Hallo,
ich fang hier mal ein neues Thema an, angeregt durch die Rubrik "alte Technologien" und durch persönliche Erfahrungen mit "modernem Technik-Zeugs".
Nicht nur alte Technologien sind wertvoll in einem nachindustriellen/Peak-Oil-Zeitalter, sondern auch die Weiternutzung moderner Technik dürfte sehr wertvoll sein, wenn nicht sogar lebenswichtig (Insulinherstellung).
Als Elektrotechniker will ich mal mit "elektrischen" Themen anfangen.
1) Kondensatoren
Vorgestern ging unser elektrischer Rasenmäher kaputt. Mitten im Betrieb fing er an kurz aber kräftig zu qualmen, danach roch er "elektrisch" und wollte kaum noch anspringen, der Motor brummte nur. Was war passiert? Der so genannte Anlaufkondensator war durchgebrannt. Ohne dieses Bauteil lässt sich ein 1-Phasen-Wechselstrommotor nicht benutzen. Alle "Universalmotoren", die von der Bohrmaschine bis zum Rasenmäher über die gewöhnliche 230V-Steckdose betrieben werden, haben einen Anlaufkondensator (vom Typ her ist es ein Metall-Papier- (MP-)Kondensator, ölgetränkt). Dieser Kondensator gaukelt dem Motor eine zweite Wechselspannung vor, die zeitversetzt (phasenverschoben) zur Steckdosenspannung verläuft. Der Motor "sieht" dadurch ein Drehfeld, das den Anker des Motors "mitzieht" - der Motor läuft von alleine an. Fällt der Anlaufkondensator aus, fehlt diese "Hilfsphase" und der Motor dreht sich nicht, sondern brummt nur. Mit einem Schubs in die richtige Drehrichtung kann man so einen Motor zwar auch anwerfen, aber das ist nicht ungefährlich (Rasenmäher). Ausserdem gibt es viele Anwendungen, in denen der Motor gegen eine Last anlaufen muss (Kompressor, Kühlgeräte), da klappt das mit dem Anwerfen auch nicht. Starke E-Motoren sind deshalb fast immer als Drehstrom-Motor mit 3-Phasen-Wechselstrom ("Kraftstrom") ausgelegt. Hier ergibt der zeitlich versetzte Verlauf der Spannung auf den drei Netzphasenleitungen ein "Drehfeld", das den Motor mitnimmt.
Während ein solider Elektromotor mit ordentlichen Lagern jahrzehntelang funktionieren kann, altern Anlaufkondensatoren und gehen früher oder später auf jeden Fall kaputt. Man kann sie auch nicht ohne weiteres ersetzen und selbst herstellen (mit z.B. 16 µF bei 400V Wechselspannungsfestigkeit) schon gar nicht. Es sind also kritische Bauteile, die jeder, der auf seine Elektromotoren nicht verzichten will, bevorraten sollte.
Ähnliches gilt für die so genannten Elektrolytkondensatoren, die einen flüssigen Elektrolyt enthalten, ähnlich einem Akku. Diese Elkos haben die schlechte Eigenschaft, langsam auszutrocknen, je wärmer es ist, um so schneller. Dazu kommt, dass heute in fast allen Geräten, die mit elektrischer Spannung aus der Steckdose versorgt werden, Schaltnetzteile drin sind (oder wie beim Notebook, davor als externes Netzteil). Aus Gründen der Energieeinsparung werden künftig fast alle Netzteile, ganz besonders die kleinen Steckernetzteile von Handyladegeräten usw. keinen konventionellen Trafo mehr besitzen, sondern als Schaltnetzteil ausgeführt werden. Vereinfacht gesagt, wird dort die 50Hz-Wechselspannung der Steckdose erst gleichgerichtet, diese Gleichspannung wird dann mit hoher Geschwindigkeit "zerhackt" (z.B. mit 100.000Hz), dadurch kann man einen viel kleineren Trafo verwenden, der ausserdem weniger Verluste hat. Bevor die Spannung dann zum Handy oder Notebook geleitet wird, muss sie wieder geglättet werden, das machen diese Elektrolytkondensatoren. Allerdings sind sie sehr empfindlich auf Reste an Wechselspannung, die in so einer zerhackten Gleichspannung nach einem Trafo enthalten sein können. Diese Restwelligkeit heizt die Elkos auf, das wiederum verkürzt die Lebensdauer, weil sie schneller austrocknen. Und irgendwann überhitzen sie, es macht "pfft" und der Elko bläst über eine Sollbruchstelle den Überdruck ab und stellt seinen Betrieb ein. Ist eine häufige "Todesursache" von Computer-Mainboards und eben von Schaltnetzteilen generell.
Auch in Wechselrichtern von Photovoltaik-Anlagen sind diese Elkos drin. Da nützen mir 20 oder 30 Jahre Garantie auf die Solarzellen nichts, wenn der Wechselrichter nach 8-9 Jahren wegen defekter Elkos den Geist aufgibt. Übrigens ist ein 3-Phasen-Wechselrichter unkritischer, was die Elkos angeht als 3 einzelne 1-Phasenwechselrichter, wie sie oft und gerne verbaut werden.
Also: Augen auf beim Elektronikkauf. Der S&P-Elektrotechniker sollte sich von wirklich kritischen Bauteilen etwas Vorrat anlegen, MP-Kondensatoren und hochwertige Elkos gehören dazu. Btw: der Gründer von Conrad Electronic legte mit einem aus den Kriegswirren 1945 geretteten Rucksack voller Radiokondensatoren den Grundstein für sein Versandhandelsimperium: er begann mit dem Verkauf von Radiobausätzen, die anfangs aus diesen "Rucksack-Kondensatoren", selbst zu wickelnden Spulen und Röhren aus Wehrmachtsfunkgeräten bestanden.
Grüsse
Tom