Zivilschutz in D ist praktisch nicht mehr existent

  • leistungsfähige autarke Kommunikations-und-Lageerkundungs-Einheit vorhalten, die mit Starlink-Internet, Satelliten-Telefonen

    Hi,

    ist Starlink wirklich autark? Ich kann es kaum glauben. Genau wie beim GPS wird es Akteure geben, die die Nutzung einschränken können.

    Gängige Satellitentelefone benötigen auch den Kontakt zu funktionierenden Bodenstationen, sind also nicht wirklich autark. Selbst wenn dieser Kontakt besteht, ist das Funktionieren vom eigenen Standort abhängig. Vor ein paar Jahren fanden ein paar Bergsteiger den Tod obwohl sie Satellitentelefone dabei hatten.

    Eine autarke Kommunikation wird es wohl nur über HF oder QO100 o.ä. geben.

  • Vor ein paar Jahren fanden ein paar Bergsteiger den Tod obwohl sie Satellitentelefone dabei hatten.

    Hast du eine Quelle dazu? Würde mich interessieren, was der Grund war, warum sie diese nicht genutzt haben.

  • War das vielleicht dieser Vorfall? Schweizer Bergsteiger verschollen


    Da wurde spekuliert:


    "Dass der Kontakt zu den drei abgebrochen ist, könnte auf den Sonnensturm letzte Woche und die Kälte zurückzuführen sein: Diese hätten womöglich die Kommunikation der Satellitentelefone sowie GPS und möglicherweise auch der Funkgeräte beeinträchtigt.

    Durch die Kälte kann die Leistung der Batterien und Akkus der einzelnen Geräte zudem schneller als sonst abnehmen und ebenfalls ein Grund sein, dass keine Verbindung hergestellt werden kann», heisst es auf Hählens Website."


    Ich hab jetzt aber auf die Schnelle nichts gefunden ob und was sich damals herausgestellt hat.

  • Hier gibts nähere Informationen: Expeditionsnews


    Zitat vom 9.3.2012:


    "Wir gehen davon aus, dass die drei Bergsteiger heute nochmals versucht haben, den Gipfel zu erreichen. Seit gestern ist jedoch die Satellitentelefon-Verbindung zum Team sowie ins Basiscamp unterbrochen. Als Ursache dafür wird der Solarsturm verantwortlich gemacht, welcher Teile der Telefon- und Internetverbindungen in Pakistan lahm gelegt hat. Dies berichtet die pakistanische Agentur, welche unter anderem die Träger für den Transport des Materials ins Basislager stellt. Wir hoffen, dass sich dies rasch wieder ändert."


    Offensichtlich wurden die drei Vermissten nicht gefunden...

  • ist Starlink wirklich autark

    In der Ukraine sind zehntausende Starlink-Systeme im Einsatz und zeigen sich recht robust gegenüber den Versuchen Russlands, das System zu stören.

    Natürlich wird die US-Regierung Mittel und Wege haben, Starlink zu kontrollieren oder abzuschalten. Aber das ist glaube ich nicht das Szenario für eine verbesserte Notfallkommunikation im Zivilschutz in Mitteleuropa.


    Laut einem Tweet von Elon Musk braucht das Starlink-Netzwerk für die Kommunikation keine Bodenstationen. Allerdings braucht man Bodenstationen, um aus dem Starlink-Netzwerk ins normale Internet zu gelangen. Hier ein Artikel, der die Funktionsweise von Starlink beschreibt.


    Bei einem Blackout in Europa oder einem Angriff auf europäische Kommunikationsinfrastrukturen sollte eine Nutzung des Starlink-Systems weiter möglich sein, selbst Internetzugriff sollte über die außerhalb Europas liegenden Bodenstationen dann weiter möglich sein.


    Gängige Satellitentelefone benötigen auch den Kontakt zu funktionierenden Bodenstationen, sind also nicht wirklich autark.

    Jein. Bei Thuraya z.B. gibt es nur eine Bodenstation in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die für die Vermittlung der Gespräche/Verbindung genutzt wird, die Verbindung zwischen zwei Thuraya-Telefonen in der gleichen Zone läuft direkt über den zuständigen Satelliten. Bei einem flächendeckenden Ereignis in Europa ändert sich für Thuraya-Nutzer in Europa nichts.


