War Surgery Field Manual online

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  • Liebe Foristen-
    Long time reader, first time poster, wie man so sagt. Ich möchte die Medizininteressierten unter Euch auf ein wenig bekanntes Buch hinweisen, das mich seit Jahren beeindruckt hat, nachdem ich es aus Südostasien bestellt hatte. Hans Husums "War Surgery Field Manual", das in der zweiten Auflage jetzt Volltext online zugänglich ist:http://traumacare.no/warsurgery-online/
    Husum hat seit 30 Jahren in Afghanistan, Palästina, dem Irak und in Kambodscha unter Guerillabedingungen medizinische Versorgungssysteme aus dem Boden gestampft und dabei jede Menge Dogmen beiseitegeschoben. Damage-control-surgery unter einer Stunde bei Schockpatienten war für ihn 1994 in der Erstausgabe schon ebenso selbstverständlich wie permissive Hypotension, Trends in der Traumaversorgung, die erst in den Nullerjahren in den medizinischen Mainstream eingesickert sind. Wenn es nicht genug Akademiker gibt, werden eben in "Dorfuniversitäten" Laien mit Volksschulabschluss zu Frontchirurgen ausgebildet und an Schweinen und Hunden Notoperationen geübt. Ein toller Typ, den ich gerne mal kennen lernen würde.
    Das Buch ist auch kein reines medizinisches Lehrbuch sondern befasst sich ebenso profund mit dem Aufbau eines Ausbildungssystems, Improvisation von Instrumenten, Wirkung moderner (zum Teil noch experimenteller) Waffensysteme..oder wie Napoleon angeblich sagte: "Amateure reden von Strategie, Profis reden von Logistik".
    Es enthält Abschnitte, die für die Ausbildung einheimischer Ersthelfer gedacht sind und daher für medizinische Laien eine gute Einführung in das Handwerk der Notfallmedizin darstellen, ebenso wie Operationsanleitungen, die für den nicht-chirurgisch tätigen Arzt ebenso hilfreich sind wie für den Spezialisten, der nur noch endoskopisch im Hybrid-OP arbeitet, und keine Erfahrung mit Chirurgie unter einfachsten Bedingungen hat.
    Diese Leute haben die lokale Bevölkerung immer medizinisch vollversorgt, neben der komplexen Kriegstraumatologie sind also die Klassiker der Basismedizin, wie Infektionskrankheiten bei Kindern und Geburtshilfe auch mit abgebildet.


    Englisch muss man lesen können, auf Deutsch gibts das Buch nicht, das ist die einzige Voraussetzung um davon zu profitieren. Ansonsten wäre mein Preppertip: Dieses Buch bestellen oder ausdrucken, dazu einen Anatomieatlas, für die einsame Insel, die Blauwasseryacht oder den Untergang der Weltwiewirsiekennen, damit ist man fein ausgerüstet.


    Gruss,
    KarlRossmann, MD

  • Habe ich da einen Link übersehen, oder kann man sich das Manual nur runterladen, wenn man einen kostenpflichtigen Account bei Scribd hat?:confused:


    Gruss trainman

    Als Noah mit dem Preppen begann, hat es nicht geregnet.

  • Hallo Trainman,
    ja das ist möglich. Ich habe die Papierausgabe 1st Edition und die 2. daher nur online gelesen. Es gibt aber wohl grade ein Gratisprobeabo bei Scribd.


    Gruss,
    KarlRossmann

  • Scheint schon ziemlich veraltet zu sein.


    Um nur die wirklich schlimmsten Fehler zu nennen: Antibiotika, Nadeldekompression, Tourniquets und Kolloidale Volumenersatzlösungen sind laut Buch unnötig/falsch/unbrauchbar :peinlich:



    Ich habe auch ein "War Surgery" Buch als PDF auf meinem Rechner, allerdings bin ich mir nicht sicher ob es wirklich ein Nachfolger davon ist.


    Das Buch aus deinem Link hat nämlich wirklich viele (gute) Abbildungen.

