Bevölkerungsverhalten in Krisen und Katastrophen

  • [MENTION=8046]Asdrubal[/MENTION]: Ich schreib‘ jetzt mal nicht, in welchem Dorf ich wohne, aber hier sind Infrastruktur und soziales Gefüge (Einheimische und Zugezogene) i. O. - daher meine Haltung...
    [MENTION=7894]Miesegrau[/MENTION] : Ich hoffe auf das Beste und bereite mich auf das schlimmste vor. Heißt: Ich vertraue auf Vernunft und soziales Verhalten - und habe trotzdem eine dicke Tür und einen wohl bestückten Tresor. Positives Denken heißt nicht, kritiklos oder blauäugig zu sein! Die Abgründe, zu denen Menschen fähig sind zu kennen heißt aber auch nicht, allen Menschen in allen Situationen nur noch negativ begegnen zu können. Auch hier dürfte der beste Weg zwischen beiden Extremen liegen.


    Beste Grüße vom Mittel- (nicht Wald!-) Hessen

  • [MENTION=8046]Asdrubal[/MENTION]


    Du hattest eine Vielzahl Argumente gegen Teil 2 von miesegraus idyllischem Dorf geschildert.
    Mich würden aber auch die Argumente für/gegen Teil 1 (Neuköllner Idylle ) interessieren.
    Ich denke wir können hier offen darüber diskutieren.

  • Zitat von Don Pedro;315347

    Ich bin kein Psychologe, aber ich denke das beim Menschen relativ schnell die Urinstinkte durchbrechen werden wenn es ans Eingemachte geht.


    ...dem Urinstinkt nach ist der Mensch ein soziales Sippen- bzw. Herdentier... wie der Rest der Affenbande.

  • Obacht, das ist anekdotisch - Ja, ein trauriger und erschreckender Fall, für den Wissenschaftler aus „Vogelperspektive“ wäre jetzt von Interesse, wie oft Menschen in Notlagen ignoriert werden, und wie oft im Vergleich dazu Menschen anderen Menschen im gleichen Zeitraum Hilfe leisten. Daraus lässt sich erst eine allgemeingültig Aussage ableiten, ob homo homini lupus est (vulgär übersetzt: jeder Mensch jederzeit ein Drecksack), oder ob im Mittel Menschen doch eher hilfsbereit sind...


    Eine Pressemeldung macht noch keine Statistik, egal, wie sehr sie gerade zur eigenen Meinung passt!


    Beste Grüße vom emotionslos rechnenden Hessen

  • Ganz ehrlich Hesse, irgendeine Statistik die ich nicht selbst gefälscht hätte, interessiert mich nicht die Bohne. So einen Vorfall dürfte es eigentlich gar nicht geben.


    Er zeigt nur die Natur des Menschen auf.

  • Zitat von Miesegrau;315353

    Schimpansen führen gut geplante und vernichtende Eroberungskriege gegen nachbarliche Gruppen.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansenkrieg_von_Gombe


    So viel zu unseren freundlichen Verwandten aus dem Tierreich.:devil:


    Lasst uns lieber an den Bonobos orientieren - die bumsen den ganzen Tag völlig hemmungslos und sind ausserordentlich glücklich dabei.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Bonobo


    :popcorn:

    Ich krieg' die Krise, wenn ich sie nur sehe!

  • Zitat von lederstrumpf;315362

    Er zeigt nur die Natur des Menschen auf.


    Das ist so nicht richtig: Er zeigt auf, dass sich in diesem einen gemeldeten Vorfall vier Menschen so und einer anders verhalten haben. Aus diesem anekdotischen Bericht kann man aber keine allgemein gültige Aussage über „die Menschen“ im Gesamten treffen - sondern nur Vorurteile bestätigen. Damit kann man keine verlässlichen Voraussagen über wahrscheinliches Verhalten Anderer machen!


    Sorry, aber so funktioniert kritisches Denken halt: man kann nicht vom Speziellen auf das Allgemeine schließen („Alle Mexikaner gehen im Gleichschritt hintereinander her, jedenfalls die Zwei, die ich gesehen habe“), und nicht versuchen, aus zu kleiner Datenbasis „die Wahrheit“ für alle zu ziehen („Ich habe bisher nur vier Katzen in meinem Leben gesehen, und alle waren schwarz, also müssen alle Katzen schwarz sein“).