    Probleme kann es geben, wenn gleichzeitig das GPS-System gestört wird, da Thuraya die Abrechnung und Anrufzuordnung auf den Geokoordinaten des jeweiligen Thuraya-Telefons bestimmen, die mittels GPS im Telefon ermittelt werden. Könnte mir aber vorstellen, dass es da eine Fallbacklösung gibt, da die Thuraya-Satelliten eine grobe Zonen-Zuordnung der Teilnehmer über ihre Antennen durchführen können. Das geht bei anderen Systemen wie Inmarsat oder Iridium sogar noch genauer (und ohne GPS).



    Eine autarke Kommunikation wird es wohl nur über HF oder QO100 o.ä. geben

    Technisch mag das so sein. Praktisch in der Anwendung eher nicht. Dazu braucht es neben ausgebildetem und erfahrenem Personal dann auch ständig besetzte Funkstationen oder zumindest vereinbarte Zeiten, in denen gefunkt wird. Beim QO-100-Satellit sehe ich das Problem der Priorisierung, Zitat aus Wikipedia: "Der Schmalbandtransponder ermöglicht beispielsweise die simultane Nutzung durch 50 SSB-Nutzer oder 7680 PSK31-Nutzer. Auf dem Weitbandtransponder sind z. B. simultan entweder zwei DVB-S2-Nutzer in HDTV oder mehrere in SDTV-Qualität möglich."

    Da wird es bei einem europaweiten Ereignis ganz schön eng auf den Transpondern. Und wer bestimmt dann, welche Verbindung wichtig ist und welche nicht? Die AMSAT-Zentralen in Katar?


    Man muss sich überlegen, welche Kommunikationswege man in einem Zivilschutz-Szenario braucht, nicht jeder muss jederzeit mit jedem Kontakt aufnehmen können.

    Bei einem föderal strukturierten Staat hat man auf Bundesebene Lagezentren im Außen- und im Innenministerium sowie im Verteidigungsministerium. Diese müssen untereinander vernetzt und mit der Regierungszentrale (Kanzler = Oberbefehlshaber im V-Fall) verbunden sein. Das sehe ich als gesetzt an.

    Eine Ebene drunter sind die Länder bzw. Kantone. Die haben ihre eigenen Landesregierungen mit Lagezentren in der Staatskanzlei und Innenministerium.

    An die Innenministerien der Länder sind die Landkreisverwaltungen angebunden. Bei den Landkreisen gibt es wiederum die Möglichkeit, Krisenstäbe einzurichten, die mit dem Innenministerium ihres Bundeslandes verbunden sind. Die Innenministerien der Länder betreiben eigene, nichtöffentliche Kommunikationsnetze (u.a. Richtfunkstrecken), die zumindest in D in den letzten Jahren auf mindestens 48h Autarkie aufgerüstet wurden.


    Dünner wird es dann zwischen Landkreisverwaltung und den Kommunen im Landkreis. Hier gibt es meines Wissens: nix. Es sind teilweise die kommunalen Rathäuser auf den Funk der integrierten Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst aufgeschaltet, so dass prinzipiell eine Verbindung zwischen Landratsamt via Leitstelle zu den einzelnen Kommunen möglich ist. Aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das Funkgerät beim Bürgermeister im Büro auf dem Fensterbrett in einer Ladeschale steht. Eingehende Funkrufe werden also nur gehört, wenn grad jemand da ist und der Funkgeräteakku nicht wegen Stromausfalls oder sonstwas leer ist. Abgesehen davon sind die Relais/Repeater im BOS-Funk der Feuerwehr und des Rettungsdienstes immer noch nicht flächendeckend auf längere Stromausfälle ausgelegt. D.h. bei einem flächendeckenden Stromausfall brechen die Verbindungen, die über Repeater laufen entweder sofort oder nach 2-3h weg. Grundsätzlich kann man mit den Funkgeräten, die in den BOS-Fahrzeugen verbaut sind, eine Relaisstation mimen, indem man z.B. einen MTW der Feuerwehr an geeigneter Stelle auf einen Hügel stellt. Aber dann ist das Fahrzeug für nichts anderes mehr verfügbar, man braucht Besatzungen (im 3-Schicht-Betrieb mindestens 6 Mann je 24h) und muss das Fahrzeug mit Strom versorgen, damit der Funk auch funkt. Bei einem lokal begrenzten Ereignis kann man das vorübergehend machen (wird auch gemacht), aber nicht in einer Flächenlage wie Blackout oder einem Kriegsszenario wie in der Ukraine.


