Radioaktive Strahlung - Grenzwerte

ACHTUNG! Diese Themen und Beiträge behandeln Gesundheitsthemen. Sie dienen nicht der Selbstdiagnose und ersetzen keine Arztdiagnose! Die Themen und Beiträge werden nach bestem Wissen und Gewissen (vorwiegend von Laien) erstellt. Der Betreiber des Forums kann Fehler, veraltete oder unvollständige Informationen oder womöglich gesundheitsgefährdende Inhalte nicht ausschließen und übernimmt keine Haftung für Folgeschäden, Verletzungen, usw. jeder Art die durch Anwendung der abgebildeten Informationen bei Ihnen oder Dritten womöglich auftreten. Die Nutzung dieser Informationen erfolgt auf eigene Gefahr!
  • Soo, ich hoffe es wurde hier nicht schon hundertfach durchgekaut, hab bisher nur einen ähnlichen und interessannten Thread dazu gefunden, und zwar:


    https://www.previval.org/forum…ausen?highlight=grenzwert


    Ich habe aber ein Paar fragen, auf die ich nach einer Grösseren Recherche keine Antwort finde.



    Ich mache zuerst mal eine kleine zusammenfassung meiner Recherche, und beschränke mich nur auf die Einheit "Sievert":


    Die durchschnittliche jährliche Äquivalenzdosis absorbierter Strahlung liegt in Deutschland zwischen 1 und 5 mSv/a (MilliSievert/Jahr).


    Die Verteilung sieht folgendermassen aus:


    Die Natürliche Strahlung: ca. 2,4 mSv/a



    - Kosmische Strahlung: ca. 0,3 mSv/a
    - Terrestrische Strahlung (Natürliche Radionuklide: Kalium 40, Thorium-232...): ca. 0,4 mSv/a (Aufenthalt im Freien ca. 0,1 mSv und auf den Aufenthalt in Gebäuden etwa 0,3 mSv)
    - Inkorporierte strahlung (Nahrung, Radon(gas)): ca. 1,7 mSv/a


    Die Künstliche Strahlung: ca. 2,6 mSv/a


    - Technische und Medizinische Anwendung: ca. 2,0 mSv/a
    - Sonstiges (Durch Fliegen, Rauchen etc.) ca. 0,6 mSv/a



    Jetzt interessieren mich nur noch die Grenzwerte für die Ortsdosisleistung, die kann ich nicht mal auf der Seite von Bundesamt für Strahlenschutz finden!


    Ortsdosisleistung beschreibt die Menge der Strahlung - die man gerade in diesem Moment absorbiert - und wird normalerweise in uSv/h (Mikrosievert pro Stunde) angegeben.
    "Normale" Gamma - Strahlenexposition in Deutschland liegt zwischen 0,05 bis 0,2 uSv/h.
    In Gebäuden kann die Strahlung wegen Radon und natürlich radioaktiver Baumaterialien auch höher liegen.


    Hier kommt der Knackpunkt: Zuhause Messe ich mit dem Gamma Scout eine Ortsdosisleistung von 0,25 uSv/h die ab und zu bis 0,35 uSv/h hochgeht, besonders neben Wänden, da wo man normalerweise sein Bett stehen hat.


    Jetzt rechnen wir: 15 Stunden am Tag Zuhause => 5475 Stunden im Jahr Zuhause.
    5475h * 0,25 uSv/h = 1349 uSv/a = 1,37 mSv/a
    Wenn man kosmische Strahlung abzieht (0,3mSv/a) ergibt sich 1,07 mSv/a nur durch Aufenthalt im Gebäude!



    Bundesamt für Strahlenschutz sagt doch: Aufenthalt im Freien ca. 0,1 mSv und auf den Aufenthalt in Gebäuden etwa 0,3 mSv ????


    Gibt es einen Grenzwert für die Ortsdosisleistung? Besonders für Zuhause, wo man sich ja die meiste Zeit aufhält?


    In Russland beträgt der Grenzwert der Strahlung zuhause bis maximal 0,2 uSv/h !!!
    Die russischen Geigerzähler fangen doch bei mehr als 0,2 uSv/h einen warnsignal zu geben!
    Was sagen die Experten??

  • Hallo,


    ist nicht ganz einfach, bei den Einheiten und Grenzwerten für rad. Strahlung durchzublicken.


