Analoge Navigation

  • Hallo zusammen!


    Seit recht langer Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Navigation ohne . Und seit geraumer Zeit plane ich ebenfalls einen umfassenden Thread zu dem Thema.


    Viele Von Euch wissen um den Umgang mit Kompass und Karte. Andere gar nicht und wieder andere würden es vielleicht gerne lernen, wissen aber nicht wo sie damit anfangen sollen.


    Sinn und Zweck dieses Tutorials ist es, genau diesen Einstieg zu ermöglichen. Ich werde erst einmal paar ganz grundlegende Dinge versuchen möglichst verständlich erklären, um dann in den "Fortgeschrittenenmodus" zu wechseln. Allerdings werde ich immer versuchen, möglichst Praxisbezogen zu bleiben. Die ganze Theorie ist ja schön und gut, aber auch total langweilig. :grosses Lachen:



    Ungefähr werde ich das Thema in folgende Bereiche gliedern:


    1. Nordpol und (Erd)Magnetfeld
    2. Die Vermessung der Welt: Wie kommt die Erde auf die Karte? Und was bedeutet das für die Navigation?
    3. Die zweidimensionale Abbildung der Welt: Die Karte und ihre Komponenten und deren Bedeutung
    4. Der Kompass, der unheimliche Tatsachenverdreher: Funktionsweise, Modelle mit ihren Vor- und Nachteilen
    5. Vorstellung meiner Navigationsausrüstung
    6. Navigation mit Kompass und/oder Karte Teil I: Die Praxis in der Theorie
    7. Navigation mit Kompass und/oder Karte Teil II: Die Theorie in der Praxis
    8. Glossar, Anmerkungen, Formelsammlung, Verschiedenes



    Da das recht viel Arbeit ist, rechne ich mit einer Fertigstellung des Gesamtwerks nicht vor 2017. :grosses Lachen: Also bitte nicht ungeduldig werden, sollte es mal ein paar Wochen hier nicht weiter gehen.


    Wenn gewünscht, kann hier auch gerne diskutiert oder Fragen gestellt werden. Aber bitte immer nur bezogen auf den aktuellen Bereich.
    Am Ende werde ich von allem dann noch ein PDF erstellen und hier zum Download bereit stellen.

    I feel a disturbance in the force...

  • Ich schmeiss hier mal einen Beitrag dazwischen, damit du weitermachen kannst :)
    Weil das Thema find ich toll und interessiert mich brennend!

  • 1 Vorwort

    In Zeiten von einfach zu nutzender GPS-Navigation, was mittlerweile in jedem etwas besserem Smartphone zur Verfügung steht, übt die Navigation mit Kompass und Karte immer noch eine große Faszination auf mich aus.


    Unser digitalisierter Alltag vereinfacht viele Vorgänge und macht diese gleichzeitig einer Vielzahl von Menschen verfügbar. Aber die Beschäftigung mit vollständig analoger Technologie und den zugrunde liegenden Theorien stellt für mich einen Antipol zu Beruf und Alltag dar.


    Zudem ist man nicht abhängig von Elektronik, fehlerfreier Software und vor allem Strom. So war ich laut meines GPS einmal kurz ca. 5.000 Km südlich von Frankfurt/Main unterwegs, obwohl ich mitten im Taunus stand. Analoge Messgeräte sind natürlich ebenfalls Fehlerbehaftet. Oft sind Messungen weniger akkurat. Indem man sich allerdings mit der Materie etwas beschäftigt, können diese Unschärfen leicht ausgeglichen werden.


    Kurzum: Es kommt eigentlich mehr darauf an, was man im Kopf hat. Und dieses Wissen verbleibt dort auch, wenn der Akku des GPS-Empfängers schon lange schlapp gemacht hat.

    I feel a disturbance in the force...

  • Irgendiwe kam ich zwar immer ans Ziel, aber ich raufe oft noch mit der Karte und Kompass...muss zugeben eine richtige Schwachstelle bei mir.
    Hoffe ich krieg keine aufs Auge wenn ich mich dauernd dazwischen quetsche^^

  • 2 Norden, was ist das eigentlich genau?


    Fast jedes Kind weiß etwas mit den Begriffen Nord- und Südpol anzufangen und in dem Zusammenhang auch, dass der Norden eine ganz bestimmte Richtung ist. Spätestens in der Grundschule werden die grundlegenden Eigenschaften magnetischer Felder gelehrt. So ist den meisten von uns frühzeitig klar, dass die Erde von so einem Feld umgeben ist.


    Prinzipiell spielt es keine Rolle, ob man den Norden oder den Süden herannimmt um Richtung, Position oder Geschwindigkeit zu messen. Beide repräsentieren einfach nur Referenzpunkte um einen festen Bezug zu erhalten. Allerdings hat sich alles gegen den Süden verschworen, und so werden viele Berechnungen mit Kompass und Karte eben zum nördlichen Referenzpunkt in Bezug gesetzt. Der Nordpol womöglich deswegen, weil die Grundlagen dazu wahrscheinlich in Europa, oder aber doch zumindest in der nördlichen Hemisphäre (Orient, China, etc.), erarbeitet wurden und uns der Nordpol einfach näher ist als der Südpol?