    An Alle: Bitte versteht zu allererst einmal, dass es einen Unterschied zwischen subjektiver Wahrnehmung und tatsächlicher Datenbasis gibt (fast immer für Alle, ich falle auch oft drauf rein); dass es so etwas wie Persönliche Wahrnehmungsfehler gibt, weil wir uns bevorzugt Sachen merken, die uns bestätigen, und ignorieren, was nicht in unser Weltbild passt; dass es immer Interessengruppen gibt, die einem nur einen passenden oder auffälligen Teil der Wahrheit zeigen (siehe Lederstrumpfs Artikel: es ist halt einfach keine Meldung wert, wie oft Menschen in solchen Situationen täglich einen Rettungswagen rufen); und vor allem ist es falsch und unanständig, aus solchen gefilterten Einzelfällen allgemeingültig Vorhersagen zu machen.
    [MENTION=11436]lederstrumpf[/MENTION]: Wie wäre Deine Meinung von Menschen, wenn die (hypothetische) Schlagzeile, die dann genau so wahr gewesen wäre „Sensation: In 99,9 Prozent alle Fälle rufen Passanten Hilfe für hilflose Mitbürger“ gelautet hätte?


    Gut, gäh? So macht uns unsere Meinung unsere persönliche Wirklichkeit.


    Beste Grüße vom sich selbst immer wieder kontrollierenden Hessen


    [COLOR="silver"]- - - AKTUALISIERT - - -[/COLOR]


    Zitat von hayko;315363

    Lasst uns lieber an den Bonobos orientieren - die bumsen den ganzen Tag völlig hemmungslos und sind ausserordentlich glücklich dabei.


    Recht haben sie, die Bonobos! Also ist die Frage: glaube ich an den Schimpansen oder den Bonobo im Mitmenschen?

  • Zitat von Hiking Hessian;315364

    Beste Grüße vom sich selbst immer wieder kontrollierenden Hessen


    - - - AKTUALISIERT - - -


    Recht haben sie, die Bonobos! Also ist die Frage: glaube ich an den Schimpansen oder den Bonobo im Mitmenschen?



    Erbamen, zu spät die Hessen kommen


    https://www.youtube.com/watch?v=AbF7lpIHZXg


    :grosses Lachen::Cool::kichern:

    Ich krieg' die Krise, wenn ich sie nur sehe!

  • [MENTION=11017]Hiking Hessian[/MENTION]


    Aber ja doch, du hast völlig Recht. Die meisten Menschen sind nett, hilfsbereit und freundlich. Das ist leicht, kostet nix und macht das Leben angenehm und schafft Freunde. Wir leben in einer Zeit des Überflusses, viele ohne Angst um das Morgen, alles ist in Butter.:-)


    Und jetzt versuche dich mal in Menschen hinein zu versetzen denen all das genommen wurde. Blackout. seid 10 Tagen friert deine Familie, hat kaum etwas zu essen, deine Frau weint verzweifelt weil dein Kind nur noch krank und apathisch vor sich hin wimmert. Etwas Wärme, ein bisschen Essen und Medikamente würden sofortige Abhilfe schaffen. Aber es ist nichts da. Die Oma von gegenüber hat eine Speisekammer mit etwas Vorrat. Du weist das, denn du hast ihr früher einmal einen schweren Wasserkasten hinauf getragen.
    Also gehst du hinüber und klopfst an ihre Tür. Die Frau hat Angst und du trägst durch die Tür deine Bitte vor. Sie ist eine gute Seele und gibt dir von ihren geringen Vorräten eine Packung Kekse, ein Glas eingeweckte Birnen und eine Dose Suppe. Aspirin für das Kind hatte sie auch noch. Nicht viel, aber es hilft dir über einen weiteren Tag. Das geht noch so ein paar Tage weiter. Schließlich bleibt diese Türe zu, auch Omas wollen leben und vielleicht kommt ja noch ihr Enkel, dem es sicherlich auch nicht besser geht.
    Die Lage wird trostlos. Du hast die Umgebung komplett abgesucht. Du musstest dabei sehr vorsichtig sein, es sind noch andere unterwegs. Aber auch die finden nix mehr. Schließlich liegt ihr alle zusammen in dicke Decken gehüllt in einem Bett. Du kannst nicht weg, deine Frau ist zu schwach und das Kind am Ende.
    Der Morgen naht und du stellst fest das dein Kind an Hunger und Krankheit gestorben ist. Du trägst es still in den Nebenraum. Es sind unter Null Grad, es hält sich dort eine Weile bis du es beerdigen kannst. Die nächsten zwei Tage wird deine Frau immer schwächer und schließlich stirbt sie in deinen Armen. Du hast nicht mehr die Kraft sie hinüber zu tragen und bleibst neben ihr liegen bis auch dein Lebenslicht erlischt.