  • Hallo Wolfshund-


    Meines Wissens gab es den Husum bisher nicht in elektronischer Form, und die Abbildungen sind auch in der ersten (Papier) Ausgabe schon sehr gut. Vielleicht hast Du den "Giannou/Baldan", vom Internationalen Kommitee vom Roten Kreuz? Auch ein wertvolles Buch, aber nicht als "Kochanleitung".


    Gruss,
    KarlRossmann

  • Hallo,


    Nur mal so als Laie gefragt. Wie soll ich mir dieses Buch vorstellen? Kann ich da als unbedarfter Laie eine Blinddarmoperation mit vermutlich nicht lethalen Ausgang durchführen?


    Oder ist das doch eher für Profis die sich alte/einfache/(primitive) Techniken aneignen wollen die sie in einer Krisensituation verwenden können?


    Gruß
    Gerald

  • Zitat

    Emergency
    War Surgery
    THIRDUNITEDSTATESREVISION
    2004
    Department of Defense
    United States of America


    Das steht in "meiner" Version




    Gerald
    Eindeutig letzteres.

  • Gerald:
    Ich will´s mal so ausdrücken: Wenn´s dafür ein Buch gäbe, dann dieses. In Husums "Dorfuniversitäten" sind Leute, die grade mal lesen und schreiben konnten, zu Sanitätern und - mit einiger Erfahrung als Assistenten - auch zu "Chirurgen" ausgebildet worden. In den Operationskursen wurden Schweine narkotisiert und diesen dann Stich- und Schussverletzungen beigebracht.
    Die Schüler haben die Tiere dann, auch operativ, versorgt (und hinterher aufgegessen).
    Solche Kurse in unseren Breiten zu organisieren wäre kaum möglich. (In stabilen Zeiten - der Aufbau eines Ausbildungssystems, nicht nur in der Medizin, nach einem wie auch immer gearteten Zusammenbruch, ist generell ein interesantes Szenario. Gibt es hier eigentlich Lehrer?)
    Der handwerkliche Teil der Medizin kann eben auch handwerklich vermittelt werden - muss er aber auch, ohne irgendeine Art von praktischer Übung unter Anleitung wird es nicht gehen.
    Eine Blinddarmentzündung ist allerdings auch schwieriger zu diagnostizieren als ein Bauchschuss.
    Wenn der Ort des Problems ins Auge springt und der Patient einem erkennbar unter den Händen wegstirbt, werden sehr beherzte Leute mit Erfahrung am toten Tier (Jäger oder Selbstschlachter) sich gelegentlich zu heroischen Taten durchringen.
    Was aber von den meisten versucht und z.T. trocken geübt werden kann: Einrenken ausgekugelter Gelenke und Einrichten, Schienen oder Gipsen von Brüchen, Blutstillung mit "Packen" und richtigem Verband, Ausspülen verschmutzter Wunden mit (viel) sauberem Wasser, evtl. nach örtlicher Betäubung, und einiges mehr.


    Wie gesagt, alle die Englisch lesen können, werden aus dem Buch etwas mitnehmen.