    Zu den Grenzwerten: die deutsche Strahlenschutzverordnung legt einzig für den Umgang mit radioaktiven Stoffen u.ä. die Grenze für beruflich exponierte Personen mit 20mSv pro Jahr und für alle übrigen Personen auf 1mSv pro Jahr fest, d.h. hier geht es um den Schutz beteiligter und unbeteiligter Personen, wenn man mit radioaktiven Stoffe/Strahlungsquellen hantiert.
    Für die Schweiz gilt die Regel, wer berufsbedingt mehr als 1 mSV im Jahr abbekommt, gilt als "beruflich strahlenexponiert".


    Die Ortsdosisleistung ergibt sich, wenn man die Dosisleistung ständig an einem fixen Punkt (Ort) misst. Einen eigenen Grenzwert für die Ortsdosisleistung anzugeben, macht an sich keinen Sinn. Denn der aus gesundheitlicher Sicht festgelegte Grenzwert, ist die Dosis, die man aufgenommen hat. Stünde man nun das ganze Jahr unbeweglich an einem Fleck, ergäbe sich natürlich aus der dort herrschenden Strahlung aufsummiert eine Ortsdosisleistung, die dann dem entspricht, was man absorbiert hat und evtl. die Schutzgrenze aus der Strahlenschutzverordnung überschreitet. Das eine (Strahlenschutz für Beteiligte und Unbeteiligte beim - beruflichen - Umgang mit Strahlern) hat mit dem anderen (an einem Ort absorbierte natürliche Strahlendosis) nicht unbedingt was zu tun.


    Was das Messen mit GammaScout und Co. angeht, eine - recht diplomatische - Antwort aus den FAQ des BFS:


    Frage: "Ich habe mir ein Radioaktivitätsmessgerät zugelegt. Dieses zeigt andere Werte an als die, die unter http://odlinfo.bfs.de veröffentlicht werden."
    Antwort: "Darüber hinaus sind viele Messgeräte auf einen mittleren Dosisbereich gegen einen bekannten Strahler geeicht. Bei diesen relativ hohen Dosen liegen die Messwerte nahe dem Erwartungswert. Bei der Messung der Umweltradioaktivität sind die Werte allerdings sehr viel geringer, die relativen Fehler sind dadurch sehr viel größer, und Abweichungen um den Faktor 2-3 sind leicht möglich."


    Ein einfacher Geigerzähler ist und bleibt ein Schätzeisen. Selbst ein Spitzengerät kann - prinzipbedingt - im unteren Grenzbereich seiner Empfindlichkeit nur ungefähr messen, die Fehler sind da teilweise gewaltig. Einzige Abhilfe: über einen sehr langen Zeitraum sehr viel messen und den Mittelwert bilden. Den Gamma-Scout kann man an sich gut dazu nehmen, weil er z.B. die stündlichen Zählwerte mit Zeitstempel abspeichern kann und man die Daten am PC auslesen kann. Wenn man da mal 7 oder 14 Tage durchmisst und dann mittelt, ergeben sich andere Werte, als wenn man die über ein paar Dutzend Zähl-Impulse ermittelten Dosisleistung vom Display abliest.





    Grüsse


    Tom

  • Zitat von Asator;82968

    Soo, ich hoffe es wurde hier nicht schon hundertfach durchgekaut, hab bisher nur einen ähnlichen und interessannten Thread dazu gefunden, und zwar:


    https://www.previval.org/forum…ausen?highlight=grenzwert


    Ich habe aber ein Paar fragen, auf die ich nach einer Grösseren Recherche keine Antwort finde.


    Hallo Asator,


    ich verweise insbesondere auf den Beitrag von tomduly, seinen Antworten kann ich nur zustimmen. Ich liefere hier nur einige Ergänzungen.



    Kommt in etwa hin, wobei die natürliche Jahresdosisleistung in Hochschwarzwald oder Erzgebirge um einige mSv heftiger ausfallen kann.

    Zitat von Asator;82968


    Jetzt interessieren mich nur noch die Grenzwerte für die Ortsdosisleistung, die kann ich nicht mal auf der Seite von Bundesamt für Strahlenschutz finden!


    Ortsdosisleistung beschreibt die Menge der Strahlung - die man gerade in diesem Moment absorbiert - und wird normalerweise in uSv/h (Mikrosievert pro Stunde) angegeben.


    Die musst Du auch je nach Nuklid und Szenario (Punktstrahler? Flächenstrahler? Raumstrahler? isotrop? anisotrop?) ausrechnen. Da ist teilweise auch ein bisschen Integralrechnung gefragt, mit der Du die Strahlung um Dich rum "mathematisch aufsammelst".



