Ich habe vom 3. bis 7. Oktober 2011 (Montag bis Freitag) den Survival Grundkurs der Survival Outdoor Schule (SOS) von Christoph Hagen mit Sitz in Zürich absolviert. Nachfolgend ein Bericht über meine Erfahrungen. Vorausschickend möchte ich festhalten, dass ich in Survival- und Outdoor-Aktivitäten eher ungeübt und unerfahren bin.
Kursort war ein Waldstück im Kanton Freiburg, ein stationärer Ort an dem wir die gesamte Woche verbrachten. 12 Teilnehmer im Alter von etwa 20 bis 50 Jahren, vorwiegend männlich, ein Kursleiter (Christoph Hagen) und zwei Personen, die das Praktikum für den Instruktorenkurs absolvierten. Also 12 Kursteilnehmer und 3 Personen Leitungsteam. Zum Absolvieren des Grundkurses sind keine Voraussetzungen notwendig, jedermann ab 17 Jahren kann daran teilnehmen.
Der Kursleiter, Christoph Hagen, dürfte altersmässig wohl irgendwo in den (frühen) 50-er sein. Er betreibt diese Schule seit mittlerweile 29 Jahren und ist neben seinen Outdoor-Aktivitäten noch Fluglehrer. Ursprünglich war er einmal Architekt. Ein kräftig gebauter Typ, sieht fit aus. Er hat, wenn ich das richtig verstanden habe, neben zahllosen weiteren Aktivitäten und Weiterbildungen in Survival und Steinzeitwissen, unter anderem einmal ein dreiviertel Jahr unabhängig von der Zivilisation in der Wildnis gelebt.
Einige Wochen vor dem Kurs erhielten wir die Ausrüstungsliste der mitzubringenden Gegenstände. Diese war sehr ausführlich und detailliert. Das Zusammenstellen und Zusammensuchen der Gegenstände und Materialien für den Kurs war für mich der mit Abstand grösste "Stressfaktor" des ganzen Kurses (okay, ich hatte mich ziemlich kurzfristig angemeldet und die Liste erst fünf Tage vor Kursbeginn erhalten, aber trotzdem).
1. TAG
Wir treffen uns um 10.30 Uhr bei einer Brücke im Wald. Je nach Wohnort musste man schon sehr früh aufstehen um den Ort mit ÖV zu erreichen. Anschliessend Vorstellungsrunde aller Teilnehmer (wer bin ich, was mache ich, warum bin ich hier und was will ich mit diesem Kurs erreichen). Danach Aufstellen der mitgebrachten Zelte oder Blachen (meist übernachten dann zwei Personen gemeinsam in einem Zelt bzw. Unterkunft).
Dann die erste "Lektion", Thema Ernährung: Die, gemäss der Detailliste in Plastiksäcken mitgebrachten und abgepackten Nahrungsmittel der Kursteilnehmer werden zusammengeschüttet (gleiches und gleiches), dabei vermittelt Hagen zahlreiche Informationen über den Nutzen von Plastiksäcken und zu den diversen Nahrungsmitteln. Es werden Küchenteams gebildet, welche in dieser Woche abwechslungsweise kochen werden, und die Funktion und Gebrauchsanleitung des Kochers und des Kochgeschirrs erläutert.
Im Zentrum des ersten Tages steht der Bau eines Reflektors (siehe nachfolgendes Bild - alle Copyrights der nachfolgenden Bilder liegen bei Christoph Hagen), also einer "Waldstube", welche wir in der gesamten Woche als Essplatz und Theorieort ("Schulzimmer") verwenden werden (die Teilnehmer sitzen im Kreis). Des weiteren besichtigen wir eine von den Kursleitern nutzbar gemachte Quelle, von welcher wir das Wasser für die ganze Woche beziehen werden. Ein Wasserchef für jeden Tag wird bestimmt und zahlreiche Informationen zum Thema Wasser, Wasserfilter usw. vermittelt. Weitere Infos zu Zecken und dergleichen folgen. Ebenfalls wird das Thema Toilette und wie und wo man im Wald am besten sein "Geschäft" verrichtet, erläutert.
Wir sind mehr oder weniger den ganzen Tag auf den Beinen, kurz vor 22.00 Uhr gehts dann in die verdiente Nachtruhe.