    Auch wenn dieses Feld für das menschliche Auge unsichtbar ist, hat es doch bestimmte Eigenschaften, die sich zum Einen beweisen lassen (logischerweise ist hier keine Magie im Spiel) und zum Anderen für bestimmte Vorgänge und Techniken genutzt werden können. So wissen die allermeisten Menschen (nehme ich an), dass eine magnetisierte Nadel sich am Erdmagnetfeld ausrichtet. Und zwar parallel zu den Feldlinien, die durch den magnetischen Nord- und Südpol gehen.



    Quelle: https://upload.wikimedia.org/w…mmons/5/57/Magnet0873.png


    Wir sprechen hier übrigens über einen magnetischen Dipol. Der eine Pol wird Norden, der andere Süden genannt. Es soll Wissenschaftler gegeben haben, die versuchten einen Monopol (also nur Norden oder Süden) zu erschaffen. Bisher ist das nicht gelungen. Denn: Trennt man einen Magneten in zwei Teile erhält man mitnichten einen nördlichen und einen südlichen Pol. Es entsteht ein neuer Dipol. Und das bisher sehr verlässlich.



    2.1 Die drei Komponenten des Erdmagnetfeldes


    Leider aber bildet sich das Erdmagnetfeld nicht nur aus zwei Polen, die exakt am geographischen Nord- und Südpol existieren. Dieses Wissen ist notwendig, um Messergebnisse bewerten und korrigieren zu können.



    2.1.1 Der äußere Erdkern


    Die wichtigste Komponente, zumindest in Oberflächennähe, ist der flüssige äußere Erdkern. Diesen finden wir in einer Tiefe von ca. 2.900 bis ca. 5.150 Km. Der äußere Erdkern besteht hauptsächlich aus Metall und wird auch der Geodynamo genannt. Da flüssig, unterliegt er zeitlichen Veränderungen. Diese Veränderungen führen dazu, dass der Dipol langsam wandert und sich der Nordpol eben nicht exakt im geographischen Norden befindet. In Extremfällen kann es sogar vorkommen, dass sich Nord- und Südpol umkehren, es also zu Polsprüngen kommt. Dann ist Norden dort, wo nach menschlichem Verständnis eigentlich Süden sein sollte.


    Zurzeit befindet sich der Nordpol in einer aus der DACH-Sicht günstigen Position mit nur wenigen Grad Abweichung zum geographischen Nordpol.


    Diese Karte z.B. zeigt, wie der magnetische Nordpol zwischen 2008 und 2013 wanderte:



    Quelle: https://tools.wmflabs.org/osm4…ct=de%26article%3DNordpol


    Übrigens: Es gibt unterschiedliche Definitionen für den magnetischen Nordpol. Aber das würde hier etwas zu weit führen und spielt für uns auch keine essentielle Rolle. Später ist im Wesentlichen sowieso nur die Abweichung zum geographisch Nordpol relevant.



    2.1.2 Ionosphäre und Magnetosphäre


    Jeder Funker hat seinen Schaff damit, und fast jeder kennt die Polarlichter und ist fasziniert davon. Verursacht werden sie durch das ebenfalls magnetische Sonnenplasma, das uns permanent entgegen geschleudert wird. Ohne die Magnetosphäre wären wir dem schutzlos ausgeliefert.


    Auch wenn es auf der Erdoberfläche das Magnetfeld nur sehr wenig beeinflusst, spielt es dort oben doch eine große Rolle. Man stelle sich vor, in etwa 100.000 Km Höhe mit dem Kompass navigieren zu müssen. Das Magnetfeld wird extrem durch das Sonnenplasma deformiert. Und dies nicht in immer gleichem Maße, sondern in Anhängigkeit zur Intensität der Sonnenaktivität.


    Zwar existieren auch dort Nord- und Südpol, allerdings sind die Feldlinien mal mehr, mal weniger verzerrt. Um hier Abweichungen berechnen zu können benötigt man dann schon eine erhebliche Menge an Daten und wahrscheinlich auch einen kleinen Taschenrechner. :winking_face:



    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/…gnetosphere_rendition.jpg



    2.1.3 Geomagnetik


    Das, was dort oben im Weltall passiert, passiert auch hier unten bei uns. Allerdings nicht verursacht durch das Sonnenplasma, sondern durch geologische Gegebenheiten in der äußeren Erdkruste. Das ist die Erdoberfläche auf der wir leben. Teilweise sind dies Anlagerungen (z.B. Erze die in Vergangenheit magnetisiert wurden => Remanenzmagnetismus) die teilweise vor mehreren Milliarden Jahren eine völlig andere Magnetisierung erfahren haben und die Feldlinien des Erdmagnetfeldes in Oberflächennähe partiell sehr stark beeinflussen.