    Literatur zum Beispiel:


    Hanno Krieger; Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz, B.G. Teubner, Stuttgart (zwei Bände)
    Claus Grupen; Grundkurs Strahlenschutz, Vieweg, Braunschweig, Wiesbaden


    eine gute Rechenhilfe für Ortsdosisleistungen diverser Nuklide liefert zum Beispielhttp://www.ornl.gov/reports/1982/3445603573381.pdf


    Ich bin zwar kein Experte, aber die normalen externen Beta- und Gamma- Niedrigdosen halte ich nicht für so wahnsinnig interessant. Ihre Wirkungen sind im statistischen Rauschen nicht nachweisbar, ganz im Gegenteil zum Beispiel zu der kanzerogenen (krebserzeugenden) Wirkung von Passivrauchen. Die 0,2 µSv/h, etwa 1,7 mSv/a würde ich mit der gleichen Gelassenheit quittieren, wie die zehnfache externe Beta- oder Gammadosis. Sehr viel gefährlicher sind inkorporierte (mit der Nahrung oder der Atemluft aufgenommene) Alphastrahler. Und genau da versagen die meisten "Kernwaffennahtrefferdetektoren" (Volksgeigerzähler).


    Hier ist ein Nachweis mit einem grossflächigen Halbleiterdetektor/Szintillationsdetektor möglich, mit dem man auch anhand der Energiesprektren die strahlenden Nuklide identifizieren kann. Der RAM63 mit einer nachgeschalteten Auswertesoftware ist keine allzu dumme Idee.


    Ansonsten gelten die üblichen Faustformeln für Strahlenkrankheit:


    0,25 Sv wirst Du nicht bemerken, Spätfolgen (Krebs, Unfruchtbarkeit, Erbgutveränderung aber möglich)
    1 Sv vorübergehende Strahlenkrankheit, Folgen siehe oben, nur verstärkt
    4 Sv etwa zu 50% tödlich, Überlebende werde sich nie wirklich erholen
    6 Sv praktisch 100% letale Dosis



    Strahlende Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Danke für eure Antworten, sehr hilfreich!


    Den Buchempfehlungen werde ich auf jeden Fall nachgehen!


    Es scheint also nichto so tragisch zu sein wie ich gedacht habe, ich werde es aber noch weiter beobachten und längere Messungen auswerten. Vorallem würde ich gerne noch andere Gebäude in meiner Gegend durchmessen, damit ich sehen kann ob der Gamma Scout allgemein die Werte ein wenig erhöht.


    Allerdings messe ich auf der Strasse und sogar im Treppenhaus Werte bis maximal 0,13 uSv, deshalb hatte ich da diese Zweifel.


    Und noch eine Frage an die Strahlungsexperten.


    Ganz allgemein: Wenn man sich in der nähe eines Beschädigten AKWs aufhält und durch Nahrung und Atemluft Radioaktive Stoffe wie z.B. Cäsium 137 und Strontium-90 inkorporiert, und das Jahre lang.... wie lange wird es dauern bis die Isotopen vollständig aus dem Körper verschwinden?


    Beide, von mir aufgeführte Radionuklide haben eine physikalische Halbwertszeit von ca. 30 Jahren.
    Zu der biologischen Halbausscheidung finde ich aber immer verschiedene Zeitangaben. Besonders bei Strontium, der sich für längere Zeit in den Knochen festsetzt habe ich verschiedene Zeitangaben von 10 bis 50 Jahren gefunden...


    Und kann man diese innere Strahlung aussen (z.B. mit einem Gamma-Scout) messen? Oder muss man dafür unbedingt einen Body Counter benutzen?


    Dieses Video zeigt z.B. dass Gamma Scout die innere Strahlung von Technetium sehr wohl messen kann:


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Zitat von Asator;83061

    Danke für eure Antworten, sehr hilfreich!


    Den Buchempfehlungen werde ich auf jeden Fall nachgehen!
    ...
    Allerdings messe ich auf der Strasse und sogar im Treppenhaus Werte bis maximal 0,13 uSv, deshalb hatte ich da diese Zweifel.


    Hallo Asator,


    ein gutes mSv pro Jahr ist eine plausible Anzeige.


    Zitat von Asator;83061

    Ganz allgemein: Wenn man sich in der nähe eines Beschädigten AKWs aufhält und durch Nahrung und Atemluft Radioaktive Stoffe wie z.B. Cäsium 137 und Strontium-90 inkorporiert, und das Jahre lang.... wie lange wird es dauern bis die Isotopen vollständig aus dem Körper verschwinden?


