgesehen davon, dass sie unnötigerweise die Geschichte an verschiedenen Stellen gleich dreimal kurz nacherzählt. Diese Kleinigkeiten fallen allerdings wenig ins Gewicht, und ich halte den Band insgesamt für eine hervorragende Arbeit.


    Warum empfehle ich ihn für Prepper (denen übrigens auch ein halbes Kapitel gewidmet ist) zur Lektüre? Ganz einfach: Ich finde es wichtig, dass wir unsere Szenariovorstellungen und Strategien kritisch darauf überprüfen, was davon tatsächlich auf Erfahrungswerten und realistischen oder wissenschaftlichen Annahmen beruht und was eher durch die Rezeption von Untergangsfiktionen ausgelöst wird. Tut man das nicht, droht die Verschwendung von Prepping-Ressourcen aller Art auf Szenarien, die eben nur Fiktionen entspringen. Das Extrembeispiel wäre die viel zitierte Zombie-Apokalypse. Aber auch bei scheinbar realistischeren Szenarien ist meiner Meinung nach oft ein guter Schuss Fiktion und Kulturindustrie dabei. "Zukunft als Katastrophe" kann dabei helfen, den Blick dafür uns damit in der Umkehrung für die Realität zu schärfen.


    Eva Horn: Zukunft als Katastrophe. Gebunden, 476 Seiten. S. Fischer, 2014. 24,99 Euro. ISBN 978-3100168030