Hm, hätte ich mir vorher vorstellen können, wie es ist, wenn meine Frau ein Kind gebärt und wie ich das erleben werde? Nein. Ich denke, genauso ist es mit Gewalt. Da hast Du eine Menge Stoffe im Blut, die Du jetzt (hoffentlich) nicht drin hast (oder nicht in dem Ausmass), die Dich anders denken, erleben und entscheiden lassen.
Zitat von Nikwalla;77863real bleibt für die Mehrheit nur die Opferrolle.
Das halte ich nicht für realistisch. Die Mehrheit ist lernfähig, reagiert und passt sich der neuen Situation an. Es sollen in Grossbritannien bereits Bürgerwehren entstanden sein. Wenn der Staat nicht mehr die Gesellschaft schützt bekommen möglicherweise die Extreme Zulauf. Auf jeden Fall treten Gegenkräfte auf.
Ein Blick nach Athen, vor kurzem:
ZitatVor einigen Wochen wurde ein junger Familienvater im Zentrum erstochen, als er sein Auto holen wollte, um seine schwangere Frau ins Krankenhaus zu fahren. Die mutmasslichen Täter: zwei Afghanen, illegale Immigranten. Die Beute: eine Videokamera. Noch am selben Abend kam es zu Demonstrationen schockierter Bürger, die sich von Politik und Polizei allein gelassen fühlten. Rechtsradikale demonstrierten mit.
In der Nacht kam es zu Hetzjagden: Rechte Schlägertrupps jagten alles, was nach Ausländern aussah, verwüsteten Geschäfte. Ein 21-jähriger junger Mann aus Bangladesh wurde auf offener Strasse erstochen, 17 Ausländer wurden verletzt in die Krankenhäuser eingeliefert. «Es ist Krieg», sagt eine Freundin.
http://www.tagesanzeiger.ch/au…ng-Athens-/story/25842368
Da kommen dann kollektive Dynamiken ins Spiel. So wie die Meute sich für die Tötung des mutmasslichen Drogendealers rächen wollte, so würden sich andere dafür rächen (aber wahrscheinlich nicht an den "richtigen"), wenn Deine Kinder getötet würden (hilft Dir nicht weiter, klar, aber es ist evtl. auch ein gewisser Schutz, sozusagen gegenseitige Abschreckung). Die Extreme loten dann die Spielregeln des Konflikts aus resp. auf welcher Eskalationsstufe sie ihn austragen wollen, wenn der Rechtsstaat abwesend/schwach ist.
Zitat von Nikwalla;77863Auch darf man in Betracht ziehen, dass Menschenmassen anderen Gesetzen (Gesetzmäßigkeiten) folgen, wie einzelne oder eine kleine Gruppe.
Sicher. Ich habe zwar nicht Psychologie der Massen gelesen (sollte ich mal...), aber auch in einer Gruppe dürfte die natürliche Tötungshemmschwelle deutlich höher liegen als zusammen zu plündern. Und es kommt immer auf die Situation und die Absichten des Mobs an. Ich erinnere mich an eine Szene des Films "War Photographer", in der James Nachtwey (ich ziehe meinen virtuellen Hut vor diesem Menschen) dokumentiert, wie ein Mob in Malaysia einen Mann durch die Strassen jagt und umbringen will. Während andere Kriegsfotografen dies aus sicherer Distanz tun ist er mitten im Geschehen. Er knipst nicht nur. Er kniet vor dem Mob nieder und fleht sie an, den Mann nicht zu töten. Sie tun es trotzdem, aber James Nachtwey krümmen sie kein Haar (keine Selbstverständlichkeit, man sehe sich die Statistiken zu getöteten/verletzten Journalisten an).
Es kommt auf sovieles an. Grundsätzlich ist sicher richtig, bestmöglich die Ruhe zu bewahren und vor dem Handeln zu überlegen. Und je grösser der Handlungsspielraum/die Ressourcen (gute Nachbarschaft, Fähigkeiten, Gerätschaften, usw.), umso besser.
Herzliche Grüsse
linthler