    Gruss,
    KarlRossmann

  • Ah, Wolfshund-
    jetzt verstehe ich den ersten Satz erst.
    "Veraltet" ist in der Medizin ein Begriff mit kurzer Halbwertszeit. In den ca. 25 Jahren, die ich inkl. meiner Sanitäterzeit überschaue, ist manche Sau schon 2-3 Mal aus dem Dorf, und wieder hineingetrieben worden. Und Husum hat, wie ich im Eingangspost erwähnte, unglaublich viel Erfahrung in einem sehr speziellen Setting und einen guten Riecher: Was er in der Erstausgabe von 1994 schon entwickelt hat, Stichwort damage-control-surgery und Vollbluttransfusion mit Zurückhaltung bei der Infusionstherapie bis zur Blutstillung, starke Betonung der Wärmeerhaltung zur Vermeidung der "lethal triad", ist erst allmählich nach den Erfahrungen der westlichen Seite im Irak- und Afghanistankrieg in den offiziellen Kanon aufgenommen worden.
    Zu Deinen aufgeführten Punkten:
    Antibiotika so kurz wie möglich, hochdosiert, kombiniert, chirurgische Sanierung geht vor - was ist daran falsch? Ok, Penicillin G fand ich immer eine seltsame Wahl, aber ich vermute mal, da war nichts anderes zu bekommen/zu bezahlen.
    Nadeldekompression: Vielleicht für den Medic mit Notkompetenz unter Zivilisationsbedingungen, ansonsten ist meine erste Wahl die Fingerthorakostomie mit dem Messer. Da stehe ich auch nicht allein da, auch Notfallgurus wie Scott Weingart von "emcrit" http://emcrit.org/podcasts/needle-finger-thoracostomy/ sehen das so. Es gibt aber auch ein "Pro-Nadel-Lager".
    Torniquets: Stimmt, da steht mittlerweile viel Evidenz gegen ihn. In den Sanitätsdiensten der westlichen Kriegsparteien sind aber auch die Bedingungen anders: Ob Dich nach 30´ein Blackhawk ins voll ausgerüstete Frontlazarett fliegt oder man Dich nachts auf dem Esel über die Berge schafft macht schon einen Unterschied. Ich sehe den Wert der modernen "CAT"s am ehesten in der Selbstrettung. Sollte jedenfalls nicht erste Wahl bei der Blutstillung sein. Einverstanden?
    Kolloide sind die Sau, die grade *aus* dem Dorf getrieben wird. Stichwort 6S-trial, Rote-Hand-Brief für HES etc. War sowieso immer ein kontinentaleuropäisches Ding und anderswo eher unbekannt. Aber wie gesagt, in 5 Jahren gibts dann wieder ne Studie wo sie Das Nächste Grosse Ding sind, wetten?


    Vielen Dank für den Input,


    Gruss,
    KarlRossmann


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    Super, Danke!

  • Zitat von karlrossmann;155401

    ...
    Solche Kurse in unseren Breiten zu organisieren wäre kaum möglich. (In stabilen Zeiten - der Aufbau eines Ausbildungssystems, nicht nur in der Medizin, nach einem wie auch immer gearteten Zusammenbruch, ist generell ein interesantes Szenario. Gibt es hier eigentlich Lehrer?)
    ...


    Moin Karl, moin @ll,


    eine solche Ausbildung bei uns in "Friedenszeiten" anzubieten scheitert an diversen Widerständen und nicht zuletzt an der Tatsache, dass jeder und jede (sprich "Otto Normalverbraucher") das Bild einer optimalen Versorgung und einer vollständigen Genesung vor Augen hat.
    Sarkastisch formuliert wollen die Leute in dem Kurs so nähen lernen, dass hinterher keine Narbe zu sehen ist. :Ironie:


    Die, die sich für solche Themen interessieren haben oftmals sehr spezielle Vorstellungen von dem, was sie lernen wollen. Ich versuche seit Herbst 2012 einen Kurs "Outdoor Erste Hilfe" in meinem Verband auf die Beine zu kriegen. An Interessenten mangelt es eigentlich nicht, jedoch ist die Interessenlage extrem inhomogen. (Aber ich gebe nicht auf - das nächste Frühjahr kommt bestimmt... :Gut:)


    Das sieht in Krisengebieten schon anders aus. Mein Laden hat im Rahmen der Auslandshilfe seinerzeit ein Ausbildungsprojekt in Kabul gestartet, bei dem ein doppelgleisiger Ansatz gefahren wurde:
    1) Es wurden einheimische Rettungsdienstmitarbeiter qualifiziert, die ein System der Versorgung und des Transportes in eine Klinik selbst installieren zu können.
    2) Es wurden Ausbilder qualifiziert um die Bevölkerung in Erster Hilfe auszubilden.


