When there is no Dentist - Fazit meines Praktikums bei einem Zahnarzt

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  • Ich schulde dem Forum ja noch einige Erfahrungsberichte aus der letzten Zeit...
    Ich habe ein zweitägiges Praktikum bei einem Zahnarzt absolviert, nicht weil ich es musste sondern eher aus Interesse.


    Wir Humanmediziner lernen in unserem Studiengang leider recht wenig über Zahnmedizin, daher entschloss ich mich einfach mal bei einem niedergelassenen Zahnarzt 2 Tage zu hospitieren, ihm auf die Finger zu schauen und ihm Löcher in den Bauch zu fragen, was man als "Laie" so machen kann, wenn man mal auf einer 3 wöchigen Wanderung in Norwegen ist und kein Zahnarzt greifbar ist.


    Vorweg, das Ergebnis war recht ernüchternd. Zahnmedizin ist vor allem ein hoch komplexes Handwerk, welches neben medizinsch-anatomischer Kenntnis vor allem viel Übung/Erfahrung und spezielles Werkzeug (viel davon, elektrisch betrieben) benötigt, zumindest wenn man Zahn erhaltend arbeiten will.
    Zahnärzte absolvieren in Deutschland ein 5 jähriges Studium und anschließend praktizieren sie 2 Jahre unter Aufsicht eines erfahrenen Zahnarztes.


    Ich konnte selbstverständlich nichts selbst machen (hatte ich auch nicht erwartet) aber habe ca. 30-40 Behandlungen gesehen.
    Hauptsächlich Kontrolluntersuchungen, Prothesenanpassungen, jede Menge Füllungen, einige Röntgenbilder (hey das kann ich!), ein paar Kronen, eine Wurzelbehandlung und das ziehen von 4 Zähnen (2 Patienten).
    Ich bin tief beeindruckt von den handwerklichen Fähigkeiten dieses Mannes, das ist wirklich feinster Modellbau am lebenden Objekt!


    Um das hier ein wenig ab zu kürzen einige Sachen die ich aus Preppersicht gelernt habe:


    Lokale Betäubung am Zahn ist kein Hexenwerk, das bekommt man auch als normaler Humanmediziner hin.
    Stellt sich nur die Frage was kommt danach?


    Jede Form von zahnärztlicher Behandlung (Bohren, Füllen, Zähne ziehen) ist ziemlich komplex und erfordert ordentliches Werkzeug.
    Ich drücke es mal drastisch aus, ich traue mir eher eine Koniotomie = "Luftröhrenschnitt" zu als das ich auf die Idee käme einen Zahn zu ziehen.


    Bei einem Zahnverlust ist der Zahn am besten in der Mundhöhle des Betroffenen aufgehoben. Ich habe explizit nach Zahnrettungsboxen gefragt, diese wurden mir nicht empfohlen (rausgeschmissenes Geld). Entweder verlorenen Zahn in den Mund nehmen oder mit Kompresse in keimfreie/-arme Lösung packen (Kochsalzlösung), seine Idee war auch H-Milch (wg. keimarm) zum einlegen. Danach so schnell als möglich zum Zahnarzt (wenige Stunden) um den Zahn zu retten.
    Wenn absolut kein Zahnarzt aufzutreiben wäre kann man versuchen den Zahn, falls dieser unbeschädigt und komplett ist, wieder in seine Lücke zu setzten, mit leichtem Druck anzupressen und diesen an den Nachbarzähnen auf selber Höhe zu schienen (mit welchen Materialien man dies in der Praxis am besten macht grüble ich zZt noch aus), die Wahrscheinlichkeit das dieser Zahn wieder vitalisiert wird schätze er aber unter 10%.


    Akute Zahnschmerzen haben vielfältige Ursachen, als Basismaßnahmen empfahl er Ruhigstellung (nicht kauen), Schmerzmittel (Paracetamol wirkt erfahrungsgemäß sehr gut), sehr häufiges, kräftiges Zähne putzen und Mundspülungen mit Chlorhexidinlösung oder Kammilenextrakt.
    Die Differentialdiagnosen des akuten Zahnschmerzes übersteigen meine/unsere Fähigkeiten.


