Nachtrag zu
https://www.previval.org/forum…1953&viewfull=1#post81953
Schlecht geschlafen letzte Nacht. Es hat mich beschäftigt, wie übel jemand in kurzer Zeit zugerichtet werden kann. Und dass nur ein paar Sekunden bis wenige Minuten vor mir jemand da war, der allerunterste Schublade menschlichen Verhaltens zeigte. Auf jemanden am Boden, "Besiegtes", einzutreten läuft für mich unter Mord-/Totschlagversuch (im Hauptbahnhof Zürich von Freitag auf Samstag auch ein solcher Fall). Dann war noch die Ungewissheit, ob ich wirklich genug und das Richtige getan hatte.
Heute morgen habe ich erfahren, dass der Verletzte ausgeflogen wurde. Muss also sehr schlimm gewesen sein.
Was ich nach einmal Drüberschlafen anders machen würde:
- Solange sich nicht jemand als Arzt/Sanitäter o.ä. zu erkennen gibt oder mich einspannen und umfassend informieren kann (also Nothilfe-Kompetenzen zeigt) gehe ich davon aus, dass ich derjenige bin, der am besten gerüstet ist (trotz erst dieser Erfahrung und länger zurückliegenden Kursen) und übernehme die Verantwortung bis zum Eintreffen der Profis. Bloss weil sich jemand um den Verletzten kümmert heisst das noch nicht, dass sie ihn auch bestmöglich gecheckt haben. Möglicherweise hatte ich mit dem Hilfe anbieten und vielleicht auch den Fragen die bereits aktiven Helfer überfordert, da sie möglicherweise selbst nicht wussten, was weiter tun. Vielleicht fühlten sie sich durch die Fragen sogar "kontrolliert" (als Laie ist man ja i.R. unsicher, ob man wirklich das Richtige tut).
- Ich bleibe also zukünftig und überwache den Verletzten bis die Ambulanz eintrifft.
- Mich nicht irritieren lassen, dass Massnahmen laufen wie Blut abwischen. Das heisst noch lange nicht, dass der Puls gefühlt wurde und der Zustand des Verletzten überprüft/überwacht wird.
- Mich sofort den Helfern und dem Verletzten mit Namen vorstellen, um die Situation zu entanonymisieren.
- Nachfragen, was sie schon gemacht haben, mich aber trotzdem selbst vergewissern. Umgehend mit eigenen Massnahmen beginnen, wenn die Antworten zögerlich kommen. Die Helfer stehen vielleicht ebenfalls unter Schock oder sind noch halb mit anderem beschäftigt (z.B. wer der Täter war, wohin er ist, etc.).
Beim konkreten Fall:
- Dem Verletzten sagen, dass Hilfe kommt (weiss nicht, ob ihm das überhaupt jemand gesagt hat, finde ich psychologisch wichtig) und dass ich bei ihm bleibe bis diese da ist.
- Handschuhe an und überprüfen, ob irgendwo noch stark Blut fliesst (ich schaute nur, ob sich eine weitere Lache bildete), insbesondere auch im Mund.
- Der Frau, die Blut abtupfte, Handschuhe anbieten.
- Falls ich unsicher bin selbst die Notfallnummer anrufen und um Rat fragen.
- Es hatte zwar nur wenig Gaffer (ca. 10-15), aber sie nerven. Falls möglich weitere Decke und Helfer organisieren, die Sichtschutz bieten.
Konsequenzen:
- Anschaffung einer Beatmungsmaske für den Eigenschutz (ist bereits heute Nachmittag erledigt)
- Wiederholung des Nothelferkurses so bald als möglich (stand eh schon auf dem Programm), von der ich aufgrund der erfahrenen Situationen sicher viel mitnehmen können werde
Offene Fragen (vielleicht wissen die Erste-Hilfe-Profis hier drin etwas dazu?):
- Angenommen, er hätte einen Schock bekommen, würde man dann trotz der Verletzungen im Kopfbereich die Beine hochlagern?
- Was macht man bei Blutungen im Mundbereich?
- Hätte ich den Verletzten prophylaktisch in die Bewusstlosenlagerung bringen sollen (er lag seitlich und die helfende Frau schaute, dass er so liegenbleibt)? Oder doch lieber nicht, falls er sich innerlich oder am Rücken verletzt hatte?
- Der Verletzte hatte eine Jacke an, lag aber sonst auf dem asphaltierten Boden (Bushaltestelle, draussen, trocken). Die Decke war nur über ihn gelegt. Hätte man ihm zusätzlich eine Decke unterschieben sollen (ist ja inzwischen kühl und auf dem Land mit 10-20 Minuten Wartezeit zu rechnen)? Bei Schock ja nicht unwichtig. Oder ist beim Unterschieben/Drauflegen das Risiko von Verschlimmerungen zu gross?
- Können die erfahrenen Profis anhand der Blutlachen einschätzen, wieviel Blut jemand verloren hat? Ich konnte es nicht. Es sah dramatisch aus, aber ob 1dl oder 1l, schwierig!
Schwierig abzuwägende Fragen für den Laien-Ersthelfer, der rasch entscheiden muss und der ein wichtiges Glied in der Rettungskette, aber auch rasch an den Grenzen ist. Vor allem, wenn möglicherweise Lebensgefahr besteht.
Herzliche Grüsse
linthler