Hallo Matthias,
gern würde ich nocheinmal etwas ausführlicher auf deinen Post
Zitat von Waldschrat;170532Alles anzeigen
[…]
Im 15. Jahrhundert hatten wir folgende Feindbilder
Teufel
Hexen
Kräuterweiblein
Heute haben wir andere:
Fracking
grüne Gentechnik
Kernenergie
Jedes Zeitalter hat halt seine Dämonen und wenn man es objektiv betrachtet, dann hat jedes Zeitalter für seine religiösen, kulturellen oder ideologischen Vorurteile einen hohen Preis bezahlt, den man den Menschen hätte ersparen können.
Meint
Matthias
Im Ukraine Riots -Thread eingehen.
Da das Ganze relativ wenig mit dem Ursprungsthread zu tun hat, bin ich so frei und öffne ein neues Thema. Wir wollen ja nicht in den OT-Bereich abschweifen.
Einen Post später forderst du eine rationale(re) Betrachtung des Themas, möglichst ohne Einfluss von Weltuntergangsmythen oder irrationalen Ängsten.
Dem würde ich gern nachgehen und einen Versuch liefern, die Nicht-Rentabilität der Atomkraftwerke (rational) zu begründen.
Ein Hauptargument für die friedliche Nutzung von Atomkraft zur Stromerzeugung ist der Preis.
Die Produktionskosten pro kWh liegen hier bei 3 bis 4 ct, im Gegensatz dazu ist die Windenergie etwa dreimal so teuer. Von neueren Rechnungen, bei denen Kraftwerksbetreiber aufgrund gestiegener Sicherheitsvorschriften den Preis pro kWh eher bei 10 ct ansetzen (das gilt für Neubau von AKWs, wie es z.B. in Frankreich-Flamanville oder Großbritannien der Fall ist), will ich vorerst absehen.
Für eine vernünftige Betrachtung ist es natürlich wichtig, dieselben Vergleichskriterien anzusetzen. Das Problem mit der Atomkraft ist, dass viele Kosten, die eigentlich auf die Betreiber fallen sollten, externalisiert werden. Häufig zu finden sind hier der Umgang mit dem Restmüll, die Beteiligung der Betreiber an Kosten für Forschung und Entwicklung oder die Kostenübernahme für den Rückbau von Atomkraftwerken.
Worüber man sich seltener Gedanken macht, ich aber auch mit meinem OT-Post im o.g. Thread andeuten wollte, ist die Versicherung und Versicherbarkeit von Atomkraftwerken. Vorab: ja, wenn so ein Windrad umkippt, sind Schäden betreiberseitig versichert.
Atomkraftwerke sind nicht (wirklich) versichert. Was meine ich mit nicht wirklich?
Einerseits besteht eine Haftpflichtversicherung für jeden Kraftwerksblock in Höhe von 255 Mio. Euro.
Weiterhin verpflichteten sich die Kraftwerksbetreiber zur gemeinsamen Deckung im Schadenfall in Höhe von 2.356 Mio. Euro.
Zusätzlich existiert ein Brüsseler Zusatzübereinkommen, das aus öffentlichen Mitteln (wollen mal nicht so sein) 300 Mio. Euro bereitstellt.
Macht knapp 3 Mrd. Euro – das reicht aber nicht annähernd.
Ein kleines Beispiel aus der jüngeren Geschichte:
http://www.taz.de/!79960/
Hier sind, wie auch im Artikel erwähnt, bei Weitem nicht alle Kosten enthalten.
An der Stelle sei auf eine französische Regierungsstudie verwiesen:
http://www.spiegel.de/wissensc…euro-kosten-a-881940.html
Ebenfalls aus der jüngeren Geschichte ist die von mir erwähnte Studie, der Vollständigkeit halber nocheinmal hier verlinkt:
http://www.bee-ev.de/_download…ersicherungsforen_KKW.pdf
Wie Du richtigerweise festgestellt hast, ist der Auftraggeber dieser Studie nicht unbedingt neutral einzustufen. Ein Blick in die Studie ist dennoch interessant, da hier detailliert erläutert wird, welche Gefahren zu berücksichtigen sind und wie man diese aktuariell abbilden könnte. Die Studie beziffert in der Rechnung im Übrigen die Laufzeit von AKWs optimistisch auf 100 Jahre.
Nichtsdestoweniger möchte ich die PROGNOS-Studie aus dem Jahre 1992 verlinken, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums die Kosten pro kWh auf 3,6 DM allein für die Versicherung beziffern.
http://www.zukunftslobby.de/Tacheles/prognstu.html (nicht über den Link wundern, er führt zur Studie)
Es lassen sich sicherlich viele weitere Beispiele mit Rechnungen finden, denen man Glauben schenken mag oder auch nicht. Die Versicherungswirtschaft geht im schlimmsten Fall in Deutschland von 5-7 Billionen (5*10^12) Euro Schaden für den Steuerzahler aus. Nicht nur Kraftwerksbetreiber können rechnen, sondern auch Versicherungen, weshalb AKWs auch als nicht versicherbar gelten.
Zitat von Waldschrat;170551Ist uns schon mal eins um die Ohren geflogen?
Diese Aussage verstehe ich ehrlich gesagt im Zusammenhang mit einer Haftpflicht-Versicherung nicht so ganz. Hast du eine Privathaftpflichtversicherung? Empfehlenswert, leider sind erschreckend wenig Deutsche haftpflichtversichert – es gibt kaum Provision für den Vertreter.
Im Übrigen muss man nur hinreichend lang AKWs nutzen, bis uns mal eins „um die Ohren“ fliegt. Das ist keine Floskel, sondern Mathematik. Das Theorem mit dem Affen, der vor einer Schreibmaschine sitzt und zufällig beliebige Shakespeare-Werke tippt, ist dir sicher auch bekannt. Aber das wirklich nur am Rande.
Verstehe mich nicht falsch, Matthias, ich bin weder Fortschrittsverweigerer, noch fürchte ich mich vor „neuen“ (falls man das bei Atomkraft überhaupt sagen kann) Technologien. Problematisch wird’s, wenn suggeriert wird, diejenige Technologie wäre komplett ungefährlich und beherrschbar (Gegenbeispiele hast du selbst geliefert) und vor allem wirtschaftlich.
Zum Fracking und zur Gentechnik werde ich mich vorerst nicht äußern, ich denke aber auch hier rationale Begründungen zu haben, um mich ruhigen Gewissens und unaufgeregt zumindest in der aktuellen Art und Weise der Umsetzung gegen diese Technologien positionieren zu können.
Beste Grüße