    Massive Entzündungen im Zahn-/Mund-/Kieferbereich sind zum Glück selten, müssen Fach(zahn)ärztlich saniert werden und können eine Zeit lang mit Chlorhexidinlösung und im schlimmsten Fall mittels Antibiotikum (Mittel der Wahl Amoxicillin) in Schach gehalten werden.


    Verlust einer Füllung oder Krone, ist primär nicht so tragisch, häufig verliert man nur einen Teil der Füllung und der Zahn darunter ist ja in den meisten Fällen gesund. Hier hat man etwas Zeit, man sollte den Zahn schonen, z.B. auf der anderen Seite kauen und möglichst Zeitnah einen Zahnarzt aufsuchen. Bis dahin gerade den betroffenen Zahn gründlich säubern (kräftiges Zähne putzen / Mundspülungen mit Chlorhexidinlösung).
    Eine provisorische Füllung kann mittels Cavit 3M hergestellt werden, dazu sollte man aber mal gesehen haben wie so etwas gemacht wird und das ist auch nur eine temporäre Lösung. Vorher ist der betroffene Zahn auf jeden Fall gründlich zu reinigen damit man keine Keime unter der Füllung einschließt. Ich werde kein Cavit 3M beschaffen (Kosten/Nutzen Rechnung).



    Fazit:
    Die wichtigste Preppermaßnahme ist es in meinen Augen seinen Zahnarzt regelmäßig zu sehen und gründliche Zahnpflege zu betreiben.

    An Material werde ic h mir einen Mundspiegel (Inspektion auch im Normalleben) und Chlorhex idinlösung besorgen, das rettet einen zumindest über einige Tage. Cavit 3M ist eine gute temporäre Füllung erfordert aber einiges an Übung.


    Noch eine Erfahrung, eigentlich jede Zahnarztpraxis hat eine Gerät zur Sterilisation von Instrumenten (Autoklaven) und betreibt diesen täglich oder mehrmals die Woche. Hausarztpraxen haben dies sehr viel seltener. Wenn man also mal Instrumente sterilisieren will ist ein freundliches Lächeln und ein Pfund Kaffee für die Zahnarzthelferin sicherlich eine einfache und gute Möglichkeit Instrumente zu sterilisieren.

    IN LIBRIS LIBERTAS

  • Danke für die Einblicke. Tja, mit den Empfehlungen ist das so eine Sache. Gestern bekam meine Frau gerade die gegenteilige Empfehlung von einer Kinderärztin wie das letzte Mal von einer anderen (im gleichen Spital)...


    Zitat

    Der Zahn kann in etwas H-Milch (keine Vollmilch!) zum Zahnarzt transportiert werden. Der Zahn darf nicht im Mund vom Kind oder Erwachsenen behalten werden, da der Mund zu warm ist und zu viele Keime den Zahn angreifen können.
    Am besten eignet sich für das Überleben des Zahnes eine Zahnrettungsbox, die eine Nährlösung enthält und speziell für ausgeschlagene Zähne gedacht ist. Ebenfalls möglich ist es den Zahn vorübergehend in eine sterile Kochsalzlösung zu geben (aus der Apotheke, nicht selbst mischen!) und den Zahn dann schnellstmöglich in eine Zahnrettungsbox zu geben.


    http://www.erste-hilfe-fuer-ki…/zahn_ausgeschlagen_.html


    Keine Ahnung, ob die von den Zahnrettungsboxen gesponsert werden...


    Hier hatten wir das Thema auch schon:
    http://www.previval.ch/showthr…88-Dental-Erste-Hilfe-Set


    Was ist von sowas zu halten?
    http://www.relags.de/index.php….00&artl=1&artikel=240300


    Sinnvoll? Oder gibt es dem Laien (ganzer Laie, kein Humanmediziner) eine falsche Sicherheit und er kann es im Ernstfall gar nicht ver- und anwenden (ohne dass er es mal gesehen hat, wozu die meisten wohl nur schwer kommen würden)?