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2. TAG
Wir essen jeweils zweimal pro Tag eine gemeinsame warme Mahlzeit, morgens und abends. Spätestens um 07.00 Uhr morgens sind alle auf den Beinen. Und so wird es die ganze Woche bleiben, von morgens 07.00 Uhr bis abends um zirka 22.00 Uhr volles Programm, kaum Zeit zum Pinkeln bzw. auf "Toilette" gehen. Ab Mittwoch Abend gibts dann die ersten Reaktionen bzw. Reklamationen von Teilnehmern, weil ihnen das Programm zu intensiv erscheint (zu wenig Zeit für sich selbst wird beklagt).
Nach dem Morgenessen folgt ein Block Theorie. Die materiellen und immateriellen Voraussetzungen zum Überleben in der Natur werden ausführlich erläutert. Materiell sind das 1. Klimaschutz, 2. Wasser, 3. Feuer und 4. Nahrung. Die ersten drei Punkte erfordern 15% des Wissens, der letzte Punkt (Nahrung) 85% des Wissens.
Als Praxisteil steht an diesem Tag das Feuerbohren auf dem Programm. Aus dem mitgebrachten Holzstück (vorzugsweise Linde oder Pappel) werden Feuerbohrer und Brett geschnitzt, mit der ebenfalls mitgebrachten Spezialschnur und einem geeigneten Ast aus dem Wald eine Art Bogen gemacht. Ohne weitere Hilfsmittel ein Feuer entzünden ist das Ziel.
Ein weiterer Theorieblock bildet das Thema Wahrnehmung. Ein Naturmensch sieht offenbar 95% peripher (offen) während der Zivilisationsmensch hauptsächlich fokussiert sieht und wahrnimmt. Auch die Wahrnehmung von Tieren und deren Wahrnehmung (des Menschen) ist Thema. Ein weiteres Thema ist Feuer machen, geeignetes Holz und Anzündmaterial, das Feuer unterhalten usw. Täglich wird eine Person bestimmt die für das Feuer verantwortlich ist.
3. TAG
Im Zentrum des dritten Tages steht das Thema Klimaschutz mit all seinen Facetten, Kleidung, Wärmeverluste, Schlafsack und Unterlage, Schuhe usw. Dann folgen die wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines Rast- und Schlafplatzes, anschliessend wird (in der Theorie) der Bau einer Astwerkhütte vermittelt. Am Nachmittag und Abend erfolgt dann gemeinsam als Gruppe der Bau einer solchen Astwerkhütte (Übernachtungshütte) für zwei Personen.
Dieser Bau wird mit einer Übung in Leadership verbunden. Nach dem Theorieteil zum Thema Leadership sagt jede Person, wie sie die Gruppe führen würde, wenn sie zum Leader gewählt würde. Dann wählt die Gruppe ihren Leader (geheime Abstimmung - wer nicht führen will kann ablehnen) und los gehts mit dem Bau der Astwerkhütte.
Die handwerklich "Begabteren" bauen die Hütte, die anderen sammeln vor allem Material (Holz, Gras und Laub). Ein riesiger Haufen Laub und ein grosser Haufen Gras wird aufgeschüttet (stundenlang tragen das mehrere Personen, mit den mitgebrachten Blachen, meist 1,5 x 1,5 m, zusammen) und fast jeder denkt, das ist doch viel zu viel Material, das brauchen wir nie. Doch am Ende wird's noch knapp, es ist unglaublich wie viel Material eine solche Hütte verschlingt. Gemäss Hagen muss die Isolationsschicht der Hütte bei 10 Grad Aussentemperatur eine Unterarmlänge betragen, bei 0 Grad eine Armlänge. Einzelne Kursteilnehmer übernachten dann in der Hütte (heute und an den folgenden Tagen).
Nachfolgend drei Bilder einer solchen Hütte. (Mangels Bildmaterial der von uns gebauten Hütte, nachfolgend Bilder einer Hütte, welche als Schlafplatz für eine Person gebaut wurde, und zwar von einer Person/Frau von unserem Leitungsteam.) 1. Bild fertige Hütte, 2. Bild Grundgerüst, 3. Bild Hütte von innen.
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4. TAG
Pflanzentag.
Zuerst erfahren wie einiges über die grosse Wichtigkeit von Riechen und Schmecken, machen einige Experimente mit Duftstoffen. Dann gibts Infos über die Anzahl Pflanzen in der Schweiz, den (deutlich höheren) Vitalstoffgehalt der Wildpflanzen gegenüber den Kulturpflanzen und dergleichen mehr.