    Der Gedanke ist wie immer bei uns im Anschluss an eine Soforthilfe die Befähigung zur Selbsthilfe als Zukunftsansatz zu geben.


    Aus einer Unterhaltung mit dem verantwortlichen Kollegen weiss ich, dass das Programm seinerzeit gut angenommen wurde. Bitte frag´ mich jetzt keiner nach dem aktuellen Status, ich habe das Thema einfach nicht weiter verfolgt...


    So, und jetzt freue ich mich darauf, bei nächster Gelegenheit mein Fachenglisch an Hand der genannten Literatur wieder auffrischen zu können - btw. wie groß sind eigentlich die empfohlenen Downloads?


    Beste Grüße


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Hallo,


    Ev. hättet ihr sagen sollen, daß da Bilder drin sind die nichts für schwache Nerven sind. Die sind wirklich Hardcore.


    Also an alle die weg sehen wenn wer blutet: Die Bilder in diesem Buch sind 100x härter.


    Ansonsten ist es in recht gut verständlichen Englisch geschrieben.
    Ich denke man kann da schon einiges mitnehmen.


    Viele Grüße
    Gerald

  • Kolloide werden nur im Bereich RD/KH "aus dem Dorf getrieben", bei Militär und Katastrophenmedizin sind sie auf Grund des Gewicht/Volumenverhältnis unverzichtbar.


    Bei den Antibiotika habe ich nur die Überschrift gelesen ("Antibiotics are not that important") wobei ich das "that" auch noch überlesen habe :unschuldig:


    Zur Nadeldekompression: Im Notfall ist das einfach eine schnellere und sichere Alternative. Klar muss die Thoraxdrainage auch kommen, aber das hat dann mehr Zeit.
    Das generelle Nein zur Nadeldekompression ist falsch.

  • Kolloide werden als Volumenersatz bei *Blutverlust* auch ohne neue Evidenz aus dem Dorf getrieben. Die neuen Studien beziehen sich alle auf Sepsispatienten.
    "Unverzichtbar".. hmmm, das US Militär verzichtet offenbar darauf. Aus den von Dir hochgeladenen guidelines: "colloid-containing fluids have no significant advantage over Ringer´s Lactate for resuscitation of the shock casualty" Abschnitt IX-6.
    Ein generelles Nein zur Nadeldekompression ist sicher falsch. Die Argumente pro und contra stellt Weingart in seinem podcast sehr gut dar. Schneller? Für den Ungeübten auf jeden Fall. Sicherer? Nope. Nach der Punktion hat jeder auf der Seite einen Pneu, ob er vorher einen hatte oder nicht. Nach der Fingerthorakostomie (nicht notwendiger Weise mit Draineinlage), nähe ich bei negativem Befund die Haut mit zwei Stichen zu und gut. Ist der Patient noch bei Bewusstsein/noch nicht in extremis, sollte man aber ein bisschen betäuben. Dann dauerts wieder länger.


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    OT-
    Ihr müsst mir sagen, wieviel "Fachsimpeln" hier im Forum ok ist. Diese Diskussion ist sicher nicht für jeden interessant. Ich kenn mich hier noch nicht so aus.

  • Woher hast du die Information dass das US-Militär darauf verzichtet?
    Bei Kristalloiden verbleibt nur ein Drittel des Volumens im Gefäßsystem, somit braucht man für jeden Blutverlust die dreifache Menge an Infusionslösung.
    Für Infanteristen ist es unmöglich so eine Menge mitzuführen, also braucht man Kolloide.


    Die Nadeldekompression ist sicherer, das erkennt man schon an der offensichtlich geringeren Invasivität.
    Das ein Pneumothorax durch die ND erzeugt wird ist unwahrscheinlich, so daneben kann man mit seiner Diagnose gar nicht liegen.
    Erfahrungen aus dem Militär beweisen das.

  • Ich glaube, ich habe gegen diese beiden Punkte bereits in meinem letzten post argumentiert. Daher lasse ich das jetzt mal so stehen, sonst verrennen wir uns hier. http://xkcd.com/386/