    Herzliche Grüsse
    linthler

  • Zum Thema ausgeschlagenen Zahn aufbewahren - ich habe wiedergegeben, was der Zahnarzt geraten hat und habe mir in dem Teil bewusst Kommentare meinerseits verkniffen, deshalb diskutieren wir ja jetzt hier. Ich tue mich mit der Milchvariante auch schwer, zumal ich in der Situation sicher keine H-Milch zur Hand hätte, wohl aber einen Mund und vermutlich auch Kochsalzlösung.
    Der Mund ist ja das natürliche Umfeld des Zahnes auch wenn die Wurzel normalerweise nicht mit dem Keimspektrum der Mundhöhle in Kontakt kommt.
    Für mich wäre Kompresse + NaCl die erste und Mund die zweite Wahl. Milch würde ich glaub ich nicht anwenden wobei ich den Gedankengang eingermaßen nachvollziehen kann.


    Das Relags Zahnreparatur Set hatte ich auch gesehen als ich nach Cavit 3M gesucht hatte. Wie ich oben schon schrieb halte ich das eher für überflüssig, ich werde es vermutlich nicht beschaffen. Andererseits muss ich sagen dafür, dass ne Tube Cavit 3M dabei ist ist der Preis ok (die kostet einzeln schon 9-14€).
    Ich sags mal so, wenn jemand unbedingt glaubt, dass er so was braucht ist das Set ne gute Wahl - was er damit dann anstellen will überlasse ich dem Käufer.


    Noch was zur Zahnrettungsbox, wie gesagt der Zahnarzt mit dem ich sprach hielt diese für überflüssig und ich sehe dies ähnlich.
    Wenn jmd. wissen will was da genau drin ist (ich war überrascht wie viel Inhaltsstoffe die Lösung hat) und eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema Zahnverlust/-replantation will:


    http://geb.uni-giessen.de/geb/…epperTeite-2004-12-13.pdf


    Bitteschön - die Inhaltsliste der Zahnrettungsbox ist im Anhang 1 fast am Ende

    IN LIBRIS LIBERTAS

  • Hallo Frequenzkatastrophe,


    danke für diesen fundierten Erfahrungsbericht. :Gut:


    Für mich als Humanfachfrau heißt es also weiterhin: Finger weg von Zähnen (bin eh handwerklich nicht so begabt).


    Viele Grüße, Chris

  • Hallo Martin et al.


    Hat mich auch immer interessiert, aber nur das Zähneziehen (weil, da sitzt der Abszess drunter, und der muss auf). Wenn ich für Zahnärzte oder Kieferchirurgen Narkose mache (als Nebengeschäft) sind eigentlich jeden Tag Vollsanierungen bei Patienten dabei, die wegen Behinderung oder "alimentär-toxisch bedingt" unstetem Lebenswandel, keinen gesunden Zahn mehr im Mund haben und in Narkose alle gezogen bekommen.
    Ich frage immer, ob ich ein paar ziehen darf - die Kollegen finden das immer lustig und haben nix dagegen.
    Man braucht einen "Bein´schen Hebel" das ist eine Art Raspatorium fürs Peridontium, das man - ähnlich wie das Periost bei Amputationen - runter zum Kieferknochen abschaben muss. Der Profi hat dann 10 Sorten Zangen, unterschiedlich gewinkelt und gekröpft für hinten/vorn und links/rechts. Ein 45° gewinkelt ungekröpfter wurde mir immer als universellste Form empfohlen.
    Nach dem Abschieben des Peridontiums den Zahn packen und schön sanft mindestens eine Minute hin und her bewegen (die Kollagenfasern brechen nach und nach) und auch ein bisschen drehen.
    Man merkt dann schon, wenn er kommt. Geheimnis ist das vorsichtige Lockern. Die oben beschriebene Klientel hat meist ziemlich verfaulte Stumpen, besser gepflegte Zähne brechen wohl nicht so leicht auseinander.
    Schaut vorher noch mal ins Anatomiebuch, wieviele Wurzeln der jeweilige Zahn hat, um zu sehen ob alles raus ist. (Fragt man euch auch beim Jagdschein, ok, andre Spezies;)
    Am Oberkiefer kurz sondieren, ob die Kieferhöhle eröffnet ist, dann muss man eine kleine Mundschleimhaut-Lappenplastik machen und drüber ziehen. Wenn man sich das nicht zutraut - ich würde 10 Tage Antibiose geben und dann noch mal sondieren, ob´s zu ist.


    Gruss,
    KarlRossmann