Danach erfolgt eine längere Wanderung durch den Wald und Hagen erzählt jede Menge Infos zu verschiedenen Pflanzen, die wir antreffen und die betreffend Survival wichtig und nützlich sind, insgesamt gut 20 Stück. Hier einige Beispiele: Walderdbeere, Haselnuss-Strauch, Linde, Berberitze, Johanniskraut, Kastanie, Brennessel, Holunder, Mehlbeere, Walnussbaum, Buche usw.
Auf dem Rückweg sammelt jeder für sich allein von einigen der gelernten Pflanzen Teile, die man als Nahrung verwerten kann. Am Schluss Besprechung und anschliessend Zubereitung der Pflanzen als Beilage zum Nachtessen. Nach dem Nachtessen folgen noch Infos zu Giftpflanzen und ähnlichem.
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5. TAG
Spuren lesen und (eigene) Spuren verwischen. Unter anderem schauen wir mal, was für Spuren von unseren bisherigen Tätigkeiten wir so hinterlassen haben (erstaunlich viele, obwohl wir vorsichtig waren). Dann machen wir uns daran unsere Spuren so gut als möglich zu verwischen. Hagen legt extremen Wert darauf, so "unsichtbar" wie möglich zu bleiben und so wenig Eingriffe in Wald und Natur wie möglich vorzunehmen.
Ein weiteres Thema an diesem letzten Tag ist Wasser. Wie findet man Quellen, welche Möglichkeiten zur Wassergewinnung existieren, wie rationiert man Wasser bei Knappheit (z.B. in der Wüste). Während der Woche ist jeder mal Tau sammeln gegangen. Weitere Infos gibts zur Beurteilung der Wasserqualität, wie man das Wasser trinkbar macht usw. Auch Zelte (welche sind optimal) sind ein Thema, ebenso weitere Themen und Fragen der Teilnehmer.
Jeder Kursteilnehmer, der das wünscht, bekommt ein persönliches Feedback. Dabei schätzt sich der Teilnehmer anhand verschiedener Punkte (z.B. handwerkliche Fähigkeiten, Outdoor-Fähigkeiten, Verhalten in der Gruppe usw.) selber ein und wird vom Leiterteam eingeschätzt. Durchschnittlich qualifizieren 50 Prozent der Teilnehmer direkt für den Fortgeschrittenen-Kurs, den anderen 50 Prozent werden andere, leichtere (Vor-)Kurse empfohlen. Die allerbesten qualifizieren sich sogar für den Instruktorenkurs (ob das von unserem Kurs jemand geschafft hat weiss ich nicht). Ich persönlich bin voll happy, das Kursziel (auch in den Augen von Hagen) erreicht zu haben und für den Fortgeschrittenen-Kurs zu qualifizieren.
Am Freitag um 17.30 Uhr ist schliesslich Kursende.
FAZIT
Ich fand den Kurs sehr hilfreich und kann ihn ohne Vorbehalte weiterempfehlen. Den Kurspreis von Fr. 690.- fand ich absolut fair und angemessen. Wer allerdings nur "ein bisschen Ferien" machen möchte, für den ist der Kurs nicht unbedingt geeignet. Der Kurs ist alleine wegen der hohen Präsenzzeit (täglich von 07.00 Uhr bis zirka 22.00 Uhr) recht anstrengend. Körperlich kommt man in dieser Woche sicher nicht ausser Form, der Kurs ist aber auch für nicht so fitte Personen geeignet (dann läuft man beim Materialsammeln halt etwas langsamer).
Das Wissen und die Kompetenz von Christoph Hagen schätze ich als sehr hoch ein. In meinen Augen ist er ein Profi, der von der Praktikerseite her kommt und, würde das Fach an einer Hochschule gelehrt, dort wohl (im Teilpensum) Professor wäre.
Alleine bei der Ernährung würde ich (als Ernährungsberater) kleine Abstriche machen. Alles (also 100%) was wir in dieser Woche an offiziellen Mahlzeiten zu uns nahmen, war gekocht, bei den Wildpflanzen z.T. sogar mehrmals. Aus der modernen Ernährungslehre weiss man heute, dass nur gekochte Nahrung auf Dauer zur Gesunderhaltung nicht ausreicht. Also hätte ich erwartet, dass wenigsten ein Teil der von uns gemäss Ausrüstungsliste mitgebrachten Lebensmittel (z.B. Äpfel und Nüsse) hätten roh verzehrt werden können und sollen (oder evtl. sogar ein Teil der mitgebrachten Linsen angekeimt und dann roh verzehrt worden wären).
Ich denke, dass ich bis in spätestens zwei oder drei Jahren, nach dem Festigen des hier erworbenen Wissens, den Fortgeschrittenen-Kurs machen werde.