    Es gilt also speziell beim Zivilschutz, die Lücken in den bestehenden Kommunikationssystemen zu schließen. Ich würde da auf laienbedienbare niederschwellige Lösungen setzen. Idealerweise ein System, das einfach funktioniert und an bestehende Endgeräte angebunden werden kann.

    Z.B. autark stromversorgte Richtfunkstrecken von den Landkreisverwaltungen zu den Kommunen und an den Endpunkten ein geschütztes WLAN, in das man sich vom Handy aus einbuchen kann, um z.B. Messenger und IP-Telefonie zu nutzen. Diese geschützten WLAN-Endpunkte verteilt man dann in den Kommunen dort, wo es sinnvoll ist (Rathaus mit Krisenstab, Feuerwehrhäuser, DRK, Turnhallen). Dabei kann man im gleichen Atemzug auch eine zweite - offene - WLAN-Struktur aufbauen mit frei zugänglichen Hotspots für ein Bürger-Informations- und Kommunikationssystem. Das kann man mit Freifunk-Lösungen wie z.B. der PirateBox unkompliziert aufsetzen. Vorteil von WLAN-Endpunkten in der Krisenkommunikation ist, dass es die dafür nötigen Endgeräte überall schon vorhanden sind (Handys, Tablets, Notebooks, Fritzboxen etc.).


    Damit ließe sich die gesamte Kommunikations-Pyramide im Zivilschutz abbilden: Bund - Land - Kreis - Kommunen - Bürger.


    Für Sonderfälle wie "Ich will im Blackout wissen, wie es meiner Oma im 700km entfernten Kiel geht" dürfen dann die OMs mit ihren Amateurfunkstationen ran :)


    Die Hilfsorganisationen wie Feuerwehr, THW, DRK, Malteser und die Polizei sowie die Bundeswehr betreiben davon unabhängig ihre eigenen Kommunikationssysteme, Lagezentren und Stäbe. Das ist je nach typischem Einsatzgebiet natürlich unterschiedlich ausgeprägt.


    Eine freiwillige Dorffeuerwehr wird kein 24/7-Lagezentrum betreiben und auch keine Weitverkehrs-Kommunikationstechnik haben oder beherrschen. Aber schon die kleinen Wehren können "Abschnittsführung", d.h. bei großen Lagen und überforderter oder ausgefallener Kreis-Leitstelle müssen die Feuerwehren selbst in der Lage sein, sich in ihrem Abschnitt zu führen. D.h. Lagezentrum, Annahme und Abwicklung von Einsatzlagen, Anlaufstelle für die Bevölkerung, Kontakt zu benachbarten Wehren, Meldewesen. Als im letzten Jahr in D mancherorts die Notrufnummern stundenlang gestört waren, wurden sämtliche FW-Gerätehäuser mit Personal besetzt und dienten als Anlaufstelle für die Bevölkerung, falls jemand einen Notfall oder Brand melden sollte. Das hat gut und geräuschlos funktioniert. In der Bevölkerung haben das viele gar nicht mitbekommen, im Radio wurde es aber hier und da thematisiert: "Die Notrufe sind gestört, bitte wenden Sie sich direkt persönlich an ihre örtliche Feuerwehr."


    Das DRK hält auf Landes- und Bundesebene für große Einsatzlagen erhebliche Mengen an Equipment vor, das normalerweise bei Erdbeben oder anderen Naturkatastrophen international zum Einsatz kommt. Das DRK betreibt dazu eigene Lagezentren und Kommunikationstechnik. Dito beim THW.


    Grüsse

    Tom