    Und jetzt sag mir bitte, wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen die Tür der Oma einzutreten, ihre Vorräte zu plündern um Frau und Kind möglicherweise zu retten? Wann wäre dieser Hauch von Zivilisation von dir verflogen?


    Es ist ein Scheiß Gedankenspiel. Ich hasse es über so etwas nachzudenken. Darum versuche ich im Vorfeld alles zu tun um so etwas zu verhindern. Und deswegen bin ich auch in den zwei Foren.

    Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom..........;-)

  • Zitat von Miesegrau;315366

    Und deswegen bin ich auch in den zwei Foren.


    Besser noch, wenn Du im Vorfeld in den zwei Supermärkten für Oma, Frau und Kind einen Grosseinkauf machen würdest :winking_face:


    Ich stimme in Dir vollem Umfang zu, dieses Scenario das Du oben selbst beschrieben hast, ist ein verdammt Scheiß Gedankenspiel.


    Hoffentlich kommen wir niemals in so eine beschissene Lage.






    "Wer Erbsensuppe nachmacht, oder verfälscht, oder wer nachgemachte oder verfälschte Erbsensuppe in den Umlauf bringt, wird mit Graupensuppe nicht unter 3 Portionen bestraft.

    Ich krieg' die Krise, wenn ich sie nur sehe!

  • Zitat von Miesegrau;315366


    Es ist ein Scheiß Gedankenspiel. Ich hasse es über so etwas nachzudenken. Darum versuche ich im Vorfeld alles zu tun um so etwas zu verhindern. Und deswegen bin ich auch in den zwei Foren.


    Jep! So ist es. :Gut:


    Und klar, wäre ich gerne ein Bonobo. Wer wäre das nicht? Leider funktioniert das nur, solange die Ressourcen für alle reichen...
    Das sollte man sich besser jetzt schon bewusst machen, es gibt einfach zu viele Menschen.


    Und sollte es, (warum auch immer) eines Tages zu wenige Ressourcen, für zu viele Menschen geben, will ich da gar nicht mehr unbedingt dabei sein. :anxious_face_with_sweat:

  • Zitat von Miesegrau;315366

    Und jetzt sag mir bitte, wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen die Tür der Oma einzutreten, ihre Vorräte zu plündern um Frau und Kind möglicherweise zu retten? Wann wäre dieser Hauch von Zivilisation von dir verflogen?


    Und jetzt sag mir bitte, wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen zur Oma zu gehen und zu sagen: Du hast Essen, ich hab‘ Platz und warme Decken - komm zu uns rüber, zusammen kommen wir besser klar als alleine? Wir beschützen Dich, und Du passt auf das Kind auf, wenn wir schlafen müssen?


    Mal abgesehen davon, dass diese Gedankenspiele nichts mit den Erkenntnissen aus der im Startpost vorgestellten Untersuchung zu tun haben, und dass ich auf keinen Fall anzweifle dass verzweifelte Menschen in verzweifelten Situationen verzweifelte Dinge tun: Dass Dich solche Fragen so massiv umtreiben, sagt viel über Deine persönliche Motivation aus, aber nichts über die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintretens Deiner Ängste.


    Natürlich sind Plünderer eine Möglichkeit. Die sind auch in meinem Haus schlimmstenfalls Weichziel. Aber deswegen sind nicht die überwiegende Mehrheit der Menschen Verbrecher, sondern arbeiten in Krisen zusammen - und das war die Kernaussage des initial zitierten Textes.


    Miesegrau, mal ehrlich: Wir, die wir uns mit dem Thema befassen, wollen doch selber größtenteils zur zweiteren Kategorie („Omma, komm rüber, wir machen das gemeinsam durch“) gehören. Warum bezweifelst Du, dass andere Menschen so sein könnten? So wenig, wie ich bezweifele, dass es auch immer 10% Drecksäcke (Kategorie Plünderer) gibt?


    Mit besten Grüßen vom durchaus realistischen Hessen

  • Zitat von Hiking Hessian;315369

    Natürlich sind Plünderer eine Möglichkeit. Die sind auch in meinem Haus schlimmstenfalls Weichziel


    Und bei mir sind sie das nächste Mittagessen. :devil:

    Ich krieg' die Krise, wenn ich sie nur sehe!