    Beide, von mir aufgeführte Radionuklide haben eine physikalische Halbwertszeit von ca. 30 Jahren.


    HWZ physikalisch: 90Sr 29 Jahre, 137Cs 30 Jahre
    HWZ biologisch: 90Sr 40 Jahre (wird wie Calcium verstoffwechselt, inclusive Einlagerung in den Knochen), 137Cs 110 Tage (Stoffwechsel wie Kalium, Ausscheidung über die Niere)


    HWZ effektiv: 90Sr 16,5 Jahre, 137Cs 109 Tage



    Rechenformel: HWZ[eff] = ( HWZ[phys] x HWZ[bio] ) / ( HWZ[phys] + HWZ[bio] )


    Für "vollständig verschwunden" rechnet man 10 effektive Halbwertszeiten - Strahlung auf 1 Tausendstel des Ursprungswerts abgeklungen.


    Zitat von Asator;83061


    Und kann man diese innere Strahlung aussen (z.B. mit einem Gamma-Scout) messen?


    Jein.


    Was der Gamma-Scout (nomen est omen) misst, ist die begleitende Gammastrahlung von Betazerfällen. Neben 90Sr und 137Cs fällt da vor allen der ganz natürliche Betastrahler 40K ins Gewicht, u.a. mit einem recht energiereichen Gammapeak von 1,1 MeV aus dem Zerfallsmechanismus K-Einfang. Zum "radioaktiven Inventar" des Durchschnittsbürgers gehört etwa 8000 Bq Aktivität des natürlichen Radionuklids 40K. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass bei nach Tschernobyl amtlicherseits als Giftmüll entsorgten Milchprodukten im wesentlichen natürliches 40K strahlte ...


    Um Nuklide anhand ihrer "Gammasignatur" zu erkennen, benötige ich ein Gammaspektrometer


    Strahlende Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Ok, das heisst, dass 90Sr nicht im Laufe des Lebens ganz wegzukriegen ist, wenn man es ein mal in einer mehr oder weniger grossen Menge aufgenommen hat?



    Damit würde Strontium ja, das ganze Leben lang, ß-Strahlung abgeben die nicht nur innere Organe schädigen, sondern auch nach Aussen durchdringen würde?


    Und Gamma Scout würde nur die begleitende Gamma-Strahlung messen, die natürlich viel kleiner ausfällt als die Gesamtstrahlung? Das heisst wenn er die Strahlung messen kann.... Gamma Scout kann angeblich Beta und Alphastrahlung messen, aber wenns nur die begleitende Gamma-Strahlung ist von Beta und Alphazerfällen....


    Das ist einleuchtend, aber ein wenig erschreckend :staun:

  • Für die Feuerwehr in Deutschland gilt:
    25 μSV/H ist die Absperrgrenze
    15 mSV darf ein Feuerwehrmann zur verhinderung von Sachschäden aufnehmen
    100 mSv darf ein Feuerwehrmann zur verhinderung von Schäden an Personen aufnehmen (bei dieser Dosis kann zum ersten mal erhöhtes Krebsrisko statistisch nachgewiesen werden)
    250 mSv darf ein Feuerwehrmann zur Lebensrettung aufnehmen (Andere Institutionen gehen bis 1 Sv!)

  • Zitat von Wolfshund;87887

    Für die Feuerwehr in Deutschland gilt:
    25 μSV/H ist die Absperrgrenze
    15 mSV darf ein Feuerwehrmann zur verhinderung von Sachschäden aufnehmen
    100 mSv darf ein Feuerwehrmann zur verhinderung von Schäden an Personen aufnehmen (bei dieser Dosis kann zum ersten mal erhöhtes Krebsrisko statistisch nachgewiesen werden)
    250 mSv darf ein Feuerwehrmann zur Lebensrettung aufnehmen (Andere Institutionen gehen bis 1 Sv!)


    Hallo Wolfshund,


    bei den 250 mSv einmal im Leben zur Rettung anderer würde ich mitgehen, bei 1 Sv definitiv nicht. Das würde ich mir nur antun, um Familienangehörige zu retten.


    Literatur zum Beispiel:


    Claus Grupen; Grundkurs Strahlenschutz, Vieweg, Braunschweig, Wiesbaden, 1998
    Hanno Krieger; Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz, Teubner, Stuttgart, 1998 (2 Bände)


    Viele Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)