    Die Ortsmissweisung weltweit aus dem Jahre 2010 (Isogenenkarte):



    Quelle: 0.png" class="bbc_link" target="_blank">https://de.wikipedia.org/wiki/…n_Field_Declination_D_201 0.png


    Je nachdem also wo man sich aufhält, beträgt die Missweisung also bin zu 40° zum "normalen" Erdmagnetfeld. Es ist also logisch, dass diese Information sehr wichtig ist, um die Messwerte eines Kompasses korrekt beurteilen zu können. Wie man aber auch sehen kann, verlaufen die Linien hier in Europa mit relativ wenig Missweisung. In DACH beträgt sie zwischen 2° und 4°.



    2.2 Inklination und Deklination


    Diese beiden Begriffe werden auch später immer wieder mal benutzt werden. Daher ist es wichtig zu wissen, was genau dahinter steckt.


    Bei der Deklination handelt es sich um die horizontale Ausprägung, oder auch Kraft, des Erdmagnetfeldes. Wie wir jetzt wissen, ist dies unsere wichtigste, aber leider auch nicht ganz zuverlässige, Informationsquelle um Norden zu bestimmen.


    Der Begriff Deklination wird im Weiteren auch immer wieder mit dem Begriff Abweichung gleichgesetzt.


    Die Inklination ist die vertikale Ausprägung des Erdmagnetfeldes. Die Feldlinien sind gebogen und stehen somit je nach Position in unterschiedlichen Winkeln in Relation zur Erdoberfläche. An den magnetischen Polen beträgt dieser Winkel 90°, in der DACH-Region sind es zwischen 62° und 70°.




    Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5f/Earth's_magnetic_field%2C_schematic.png


    Zwar ist auch die Inklination nicht immer optimal und lokal teilweise sehr unterschiedlich, allerdings spielt dies für die Navigation keine Rolle. Die Inklination muss lediglich beim Kauf eines Kompasses berücksichtigt werden.


    Theoretisch also könnte man anhand des Inklinationswinkels den Breitengrad ermitteln auf dem man sich gerade aufhält.



    Das war es mit Kapitel 2. Fortsetzung folgt...

    I feel a disturbance in the force...

  • Sechs Uhr Morgens und ich hab schon wieder was gelernt! Vielen Dank dafür... bitte weiter machen!

    Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.


    Albrecht Müller

  • Morjen,


    Danke lord_helmchen!


    Da heute ja viele verliebt sind in Elektronik, Fummeltelefone usw. ist es gut und richtig, daß dieses Thema so aufgearbeitet wird.


    Sicher ist es bequem ein Navi oder Smartphone zu haben und zu nutzen. Aber diese Technik ist halt nicht sicher und von zu vielen Dingen abhängig! Abhängig von dem Willen des Militärs (und ja, es gab schon regionale Abschaltungen des GPS für Nicht-Nato-GPS-Geräte), vom Strom im KFZ, auf dem Handy oder dem EVU-Netz sowie evtl. Mängeln an den Endgeräten.
    Die stände Nutzung von Navi und Handy-Navi-App führt nach meiner Erfahrung auch bei sehr vielen dazu, daß sie kein Gefühl für die Orientierung aufbauen oder dieses verlieren.
    Viele lernen ja sowas auch nicht in der Schule oder gehen nicht zum Militär.


    Ich habe die klassische Navigation schon in der Grundschule bei den Jungen Sanitätern des DRK gelernt, später in der freiwilligen Arbeitsgemeinschaft soz. Wehrerziehung, dann am Ende der Schulzeit bei den Pflichtwochen der soz. Wehrerziehung und später bei der GST in der Lehre usw. usf.


    Bei unseren Wüstenreisen habe ich bis 2000 gar kein GPS benutzt (lag immer als Backup im Kofferraum), später dann nur mein Garmin GPS12. Bei unserer 4x4-Reise durch NAM hatte unser Pubertier eine echt tolle Navi-App mit jedem Wanderweg auf seinem Handy. Allerdings hat ihn immer genervt, daß ich ihm immer vor Fahrtantritt die Route kpl auf Karte zeigte und mit ihm wichtige Wegpunkte durchsprach. Und selbst wenn er heute zu seiner Freundin ein paar Orte weiter fährt, ist die Navi-App immer an, keine Ahnung ob er mittlerweilen auch ohne Navi da hin findet?


    Gerade für Prepper, S&Pler, HSPler usw sollte es ein Bedürfnis und regelmäßiges Training sein, nur mit Karte, Kompaß, Blick in den Himmel und auf die Uhr usw zu navigieren und die Navis nur als Backup anzusehen.



    Gruß


    Rocky

    An der Kennzeichenbefestigung erkennt man die Ernsthaftigkeit eines Offroaders...