  • [MENTION=11017]Hiking Hessian[/MENTION]


    Nun ja, ich bin ein recht zufriedener und glücklicher Bär. Und ich liebe meine Familie, deswegen sorge ich vor und bin für sie da so lange es eben geht. Ein paar Freunde habe ich komischerweise auch, die meine manchmal merkwürdigen Eigenheiten irgendwie tolerieren. Leider bin ich nicht sehr gesellschaftstauglich und gehe den Leuten meist aus dem Weg. Hab so einiges durch im Leben und dabei das Vertrauen in meine Art irgend wann verloren. Mehr als fünf Menschen auf einem Haufen sind mir eigentlich schon zu viel. Wenn es mehr werden verschwinde ich unauffällig.


    Auf den Zug hier bin ich nur aufgesprungen weil mich durchaus interessiert zu was Menschen in Notsituationen fähig sind, was sie denken und wie sie reagieren würden. Wir müssen nicht einer Meinung sein, das wäre kontraproduktiv. Gut das ich die Sichtweise von dir kennen lernen durfte. Ein weiteres Mosaiksteinchen das ich meinem Weltenbild zufügen konnte. Dafür bin ich außerordentlich dankbar, auch wenn es an meiner eigenen Meinung nicht wirklich was ändert. Und ich werde mich sicherlich auch nicht mehr ändern.

    Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom..........;-)

  • Zitat von Miesegrau;315371

    Und ich werde mich sicherlich auch nicht mehr ändern.


    Zack, zu spät, gerade schon geschehen... :Cool: ...Leben ohne Veränderung ist nun mal unmöglich, die Frage ist immer wohin und ob es freiwillig oder erzwungen geschieht.


    Wir sind uns viel ähnlicher, als Du glaubst, das mit den fünf Menschen auf einem Haufen ist exakt so auch meins. Und auch ich stelle gerne mal fest, dass das Leben kein Ponyschlecken ist.


    Aber: Für ein Schaf bin ich zu störrisch, für einen Wolf zu gutmütig - da blieb nur die Karriere als Schäferhund, der die Herde beschützen und die Wölfe verjagen will... für die Schafe mein Wissen und Können, für die Wölfe die grobe Kelle. Rhetorisch oder körperlich.


    Und jetzt husch in‘s Körbchen!


    Beste Grüße vom Grog titrierenden Hessen
    (schlagt‘s nach: Dosistitration)

  • Zitat von Miesegrau;315371

    Nun ja, ich bin ein recht zufriedener und glücklicher Bär.


    Gut so, denn eines dürfen wir alle nicht vergessen: Niemand ist unsterblich.


    Meine Oma sagte immer: "Genieße Dein Leben ständig, Du bist länger tot als lebendig!"


    Der eine stirbt mit 20 im Drogenrausch. Der nächste hat mit 25 einen tödlichen Autounfall. Der nächste hat mit 30 einen Herzinfarkt (Ein Kumpel von mir, ein Sportler bereits mit 28).


    Der nächste hat Krebs mit 35. Ok ok, mit ein paar Dosen Ravioli im Keller schaffen wir es noch ein paar Wochen länger wie alle anderen. Es ist unser Hobby und deswegen sind wir hier.


    Alles gut. Aber sterben müssen wir trotzdem, ob vor oder nach Oma. Das letzte Hemd hat eben keine Taschen.


    In diesem Sinne, ich wünsche allen Mitstreitern einen guten Rutsch und ein zufriedenes und glückliches Jahr 2018. :drinks:


    Und jetzt husch in‘s Körbchen!

    Ich krieg' die Krise, wenn ich sie nur sehe!

  • Zitat von Hiking Hessian;315373

    (...) dass das Leben kein Ponyschlecken ist.


    Das möchte ich sehen! ;-):grosses Lachen:

  • Vielen Dank Hiking Hessian mal wieder etwas solides in die Diskussion eigebracht zu haben:Gut:


    Die interessante Veröffentlichung stützt die Aussagen die auch schon in verschiedenen anderen Publikationen getätigt wurden. Ich denke man muss klar unterscheiden zwischen einem Szenarion apokalyptischen Ausmaßes und anderen weniger "dramatischen". Hierbei ist aber festzustellen, dass das weniger extreme häufiger auftritt als das extreme. Wenn ich mir die letzten 50 Jahre in Zentraleuropa anschaue bestätigen sich viele der Thesen und Ängste die hier geäußert werden nicht.


    Wünsche allen einen guten Rutsch!


    Viele Grüße
    KUPFERSALZ